Heft
23. Die Liebe erringt den Sieg II. Teil
Des Apostels Johannes Wirksamkeit
nach Jesu Auferstehung in Jerusalem und Ephesus
Inhaltsverzeichnis
01. Des Johannes Wirken in Jerusalem
02.
Aussprache mit ein persischen Priester und 2 Kaufleuten
03. Die Verhaftung
von vier Brüdern durch die Templer
04. Aufklärung über das Jenseits
05.
Die Befreiung der vier gefangenen Brüder und der Abschied der Perser
06. Der Tod Marias
07. Veränderung des Johannes
08. Johannes in Ephesus Irrlehre des Boethos in
Ephesus über den Scheinleib Jesu - und seine Bekehrung
09. Begnadung des
Maternus mit der Gabe des Heilens
10. Seefahrt des
Johannes von Ephesus nach Smyrna Der Sturm und die Bekehrung des Schiffsherrn
Nausikles
Des Johannes Wirken in Jerusalem
Die Zeit, die Johannes mit Jesus zusammen war, war längst vergangen. Jesus hatte
Sein Werk, das der Erlösung, vollbracht, und die Jünger waren in die Fussstapfen
ihres Meisters getreten. Für sie waren es erhebende Stunden, wenn sie an die mit
ihrem Meister verlebten Zeiten zurückdachten. Nun zeitigte der Ernst der
Gegenwart andere Erlebnisse. Hatten sie mit Jesus Herrlichkeiten erlebt, so
erlebten sie nun Himmel, die sie in der Liebe und im Geiste ihres Meistens in
sich selbst erbauten. Überherrliche Gesichte und Offenbarungen waren die Folge
ihres nun sich auswirkenden Liebelebens. Viel trug dazu bei, dass Mutter Maria
fast immer bei Johannes in Jerusalem weilte, während die anderen Brüder von
Stadt zu Stadt zogen, von Land zu Land, ausgerüstet mit der Kraft des Meisters;
dagegen blieb Johannes fast immer in Jerusalem und war allen Bruder, Priester
und Diener.
Aussprache mit einem persischen Priester und zwei persischen Kaufleuten
Das Leben hatte ihn auf eine Stufe gestellt, von der aus er zu jedem sprechen
und allen dienen konnte, und seinen Brüdern, so sie manchesmal in Bedrängnis
gerieten, wurde er im wahrsten Sinne der Stellvertreter des Meisters.
Am innigsten war er mit Jakobus verbunden, dem Bruder des Herrn, dann mit
Petrus. Die ganze Gemeinde hatte neben Jakobus zu keinem anderen so grosses
Vertrauen wie eben zu Johannes. So ist es verständlich, dass das Haus der Maria
zu einem Heim der Liebe und einem Bergungsort wurde.
Wie waren die Priester erbost, wenn sie erleben mussten, wie die nach Liebe und
Wahrheit Hungernden immer und immer wieder in das Heim der Liebe gingen. Manch
ein Versuch, das verhasste Heim zu zerstören, wurde gemacht, aber stets ohne
Erfolg. Johannes hatte dank der Fürsorge eines Römers erreicht, dass in diesem
Hause einige römische Soldaten zum Schutze bestellt wurden.
Immer grösser wurden die Aufgaben der Brüder, aber auch ständig grösser die Nöte
der Suchenden. Meist waren die Brüder wochenlang, ja oft monatelang fern; da
hielt es Johannes erst recht für seine Pflicht, in Jerusalem zu bleiben.
Wieder einmal waren alle Brüder unterwegs. Zu dieser Zeit kamen zu Johannes
fremde Kaufherren, weit aus Persien, um an der Quelle die Wahrheit und die
lebendige Kraft zu erfahren, die sie in Persien mit grosser Beredtsamkeit
schildern hörten. Ihnen hatte sich noch ein persischer Heidenpriester, namens
Karsna, zugesellt. Auch diesem war es recht ernst um die Wahrheit.
Johannes in seiner Liebe empfing diese Menschen, und bald war der rechte Kontakt
gefunden, der sie alle verband. Maria, die gerade zugegen war, wurde von
Johannes aufgefordert, ihm dienend zur Seite zu bleiben. Es würde nötig sein.
Der Heidenpriester ging ohne Umschweife auf das Ziel los und fragte:
„Was ist es um Jesus, der von den Toten wiederauferstanden sein soll? Wer ist
seine Mutter und wer sein Vater, und wie verlief seine Jugend? Es gehen so viele
Gerüchte über diesen Menschen um. Ich würde gerne die Wahrheit erfahren."
Johannes erwiderte: „Hier, diese Maria ist Seine Mutter. Jesu Zeugung und Geburt
sind jedoch ein grosses Wunder."
Als Johannes schwieg, forschte der Priester weiter:
„Wieso Wunder? Ist nicht jede Geburt eines Menschen ein Wunder?"
Johannes: „Gewiss, aber um Jesus ist noch ein Geheimnis, das der Verstand auch
des Verständigsten nie und nimmer völlig fassen wird. Schon die Propheten haben
Seine Ankunft vorausgesagt und haben geweissagt, dass Er von einer Jungfrau
geboren werden wird; und so ist es auch geschehen."
„Freund", sprach der Priester, „wie soll ich das verstehen; wir sind doch
erfahrene Männer."
Sprach Maria: „Freunde aus der Ferne, so unglaublich es auch klingen mag, ich
habe diesen Jesus ohne Zutun eines Mannes empfangen und Ihm auch das Leben
geschenkt ohne einen Schmerz. Die Verheissung wurde mir durch einen Engel, der
mir sichtbar und hörbar wurde. Ich war noch ein halbes Kind und habe weder den
Engel, noch hernach die Menschen, verstanden, die mich auf meinen Zustand
aufmerksam machten. Es war damals eine bittere Zeit für mich, und der Tempel tat
alles, diesen Umstand aufzuklären, da ich ja im Tempel erzogen und dem alten
Joseph dann zur Pflege übergeben worden war.
Wir mussten Giftwasser trinken; und da es uns nicht schadete, wurde unsere
Unschuld offenbar. Als der kleine Jesus geboren war, sind auch Landsleute von
euch gekommen und haben dieses Kind als einen König geehrt. Jesus wuchs auf wie
andere Knaben; aber schon mit zwei Jahren sprach er grössere Weisheiten aus als
erfahrene Männer. Es ist unmöglich, dies alles in Kürze zu erzählen. Aber das
Wichtigste ist ja doch nicht Seine Person, sondern der in Ihm wohnende Geist."
Der Priester erwiderte: „Es ist schwer, dieses ohne weiteres zu glauben, doch
ist meines Erachtens die Person genau so wichtig wie der Geist, von dem Er
belebt worden ist. Ich bitte aber, mir meine Zweifel nicht zu verübeln.
Unglaubliches wird ja über Ihn erzählt, darum ich kein Opfer scheute, um die
Wahrheit zu erfahren."
Johannes: „Freund, sei versichert: Wir dienen dir im Geiste Jesu und haben nur
einen Wunsch: dass du uns recht verstehen mögest. Hinsichtlich der Geburt Jesu
wird in ferne Zeiten mit Zweifeln zu rechnen sein. Aber wir waren ja Zeugen
Seines Lebens, Wirkens und Schaffens. Dennoch wird es für dich und alle Anderen
um Vieles leichter sein, Sein Wesen und Seinen Geist zu erfassen, als wie es für
uns dereinst war. Wir haben Seine Menschheit, wie Seine Herrlichkeit, geschaut,
die Er uns offenbarte; aber nicht in Worten, sondern wahrhaft in Taten. Ihr, die
ihr gekommen seid, um die Wahrheit über Jesus zu erfahren, werdet ja von selbst
von der Wahrheit durchdrungen, wenn ihr es Ihm ermöglicht, Seinen Geist auf- und
anzunehmen. Dieser Geist ist Liebe, Liebe und immer wieder Liebe; aber keine
Liebe, die da blind ist, sondern mit höchster Weisheit gepaart. Wenn Menschen
mit Jesus zusammenkamen, hat es oft Anstösse gegeben wegen Seines Menschlichen.
Ihr, die ihr nur den Auferstandenen, und zwar dem Geiste nach, erleben werdet,
habt mit Seinem Menschlichen nichts mehr zu tun."
Der Priester: „Mein Freund, es ist recht ermutigend für uns, wenn du uns die
Verheissung gibst, diesen Auferstandenen zu erleben. Für dich ist solches ja
leicht; aber für uns taucht wieder die Frage auf: Ist dieser auferstandene Jesus
derselbe, den ihr als Mensch Jesus gekannt habt? Viele Kräfte werden offenbar in
der Natur, genauso wie im Übersinnlichen."
Johannes: „Da muss ich dir recht geben. Wer aber - wie wir - jahrelang mit Ihm
gelebt hat, Sein Sterben und Seine Auferstehung erlebte, ist nicht mehr zu
täuschen. Aber das ist noch nicht das Wichtigste, dass wir von Seiner
Auferstehung von den Toten überzeugt sind, sondern: dass uns Sein Geist erfüllt,
den Er uns lange vor Seinem Tod verheissen hat. Diesen Geist zu erringen, ist
das Wichtigste; denn in diesem Seinem Geist überkommt mich und uns alle Seine
Kraft und Weisheit. Hast du einmal dieses an und in dir erlebt, dann hören alle
Fragen über Jesus auf, denn dann hast du Sein Leben mit Seinem Geiste übernommen
und bist ein neuer Mensch geworden. Was würden auch alle die Wahrheiten bedeuten
ohne Seinen Geist, und was würde der Glaube an Ihn sein, so ihr nicht von Ihm
belebt würdet! Nichts könnte euch auf die Dauer befriedigen; aber in Jesu Geist
und Leben hat ein jedes Leben einen neuen Wert bekommen, und die Ewigkeitsfragen
sind gelöst."
„Es ist aber noch keiner, der starb, wiedergekommen", erwiderte der Priester,
„und bis jetzt sind wir ohne jede Hoffnung geblieben."
Johannes: „Wir nicht, liebe Freunde, denn der Tod ist nun kein Schrecken mehr
für uns. Jesu Liebe hat für alle, die an Ihn glauben und nach Seiner Lehre
leben, den Tod überwunden und ihnen ein ewiges Leben verheissen. Dieses ewige
Leben wird aber nicht erst nach unserem Leibestode offenbar, sondern schon hier
in unserem Erdenleben; und ihr könnt versichert sein, dass mir alle Tore im
Jenseits offenstehen."
Sprach ein anderer: „Freund, was du uns da sagst, ist noch nicht gehört worden.
Dir sollen alle Tore des unbekannten Jenseits offenstehen? Wie sollen wir denn
das verstehen?"
Johannes: „Nicht anders, als dass mir jederzeit das Schauen gegeben ist der im
Jenseits Weilenden. Du wirst dich wundern, wenn ich dir sage, dass du von einem
jungen Mann begleitet wirst, der dich sehr lieb hat. Es ist deines Bruders Sohn;
er hat sein Leben bei einem Wagenunglück verloren, das dich auf einer Reise
betroffen hatte. Du selbst hattest dabei wenig Schaden erlitten. Untröstlich
wärest du aber, da du deinem Bruder versprochen hattest, auf seinen Sohn
gewissenhaft zu achten."
„Das ist wahr, mir ist dieses tatsächlich geschehen", bestätigte der Kaufmann,
„aber das ist mir unerklärlich, wie du um dieses wissen kannst, und — dass
dieser mein tief betrauerter Karkas immer bei mir sei? Dieses zu wissen, ist für
mich ein Rätsel."
Johannes: „Ist es dir noch zu wenig Beweis, dann wisse: dieser dich begleitende
Karkas lässt dir sagen, du mögest mit den Templern kein Geschäft abschliessen,
denn du sollst zu grosser Schlechtigkeit missbraucht werden."
Sprach der Kaufmann zu dem Priester:
„Höre, Freund Karsna, was ist nun zu glauben? Jetzt soll ich nicht einmal das
Geschäft mit den Templern abschliessen, um das ich mich so bemüht habe; was
sagst du denn nun zu dem allem?"
Karsna: „Ich stehe vor grossein Rätseln. Trifft alles das zu, was dieser Jünger
sagt, dann hat jedes Suchen nach einer anderen Wahrheit keinen Zweck mehr, dann
sind wir am Ziele unserer Sehnsucht. Lasse dir aber von dem Jünger noch mehr
offenbaren, denn ich habe das grösste Interesse daran."
Johannes: „Noch mehr zu offenbaren, sehe ich nicht ein. Entweder ihr glaubet
diesen euch gegebenen Beweisen, oder ihr tut es nicht. Ist es euch ernstlich um
die Wahrheit zu tun, dann sei euch dies Wenige schon übergenug, denn ich bin
nicht da, um von geistigen Dingen zu plaudern, sondern um Leben aus Gott zu
künden. Noch einmal sage ich dir, der du ein Priester bist: Lass dich von dieser
Wahrheit ergreifen, und du wirst den dir anvertrauten Seelen das Leben aus Gott
bringen. Bis jetzt haben der Aberglaube und die Unwissenheit dieser Menschen
dich noch nicht ernstlich nach Wahrheit bedrängt; aber wie willst du bestehen
können, wenn einige deiner Glieder von dir nun Beweise fordern, wie du sie von
mir gefordert hast? Ich brauche sie nicht zu fürchten, denn ich bin im Besitze
der ewigen Wahrheit. Was aber kannst du mir wohl an Beweisen bieten, so ich dich
nach deinen Göttern und nach den Toten frage, die du geliebt hast? Ich denke
dabei an dein Weib, das du nicht von der Wahrheit deiner Götter hast überzeugen
können und das im Jenseits immer noch nicht zur Quelle des Lebens gelangt ist."
Karsna: „Was bist du für ein Mensch, dass du auch um dieses weisst? Ich glaubte
sie tot, und du sagst, dass sie immer noch nicht zur Quelle des Lebens gelangt
sei!"
Johannes: „Freund, das Leben aus Gott gibt mir dies als Beweis für euch. Ihr
denket, ich lese eure Gedanken; da habt ihr recht. Aber nicht nur eure Gedanken
kenne ich, sondern auch Dinge aus eurer Vergangenheit, an die ihr längst nicht
mehr denkt. Zum Beispiel du, der du dir noch nie so recht die Mühe gegeben hast,
das Leben deiner Götter zu erfassen, kannst nicht die Sünden deiner Jugend
abwaschen und weisst bis heute noch nicht, warum deine Kinder so schlechte Augen
haben. Wie klagte dein Weib über dieses Unglück. Dabei warest du der Urheber
selbst. Nie hast du darüber nachgedacht, dass du in der Jugend gefangene Vögel
blendetest und es dir übergrossen Spass machte, wenn die blinden Vögel nicht
mehr wussten, wohin sie fliegen sollen. Niemals kam dir in den Sinn, dass auch
ein solches Tier Futter suchen muss - und nun keines mehr finden konnte."
„Auch das weisst du?" sprach der Priester. „Meine Jugenddummheiten sind also die
Ursachen dafür, dass meine Kinder schlechte Augen haben? O wie grausam ist das
Schicksal; meine Kinder müssen die Dummheit ihres Vaters büssen!"
Johannes: „Rede nicht von Schicksal, sondern denke an die ewigen Gesetze einer
Gottheit! Der ewige Gott und Schöpfer Himmels und der Erden, der in Jesus, dem
Menschensohne, sich offenbaren konnte, hat uns noch vieles mehr erleben lassen.
Auch dir sei gesagt, dass deiner Kinder Augen nur der ewige Gott heilen kann, so
du an Ihn glaubst und nach Seinem Willen alles gutmachen willst, was du in
deinem Leben versäumtest."
Karsna: „Freund, hier meine Hand, ich will glauben, und wenn sich alles gegen
mich wenden sollte! Du kennst meine Gedanken und siehst, dass ich es ehrlich
meine, und dies darum, weil du wohl Tatsachen feststelltest, aber mir keinen
Vorwurf machtest, sondern sogar Heilung zusicherst. Habe Dank dafür und lasse
mich Seine Lehre wissen!"
Johannes: „Bald wirst du von der Lehre erfahren; aber zuvor möchte ich mit
deinen Freunden ins reine kommen, denn sie sind auch um Jesu willen gekommen."
Nun sagte einer der Kaufleute zu Johannes: „Freund, mir ist es eine grosse
Freude, dass ich endlich an die Stufen des wahren Gottestempels gelangt bin. Ich
brauche deswegen nicht zu fragen, sondern nur zu hören. Alles, was du meinen
Freunden sagtest, ist so gut wie mir gesagt, und darum ist es mir Freude, dir zu
danken, weil du so ehrlich bist und dich nicht scheutest, unserem Priester die
Wahrheit zu sagen. Nun, er hat dir gedankt, und dass er sein gegebenes
Versprechen hält, davon bin ich überzeugt, ich kenne ihn. Dass aber sein Weib
noch nicht an der Quelle des Lebens sein kann, ist betrübend, aber was ist da zu
tun, sie lebt doch nicht mehr?"
Johannes: „Dem Leibe nach ja nicht mehr, dennoch hat sie dem Geiste und der
Seele nach genau das Leben wie wir, nur mit dem Unterschied, dass wir noch das
Fleisch, die Hülle unserer Seele, tragen. Auch sie ist durch die Gnade Gottes
mit hier und Zeuge dessen, was hier gesprochen wird. Ein Gott, der da Liebe und
Leben ist, hat keinen Gefallen an dem Untergang Seiner Geschöpfe. Durch Seine
Menschwerdung in Jesus hat Er Mittel und Wege geschaffen, dass auch jene, welche
die Botschaft Seiner Liebe und Lehre nicht erfahren konnten, sich zu Ihm wenden
können. Seid darum ohne Sorge über die, die da in Seiner Obhut leben, sondern
sorget euch vielmehr um euch selbst, damit ihr das Leben erfasset und erkennet
und in diesem Erkennen euch selbst einmal kennen lernt! Der Mensch, wie er jetzt
ist, geht seinem Verderben entgegen, wenn er sich nicht in Gott findet. Sich in
Gott finden aber bedeutet: Gott und Seine Wahrheit suchen und in dieser dann
gefundenen Wahrheit verbleiben. Ist der Mensch soweit, dann wird ihm
hinzugegeben, was ihm zu seiner weiteren Entwicklung dient, durch den Geist der
Gnade, der wie ein Quell aus der Gotteswahrheit hervorgeht. Keiner könnte da
jemals sagen, dass er damit zu kurz gekommen wäre."
„Das ist mit Gottes Hilfe dir gut gelungen, lieber Freund; denn ein jedes Wort
ist mir wie eine Wahrheit in mein Inneres gedrungen. Nur über Karsnas Weib bin
ich noch im Unklaren."
Johannes: „Lass dir an der Wahrheit genügen, die dir als Wahrheit geworden ist;
denn wisse: es ist nicht gut, zuviel auf einmal zu wissen. Glaube an Jesus, der
da von den Toten erstanden ist; denn um seinetwillen bist du ja gekommen, und
ich sage dir, dass du heute noch viel Wunderbares erleben wirst."
Die Verhaftung
von vier Brüdern durch die Templer
Maria trat in das Zimmer.
„Johannes, es sind wieder Brüder gekommen; wirst du sie empfangen oder sollen
sie ein andermal wiederkommen?"
„O nein, Mutter Maria, führe sie nur herein, diese Brüder sind vorbereitet und
keine Fremden mehr."
Maria brachte darauf vier Brüder zu Johannes, die dieser in herzlicher Weise
grüsste. Da sagte einer: „Johannes, ich kann nicht mehr weiter; ich bin ohne
jeden Halt und Stütze. Meine Söhne sind nun auch ein Opfer der Templer geworden.
Was soll ich tun?"
Johannes: „Bruder, vor allen Dingen nicht klagen und im Klagen dich nicht
verlieren. Sind dir denn die herrlichen Beweise Seiner Liebe nicht mehr im
Bewusstsein, und ist dir entgangen, dass unser herrlicher Meister mit Seiner
Liebe, Kraft und Macht über aller Schlechtigkeit der Templer steht? O Bruder,
wie klein stehst du nun vor unserem Gott und Heiland Jesus."
„Ja, Johannes, du hast recht und tust auch recht, dass du mir dieses sagst; aber
sieh: die Not und das Leid sind grösser als all mein Wissen."
„Du irrst in diesem Falle, lieber Bruder, denn die Not und das Leid sollen dich
eben innerlich auf Stufen führen, die noch grössere Herrlichkeiten offenbaren.
Du sprichst, du seist ohne jeden Halt und Stütze, aber du bedenkst dabei nicht,
dass du dir den Halt und die Stütze des Herrn selbst abgebrochen hast. Gerade in
diesen Prüfungsstunden gilt es, sich erst recht an den Herrn zu halten und Seine
Verheissungen lebendig zu machen. Hat Er nicht gesagt, dass Er keinen verlassen,
noch versäumen, will? Hat Er nicht gesagt, dass Er jede Bitte erfüllen will, so
sie in Seinem Geist gesprochen ist? – Siehe: unser Haus ist am meisten von den
Anhängern Seiner Liebe und von denen, die Ihn suchen, besucht. Und dennoch ist
es noch nie vorgekommen, dass ein Templer unseren Frieden zu stören vermochte.
Kannst du dir denken, warum dieses so ist? Ich will es dir sagen: weil wir uns
dem Herrn ganz ergeben haben."
„Johannes, ich glaube dir; aber was soll ich tun, damit meine Söhne wieder frei
werden?"
Johannes: „Ganz stille werden, Bruder, und mit dem Herrn in steter Verbindung
bleiben; und nun werde ganz ruhig und innerlich frei von der Angst; denn der
Herr kann nur da wirksam helfend eingreifen, wo Ihm volles Vertrauen
entgegengebracht wird."
Die Kaufleute, die jedes Wort mit angehört hatten, fragten nun Johannes, um was
es sich eigentlich handle. Johannes erklärte nun den Fremden, wie der Tempel mit
seinen Häschern immer darauf ausgehe, die Anhänger der Jesulehre zu verfolgen
und auszurotten.
„Das tun eure Priester", entsetzte sich der Kaufmann, „wo bleibt denn da euer
Recht als Bürger in der Gottesstadt?"
Johannes erwiderte: „O Brüder, der Tempel nimmt sich jedes Recht. Wir Juden sind
den Machenschaften der Templer gegenüber machtlos, das heisst mit Ausnahme
derer, die sich ganz dem Herrn ergeben haben. Aber selbst da sind die grössten
Prüfungen zu erwarten. Nur mit der uns geschenkten Gnade aus Gott ist es uns
möglich, den Nachstellungen zu entgehen und somit die Templer in kein grösseres
Gericht zu bringen."
„Wieso grösseres Gericht", fragte der Kaufmann, „warum greift ihr nicht zur
Selbsthilfe? Was sich die Templer wagen, das dürft auch ihr tun."
Johannes: „Nein, das ist nicht der Wille des Herrn; Seine Worte sind eindeutig
und unmissverständlich: seid klug und ohne Falsch, dann seid ihr recht. Einen
Priester zu bekehren, ist nicht unsere Aufgabe, da der Herr selbst in dieser
Hinsicht alles Mögliche tat; wir aber sind Geborgene im Herrn, wenn wir ganz
Seines Geistes sind. Hier bei diesem Bruder ist eben diese Klugheit nicht
angewendet worden, denn es ist ein Ding der Unmöglichkeit bei denen, die mit dem
Herrn verbunden sind, dass Er Seine Kindlein untergehen lässt."
Sagte der Bruder: „Johannes, verkenne die Lage nicht; trotz grösster Vorsicht
meiner Söhne schlich sich ein Verräter unter die Gläubigen - anders ist es nicht
zu erklären.
Sprach der Kaufmann: „Freunde, es drängt mich, auch hier die Wahrheit zu
erfahren; kann denn hier nicht geholfen werden?"
Johannes: „Gewiss kann geholfen werden. Tausende sind wieder befreit worden mit
Hilfe des Herrn, aber dazu bedarf es mutiger Herzen."
„Ich würde den Versuch wagen", erklärte der Kaufmann, „kein Opfer würde mir zu
gross sein; denn die Templer sind ja auch nur Menschen, und was diese können,
muss auch Anderen möglich sein."
Johannes: „Bruder, ist das dein Ernst, wärest du zu jedem Opfer bereit? Ja, nun
sehe ich an dir, dass du bereit bist, und nun sei versichert, dass dich auch der
Herr verwenden kann zu diesem grossen Hilfswerk."
Darauf drängte sich der klagende Bruder hin zu dem Kaufmann und sprach erregt:
„O Freund, wenn es dir gelänge, meine Söhne freizubekommen, wie wollte ich dir
danken!"
„Mit mir darfst du darüber nicht sprechen, lieber Freund; denn wenn ich etwas
wage, so tue ich dies nur um Jesu willen, weil ich hier die Wahrheit über Ihn
erfahren durfte. Noch sind mir Sein Geist und Sein Wesen fremd; nur dieses habe
ich erfasst: dass Er unendliche Liebe sein muss, denn sonst würde Er nicht Sorge
und Vorsorge treffen, damit alle Sein Leben überkommen. Dir aber, Johannes,
danke ich besonders, weil du ehrlich bist und in deiner Liebe auch deine Brüder
nicht schonst und klipp und klar offenbarst, was den Herrn rechtfertigt."
Johannes: „Du hast ganz recht gesagt. Mit des Herrn Hilfe wird es dir auch
gelingen, das Hilfswerk zu vollbringen. Über das Wie müssen wir uns noch
gedulden. Aber sei du schon im voraus bedankt für dein Wollen; und nun lasset
alles gut sein und uns ganz auf den Herrn stützen: Er wird uns alles wissen
lassen. Nun aber wollen wir erst einmal ein kleines Mahl zu uns nehmen, damit
unsere Leiber gestärkt werden. Dabei sollen auch die Anderen zu Worte kommen."
Aufklärung über das Jenseits
Es hatte Maria gedrängt, ein kleines Mahl anzurichten; und gerade kam sie in das
Zimmer, wo die Brüder sassen, und sagte:
„Brüder, kommt und nehmt mit uns ein Mahl; die Liebe gebot mir, es zu richten.
Ihr habt vielleicht schon den ganzen Tag nichts zu euch genommen."
„Da hast du recht", bestätigte der Priester Kaxsna, „im Drange nach der Wahrheit
haben wir den Hunger nicht bemerkt, aber nun spüren wir ihn schon sehr.
Beim Mahl kam der Priester Karsna noch einmal auf die Verstorbenen zu sprechen
und sagte: „Freunde, nehmt mir meine Bitte nicht übel; ich werde mit dem über
mein Weib Gehörten nicht fertig."
„Und ich nicht mit Karkas", sagte der andere.
Johannes: „Freunde, bald ist der Boden reif für weitere Offenbarungen, doch
lasset euch Zeit! Sättigt euch erst einmal und geniesset einen Schluck Wein,
damit euer Geist belebt werde."
Johannes wurde nicht sogleich verstanden, doch als der Wein seine Wirkung tat,
merkten sie, was Johannes gemeint hatte. Sie wurden lebhaft und gesprächig.
Johannes indessen dämpfte ihren Eifer, er sagte: „Meine Brüder, könnt ihr nun
verstehen, dass ich dem, dem wir alles danken, übervolles Vertrauen
entgegenbringen kann? Sollte der, der uns diesen Wein geben und uns froh und
glücklich machen kann, nicht noch mehr können? O meine Brüder, was ist unser
Leben gegen das Leben aus Gott, und was sind alle Dinge unseres Lebens gegen die
Dinge, die in Gott für ewig unser Eigentum bleiben! Es ist für mich keine
Trennung mehr zwischen dem Diesseits und dem Jenseits; denn beides ist mir
erschlossen: das Diesseits durch die Lehre Jesu und den Gehorsam gegen sie aus
dem Herrn, und das Jenseits durch die Gnade, die wir täglich mit und durch den
Herrn erleben. Ihr beklaget den Tod des Herrn.
Für uns dagegen ist Sein Tod der Ausdruck Seiner ewigen Liebe. Ohne Seinen Tod
wäre kein Leben für ewig denkbar, und Seine Liebeslehre würde verflachen und
kein Leben erzeugen. So aber ist Er Sieger über allen Tod und alles Gericht und
hat allem Leben den Stempel der Ewigkeit aufgedrückt. Wer sich aber durch die
Gnadenmittel Seiner Liebe durchringen kann zur höchsten Liebe, der wird auch das
höchste Leben in sich tragen, und der Herr, als das Leben Selbst, wird immer und
immer sich zu denen bekennen, die Sein Leben in sich haben und nach aussen
darstellen.
In diesem Leben hat der Herr die Grenzen zwischen Diesseits und Jenseits je nach
der Liebe des im Geiste erstandenen Lebens weggenommen; und so will es der Herr,
dass ihr durch Seine Gnade alle die, die euch in Liebe zugetan sind, erschaut
und euch mit ihnen unterhalten könnt."
Da erblickten die Freunde alle die, die ihnen so vieles sagen wollten. Nach
einer kleinen Stunde wurden ihnen ihre Augen wieder geschlossen.
Der Kaufmann sagte:
„Johannes, es bedarf keiner weiteren Worte; ich bleibe bei meinem Vorsatz und
bin sogar kräftig darin bestärkt worden. Karkas ist ganz umgewandelt durch deine
Belehrung, und wenn er darf, will er bei dir bleiben. Für den Tempel ist er
nicht zu haben; dort hausen schwarze Krähen und blutigrotes Gesindel. Wenn ich
nun diese Stunde als ein Geschenk des Wunderheilandes betrachten darf, dann,
lieber Johannes, — hier hast du meine Hand —, bleibe ich der Deine."
Karsna berichtete: „Johannes, ich wage nicht, Wünsche oder dergleichen mehr
auszusprechen; denn was ich erlebte, war erst grauenvoll und dann später schön.
Nun weiss ich nicht: sind wir glücklicher oder die Heimgegangenen? Wir, weil uns
noch die Gnadenwege offenstehen, oder die anderen, weil sie überwunden haben.
Uns ist der Weg und die Gnade etwas ganz Neues; denen aber scheinen alle Tore
verschlossen zu sein, denn nur Klagen und Reue ist ihr Los. Freilich hat ein
Lichtträger mir Verheissungen gemacht, aber er betonte, dass es noch viele Mühe
und reichlich guten Willen kosten werde; darauf wurde es hell und sonnig."
Der bekümmerte Bruder indessen lächelte fein und sagte:
„Brüder, wir sind Toren, dass wir uns sorgen. O welch ein Auftrieb in der
jenseitigen Welt; nie hätte ich geglaubt, dass wir solche Helfer hätten; wie
schade, dass wir sie nicht immer schauen können. Dann würden wir nicht so
verzagt sein."
Sprach Johannes: „Brüder, nicht umsonst verschwendet der Herr Seine Gnade. Er
hat auch dabei Seine Absichten. Vorerst bei dir, lieber Bruder, der du längst
eingeweiht bist in die Lehre und Gnadenführungen des Herrn; leider aber ist dir
wenig in den Sinn gekommen, dass du erst einmal den geistigen Helfern das Recht
und auch die Mittel geben musst: das Recht, indem du immer voll Glauben und
Vertrauen bist, und die Mittel, indem du die Liebe des Herrn bejahst. In der
Bejahung strömen aus deinem Herzen Lebenskräfte, und aus diesen Lebenskräften
können die geistigen Helfer dir erst Helfer sein.
Auch euch anderen Brüdern, die ihr das erste Mal hinter den Vorhang des Grabes
schauen durftet, bezeuge ich, dass die im Jenseits Lebenden in einer ganz
anderen Welt leben. Einerseits leben wir Menschen in der Gnadenwelt des Herrn,
die Er uns erschlossen hat durch Sein Sterben und Auferstehen, andererseits
leben die Abgeschiedenen in ihrer Welt oder der Liebe, die sie mit in das
Jenseits mitbrachten. Ja: mitbrachten, liebe Brüder! Denn im Jenseits kann
keiner, auch wir nicht, mehr haben, als was er von der Erde mitbringt als
geistiges Gut. Die Menschen, die noch nie etwas von dem Herrn erfahren konnten,
werden dort geschult, aber auf ihrem Boden und in ihrer Sphäre. Nun aber ist es
so schwer, etwas aus sich so zu entfernen, dass man frei davon wird. Denn wo
nehme ich die Mittel her, da ich nur auf das angewiesen bin, was ich mitgebracht
habe? Wir Menschen haben in dieser Gnadenwelt noch unsere Hände und Füsse und
vor allem Brüder und Schwestern: durch die Gnade des Herrn wird uns Gelegenheit
geboten, uns in der Liebe zu üben. Durch diese tätige Liebe wachsen uns Mittel
und Kräfte geistiger Art und verbleiben uns für ewig.
Dein Weib, Karsna, ist schwer zugänglich: ihre alten Götter sind wie eingebrannt
in ihre Seele, und es bedarf noch vieler Hinweise, ehe sie sich deren
entäussert. Überhaupt stellt euch nicht vor, dass der Herr uns, wie auch den
Abgeschiedenen, ohne weiteres jeden Wunsch erfüllt oder über Seine eigenen,
ewigen Gesetze hinweggeht. Das grösste Gesetz, das sich unser Gott Selbst zu
eigen gemacht hat, ist das, dass Er nie einem Menschen oder geistigen Wesen
Seinen Willen aufzwingt, auch wenn es die grössten Schmerzen aussteht oder sich
auf feindlichen Boden gegen Ihn stellt. Er bleibt sich getreu und kann nur dort
helfend eingreifen, wo sich in freier Liebe das Herz zu Ihm wendet. Auch wir
Menschen können nichts anderes tun, als bitten und danken und in brüderlicher
Liebe tätig sein. Bei all unserem Tun sei unser Augenmerk aber stets darauf
gerichtet, so zu dienen, wie der Herr und Meister uns Menschen gedient hat; und
um den Geist zu ringen, den Er auf Golgatha uns zum ewigen Geschenk gemacht
hat."
Noch lange blieben die Brüder, und beim Scheiden sagte der Kaufmann: „Johannes,
ehe ich weiterreise, sollst du wissen, dass ich bestrebt sein werde, dem Herrn
und Meister zu dienen. Deine Worte sind keinesfalls Menschenworte, und die
Offenbarungen sind nicht aus deinem Willen gekommen, sondern reines Gotteswerk;
darum richte ich mich auch nicht nach dir, sondern nach Gott, den du uns so
schön offenbart hast, wie du Gelegenheit schufst, dass Er sich uns offenbaren
konnte."
Die Befreiung der vier gefangenen Brüder und der Abschied der Perser
Reichlich drei Wochen dauerte es, da kam der Kaufmann zurück und brachte die
Kunde, dass er über 500 Sklaven gekauft habe und in seine Heimat schaffen werde.
Er fragte Johannes, ob er sich die Menschen einmal ansehen und ihnen ein Wort
mitgeben wolle.
Johannes sagte zu; aber nicht in Jerusalem wolle er es tun, damit der Tempel
keinen Argwohn schöpfe.
Johannes besorgte sich einen Wagen, und mit zwei Brüdern, Jakobus und Andreas,
fuhr er in das Lager, in das sie der Kaufmann gebracht hatte.
Einen ganzen Tag fuhren sie, und als sich die Sonne neigte, erreichten sie den
Halteplatz. Von den Menschen, die sich in diesem grossen Transport befanden,
ahnte keiner, dass sie ihrer Befreiung entgegengingen. Sie alle waren der
Meinung, in die Sklaverei verkauft worden zu sein, und beteten zu Gott, dass Er
ihrem neuen Herrn ein gutes und mildes Herz geben möchte.
Das Lager war in der üblichen Weise eingerichtet. Die Menschen hatten sich in
Kochlöchern ihr Essen gekocht; da kam der Wagen mit den Jüngern an. Erstaunt
erkannten sie die Jünger. Aber da sie Sklaven waren, mussten sie schweigen und
warten, ob sie Erlaubnis erhalten würden, sich zu erkennen zu geben.
Nachdem die Jünger bewirtet und die müden Pferde versorgt waren, wurde von den
Begleitern der Befehl gegeben, die Leute sollten sich im Lager in Ordnung und
ohne Unterschiede zusammensetzen. Neugierig, was das zu bedeuten habe, ordneten
diese sich in kurzer Zeit. Darauf kam ihr neuer Herr mit den Jüngern.
„Gelobt sei Jesus Christus", sprach der Perser mit lauter, fester Stimme; „erst
jetzt kann ich zu euch sprechen, da ich euch und mich in Sicherheit weiss. Ich
habe euch gekauft, um euch ein erträgliches Los zu bereiten. Durch die Gnade
eures Gottes, der nun auch mein Gott ist, durfte ich es wagen, an den
gefährlichen Handel zu gehen, euch zu kaufen. Ich habe kein Recht, Menschen zu
handeln, und somit gebe ich euch allen die Freiheit zurück. Sollte ich den einen
oder den anderen gestern und heute etwas hart angefasst haben, so bitte ich ihn
jetzt um Verzeihung. Und nun frage ich euch: Wer von euch will wieder zurück
nach Jerusalem? Sofort lasse ich ihn wieder zurückbefördern, doch bedenket die
Gefahr, wieder vom Tempel gefangen gesetzt zu werden! Wer aber mit mir gehen
will, dem werde ich ein gerechter Brotherr sein. Ich habe grosse Besitzungen und
würde eure Freiheit nicht ausnutzen. Meine anderen Sklaven werden gleich euch
nach meiner Rückkehr die Freiheit erhalten, da ich durch die Gnade Gottes auch
frei geworden bin von den Fesseln eines falschen Götzentums. Wer von euch bei
mir bleiben will, der verharre auf seinem Platz; wer aber zurückkehren will, der
trete nach rechts heraus!"
Nur ganz wenige traten heraus.
Da sagte der Perser: „So, meine Freunde, nun lassen wir uns etwas von den
Jüngern des Herrn Jesus erzählen; denn ohne Abschied und ohne den Segen des
Herrn wollen wir nicht in unsere neue Heimat ziehen. Darum habe ich die Jünger
gebeten, euch und mir diese Liebe zu erweisen."
Johannes trat darauf hervor und sprach:
„Meine Brüder, Schwestern und Kindlein. Ergriffen von dem Liebesakt, der euch
die ersehnte Freiheit wiedergab, reiche ich euch im Geiste Jesu meine Hände und
freue mich, euch dienen zu können. Die Freude, die wir alle in unseren Herzen
fühlen, ist aber auch die Freude des Herrn und Meisters Jesus, und Er lässt euch
durch mich sagen: Seid fröhlich und dankbar allezeit, darum es gelungen ist,
euch, meine Kindlein, aus den Banden Meiner Widersacher zu erretten. Es ist ein
grosses Opfer, das zu bringen nötig war, und ein Geschenk aus den Himmeln, und
so nimm du, Mein Sohn, den Dank dafür entgegen, dass du dieses Opfer um deiner
Brüder und Schwestern willen gebracht hast. Für diese deine Liebe nimm hin Meine
Gnade, und empfange, Mein Sohn, Meinen Segen; verbunden mit der Gabe, alle die
zu schauen, um die du Mich in Meinem Jesugeist bitten wirst. Ich komme dir mit
diesem Geschenk entgegen, weil du mit der Sehnsucht nach dieser Gabe Mir nicht
vorgreifen wolltest. Nütze sie recht, und Segen wird dir daraus erblühen.
Euch aber, Meine Kindlein, danke Ich, weil ihr Mir die Treue gehalten habt und
euch von den Versprechungen Meiner Widersacher nicht habt berücken lassen. Seid
eurem neuen Herrn rechte Diener und denket daran, dass ihr in eurer neuen Heimat
die Berufenen seid, Mir dort ein neues Bethanien zu bauen und so eine
Pflegestätte zu gründen in der Zeit der Not und der Trübsal, die über die
Menschen hier und allerorts hereinbrechen wird. Ich kann das Gericht nicht
abwenden, weil der Geist des Widerchrists über alle Gesetze der menschlichen
Vernunft nur ein Ziel im Auge hat: Mich zu schlagen und die Herrschaft alles
Lebens an sich zu reissen. Meinen Engeln kann Ich auch kein anderes Wort geben
als dasjenige, das Ich euch gebe; denn von nun an kann nur DER Mein Kind werden
und sein, der in der Freiheit seiner Liebe sich zu Mir bekennt. Ihr habt das
getan, und darum segne Ich euch als Meine Kinder, die ihr nun Träger geworden
seid Meiner Himmel, die aber erst in euch durch eure Liebe erschlossen werden
müssen.
Wenn ihr wüsstet, welch ein Geschenk ihr damit empfangen habt; aber erst die
Zukunft und eure Entwicklung wird es offenbar machen. Nie mehr werdet ihr es
nötig haben, Mich zu bitten: Herr, komme zu uns und offenbare Deine Liebe,
sondern immer und zu jeder Zeit werde Ich bei und in euch sein, und Mein Wort
wird eure Leuchte und euer Wegweiser in allen Lebenslagen bleiben. Wer aber ganz
in Meiner Liebe und in Meinem Geiste erstehen wird, dem werde Ich sichtbar
werden, wie Ich euch jetzt sichtbar werde. Freuet euch in Meiner Liebe; dies
soll der Dank sein, um den Ich euch bitte. Freuet euch, damit die Freude
Gemeingut unter euch werde, und freuet euch, damit auch alle, die um euch sein
werden, den Geist Meiner Liebe, Meiner Freude und Meines Friedens durch euch,
Meine Kindlein, erleben. So segne Ich euch sichtbar mit Meinen Händen, die euch
das Mahnmal Meiner Liebe künden, und segne euch mit Meinem Mund, damit die ganze
Unendlichkeit erfahre, wie euer Vater die Liebe .und Treue lohnt, und segne euch
mit Meinem Herzen, damit ihr erfahret, wo eure ewige Heimat ist — an Meinem
Herzen. Amen. Amen. Amen."
Der sichtbare Heiland und Vater ging darauf nochmals durch die Reihen, legte
jedem die Hand auf das Haupt und stellte sich dann hinter die Jünger, worauf Er
sichtbar entschwand.
Alle waren tief ergriffen. In das ergriffene Schweigen hinein klang die Stimme
des Jakobus: „Liebe Herzen, welch einen Liebeakt durften wir jetzt erleben!
Unser geliebter Vater, Jesus und Heiland segnete uns mit Seinen Händen, mit
Seinem Mund und mit Seinem Herzen, sichtbar uns und aller Geisterwelt. Wahrlich,
solche Gnadenakte sind selten erlebt worden, und warum? Weil ihr lieben Brüder
und Schwestern in Treue zu eurem Heiland ausgeharrt habt. Welch ein wunderbares
Erlebnis hat euch die ewige Liebe zugedacht: an der Schwelle eines neuen Lebens
werdet ihr zu Kindern Seiner Liebe und Seines Herzens erhoben, und euer neuer
Brotherr wird in den Verband aufgenommen, dass ihr gleich dem himmlischen Vater
nun auch einen irdischen Vater, ausgerüstet mit Gaben des Himmels, hinzubekommt.
Diese Gnaden verpflichten aufs neue und setzen euch in den Stand, Träger eines
Geistes zu werden, um den Tausende ihr ganzes Leben lang ringen müssen. Dieser
heilige Stand, in den euch nun die ewige Liebe erhoben hat, macht euch aber auch
zu Erben Seiner Liebe und Seines Lebens. Wie Seine Himmel das Eigentum Seiner
Liebe geworden sind, sollet auch ihr zu Besitzern herrlicher Himmel werden,
damit ihr allen, die ihr liebet, für ewig einen Himmel bieten könnet, der sie zu
euren Mitbewohnern macht. So geht nun mit Freudigkeit in eure neue Heimat und
wisset: unsere Herzen bleiben bei euch, und wenn der Herr zu euch einen Zeugen
senden wird, dann nehmt ihn auf, als wenn der Herr Selbst zu euch käme! Denn mit
der gleichen Liebe, mit der ihr die Diener Seiner Liebe aufnehmet, kann auch Er
euch Diener sein. Nehmet nun hin auch meinen Segen aus meiner Liebe, er sei euch
Kraft und Bewusstsein meiner Liebe durch die Gnade Jesu! Amen."
Da gingen, die vordem herausgetreten waren, zu Johannes hin und sagten: „Bruder
Johannes, auf solche Verheissung ziehen auch wir lieber mit dem neuen Bruder in
die Ferne; würdest du unsere Lieben daheim verständigen, dass wir in guter Obhut
und in rechter Gnade des Herrn leben ? "
Sagte Johannes: „Gerne, ihr Brüder, mit Freuden werde ich euren Angehörigen die
Freudenbotschaft bringen und sie aus ihrer Sorge befreien. Nun wisset auch, dass
gerade ihr die Veranlassung waret, dass euer neuer Brotherr diesen Drang aus der
Liebe Jesu erhielt und ihr alle nun diesen Akt herrlichster Liebe erlebtet!"
Sie baten nun ihren neuen Herrn auch um Aufnahme in sein Haus, was ihnen dieser
freudig gewährte. Nun erhob sich ein Jubel, der nicht zu beschreiben ist.
Sie waren nun alle frei von Angst und Sorge, und die Jünger hatten einen
schweren Stand: sie mussten alle Namen aufschreiben, damit die Angehörigen
verständigt werden konnten; nach einer reichlichen Stunde war auch dies
geschehen.
Inzwischen hatte der Perser seinen Freunden geschildert, was er alles erlebt
hatte und noch erlebte; denn diese Freude der erlösten und befreiten Menschen
hatte eine übergrosse Zahl Seliger herbeigezogen. Wenn er auch ihre Worte nicht
vernehmen konnte, so erlebte er doch eine unbeschreibliche Wonne. „O Freunde",
rief er aus, „was bedeutet diese Freude gegen das Opfer, das ich bringen musste;
o glaubet mir: selbst wenn ich mein ganzes Vermögen hätte opfern müssen, diese
Freude wäre nicht zu teuer bezahlt. Am fröhlichsten ist Karkas, der mit einem
jungen, aber überherrlichen Freund zu uns gekommen ist und, wie es scheint, auch
mit ihm zusammenbleiben wird. Nein, diese einfache und doch übergrosse
Schönheit! Aber wer von euch nur einmal diese Strahlung sehen könnte, die von
den Jüngern selbst ausgeht! Nun habe ich die Gewissheit, dass kein Widersacher
ihnen Schaden zufügen könnte."
Da kamen die Jünger, das Geschäft sei nun erledigt. „Nun können wir noch die
ganze Nacht unserer Liebe leben."
Jakobus ergänzte den Persern alles Wissenswerte, und alle hörten auch die Worte
des Jakobus, die reine Offenbarungen waren.
Die Nacht, selten schön und ruhig, machte bald der Morgenröte Platz.
Nun fingen die Betreuer an, das Frühmahl zu bereiten, und die Jünger nahmen von
ihren Brüdern und Schwestern Abschied, weil sie die letzte Stunde noch mit den
Persern allein sein wollten. In dieser letzten Stunde offenbarte sich noch
einmal die ewige Liebe durch Johannes, und Karsna, der zu allen Worten schwieg,
aber mit dem Herzen am lebendigsten war, wurde von der Liebe zu einem Werkzeug
des Heilens befähigt. Welch einen Akt der Hingabe erlebten die Brüder durch
Karsna!
„Fortab will ich nicht mehr Priester sein, sondern nur noch Bruder im Sinne der
Heilandsliebe. O Jesus, der ich Dich schauen durfte in Deiner ganzen
Lieblichkeit, der Du mein ganzes Wesen umgewandelt und in mir ein Feuer
angefacht hast, dass ich Dein Diener sein darf! Nun erschaue ich Deine Gnade in
mir, und diese Gnade ist gleich einer Quelle, die Licht und immer wieder Licht
spendet."
Karsna konnte nicht mehr weitersprechen, das innere Leben überwältigte ihn so,
dass er auf die Knie sank und weinte vor Freude und Dank. Johannes legte ihm die
Hände auf und sagte: „Bruder, erstehe ganz in Jesu Liebe, damit Sein Leben durch
dich offenbar wird! Fürchte dich nicht um deiner Vergangenheit willen, sondern
schaue mit freiem Blick in die Zukunft, auf dass du ganz im Dienste der Liebe
Mittler sein kannst in Seinem Geiste!"
Noch einmal umarmten sich die Brüder, dann bestiegen die Jünger ihren Wagen, den
die anderen alle umstellt hatten, noch einmal grüssten und winkten sie, und ein
Erlebnis herrlichster Gnade war beendet. Johannes blieb im Wagen stehen und
segnete, solange er das Lager sehen konnte. Dann machten sich auch die
Zurückgebliebenen zur Abfahrt fertig.
Der Tod Marias
In Jerusalem wurden die Verhältnisse immer schlimmer. Maria ging wenig aus dem
Hause, und dann nie allein. Auch die Jünger wurden vorsichtiger, nur Jakobus
blieb der alte. Johannes liess Maria auch nie allein zu Hause. Dies nahmen die
Templer zum Anlass, ein übles Gerücht auszustreuen über Maria, „die Heilige",
und Johannes, „den Scheinheiligen". Dieses Gerücht hatte zur Folge, dass viele
Anhänger das Haus mieden und den anderen Jüngern Vorwürfe machten.
Maria litt sehr unter diesem Zustand, und Johannes war genötigt, eine Zeitlang
Jerusalem zu verlassen. Er benutzte die Gelegenheit, die neugegründeten
Gemeinden zu besuchen. Auch dorthin drangen die hässlichen Gerüchte. Es bedurfte
aber nur weniger Worte, und rein wurde das Bild der Maria, die von beinahe allen
Schwestern und Brüdern fast göttlich verehrt wurde. In dieser Zeit, wo Maria
fast allein und nur von wenigen Getreuen umgeben war, vollzog sich in ihr eine
grosse Reife, und näher und näher kam sie ihrem geliebten Jesus.
Von all dem ahnte Johannes nichts. Die Liebe zu der Mutter seines Meisters, die
ihm durch die Liebe Jesu selber Mutter geworden war, sah nur die eine Aufgabe:
jedem falschen Gedanken die Spitze abzubrechen, der Marias Bild hätte
beschmutzen können, und so drängte ihn die ewige Liebe, wieder nach Jerusalem
zurückzukehren.
An einem Vorsabbat kam er zurück. Das Haus Marias war voll von den Freunden, die
ihn erwarteten, denn Maria hatte die Botschaft empfangen, dass der, der um ihres
Rufes willen fortgegangen war, zurückkommen werde aus der Verbannung, die er
sich selber auferlegt hatte. Wie gross war die Freude darüber, dass Johannes
wieder zurückgekehrt war. Als aber die Anwesenden die Freude des Wiedersehens
und die Umarmung der beiden sahen, lagerte sich ein Schatten auf ihre Seelen.
Johannes, solches bemerkend, sagte: „Brüder und Schwestern, von welchem Geist
seid ihr denn besessen, dass ihr diese Weihestunde unseres Wiedersehens
entweihet? Was den Himmeln und allen Seligen grösste Freude ist, trübet ihr
durch eure Unfreiheit und Unreinheit. Reinigt eure Herzen und werdet selbst frei
in euch. — Ich werde kein Wort mehr zu euch reden, wenn solche Gedanken in eurer
Seele diese reine Liebe beschatten."
Maria war ergriffen von dem Ernst des Johannes und sagte: „Johannes und ihr
lieben Freunde, viel ist bei dem Tode meines Sohnes in mir gestorben, aber diese
Stunde gab dem, was noch an Eigenem in meiner Seele lebte, den Todesstoss. Nie
war ich meinem Jesus näher als in den letzten Tagen, aber diese Stunde hat mir
die völlige Hingabe an Ihn gebracht. Was ihr und die Welt von mir reden werdet,
wird mich nie mehr treffen; denn mein Platz ist nun bei meinem Jesus. Habet
allen Dank für eure Liebe, und nun will ich mich um eures Heiles willen ganz
frei machen, damit der Feind alles Lebens in kein grösseres Gericht komme."
Maria weinte, reichte jedem ihre Hand und umarmte noch einmal ihren Johannes;
dann kniete sie nieder und hielt Zwiesprache mit ihrem Sohne Jesus. Immer
verklärter wurde ihr Blick, immer strahlender ihre Augen, ein Leuchten ging von
ihrem Körper aus, so dass sich alle verwunderten. Da, ein Leuchten von einem
hellen Blitz, Wohlgerüche erfüllten das Zimmer, und — Maria war nicht mehr. Ihre
Kleider lagen wie ein Häufchen Asche an dem Platz, wo sie gebetet hatte. Alle
waren ganz aufgeregt, und Johannes sprach: „Brüder, nun ist Maria ganz bei
unserem Meister und Vater Jesus — — —"
Dieser Heimgang der Maria war das grösste Erlebnis seines Lebens; von dieser
Zeit an war er nur noch Liebe und noch inniger mit seinem Meister in der Liebe
verbunden. Wo Johannes gebraucht wurde, war er da; wo Liebe nötig war, hatte er
die grössten Erfolge. Ja, sogar die Templer fürchteten sich vor seinem
Scharfblick; denn keiner wie Johannes wusste ihre Gedanken so klar zu erkennen
und auszusprechen, dass sie Furcht ankam. Aber auch in den künftigen Dingen
wurde Johannes hellsichtig. Seine Gesichte nahmen den Charakter direkter
Offenbarungen an; von den anderen wurde er oft nicht mehr verstanden. Johannes
blieb nun nicht mehr in Jerusalem, sondern liess sich von dem Geist leiten, der
ihm die ewige Liebe selbst war, und fand darin auch die Bestätigung von aussen.
Immer kam er zu der rechten Stunde, immer war er da, wenn es nötig war, und
konnte dabei fast nur das eine immer und immer wieder sagen: „Kindlein, liebet
euch, damit alles nur Liebe, Frieden und Freude atmen kann."
Oft verstanden ihn die Älteren nicht mehr, während die Jüngeren ihm anhingen.
Selbst seine Brüder, die alten Jünger, waren erstaunt, wie ihr Johannes immer
mehr zu einem „Vater" wurde.
Nach und nach wurde einer um den Anderen durch den Tod aus ihrer Reihe gerissen,
aber Johannes blieb der gleiche. „Kindlein, auch an uns kommt die Reihe", sagte
er, „aber seid klug, damit wir nicht unserem Vater vorgreifen. Er ist die Liebe,
und wir wollen Liebe werden; mag kommen, was da wolle. Er ist die Liebe, und
alles muss doch Liebe sein. Alle Himmel schauen auf uns, und alle Engel sind
bereit, uns zu dienen, aber jedem nur nach seiner Liebe. Trachten wir darnach,
dass wir keinen enttäuschen - dann enttäuschen wir auch unseren ewigen Vater
nicht; und dieser ist es, von dem alle Seligkeiten kommen, die scheinbar in uns
ihren Ursprung haben und auch grössere Seligkeiten bei anderen auslösen können."
Nun kam wieder ein Ereignis, das an den Jerusalemer Christen nicht ohne Eindruck
vorüberging: der Tod des Jakobus, der von den Templern von der Zinne des Tempels
hinabgestürzt wurde. Viele kamen zu Johannes und sagten: „Bruder Johannes, wie
kommt es, dass unser Vater und Meister Jesus dieses zuliess? Hat Jakobus
versagt, der Furchtlose und Kraftvolle, oder liegt die Schuld bei uns?"
Johannes antwortete: „O Kindlein, fraget nicht! Jakobus hat mit seinem Sterben
nur die Ewige Liebe verherrlicht und seinen Blutzoll gegeben, damit das Gericht
um so eher komme. Gewiss hätte unser ewiger Vater dieses verhindern können, aber
nicht mit Liebe, sondern mit Seiner Allmacht - und wem wäre damit gedient
gewesen? Uns jedenfalls nicht. Jakobus wusste, was ihm geschehen soll, und hätte
es durch die Kraft aus Gott verhindern können, wenn er es gewollt hätte. Vor
allem aber wollte Jakobus nicht über seinem Meister stehen, sondern liess wie Er
alles mit sich geschehen, damit den Feinden Gottes alle ihre Waffen genommen
würden. Dann wusste Jakobus, dass ihm das Sterben kein Schrecken, sondern ein
seliges Erleben sein wird, um das ihn dereinst alle Feinde beneiden würden.
Weiter hat Jakobus durch seine Hingabe ein Leben eingelöst, das zum Zeugen
bestimmt war. Jetzt ist er im freiesten Leben, und alles Erdgebundene ist von
seiner Seele abgestreift. Würdet ihr ihn schauen, so wäre eure Ruhe dahin; denn
es würde Jakobus Schmerz bereiten, so er sich um eures Heiles willen verhüllen
müsste."
Da wunderten sich die Brüder und bewunderten Johannes, weil er in dieser Ruhe
und Liebe kein Wort des Unmutes, der Klage oder des Vorwürfen sagte, und sie
blieben still.
Veränderung des Johannes
Seine Aussprache mit dem Herrn über das Schicksal Jerusalems
Johannes wurde noch ruhiger, seine Gesichte nahmen immer mehr zu, und nur
wenigen gegenüber war er noch mitteilsam.
Seine Gesichte verkündeten die Zerstörung der Gottesstadt Jerusalem. In dem
jedoch wurde Johannes nicht verstanden. Die einen meinten: Merkwürdig, sonst ist
unser Johannes reine Liebe, und hier sieht er nur Schlechtes. Die anderen aber
sagten: Warum nun auf einmal dieser Umschwung? Sind denn unsere Opfer noch nicht
genug - mag er doch endlich mit klaren Worten kundtun, was noch nötig ist.
Johannes aber sagte nur: „Kindlein, liebet euch und machet die Liebe zu eurer
Aufgabe; denn bald wird eine Zeit da sein, wo ihr gerne lieben möchtet und ihr
es nicht mehr könnt. Suchet euch, so ihr verschont bleiben wollet, euer Brot
ausserhalb Jerusalems. Sehet den Verfall von Bethanien; seitdem Lazarus nicht
mehr da ist, ist auch dort ein anderer Geist eingezogen. Lazarus setzte alles
daran, seinen Getreuen einen anderen Platz zu geben; warum zögert ihr? Muss denn
erst der Ernst euch belehren, wenn es zu spät ist? Meine Mahnungen sind des
Herrn Mahnungen, und meine Gesichte sind aus der Liebe zu euch mir gegeben,
damit keines sich hernach beklagen und entschuldigen kann."
Viele glaubten, aber die Anderen schufen Verwirrung, und in seinem Schmerz
darüber floh Johannes zu seinem Liebemeister:
„Mein Jesus, was soll ich bloss noch tun. Gibt es denn kein Mittel, um das
Furchtbare abzuwenden? Die Menschen halten es nicht für möglich, dass Liebe so
hart sein könne, und wollen es nicht glauben, dass all dieses geschehen wird;
ich bin am Ende, nun komm Du und hilf mit Deiner Liebe und Weisheit!"
Da stand der Meister vor ihm und sagte:
„Mein Johannes, Ich und du sind eins geworden, und mit derselben Frage komme Ich
zu dir: Was soll Ich denn noch tun? Aufhalten kann Ich das Übel nicht mehr, wie
auch du den Zweifel deiner Brüder nicht hindern kannst. Meinst du, dass Ich mit
Meiner Allmacht Mein Erlösungswerk vollenden könnte? Du weisst so gut wie Ich,
dass alles so kommen muss, weil die Menschen es so wollen. Wenn ihr betet:
‚Herr, Dein Wille geschehe an und mit uns’, so sage Ich euch: O Kind, dein Wille
geschehe jetzt und allezeit, weil Ich nicht mehr ein Herr, sondern ein Vater
sein will. Nur eines kann Ich noch tun, und um dieses Eine weisst du. Lasse dich
darum nicht mutlos machen; denn all denen, die Mich als ihren Vater lieben, bin
und bleibe Ich der treusorgende Vater, und alle die, denen Ich nur ein Herr bin,
gehen von ihren Gesetzen nicht ab. Einen Ausweg gibt es noch für dich, nämlich,
dass du in deiner Vorsorgenden Liebe einen Himmel in Bereitschaft hältst, in den
Ich alle die aufnehmen kann, die du in deiner Liebe geborgen haben willst."
Sagte Johannes: „Aber, mein Vater, ich soll einen Himmel in Bereitschaft halten?
Du sagtest doch, dass DU für Wohnungen sorgen willst für die, die an Dich
glauben?"
„Gewiss, mein Johannes, an Mich glauben heisst: in Mir leben. Aber: wer die
Liebe aus Mir durch dich nicht annehmen will, der schliesst sich selbst von
Meiner Liebe aus, und darum sorge du für deine Brüder, damit Mich nicht der
Vorwurf des Lebensfeindes trifft!"
Da wurde es leicht um Johannes, und er sah ein weites Meer, dessen Wellen sich
sanft bewegten. Die Sonne strahlte in ihrem Glanz, und jede Welle spiegelte ihr
Bildnis wider. In jeder dieser strahlenden Sonnen gewahrte Johannes das Bild
seines geliebten Meisters. Immer grösser wurde das Meer, und immer gewaltiger
der Eindruck, den die sich widerspiegelnden Sonnen in ihm verursachten; da sagte
er: „Vater, nun hast Du mir mehr gesagt, als ich wissen wollte. Jetzt ist mir
nicht mehr bange, denn Deine Liebe ist grösser, als es je ein Mensch oder Engel
wird begreifen können. Du willst nur das sein, soweit Liebe Dich fasst, und
willst und kannst nur da helfen, wo Liebe Dir die Möglichkeit dazu gibt. Mein
Wille sei der Deine und Dein Wille der meine, o Vater; solche Demut kannst Du
nur wortlos geben, da es kein Wort dafür gibt."
Johannes in Ephesus
Irrlehre des Boethos in Ephesus über den Scheinleib Jesu - und seine Bekehrung
Immer noch schlimmer wurden die Zustände in und um Jerusalem. Keiner war mehr
sicher, und da die Römer abgezogen waren, war keine Hilfe von aussen mehr
vorhanden. Nur noch wenige Jünger waren da, die die Brüder stärken konnten.
Johannes war längst nicht mehr in Jerusalem, da der Geist ihn fort zu den
bedrängten Gemeinden trieb. Überall hatten die Römer ihre Soldaten
zusammengezogen, und der Kreis um Jerusalem wurde immer enger, aber in Jerusalem
selbst blieben die Menschen ahnungslos. Nun vollzog sich das Gericht, und die
Verheissung: „Kein Stein wird auf dem anderen bleiben", ging buchstäblich in
Erfüllung. Im ganzen Judenlande schien die Hölle los; aber Johannes weilte schon
in Ephesus.
Dort, in den von Paulus gegründeten Gemeinden, wartete seiner eine grosse
Arbeit. Schlimm sah es in manchen Gemeinden aus, denn falsche Begriffe und ein
falscher Geist wollten sich breitmachen. Vor allem tat sich ein Priester hervor,
namens Boethos, dem die Gabe des Heilens geworden war und der auch grosse
Erfolge hatte. Aber Johannes in seiner Liebe sah tiefer und ging zu dem
Priester, der zwar Jesum predigte, Ihn in Seinem Menschsein jedoch ablehnte. Er
meinte, Jesus sei nur in einem geliehenen Leibe durch die Macht Gottes als
Gottessohn über diese Erde gewandelt, und darum sei es auch leicht für Jesus
gewesen, an das Kreuz zu gehen. Durch die Erfolge des Priesters im Heilen
glaubten die Toren ihm. Johannes hatte keinen leichten Stand, und nur durch
seine beharrliche Predigt: „Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns", konnte
er langsam diesen grossen Irrtum bereinigen.
Anders der Priester. Durch die Gnade des Herrn bekehrt und von den Kräften der
Jesusliebe durchdrungen, wollte es ihm dennoch nicht einleuchten, dass Jesus als
Kind geboren und wie ein anderes Kind auf- und erzogen werden musste. Es wollte
ihm nicht in den Sinn, dass Jesus als junges Menschenkind sich genauso wie ein
anderer Mensch erkennen und an sich und seiner Seele arbeiten und hart ringen
musste.
Er sagte: „Johannes, ihr als Seine Jünger kennet Jesus in Seiner Kraft und
Herrlichkeit, und nun willst du Ihn auf den Boden stellen, auf dem wir Menschen
stehen? Nein, Jesus steht so hoch über allen Menschen, dass es Sünde wäre, Ihn
den Menschen gleichzustellen."
Johannes erwiderte: „Ich habe Jesus als ringenden und kämpfenden Menschen
kennengelernt und mir Sein Ringen zu eigen gemacht. Du glaubst, Jesus
herabzusetzen, so du Ihn als Menschen auf gleicher Ebene mit uns ersiehst, und
ich sage dir: du erhöhest Ihn dadurch nur und machst Jesus zu einem vollkommenen
Menschen, der Er auch heute noch ist und ewig sein wird. Gerade das ist ja das
Grosse und Unerreichbare: dass Er alles Niedere im Fleische so vergeistigen
konnte, dass in Ihm am Ende nichts Fleischliches, sondern nur noch Göttliches
war. Gerade das, was Du willst, ist dem Lebensfeinde die beste Waffe, und mit
deinem Dienste stehst du im feindlichen Lager. Hätte Jesus nur durch die
Allmacht Gottes einen Leib getragen, gegen jede menschliche und sinnliche Regung
gefeit, dann wäre Jesus nicht der Liebe, die auch dem Verworfensten und
Verirrtesten helfen will, zugänglich gewesen. Denn Jesus schuf erst eine Liebe
und einen Himmel in sich und konnte uns eben auch diese Liebe und den in sich
geschaffenen Himmel offenbaren.
Und wir alle sahen diese Herrlichkeit, eine Herrlichkeit des Vaters, die Seine
Liebe war, und darum ist uns allen offenbar geworden: Gott wurde Mensch, geboren
von einem Weibe und gestorben am Kreuze wie die beiden mitgekreuzigten
Verbrecher. Er wurde begraben wie ein jeder andere Mensch und ist als erster und
einziger durch die Ihm eigene Macht und Herrlichkeit aus dem Tode in das wahre
und ewige Leben wieder hervorgegangen und trägt einen Leib, der nie mehr sterben
oder zerstört werden kann. Sein jetziges Leben werden auch alle die überkommen,
die an Ihn und an Seine Menschwerdung glauben."
Boethos entgegnete: „Johannes, du machst zwar viel Worte, kannst aber im Grunde
genau so wenig beweisen wie ich. Siehe, wie vielen habe ich durch die Gnade Jesu
helfen können. Dass auch du, Johannes, Kranke gesund machen kannst, daran
zweifle ich nicht, aber weiter wird es auch bei dir nicht reichen."
Johannes aber sprach: „O du armer Bruder, in welche Verirrung hast du dich
verloren; dein Glaube ist nichts als Verirrung, da in dir die Gabe des Heilens
liegt. Jesus liess zu, dieses in Seinem Namen zu tun, da es immerhin in Seinem
Namen geschieht. Aber du selbst trägst ja einen anderen Jesus in dir, einen, der
von dem wahren und ewigen Jesus weit entfernt ist. Wohl hast du dir die Worte
angeeignet, die der Apostel des Herrn dir kündete, aber du als Diener Seines
Wortes bist auch verpflichtet, in das Wesen einzugehen, das eben die Grundlage
bildet, dass Sein uns gegebenes Wort die wahre Speise für Leib und Seele wird.
Sein Wesen der Liebe und des Lebens ist der untrügliche Beweis Seiner
Göttlichkeit und macht aus uns eben einen neuen Menschen. Erst als ein neuer
Mensch können wir rufen: ,Abba, lieber Vater' und können uns betrachten als
Seine Kinder, welche Er mit Seinem Sterben und durch Sein vergossenes Blut
befähigte, dieses Sein Wesen und Sein Leben aufzunehmen."
Der Priester, wie auch die Anderen, verstanden das Gesagte nicht völlig. Einer,
der geheilt worden war, namens Maternus, sagte: „Lieber Bruder Johannes, ich
danke meine Gesundheit dem Heiland Jesus, und es ändert sich dabei nichts, da
ich auch diesem Heiland dankbar bleiben werde. Was habe ich für einen Vorteil,
ob Jesus Mensch oder Geist ist; denn Gott ist ja auch Geist und will im Geiste
angebetet werden, wie Paulus sagte?"
Johannes erwiderte ihm: „Gut ist es, mein Bruder Maternus, dass du mir dieses
sagst. Du bist auch wirklich dankbar, aber glücklich bist du nicht, weil dein
eigener innerer Geist nicht berührt wird von dem Geiste Jesu. Du sagst: Gott ist
auch Geist, in erster Linie aber ist Gott wahrhaft Gott. Es ist dir heute noch
nicht bekannt, dass eben der Geist Gottes unserem Geist das Zeugnis gibt, dass
wir Seine Kinder sind. Dieses Zeugnis erst macht dich wirklich frei und voller
Frieden und Freude; und erst dann ist das Füllhorn Seiner Liebe überherrlich
über dich ausgegossen. Ist dir jemals das Leben derer offenbart worden, die
Seinen Geist überkommen haben? Du schüttelst verneinend den Kopf. Hast du jemals
die Herrlichkeit erlebt, die jene erleben, die sich Seine Kinder nicht nur
nennen, sondern auch als Seine Kinder sich bewegen? O, wie weit seid ihr noch
von der wahren Jesus- und Heilandsliebe entfernt, und wie wenig kennt ihr euren
wahren herrlichen Jesus!"
Sprach Maternus: „Johannes, wie konntest du meinen eigentlichen Namen kennen,
lebe ich hier doch unter fremdem Namen. Und was beabsichtigst du mit deinen
Worten?"
Johannes: „Bruder, nichts anderes, als dass ihr an den wahren Heiland Jesus
glauben und in Seinem Geiste erstehen sollt. Deinen Namen nannte mir eben dieser
Jesus, der euch alle mit Seinem Geiste ganz erfüllen möchte, um eures Heiles und
eurer Erlösung willen. Jesus allein kann mit Seinem Geiste alles enthüllen, und
nur Jesus als vollkommener Mensch kann uns den wahren Gott offenbaren. Deshalb
kann niemand zu Gott gelangen als nur der, der an Ihn glaubt und so zu leben
bestrebt ist, wie Er als Menschensohn lebte. Wer diese Bedingungen erfüllt, wird
Jesus erleben, wie Er als Gottessohn wirkte und auch noch wirkt; und wenn ich
etwas in diesem Seinem Geiste tue, bin nicht ich es, der da wirkt, sondern
Jesus. Ich bin nur der Mittler oder das Werkzeug Seiner Liebe, Macht und
Herrlichkeit.
Ist denn noch nie die Sehnsucht in euch wach geworden, einmal diesen Jesus zu
erleben und wenigstens einmal zu schauen? Ist noch nicht das Verlangen an euch
herangetreten, diesen wunderbaren und lebendigen Jesus zu verherrlichein.? Ihr
blickt mich gross an und denkt: Wer hätte uns dieses bisher gesagt, genügt das
Zeugnis von Paulus nicht? Ja, es genügte; aber weil ihr im toten Glauben und in
eurer kalten Weisheit gefühllos an dem Leiden anderer vorübergeht, kommt es euch
nicht in den Sinn, gleich dem Jesus auch ein Heiland und Gottessohn zu werden.
Nur wer das ernstlich will, dem wird es gelingen, und wer das suchet, der wird
es finden. Auch ich kann euch nur Wegweiser sein, und meine Worte sind eben
nicht meine, sondern Gottes Worte; dieses aber müsset ihr glauben und darnach
tun."
Sprach der Priester Boethos: „Viel Worte hast du verschwendet, aber nicht eine
Offenbarung hast du uns gegeben. Gib uns doch den Beweis, dass es wirklich der
lebendige Mensch Jesus ist, der dich als Mittler gebraucht! Gerne will ich deine
Lehre annehmen, denn mir scheint, als wenn dir an der Haltung der Lehre mehr
liegt, als an der Auswirkung der Gaben Gottes."
Erwiderte ihm Johannes: „Armer Bruder, Verschwendung vieler Worte nennst du, was
ich dem Bruder Maternus sagte? Und dabei war jedes Wort eine Offenbarung aus
Gott. Du möchtest Beweise; nun, dir sollen sie werden: und so will ich, dass du
deiner Gabe, Kranke zu heilen, verlustig gehst so lange, bis du den wahren Gott
und Heiland selbst richtig erkennst und an Seine Worte glaubst. Damit aber die
Gemeinde ihres Helfers nicht beraubt wird, so wird Bruder Maternus die Kraft
überkommen und auch behalten. Du, Bruder Maternus, komm und lass dir die Hände
auflegen, und wem du in dem lebendigen Glauben an Jesus, den wahren und
lebendigen Gottessohn und Heiland, die Hände auflegen wirst, der wird zur Stunde
gesund werden. Aber wohlgemerkt, umsonst erhältst du die Gabe, und umsonst
sollst du sie anwenden."
Da lachte Boethos und sagte: „Johannes, lass dich nicht belachen! Wenn ich will,
kann ich heilen, wann ich will. Da lasse ich mir auch von dir nichts
vorschreiben. Jesus hin oder her, ob Mensch oder Geist; die Kraft hatte ich
schon immer, und du bist schon deshalb nicht in der Lage, mir die Kraft zu
nehmen."
Ohne darauf ein Wort zu erwidern, legte Johannes dem Maternus die Hände auf und
sagte: „Nimm hin die Gabe aus dem Geiste der Liebe und Gnade Jesu, und alles,
was du in dieser Liebe und in diesem Geiste willst, das wird dir werden. Erstehe
ganz in Seiner Liebe, und kein Feind wird je imstande sein, dir diese Gabe
wieder zu nehmen."
Viele standen dabei, als Johannes Maternus die Hände auflegte, und sahen, wie
Johannes in heiligem Ernst leuchtete. Einer sagte: „Bruder Johannes, das war
eine heilige Feier, und ich fühle, dass deine Worte noch höher anzuschlagen sind
als die Worte des Paulus. Wohl legte auch Paulus hohen Wert auf die Haltung der
Gebote und die Befolgung der Liebeslehre, aber sage uns: Warum legst du den
grössten Wert darauf, zu glauben, dass Jesus ein Mensch war wie wir?"
Johannes sprach: „Brüder, höret: Wäre Jesus nicht Mensch wie wir gewesen, hätte
Er nicht unser Erlöser aus Tod und Gericht werden können. Denn hätten die
Menschen aus Gott ein ewiges Leben, so brauchte den Menschen kein Erlöser zu
werden, und ein jeder Mensch könnte sein eigener Erlöser sein, so er alle
sittlichen Gebote erfüllen könnte. Aber leider ist der Mensch zu tief in sein
Fleisch und in seine Sinne gefallen, so dass der Tod seines Fleisches und auch
seines Geistes die Folge war. Darum kam Gott in Jesus Selbst als Mensch und
stellte wieder die Verbindung mit dem Ewigen und die Mittel her, die Erlösung
durch Jesus, den Gottessohn, zu erlangen. Der Tod braucht einen Erlöser, das
Leben nicht, und alle Menschen sind vom Tode gezeichnet so lange, bis sich die
Menschen dem Leben aus Gott zuneigen. Wäre Jesus nicht Mensch wie wir gewesen,
hätte der Feind alles Lebens einen ewigen Triumph über das Erlösungswerk
gefeiert; denn dann wäre die Kreuzigung des Gottessohnes Jesus kein Opfer Seiner
Liebe, sondern ein Schauspiel gewesen. Seine letzten Worte aber waren: ,Es ist
vollbracht!’ Und in diesen Worten liegt der Freibrief Jesu für die Seinen.
Verstehet ihr nun, dass ich diesen Irrtum, der unter euch so unheilvoll sich
auswirkt, nicht länger mitansehen kann? Seid euch der Liebe und Gnade Jesu
bewusst; seid den Segnungen aus der Liebe derer, die da in Seinem Geiste dienen,
immer dankbar, und ihr erhöhet dadurch die Liebe Dessen, der euch schon immer
geliebt hat. Dieser Jesus hat durch Sein Opfer allen Tod und alles Gericht
überwunden und allen die Verheissung gegeben, dass Er immer dort sein will in
Seinem Geiste, wo Sein Geist gelebt wird, und in Seiner Liebe dort wirkend sein
will, wo eben dieser Jesusliebe Raum gegeben wird. Nun liegt es an euch, diesen
Jesus zu verherrlichen, — aber in Seinem Geiste, damit der Lebensfeind die
Segnungen Seiner Liebe nicht mehr schmälern kann."
Sagte Maternus: „Johannes, ich danke dir; denn nun fühle ich in mir auch die
Kraft - und eine Freude, dass ich alles umarmen könnte."
„Halte dieses fest, Maternus", erwiderte Johannes, „denn dieses ist das
erwachende und wirkende Leben aus Jesus, unserem Herrn und Meister; aber lasse
es nicht nur ein drängendes Leben sein, sondern ein tätiges, das zu jeder Zeit
ausgelebt sein will."
Begnadung des
Maternus mit der Gabe des Heilens
Da traten noch viele andere hinzu, darunter eine Frau mit einem Knaben, der die
fallende Krankheit hatte. Als sie des alten Priesters ansichtig wurde, ging sie
auf ihn zu und sagte: „Boethos, mein Sohn ist aufs Neue erkrankt; schon den
ganzen Tag trieb es mich zu dir, damit du meinem Sohn helfest."
Sagte Boethos: „Es ist gut, dass du zu mir kommst; da kann ich gleich erproben,
ob dieser Jünger des Herrn die Behauptung aufrecht erhalten kann, ich hätte die
Gabe des Heilens verloren."
Da ging der Priester hin zu dem Knaben, der unter der Obhut ihrer Schwester
geblieben war, und legte wie sonst seine Hände auf dessen Haupt. Der Priester
merkte nun, dass von ihm keine Kraft mehr ausging. Trotzdem liess er seine Hände
auf des Kindes Haupt ruhen. Nach einer kleinen Zeit aber fing der Knabe an zu
toben, und Schaum stand auf seinem Mund; da konnte die Mutter ihren Knaben nicht
mehr beruhigen. Sie klagte unter Tränen: „Was habe ich getan, dass mein Junge
nicht still halten will wie sonst; ich habe doch so innig zu dem Heiland
gebetet."
Sagte Johannes, der ruhig - wie die Anderen - zugesehen hatte: „Maternus, lege
du im Namen des Herrn dem Knaben die Hände auf und fürchte dich nicht, denn die
Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes Jesus Christus soll offenbar werden."
Maternus legte darauf dem Knaben die Hände auf das Haupt und sagte: „Jesus, Du
guter Heiland und Erlöser, durchdringe Du mich mit Deiner Kraft und hilf diesem
armen Knaben, dass er frei und gesund werde. Dein heiliger Wille geschehe jetzt
und allezeit. Amen." Da wurde der Knabe ruhig, sein Aussehen wurde milder, und
nach kurzer Zeit sagte er zu Maternus: „Lege noch einmal deine Hände auf meinen
Kopf, es tat mir so wohl, meine Mutter wird dir dafür danken."
Da weinte Maternus und sagte: „Komm, mein Junge, wenn es dir wohl tut, aber wir
wollen auch das Danken nicht vergessen, denn nun weiss ich, dass nur Jesus
geholfen hat. O Jesus, wie arm waren wir, dass wir erst genötigt werden mussten,
Dich zu erkennen. Du aber hast unseren Unglauben gesehen und hast uns durch
Deinen Jünger Johannes wieder zu dem rechten Glauben verholten. Habe Dank, Du
guter und wahrer Heiland, und mache uns alle frei, damit Dein Werk nicht unter
unserem Unglauben leide. Segne Du uns alle, vor allem unseren Bruder Boethos,
damit er Dich recht erkenne und wieder unser aller Priester und Helfer sein
kann, aber durch Deine Gnade und Deine Liebe, die wir eben so reichlich erfahren
haben!"
Boethos aber sagte: „Lasset mich gehen; ich bin nicht wert, dass ich unter euch
bleibe. Meine Torheit sehe ich ein, aber noch kann ich mich nicht unter euch
demütigen, weil ich von euch Glauben an mich forderte. Du, Johannes, hast zwar
recht gehandelt, weil du im Namen des Herrn und deines Meisters Jesu gehandelt
hast, aber ich bin immer noch nicht überzeugt, dass eben gerade Jesus, derselbe
Jesus, den ich meine, von einem Weibe geboren ist."
Sagte einer: „Boethos, was hast du denn eigentlich mit deinem Jesus, wenn du
sagst: den ich meine? Gibt es denn zwei Jesuse?"
„Aber natürlich, den Jesus, den ich meine, und den Jesus, den Johannes meint."
„Das ist doch Unsinn, Bruder, wie kannst du als unser Priester so frivol sein.
Es kann doch nur einen Jesus geben, Johannes muss es doch wissen!"
Sprach Boethos: „Brüder, lasset mich in Ruhe; ich selbst kann es noch nicht
fassen. Von Johannes habet ihr gehört: Jesus sei von einem Weibe geboren worden;
und meine Meinung, Jesus habe nur einen Scheinleib getragen, ist genug widerlegt
worden. Als wenn heute es darauf ankäme, ob Jesus geboren oder besonders
geschaffen worden ist!"
Sprach Johannes: „Du widerspenstiger Geist, wenn du schon das grösste Wunder
aller Liebe nicht glauben willst, so hindere wenigstens die anderen nicht mehr,
diese Liebe zu erleben. Eben das ist des Lebensfeindes grösster Schachzug: Jesus
oder Gott die Menschwerdung abzusprechen, um die Menschen in ihrer Lauheit nicht
zu stören. Höret alle: Ist Jesus nicht von den Toten auferstanden, dann gibt es
für uns Menschen auch keine Auferstehung; ist Jesus kein von einem Weibe
geborener Mensch gewesen, dann wird sich auch Gott nie als Mensch offenbaren
können; denn um sich seinen Menschenkindern offenbaren zu können, musste sich
Gott selbst das Mittel schaffen. Er schuf es, indem Er Selbst Mensch wurde, sich
unter Seine Gebote stellte und von unten auf sich selbst alles erringen musste,
weil Ihm um dieser Erlösung willen der Weg zur Allmacht nun abgeschnitten war
und sein musste."
Sagte ein anderer: „Johannes, so klar hat Paulus nicht gesprochen, und doch hat
er Wert auf den Glauben an Jesus gelegt. Wir haben auch Gnadenstunden erlebt, da
Jesus im Geiste unter uns weilte; aber gesehen hat ihn noch keiner. Du erweckst
in uns die Sehnsucht nach dem Herrn; ich weiss zwar [aber] nicht, ob es richtig
ist, zu wünschen, einmal Jesus sehen zu können."
Johannes: „Meine Brüder, Jesus zu sehen, ist nicht die Hauptsache, sondern Jesus
zu lieben ist Lebensziel und Aufgabe. Und in dieser Jesus-liebe allen Menschen
als meinen Brüdern zu dienen, ist dann der Dank, weil ich Jesus erkennen durfte,
wie Er als Mensch um uns alle rang und uns sozusagen dem Lebensfeinde und dem
Tode und Gericht abgerungen hat. Dieser Jesus steht im Geiste unter uns und
möchte sich uns offenbaren als Gott, Vater und Bruder; aber Er kann es nicht,
weil ihr Ihm die Möglichkeit nehmt durch falsche Begriffe über Sein Leben und
Sein."
„Bruder Johannes", sprach ein anderer, „wie soll ich das nehmen: wir sollen
schuld sein, dass sich Gott uns nicht offenbaren kann? Nun weiss ich nicht mehr,
was ich noch tun soll. Wir sollen Gott die Möglichkeit genommen haben; ja, ist
denn das möglich? Dann wäre ja Gott der Schwächere und wir die Stärkeren!
Erkläre uns dieses, oder wir kehren zu unserem alten Glauben zurück."
Johannes: „O ihr schwachen und unmündigen Kinder, die ihr noch seid! Wie soll
ich euch auch das noch erklären, wenn ihr euch von euren alten, verworrenen
Begriffen nicht trennen wollt? Glaubet ihr, dass Maternus den Knaben hätte
heilen können, wenn er in seinen alten Begriffen stecken geblieben wäre? Fraget
ihn; er wird euch die rechte Antwort geben."
Maternus war in diesem Augenblick ganz erfüllt von einem heiligen Drang; er
sagte: „O meine Brüder, Schwestern und Kinder, welch ein Leben regt sich in mir
und welch ein Glück, dass ich vor Freude weinen und zugleich lachen könnte.
Weinen, weil ich mich so unendlich beseligt fühle, und lachen, weil wir alle
noch so dumm sind und uns streiten, wer der Dümmere sei. Sehet, Johannes kommt
zu uns und bringt uns einen herrlichen Jesus, einen Jesus, der unser
Menschliches kennt, und warum? Weil Er selbst als Mensch, genau wie ein anderer
Mensch, unter Menschen lebte. In den wenigen Stunden, seit ich dieses erkenne
und nun auch überzeugt bin, dass es gar nicht anders sein kann, sehe ich Jesus
in einem anderen Lichte, und dieses lässt auch mein Menschliches mich ganz
anders sehen. Gewiss, Paulus hat uns den rechten Jesus gebracht, aber — wir
haben einen anderen daraus gemacht. Wir haben es uns leicht gemacht, indem wir
Jesus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, zu einem Opfertier machten, uns von
Seinem Blute unsere Sünden abwaschen liessen und gar nicht daran dachten, unser
Leben zu ändern; denn Sein Blut macht uns ja frei von allen Sünden. O welch
grenzenloser Irrtum, auf die Gnade hin in dem alten Leben zu verbleiben!
Jesus aber war Mensch und gab als Mensch uns ein Vorbild. Sein Leben war
Hingabe, wie wir hörten, ein Dienen und eine Vorbereitung, damit Er das Opfer
bringen konnte, das nötig war, um unser Erlöser zu werden. Freilich wäre es
leicht für Gott gewesen, dem Menschensohn Jesus einen Scheinleib zu geben, aber
dann wäre das Opfer von Golgatha kein Opfer gewesen. Nun war aber Jesus Mensch
und genau so der Schmerzen fähig, wie wir ihrer fähig sind, und so ist mir das
Opfer auf Golgatha etwas ganz anderes geworden; nämlich: die Morgenröte eines
neuen Lebenstages, in dem nun mein Erdenleben einen ganz anderen Sinn und Zweck
erhalten hat.
Da mir aber Gott nun viel herrlicher und lieblicher geworden ist, kann Er sich
mir auch ganz anders offenbaren als früher, wo mir Moses und die Propheten
genügen mussten. Darum, Brüder und Schwestern, verstehet mich, da ich einer der
Euren bin und auch bleiben werde. So ist nun auch in mir eine Sehnsucht lebendig
geworden, Ihn, den herrlichen und lieblichen Heiland Jesus, und sei es auch nur
von ferne, einmal zu schauen, damit Sein Bild in mir allezeit immer lebendiger
werde."
Johannes: „Maternus, nun hast du den rechten Geist aus Jesus erfasst, und nun
rate ich dir: hemme diesen Geist nicht und mache rechten Gebrauch von der Gnade,
die dir geworden ist! Werde fortan zu einem Heiland für deine Brüder und
Schwestern und denke, dass in einem jeden Bruder und einer jeden Schwester auch
ein neuer Heiland und Gottessohn erstehen soll, allen zum Heil und dem Herrn zur
Freude. Ihr anderen aber: liebet euch und bleibet in der Liebe; denn nur in
dieser Liebe kann Er in uns, unter uns und bei uns sein und bleiben. Alles, was
wir in dieser Liebe tun, ist so, als hätte Er es Selbst getan - und doch will Er
es uns lohnen, als wenn wir es getan hätten. Habet ihr Kranke, so bringet diese
eurem Bruder, aber in dem Glauben, dass nur Jesus sie heilen wird. Wer aber ganz
in den Willen des Herrn eingeht, wird die Quelle alles Lebens in sich finden,
und Jesus wird sich als der Überherrliche erweisen. So empfanget Seinen Segen,
und Sein Frieden werde euer Teil, und Seine Liebe euer Leben!"
Noch lange blieb Johannes in Ephesus und wirkte segensreich in den umliegenden
Gemeinden, und das Bild des Liebemeisters erstand in allen Herzen noch viel
lieblicher.
Maternus wurde zu einem Bruder, der Johannes in allen Dingen verstand, und seine
Sehnsucht, den Herrn zu schauen, wurde immer grösser und grösser. Seine
Heilerfolge lösten Freude und Dankbarkeit aus, aber Boethos verlor sich mehr und
mehr. Die Gabe des Heilens war ihm mehr, als die Gnade des Herrn. Maternus litt
sehr darunter.
An einem Sabbat, an dem alle zusammengekommen waren, weil Johannes zu anderen
Gemeinden reisen wollte, liess Matemus dem Boethos keine Ruhe; er musste einfach
mit zu dem Gottesdienst kommen, den Johannes hielt.
Alle waren gekommen, und alle waren gespannt, wie sich ihr alter Priester
benehmen würde, den sie alle aufgegeben hatten; aber Johannes in seiner alten
Liebeart war reine Liebe. Er ging sofort auf Boethos zu, nahm ihn bei der Hand
und führte ihn an den Altar, an dem er der Gemeinde diente. Boethos konnte sich
nicht im geringsten wehren; denn diese Liebe hatte er nicht erwartet, und die
Gemeinde erkannte in dieser Liebe zu dem Verirrten die reinste Jesuliebe.
Johannes sagte: „Geliebte Herzen, lange werde ich von euch fern sein dem
Äusseren nach, aber mein Herz und meine Liebe bleiben hier bei euch. Lasset uns
noch einmal so recht innig in der Jesusliebe verbunden sein und alles, was
hinter uns liegt, sei und bleibe uns Schule und Erziehung. Alles Schöne machte
uns frei und alles Unschöne machte uns reif für neue Lebensschulen. Heute ist
der Tag der Freude, einer Freude, die wir unserem Herrn und Meister bringen.
Genau wie wir uns nach Freude sehnen, so sehnet sich auch der Herr darnach, und
so spricht der Herr, unser Vater und Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit: Geliebte
Kindlein, habet Dank für eure Liebe und für die Freude, die ihr Mir besonders an
diesem Tage, aber auch an all den anderen Tagen gemacht habt. Darum öffnet eure
Herzen weit, damit ihr alle das Wehen Meiner Liebe in euch gewahret, und so
öffne Ich eure Augen, damit ihr Mich in Meiner Lieblichkeit erschauen könnt. Wie
ihr Meinem sehnenden Herzen Freude und Erfüllung gebracht habt, so kann auch Ich
euch heute Freude und Erfüllung bringen. Aber nicht nur Mich allein sollet ihr
erschauen, sondern auch alle die, die mit Mir gekommen sind und sich gleich euch
freuen und sich euch dankbar erweisen wollen. Kindlein, haltet solche heilige
Liebe fest, denn diese Liebe ist das Zugband, das alle eint, und diese Liebe ist
die Brücke zwischen Himmel und Erde. Erstehet ganz in voller Freiheit, damit
Meine Liebe euch allen zum Heile werde!"
Was in Ephesus noch nicht geschehen war, vollzog sich jetzt in dieser Stunde:
Engel und Selige mischten sich unter die Gemeinde, der Herr aber ging von einem
zum anderen, und jeder konnte vernehmen, was Er zu ihm sagte. Auch konnten sich
alle mit den Seligen besprechen, und mehrfach wurde die Frage laut: Warum
erleben wir erst heute diese Gnade?
Da wurde ihnen die Antwort: „Immer waren wir hier, aber ihr waret noch unfrei,
weil ihr für euren verirrten Bruder nicht genug Liebe walten liesset, und nun
sehet hin, wie der Herr sich von eurem Bruder betasten lässt; sehet hin, wie er
die Wundmale küsst und dem Herrn zu Füssen liegt. Erlebet aber nun auch die
Gnade, wie er vom Herrn angenommen wird!"
So richteten sich ihre Augen hin zu Boethos, wie der Herr ihn bei der Hand
nimmt, ihn aufrichtet und zu ihm sagt :
„Stehe auf, Mein Sohn, und mache dich ganz frei! Diese Stunde soll auch für dich
der Beweis sein, dass Ich Liebe, wahrhaft Liebe bin. Ich habe nicht vergessen,
was du Mir an Liebe gebracht hast, und was an dir an Falschem sich auslebte, hat
nun Schönem und Wahrem Platz gemacht. Du batest Mich, ich solle dir Kraft geben,
dass du diese unselige Zeit vergessen könntest, aber siehe, dieses vermag Ich
nicht; Ich aber habe es vergessen aus Mir, und so musst auch du es vergessen aus
dir.
Nur dein Wollen kann Ich stärken; und so du Mir und deinen Brüdern wieder ein
wahrer Bruder und Diener sein willst, so sei es! Nicht Ich habe dir den Dienst
entzogen, sondern du selbst warst es. Du vergassest, dass Ich in Meinem Johannes
zu euch kam, um euch von eurem Irrtum freizumachen. Es ist gelungen, und nun
ersteh in einem neuen Geist der Liebe und des Lebens aus Mir, eurem Heiland und
Erlöser! Ich will nicht der Bestimmende, sondern der Bittende sein; durch eure
Liebe aus Mir wird euch immer Gelegenheit gegeben, an euren Brüdern das zu
vollbringen, was ihr Mir tun wollt."
Da segnete der Herr noch einmal alle Anwesenden, und ihre Augen wurden
geschlossen, aber die Gefühle und die Seligkeit blieben.
Sprach Johannes: „Kindlein, diese Stunde war eine Gnadenstunde, die ihr nie und
nimmer vergessen werdet. Ihr sahet und hörtet, wie unser heiliger Vater und Gott
gleich wie ein Bruder unter uns weilte und selbst ausglich, was noch uneben war.
Keiner hat einen Vorwurf gehört; darum lasset alles Vergangene ruhen und
befleissigt euch, in dem Geist, den ihr in dieser Stunde erlebt habt, mehr und
mehr zu wachsen, damit unser heiliger Vater unter euch sich immer freuen kann,
Sein Dank wird euch Seligkeiten erleben lassen, für die auch ein Engel keine
Worte hat.
Nun scheide ich auf eine Zeit. Nach dem Willen des Herrn wird euer Bruder
Boethos wieder euer Diener sein. Bringet ihm volles Vertrauen entgegen; denn in
ihm erlebet ihr das Wort des Herrn, das euch Wegweiser und Licht sein und
bleiben wird in eurem irdischen Leben und Dasein. Dämpfet den Geist nicht, und
seid dankbar für die Gaben aus Seinem Geist!" "
Sagte Boethos: „Bruder Johannes, ist es wirklich der Wille des Herrn, dass ich
meinen Brüdern wieder dienen darf? Ich handelte unwürdig. Maternus ist bei
weitem der Würdigere."
Johannes: „Bruder, es ist der Wille des Herrn. Maternus wird dich unterstützen
als dein rechter und wahrer Bruder; je einiger ihr sein werdet, um so fester
wird die Gemeinde stehen. Ihr waret Juden; in Zukunft werden viele hinzukommen,
die Heiden waren. Machet keinen Unterschied zwischen euch und ihnen; denn was in
der Liebe geeint wird, das gehört zusammen. Ihr Epheser aber, befleissigt euch
immer mehr der Liebe und lernet, euch alle verstehen! Berufet euch nicht auf
Menschen, sondern immer nur auf den Herrn und Meister Jesus; denn in Ihm leben,
heisst auch: in Ihm vollendet werden.
So segne ich euch in Seiner Liebe und aus Seinem Geiste, und Sein Friede bleibe
Sein Lebensanteil in euch! Amen."
Noch lange blieben die Brüder beisammen, und Johannes hatte noch vieles zu
bezeugen, da die Erlebnisse dieses Tages für alle ein Wunder der Liebe waren.
Seefahrt des Johannes
von Ephesus nach Smyrna
Der Sturm und die Bekehrung des Schiffsherrn Nausikles
Boethos und Maternus begleiteten Johannes eine grosse Strecke Wegs. Da aber sein
Ziel Smyrna, die Hafenstadt, war, versuchte Johannes mit einem Schiff dahin zu
kommen, was ihm auch glückte.
Die Schiffsleute waren Griechen und hielten wenig vom jüdischen Glauben. Den
Schiffseigentümer Nausikles interessierte Johannes nicht, weil er Jude war; aber
Johannes liess sich nicht beirren und brachte bald ein Gespräch auf Jesus den
Gekreuzigten und Auferstandenen.
Müde und beinahe traurig sah der Schiffseigentümer Johannes an: „Mein Freund,
vieles, fast zu vieles habe ich von Ihm erfahren, aber wer bürgt mir für die
Wahrheit? Ein Apostel, Paulus war sein Name, hat wohl viele überzeugen können.
Ich aber hatte nie das Glück, einen Apostel des Gekreuzigten zu sprechen; und
auf das, was ich von Dritten höre, gebe ich wenig."
Sagte ihm Johannes: „Heute und in den kommenden Tagen hast du genug Gelegenheit,
dich mit einem Jünger des Herrn zu unterhalten. Als zwölfjähriger Knabe schon
kannte ich Jesus und bin Ihm gefolgt, als Er mich zur Nachfolge rief. Glaube
aber nicht, ich wolle dich für die Lehre des Heilandes Jesus gewinnen. Ich sage
dir darum gleich, dass ich zwar zeuge von meinem Meister, jedoch die volle
Entscheidung dir überlasse. Und nun gebe ich dir den Rat: Sieh dich vor, wir
werden heute noch einen grossen Sturm haben, der deinem Schiff sehr zu schaffen
machen wird. Fürchte dich aber nicht, denn mein Gott und Heiland Jesus ist auch
ein Herr über alle Stürme."
Fragte der Schiffsmann: „Freund, wie willst du wissen, dass ein Sturm kommt; die
Wetteraussichten sind heute besonders günstig."
Johannes: „Nausikles, glaube meinen Worten, wenn du vor Schaden bewahrt bleiben
willst; denn was mir mein Herr und Meister sagt, ist und bleibt Wahrheit."
Nausikles: „Wie errätst du meinen Namen, und wie kann dir dein Gott und Meister
Dinge sagen, wo Er nicht hier ist? Wie ist dein Verhältnis zu deinem Gott? Für
meine Götter gebe ich Opfer, alles andere überlasse ich den Priestern. Götter
hin oder her; bis jetzt habe ich noch keine Beweise für ihre Wirklichkeit
erhalten; es ist alles Natur, und diese hat ihre Gesetze. Heute ein Sturm? Nein,
daran glaube ich noch nicht, weil alle Vorbedingungen dazu fehlen. Wie soll ich
dich nennen; ihr Priester seid rätselhafte Gesellen?"
Johannes: „Nausikles, nenne mich Johannes. In meiner Jugend war ich Fischer.
Seit Jesus mich rief, bin ich Menschenfischer. Zum Priester eigne ich mich
nicht, denn ich will nicht Lehrer, sondern allen Bruder und Diener sein, auch
dir und den Leuten auf deinem Schiff."
Nausikles: „Also Johannes bist du; dein Name flösst mir Vertrauen ein, und deine
Augen verraten eine väterliche Milde. Meine Leute aber sind grosse Rohlinge und
müssen hart angefasst werden. Du wirst mit deiner Bruder- und Dienerschaft einen
schweren Stand haben; es ist besser, du bleibst für dich und viel in meiner
Nähe."
Johannes: „Ich danke dir für deinen Rat, aber es bleibt bei dem, wie ich dir
sagte. Bevorzuge mich nicht - es ist genug, dass ich einen Platz bekam auf
deinem Schiffe."
Nausikles: „Johannes, sei vorsichtig! Meine Leute mögen die Juden nicht leiden.
Überhaupt stehen die Juden hier in keinem guten Ruf, da eure Priester
Menschenhändler sind."
Johannes: „Nausikles, ich sage dir: waren! Denn ein Tempel steht nicht mehr in
Jerusalem. Das Strafgericht des ewigen Gottes hat Jerusalem vernichtet, und fast
alle Einwohner, soweit sie nicht Gefangene der Römer oder geflohen sind, sind
tot."
Nausikles: „Johannes, ist das wahr? Wann ist das geschehen?"
Johannes: „Erst in diesen Tagen, mein Gott offenbarte mir dieses und liess mich
die Trümmer sehen."
Nausikles: „Johannes, nun wird es mir zuviel; wie willst du mir dieses beweisen?
Lass es meine Leute nicht hören!"
Johannes: „Nausikles, der heutige Sturm sei der Beweis; du wirst die ganze Nacht
nicht zur Ruhe kommen, und ich bitte dich: Triff Vorkehrungen, es würde mir leid
um dich sein, da du immerhin wertvolles Gut geladen hast."
Nausikles schaute Johannes lange an, dann sprach er:
„Johannes, weil du mich bittest, will ich es tun; aber schweige vor meinen
Leuten, wenigstens heute; ich kenne sie."
Er gab darauf seine Anweisungen und liess alles an Bord festmachen bis auf die
Segel. Es war ein guter Wind, und schnell kamen sie ins freie Meer. Nausikles
lächelte über diese Prophezeiung eines Sturmes, aber er schwieg, auch als seine
Leute ihn fragten, warum er alles festmachen liesse. „Ich fürchte, wir bekommen
Sturm", war seine Antwort. Gelächter war die Gegenantwort.
Keine zwei Stunden dauerte es, da zeigte sich am westlichen Himmel eine gelbe
Wolke, der Wind schlug um, und das Meer warf mehrere Meter hohe Springwellen.
Jetzt glaubte auch Nausikles an einen Sturm. Er wies mit der Hand nach dem
westlichen Himmel, wo sich bereits schwarzgelbliche Wolken wie eine Riesenwand
vorschoben. Johannes sah allen Verrichtungen zu, betrachtete den Himmel
aufmerksam und sah mit geistigen Augen den Riesenauftrieb zerstörender Mächte,
die sich mit den Naturgeistern verbunden hatten. Im Stillen verband er sich mit
seinem Meister und segnete diese finsteren Mächte, die aber mit Blitzen seinen
Segen zu vernichten suchten.
Johannes liess sich nicht beirren; auch als schon die Vorboten des Sturmes sich
bemerkbar machten, segnete er unverdrossen. Nausikles kam zu ihm und sagte:
„Komm eilends nach unten; bald wird es einen Aufruhr geben, und wir werden
tüchtig nass werden. Du hast doch recht gehabt, und ich bin froh, dass ich
deinen Worten folgte."
Immer finsterer wurde es, und nach einer Stunde brach ein Sturm los, der ganze
Wellenberge vor sich hertrieb. Johannes verliess seinen Platz nicht. Die Leute
arbeiteten, was ihre Kraft hergab. Ein Wunder, dass der Mast nicht brach. Wie
eine Nussschale wurde das Schiff hin und her geworfen. Die Leute wunderten sich,
dass Johannes seinen Platz nicht verliess. Unentwegt segnete dieser den Sturm,
die unheilbringenden Wasserwogen und den nun einsetzenden Sturmregen.
Jetzt zeigte sich Johannes in seinem grossen Glauben. Er gebot den finsteren
Mächten zu schweigen, im Namen Jesu Christi. Noch einmal ein schreckliches
Krachen. Blitz auf Blitz folgte, dann wurde Ruhe. Die Wasserberge wurden immer
kleiner, nur der grosse Regen hörte noch nicht auf. Nun fast alles ruhig war,
bis auf den Regen, ging Johannes, bis auf die Haut durchnässt, nach unten, wo
ihm ein trockener Mantel gereicht wurde.
Nausikles kam nach. Er sagte:
„Johannes, was bist du für ein merkwürdiger Mensch! Sage mir nur eins: Warum
bist du nicht eher nach unten gegangen, du als Fischer musst doch wissen, wie es
bei einem Sturme zugeht."
„Eben darum, weil ich es weiss, blieb ich auf Deck, und zwar auf Geheiss meines
Gottes."
„Deines Gottes? Ich bin starr, ist denn das schon einmal gehört worden? Lach
mich nicht aus, Johannes, da steckt gewiss etwas anderes dahinter."
„Du hast recht, Nausikles, viel steckt dahinter; aber dir dies alles zu
schildern, ist nicht angebracht, weil du es doch nicht fassen könntest. Wenn ich
dich aber bitte: bleibe wachsam, so hat dies seine Gründe; denn das Wetter ist
noch lange nicht vorbei, doch ich glaube, das Schwerste ist vorüber."
„Johannes; nun glaube ich deinen Worten, und so bleibe hier unten in der Wärme;
verschlimmert sich die Lage, werde ich dir Bescheid sagen."
„Das ist nicht nötig, Nausikles; mein Meister, Herr und Gott verständigt mich
zeitig genug. Ich aber sage dir: es hätte viel schlimmer kommen können."
Es war, wie Johannes sagte, der Regen hörte nicht auf, und nach einer knappen
Stunde brach erneut ein Sturm los. Johannes war inzwischen nach oben gekommen;
er stand wieder am selben Platz und segnete Wetter und Sturm; aber das Wetter
wurde heftiger. Johannes bat seinen Meister um Beistand, da sich die Mächte
nicht beugen wollten. Nun hatte er den Feind geschaut, der das Wetter
verursachte, und konnte sich nun direkt gegen ihn wenden. Die Antwort war ein
noch grösserer Sturm. Die Leute banden sich wieder fest, aber Johannes blieb an
seinem Platz.
Nausikles wollte ein Seil um Johannes schlingen, aber Johannes winkte ab;
ausserdem wurde es jetzt stockfinster.
Johannes stand wie ein Fels im Sturme. Er gebot im Namen des Herrn Ruhe und
Schweigen; aber der Sturm wollte nicht schweigen. Wohl zehnmal gebot Johannes
Ruhe und Schweigen aus der ganzen Glaubenskraft. Da erhellte plötzlich ein Blitz
die Nacht, und Johannes sah in dieser Helligkeit den Herrn, wie Er dem Sturm
Ruhe und Schweigen gebot. Im Nu war alles ruhig. Nausikles wie auch die anderen
Leute sahen den hellen Blitz, dem kein Donner folgte. Dieser sonderbare Blitz
hatte sie mehr erschreckt als das Sturmgewitter. Wie aber erstaunten sie, als so
plötzlich das Wetter vorüber war und sich auf einmal ein wunderbarer
Sternenhimmel zeigte. Von unten wurden Fackeln gebracht und nachgesehen, welche
Schäden der Sturm angerichtet hatte, aber Johannes sagte:
„Leget euch zur Ruhe, die Schäden können morgen ausgebessert werden; vergesset
aber das Danken nicht!"
Bis auf die Wachen begab sich alles nach unten.
Johannes blieb wach. Immer wieder fragte er sich, wie es kam, dass sein Segen zu
schwach war und die Kraft des Herrn in ihm nicht ausreichte. Voll von
überschwänglichem Gefühl hätte er alles umarmen mögen, weil der Meister ihm
sichtbar zu Hilfe gekommen war. Er musste seinem Empfinden im Gebet Ausdruck
verleihen: „Mein Jesus, Du meines Lebens Ziel und Inhalt, Du kommst zu Hilfe in
der grössten Not und lassest dem Feind nicht den Triumph, dass er über Deine
Kinder Gewalt hat. Mein Jesus, lag es daran, dass ich schwach geworden bin?"
Da stand ein lichter Engel vor ihm und sprach:
„Mein Bruder, beruhige dich: der Herr musste Selbst eingreifen und dem Wüten des
Sturmes ein Ende machen, um den Gegner zu schonen, der den Herrn Selbst treffen
wollte. Und nun siehe alle die Opfer der Eigen- und Falschliebe all derer, die
da glauben, ohne einen Gott auskommen zu können!"
Johannes sah eine gewaltige Schar geschlagener Wesen gleich züngelnden
Feuerschlangen, und Wesen, die noch keine Form hatten. Er sah den Engel fragend
an:
„Bruder, was soll das alles bedeuten? Diese Wesen können doch nicht zur
Verantwortung gezogen werden. Es sind sogar noch Naturgeister unter ihnen, was
haben denn diese dabei zu verrichten?"
„Nur um des Tumultes willen; sieh dich um, und erkenne, wie die ganze
Geisterwelt eingesetzt wurde, damit du nicht an dein Ziel gelangen solltest!"
„Ich danke dir, Bruder, für deine Hinweise; nun bin ich unterrichtet und
verstehe auch den Drang in mir, nach Smyrna zu gehen."
„Bruder", sprach der Engel, „es ist eine Freude, euch Kindern zu dienen, immer
findet ihr das Rechte. Euer inneres Leben ist dem unsrigen voraus. Darum erbat
ich mir den Dienst, dir dienen zu dürfen. Ich bleibe in deiner Nähe."
„Kannst du dich auch den Anderen zeigen, lieber Bruder, oder bist du an
Weisungen gebunden?"
„Gebunden nicht, aber in einer solchen Freiheit, in der du lebst, bewege ich
mich nicht, da ich nur ein Diener unseres Gottes bin."
„Ich weiss, Bruder, aber es ist mir Freude, zu wissen, dass ich unter deinem
besonderen Schutz wirken kann. Ich gehe nun freudig nach meinem neuen
Wirkungsort."
Am Morgen sah es auf dem Schiff bös aus: das Meer hatte allerhand Unrat auf Deck
geworfen, auch waren alle Taue noch nass und liessen sich schwer bearbeiten.
Aber seit Sonnenaufgang ging ein frischer Wind, und alle waren froh und guter
Dinge.
Johannes unterhielt sich oft und lange mit den Schiffsleuten. Sie nahmen das
Evangelium vom Heiland Jesus an. Gerne hörten sie ihm zu, und Nausikles hatte
rechte Freude über Johannes. Er fragte ihn:
„Sag mir: wie hast du das fertig gebracht, aus meinen rohen Leuten solch willige
Menschen zu machen?"
„Nausikles, warum fragst du dich nicht selbst, weshalb es dir bis jetzt noch
nicht gelungen ist, aus deinen Leuten Brüder zu erziehen?"
„Ja, Johannes, daran habe ich noch nie gedacht; es sind halt meine Knechte, und
da gilt mein Wille."
„Nausikles, auch für deine Brüder ist nur dein Wille massgebend, nur mit dem
Unterschied: als Knechte tun sie nur ihre Pflicht, als Brüder aber wollen sie
dich befriedigen, damit du immer Freude an ihnen habest."
„O weh, Johannes, daran habe ich noch nie gedacht. Freude habe ich bei ihnen
zwar immer gesucht, aber wenig erlebt."
„Kein Wunder, Bruder, mache nur allen Freude, und du wirst Freude über Freude
erleben. Gerade dies war des Meisters grösster und herrlichster Lebenszug:
Freude und Liebe zu bringen, und die Ernte fiel auch dementsprechend aus."
„Ja, aber warum musste da Jerusalem fallen, warum mussten alle diese bitteren
Zustände, diese Greuel und Leidenszeiten kommen? Johannes, liegt darin kein
Widerspruch?"
„Alles dies konnte selbst vom Herrn nicht aufgehalten werden, weil die Menschen
es so haben wollten. Der Mensch ist das Produkt seiner Erziehung und seiner
Denkungsweise, und wie die Aussaat, so ist die Ernte. Viele, die an den Herrn
glaubten, wurden vor all den Übeln bewahret, aber auch viele wurden ein Opfer,
weil sie die Ratschläge Seiner Liebe und Weisheit nicht beachteten. Auch ich bin
umgeben von Gefahren; denke an diese Nacht, oder kannst du dir denken, dass,
wenn der Herr nicht unser Beschützer gewesen wäre, wir so glatt durchgekommen
wären? Ich habe noch andere Beweise."
„Wieso Beweise? Das musst du mir erklären."
„Das alles zu erklären, geht nicht an, weil du mich doch nicht verstehen
würdest; nimm aber an, dass es dem Lebensfeind nicht recht ist, dass ich nach
Smyrna gehe und dort die Gemeinde stütze und stärke. Vergiss die Stunden nie,
die wir beisammen waren, und lasse in dir jedes gehörte Wort zu einer Speise für
deine Seele werden, und du wirst inne, wie du in Gott froher und freier wirst.
Fange an und werde Liebe, und alle Welt um dich wird anders aussehen werden!
Liebet euch wie rechte Kinder unseres Gottes, dann werdet ihr das Herrlichste
erfahren: wie Gott in Jesus unser aller Bruder geworden ist!"