DIE FÜNF BÜCHER MOSE
Mit Erklärungen, das Innere Leben betreffend
von Madame Guyon
1982 / 2005
Wortgetreuer Nachdruck nach der Originalfassung
des 17. und 18. Jahrhunderts
Inhaltsverzeichnis
Das Erste Buch Mose
Kapitel 1 / 2 / 3 / 4 / 50
Das Zweite Buch Mose
Kapitel 1 / 40
Das Dritte Buch Mose
Kapitel 1 / 26 /
Das Vierte Buch Mose
Kapitel 1 / 27
Das Fünfte Buch Mose
Kapitel 1 / 34 /
Die Erklärung der Heiligen Schrift wird dir, lieber Leser, wie am hellen, vollen Tag das Geheimnis des Innern, den Geist der Religion aufschliessen, wie ihn noch kein Sterblicher aus den göttlichen Urkunden enthoben hat. Aber wie diese aus Gottes Geist entquollen, so flossen gleichfalls die Werke der Madame Guyon aus der gleichen Quelle, was du teils in ihrem ganzen Inhalt, teils von ihr selbst ausgesprochen in folgender Vorrede, in der Offenbarung Johannes und in ihrem Leben klar und deutlich finden wirst. Vorurteilsfrei sei dein Geist, einfach und redlich dein Herz, und du wirst bei dem Lesen dieser innigen, göttlichen Schriften dem Herrn inbrünstig danken, dass Er aus unerforschlicher Barmherzigkeit die Menschheit so zur Vollkommenheit heranbilden will, wie sie es noch niemals war. Ja, Er muss sie auf den Höhepunkt der Gottähnlichkeit wieder erheben, wenn die Schrift in Erfüllung gehen soll.
Sind die herannahenden Wirren, Stürme und Umwälzungen zu Ende, sind die unverbesserlichen Knechte und Sklaven der Welt und des Satans vom Abgrunde verschlungen, dann wird Jesus Christus, Gott von Ewigkeit, siegend über seine hohnlächelnden Feinde, die schon lange von allen Parteien durch Bosheit, Irrtum und Unglauben verfolgte Kirche unter den Völkern begründen, das paradiesische Leben wieder herstellen, und mit seinem souveränen Willen die Menschenherzen regieren, wie Er dort oben die seligen Geister und Seelen regiert. - 0 Jesus, komme, ja komme doch bald, Amen!
Zu Ehren der hochseligen Verfasserin erscheine hier noch folgende Bemerkung von ihrer gelehrten Zeitgenossin, der Marquise de Crequy, deren Werke wirklich in Paris neu herausgekommen, 1. Band, Seite 232: „Die Frau Guyon“, sagt sie unter anderem, „war die geduldigste und die bescheidenste, die sanftmütigste und frömmste, wie auch die schönste alte Dame, wie man keine solche jemals gesehen hat.“
Alles Unheil in der Welt entsteht aus der Irreligiosität. Man kennt die Schönheit und die Grundsätze der christlichen Religion nicht, einer Religion, die so wunderschön, die so vortrefflich ist, dass, wenn sie erkannt würde, alle, alle ohne Ausnahme sie lieben und die ausgezeichnetste Ehrfurcht gegen sie haben würden.
Wie sollte sie aber denjenigen bekannt sein, die sie nicht ausüben, und gar nicht in dieselbe eintreten, indem sie sogar denen, welche sie besonders zu bekennen scheinen, unbekannt ist; da ihre Religion in nichts anderem, als in dem was sie nicht ist, und nicht in dem was sie ist, besteht. Sie vernachlässigen das Wesentliche und Geistvolle, und bleiben stehen beim Zufälligen. Darum bekümmern sie sich nicht um den Grund und den Geist der Religion, weil sie nur an ihrem Äussern oder an ihrem Leibe sich festhalten.
So wie Jesus Christus und seine Jünger uns gelehrt, befindet sich in der christlichen Religion ja nichts, was nicht gross, erhaben und göttlich ist, obgleich unter den gewöhnlichsten und einfältigsten Dingen verborgen. Das, was scheinbar das Einfältigste und Gewöhnlichste ist, ist auch zugleich das Erhabenste, weil Gottes Geist sich vorzüglich darin befindet. Denn die Dinge sind nur insofern gross, als ihr Urgrund erhaben ist, und nicht nach dem Eigendünkel derjenigen, welche dem, was ihnen gut dünkt, den Namen gross oder gering beilegen, und folglich das Geringste und Nichtswürdigste aller Ehren wert achten, hingegen des Ehrwürdigsten sich schämen und dasselbe verachten.
Jesus Christus war damit nicht zufrieden, nur durch seine Worte die grundlosen, eitlen Meinungen der Menschen auszureuten; er tat es auch durch sein Beispiel. Erhoben hat er den Adel der Armut, indem Er sie erwählte; und die Nichtigkeit der Reichtümer stellte Er damit vor unsere Augen, indem Er sie verachtete. Er hat gezeigt, dass dasjenige, was die durch falsche Vorstellung betrogenen Menschen Niedrigkeit nennen, etwas wahrhaft Grosses sei; und dass das, was sie als etwas Grosses anschauen und bewundern, unsere gänzliche Verachtung verdient. Mit einem Wort, um auf Erden die Wahrheit zu begründen, mussten alle Dinge umgekehrt werden; oder vielmehr, sie mussten alle wieder in ihre erste Ordnung, die durch Lüge und Stolz umgeworfen und umgekehrt wurde, zurückgeführt werden.
Bei Erschaffung der Welt begründete und befestigte Gott die Religion, nämlich den Gottesdienst der Wahrheit und Gerechtigkeit, der nur Gott gebührt. Die Engel im Himmel, gereizt von Hochmut, missbrauchten dieselbe, oder rissen sie gewalttätigerweise durch boshafte Anmassung an sich, und wurden gleichzeitig Abgötterer, indem sie dasjenige, was ihr gebührte, raubten, um es sich zuzueignen. Sobald diese Selbstzueignung den stolzen Engel verführte, stürzte er tief hinunter; und da dieselbe ihn aus seiner natürlichen Ordnung herausriss, wies sie ihm eine andere Ordnung an, oder vielmehr, sie warf ihn in Unordnung, die seiner anerschaffenen Natur zuwider, und also für ihn ein gewaltsamer Zustand war, der ebenso lang wie seine Eitelkeit und Empörung dauern sollte. Hätte Gott in diesem rebellischen, von Selbstverehrung beherrschten Engel seine Wahrheit wieder einführen wollen, so würde er das falsche Wesen des Hochmuts in ihm ausgereutet haben, um ihn wieder in die ewige Wahrheit zurückzubringen, und so wäre er in seinen natürlichen Zustand ein-, und vom gewaltsamen ausgegangen. Dieser Zustand aber wäre kein anderer gewesen, als ein Zustand der Wahrheit, der diesen Empörer von aller ungerechten Anmassung entblösst, damit er Gott wieder erstattet hätte das, was Gott gebührt. Auf diese Art würde der Engel in den Zustand der Religion wieder eingesetzt worden sein.
Nachdem der Hochmut die einfache und natürliche Ordnung des Engels im Himmel zerstört, geschah es, dass eben dieser Engel, der ein Teufel, ein Sohn des Hochmuts und der Vater der Lüge geworden, den Hochmut auf die Erde gebracht, und auf sie dieses scheussliche Ungeheuer ausgespieen hat, ein Ungeheuer, dessen heftiges Gift die Welt kurz nach ihrer Schöpfung angesteckt hatte.
Gott schuf den Menschen in Wahrheit und Einfalt. Dies war eine Art Mitteilung Gottes an den Menschen, und eine Teilnahme an seinem Wesen. Der Mensch wurde in der von der Wahrheit untrennbaren Religion erschaffen, die in einem Dienst bestand, der dem einen wahren Gott allein gebührt, und in einer vollkommenen Unschuld, die eine Wirkung der Einfalt und Wahrheit ist, welche ihm bei seiner Erschaffung war mitgeteilt worden. Diese Wahrheit und Einfalt waren der Urgrund der Religion Adams, wodurch er Gott einen beständigen Gottesdienst erwies, einen Gottesdienst der Gerechtigkeit, so wie Gott denselben von ihm fordern konnte. Der Dienst der Gerechtigkeit, begründet auf Einfalt und Wahrheit, erhielt Adam in Unschuld, indem es unmöglich ist, in Wahrheit und Einfalt zu bestehen, ohne zugleich in Unschuld zu verbleiben. Denn derjenige, der die Unschuld verloren, verliert auch Wahrheit und Einfalt.
Die Religion ist also nichts anderes als ein ehrfurchtsvoller Gottesdienst der Gerechtigkeit und Wahrheit, welche bewirkt, dass wir mit Gott als Gott handeln, und mit dem Geschöpf als mit dem Geschöpf verfahren, indem wir an dem Platz verbleiben, der uns gebührt. Dieser Zustand ist notwendig mit der Unschuld verbunden, weil er den Menschen in jener Ordnung, in die ihn Gott versetzte, und in der unbedingten Unterwürfigkeit in den göttlichen Willen erhält. Dies ist die wahrhafte Unschuld, welche alle Argheit und Sünde gänzlich ausschliesst, die einzig nur durch Empörung und Unordnung entstehen können.
In diesem Zustand der Religion und Unschuld, der Wahrheit und Einfalt befand sich der Mensch, als der unglückliche Engel, neidisch über dessen Glückseligkeit, ihn zum Gefährten seines Verbrechens machen wollte, und ihn daher zu einem Mitschuldigen seiner Greueltat verführte. Deswegen blies er dem Menschen die Lüge ein, welche, sobald sie im Menschen Eingang gefunden, aus ihm Wahrheit und Einfalt verbannte, Religion und Unschuld zerstörte und verkehrte. Dieser Verlust der Wahrheit und Einfalt ist die Urquelle aller Sünden, welche die Religion vertilgte, Abgötterei und unzählige Sekten in die Welt brachte, die Unschuld daraus verbannte, und endlich den Menschen aus seiner natürlichen Ordnung herausriss, um ihn in einen unnatürlichen, gewaltsamen Zustand, der nichts als ein immerwährender Tod ist, zu versetzen. Denn das Leben hat seinen Bestand nur in der Wahrheit und Einfalt.
Gott, der den Menschen in dieser Unordnung nicht lassen wollte, sandte in der Fülle der Zeit seinen einzigen Sohn, dessen Geist er dem Menschen bei seiner Erschaffung eingehaucht hatte. Diesen seinen Sohn, sage ich, sandte Gott, um den Menschen wieder in seine natürliche Ordnung von Wahrheit und Einfalt, in die Ordnung der Gerechtigkeit, die ihn an seinem Platz halten sollte, einzuführen. Diese Ordnung, welche den Menschen von jeder falschen Anmassung befreite, Lüge und Mannigfaltigkeit aus ihm vertrieb, bewirkte, dass er Gott dasjenige, was er ihm schuldig ist, wieder erstattete, und in ihm den Gottesdienst der Religion und Unschuld herstellte. Ja, Gottes Sohn machte, dass der Mensch den Zustand der Gewalttätigkeit und des Todes glücklicherweise verlor, auf dass er in den Zustand der Freiheit und des Lebens wieder eingehen konnte.
Setzt man diesen Grundsatz voraus, so ist es ein leichtes zu erkennen, dass alles, was uns vereinfacht und in die Wahrheit einführt, uns auch unfehlbar wieder in den Urgrund der Religion und Unschuld zurückbringt. Jeder andere Weg ist Verwirrung. Demnach, als Jesus Christus auf die Welt kam, lehrte er uns durch Wort und Beispiel nichts anderes, als Einfalt und Wahrheit. Sprach Er nicht selbst: Ich bin gekommen den Geist der Wahrheit in die Welt zu bringen? allein die Welt kann ihn nicht aufnehmen (Joh.14,17). Die Welt als Welt kann weder Wahrheit noch Einfalt empfangen, weil sie in Unordnung und Verwirrung sich befindet. Deswegen muss diese notwendig aufgehoben und vernichtet werden, damit der Mensch durch die Wahrheit in seine natürliche Ordnung, in seine Religion und Unschuld wieder eingeführt werde. Suche man spitzfindige Dinge im Gebiet der Frömmigkeit solange man will; alles was nicht Einfalt und Wahrheit ist, ist weder die wahre Religion noch die vollkommene Unschuld.
Religion und Unschuld ist also auf Einfalt und Wahrheit begründet; die Wahrheit aber befindet sich allein in der christlichen Religion, die nichts als Einfalt und Wahrheit ist. Sie ist nichts als Wahrheit an und für sich selbst, indem sie uns in unserer Schöpfungsordnung, wie auch in Gottes Willen erhält, indem sie bewirkt, dass wir Gott den Dienst der Gerechtigkeit leisten, und sie uns von jeder Anmassung der Lüge befreit, um uns in der Unschuld zu bewahren vermittelst einer Entblössung von dem was nicht uns angehört. Denn was können wir wohl Eigenes besitzen, und was haben wir von und aus uns selbst? Nichts als das lautere Nichts! Alles übrige, gehört es nicht Gott an, und ist es nicht von Gott? Diese christliche Religion ist auch nichts anderes als Einfalt, indem sie bezweckt, uns von unsern allzu vielfältigen Beschäftigungen abzuziehen, um uns mit dem einen Notwendigen innigst vertraut zu machen, und zu verschaffen, dass (indem unser natürliches, ordentliches Treiben beruhigt wird) wir in Ruhe und Einheit Gottes eingehen mögen, ohne das wir Gott nicht ähnlich und folglich nicht mit Ihm vereinigt werden können.
Durchforscht man dasjenige, was ich gemeldet, so wird man ohne Mühe die Ursache begreifen, warum die Heilige Schrift soviel von Entblössung spricht. Gerade eben deswegen handle ich ebenfalls so weit-läufig davon, und beschreibe so ausführlich die Gelassenheit, den Glauben und den inneren Geist, was der eigentliche Zustand des göttlichen Willens ist, den die Seele in diesen verschiedenen Durch- und Übergängen erfährt. Wiewohl dies dem Unkundigen unnütz erscheint, so ist es dennoch der Geist der christlichen Religion.
Es ist dieser Weg der Entblössung, der die Seele in die Wahrheit und in das Urwesen der christlichen Religion einführt. Er ist es, der alle Verblendungen, allen Trügereien, Ketzereien und Sünde, allen Irrwegen entgegensteht. Dieser Entblössungsweg ist es endlich, der die Seele in die Wahrheit versetzt, indem solcher die Seele von allem ganz und gar entledigt, was sie dem Allerhöchsten in der Ordnung ihrer Schöpfung und vollkommenen Unschuld anzugehören, verhindert. Man muss hier wohl bemerken, dass die Erlösungsgnade, welche Jesus Christus für uns verdient, uns in Wahrheit und Einfalt versetzt, und uns zu wahren, echten Anbetern des ewigen Vaters in Geist und Wahrheit macht; welche Anbetung in Geist und Wahrheit der erste Gottesdienst der Religion ist. Dies ist der Gebetsgeist, auf den sich alles beziehen soll. Auch ein Geist des Opfers ist diese Entblössung, der zum Zweck hat, uns selbst zu vernichten als Opfergabe, die wir der Grösse des einzig allerhöchsten Wesens schuldig sind. Dies ist ebenfalls die Ursache, warum Jesus Christus sich einmal am Kreuz ge-opfert, und sich noch immer auf unsern Altären opfert, und somit aus diesem Opfer, aus diesem mit der Anbetung in Geist und Wahrheit vereinigten Geist der Religion, der wahre Gottesdienst der Religion besteht, der allein durch die Abgeschiedenheit oder Entblössung, wodurch der Mensch zur Wahrheit und Einfalt gelangt, errungen wird.
Ich bitte ernsthaft zu bedenken, dass es unmöglich ist, sich der Wahrheit ausser durch Verlust der Vorurteile, des Vernünfteins und solcher Gedanken, die uns die Wahrheit verdecken, zu nahen. Denn diese eine Wahrheit soll so nackt sein, dass man sie weder bekleiden noch schmücken kann, ohne sie unkenntlich zu machen. Auch kann man ebensowenig durch die Vielfältigkeit zur Einheit gelangen, mithin muss man vermöge der Einfalt zu ihr gehen. Diese Einfalt aber kommt nicht durch Reden und Vernünfteln, was Vielfältigkeit ist, sondern durch die einfache Übung der drei theologischen Tugenden in unserer Seele, welche Tugenden nach Bemächtigung der drei Seelenkräften dieselbe vereinfachen: der Glaube vereinfacht den Verstand, die Hoffnung das Gedächtnis und die Liebe den Willen. Diese drei Tugenden werden sonderlich schön durch die Anbetung in Geist und Wahrheit, wie auch durch das Opfer der Religion und das einfache Gebet, vermöge dessen wir den einfachen Geist Gottes anbeten, ausgeübt.
Dies ist der Geist der christlichen Religion, der nichts anderes als der Geist Jesu Christi ist, und den wir auch den inneren Geist nennen. Ich behaupte auch, dass alle, welche nicht in das innere Leben, d.h. in den Geist der Religion und in den Geist Jesu Christi eingehen und eindringen, nicht Christen, sondern nur blosse, leblose Leiber des Christentums sind, die den Geist und das Leben eines wahren Christen nicht besitzen. Jesus Christus war in seinem Innern unaufhörlich beschäftigt und befand sich in vollkommener Einheit, deswegen bat Er seinen Vater für uns, auf dass wir dieser Einheit teilhaftig werden (Joh.17,21/23): Mein Vater, sagt Er, dass sie eins seien, gleichwie wir eins sind, auf dass alles in Einheit vollendet werde. Zu dieser Einheit kann man aber nicht gelangen, als allein durch die Einfalt und den Verlust der Vielfältigkeit, denn die Einheit bringt die Einfalt, und die Einfalt die Einheit hervor.
Es ist äusserst wichtig, dass man diesen Geist der Religion den Christen bekannt mache, welcher in der ganzen Heiligen Schrift so klar und deutlich dargestellt ist, dass jedermann, der die Heilige Schrift mit den in nachfolgenden Teilen enthaltenen Erklärungen vor-urteilsfrei liest, sehr gut erkennen wird, dass sie auf nichts anderes hinstrebt, als uns gründlich in diesen Geist der Religion einzuführen und darin zu befestigen; und zwar vermöge der Wahrheit und Einfalt, welche durch die allseitige und völlige Entblössung, und durch die Überlassung an Jesu Führung, der als unser Weg, unsere Wahrheit und unser Leben unter uns gekommen ist, bewirkt wird.
Dies ganze Werk bezieht sich auf diese drei besonderen Grundwahrheiten; und alles, was in demselben enthalten, zielt dahin, uns anzutreiben, dass wir diesem Erlöser als Weg folgen, Ihn als Wahrheit anhören, und uns von Ihm als unser Leben beleben lassen.
Was uns aber vor allem aufmuntern soll, die Heilige Schrift zu lesen, wäre dies, weil sie uns diesen Religionsgeist und seine ganze Vollkommenheit lehrt, und zwar in seinem Anfange, Fortgang und in seiner Vollendung, so wie es jeder in den Erklärungen, die ich darüber niederschreiben werde, ohne den Text zu verdrehen, noch ihm einen fremdartigen Sinn beizulegen, sehen und lesen kann.
Es wird nicht schwer halten, darin das Urwesen des Gottesdienstes zu entdecken, der nur Gott allein in Wahrheit und Einfalt gebührt, und den man aus der Schrift des Alten-, wie des Neuen Testaments, als aus der Quelle schöpft.
Zudem werden wir in derselben auf beseligende Weise die Mittel entdecken, wie wir durch sie in diesen Gottesdienst eingehen, und in ihm weiter kommen sollen. Bewundern werden wir in der Heiligen Schrift die Beispiele und Führungen der Patriarchen und Propheten, die uns ihre FussStapfen zur Nachahmung zurückgelassen. Wir lesen aber auch die Worte und Lehren Jesu, wie die der Evangelisten und Apostel. Allda lernen wir die Vortrefflichkeit der Opfer unserer Religion, und besonders das Opfer der heiligen Eucharistie, welche alle andere in sehr hohem Grade in sich schliesst, kennen. Wir lernen ferner darin die Notwendigkeit des Gebets, die Weise solches kräftig zu verrichten, den Geist der wahren Anbetung, die gänzliche und vollkommene Entblössung, wie die unbeschränkte Übergabe; kurz, alles was in Wahrheit und Einfalt eingeschlossen ist, und was dazu etwas beitragen kann. Das Wichtigste aber besteht darin, dass wir in der Heiligen Schrift eine rechte Unterscheidung des Äussern und Innern unserer Religion kennenlernen, um das eine nicht von dem andern zu trennen.
Der vornehmste Teil der christlichen Religion ist das Innere Leben, welches ein Geist der Wahrheit und Einfalt ist, der Mannigfaltigkeit und Lüge verbannt. Denn da dieser Geist von Gott selbst ausgegangen, Gott aber einfältig ohne Vermischung und Zerteilung ist, so muss auch dieser Geist einfältig, Eins, gerade oder aufrichtig sein; er muss den Menschen in die Wahrheit des Allgottes und in das Nichts des Geschöpfes versetzen. Er muss die Seele recht, gerade und aufrichtig vor Gott machen, dass sie aus dieser Geradheit und Aufrichtigkeit nicht herausgehen kann, solange sie in Wahrheit verbleibt. Es darf nicht das geringste Abweichen, weder der Seele von Gott, noch Gottes von der Seele stattfinden, und darin besteht die Unschuld der Seelen. Diese Geradheit oder Aufrichtigkeit vor Gott ist verbunden mit der Geradheit und Redlichkeit des Herzens für den Nächsten. Dies nenne ich den wahren Geist des Inneren Lebens, der nichts anderes als der Geist der christlichen Religion ist.
Wenn wir u.a. lesen: Gelassenheit, Verlassung und Überlassung, Tod, Verlierung, Vernichtung usw., so sind dies nur Ausdrücke der Zustände, durch die Gott den Menschen führt, um ihn in vollkommene Einfalt und Wahrheit, wie auch in Unschuld und den Geist der Religion zu versetzen. Das Wesen aber hievon ist der Geist der Einheit und Einfalt, welcher, da er uns wieder in die Ordnung der Schöpfung und Erlösung einführt, uns auch mit Gott als mit unserm ersten Urgrund ohne Mittel vereinigt.
Der Zustand der Anbetung im Geist und in der Wahrheit, welcher durch die Einfalt hervorgebracht wird, ist also das Innere Leben und der Geist der christlichen Religion. Ausser dem Geiste der Religion und dem Zustande der Anbetung findet sich noch der Gottesdienst vor, der nicht nur den Zustand des Opfers und der immerwährenden Vernichtung, welche durch die gänzliche Entblössung von allen Dingen geschieht, voraussetzt. Darin besteht somit das Innere Leben eines Christen, so wie auch dasselbe, im entsprechenden Verhältnis, von Jesus Christus bestand.
Das Äussere des Christen ist noch zu beherzigen, das sich auf das Innere bezieht, welches die äussere Opferung wie die äussere Anbetung ausmacht. Nun aber tritt der Mensch vermöge dieser Äusserlichkeit, wie auch des Innern, in die Entblössung ein, wodurch er alles, was ihm begegnet, gleichmütig im Geist der Selbstopferung leidet. Und da solche ihn von allen äussern Gegenständen abzieht, so geschieht es, dass er äusserlich die Anbetung verrichtet, indem dadurch sein Leib und Geist in den Zustand der Anbetung versetzt wird. Dies ist das Urwesen unserer Religion. Alles übrige ist dabei nur als etwas Zufälliges zu betrachten, dem man sich dennoch unterwerfen und es ausüben soll, und zwar aus Pflicht, was natürliche und göttliche Gesetze zugleich von uns fordern.
Das Werk, welches ich niederzuschreiben vornehme, hat keine andere Bestimmung, als alle Schönheiten unserer Religion jedem vor Augen zu legen, der sie sehen will, und einem jeden die Begierde rege zu machen, Anbeter Gottes im Geist und in der Wahrheit zu werden.
Zum voraus bitte ich wohl zu bedenken, dass wenn ich an vielen Orten und vorzüglich in den Sendschreiben des Paulus über Glauben
rede, ich in den Erklärungen keineswegs vom gewöhnlichen Kirchenglauben, der allen Christen gemein ist, spreche, sondern von demjenigen, den der innere Geist in sich schliesst, und von allem mannigfaltigen Wirken des Verstandes und des Herzens frei ist, das um die Regungen seines göttlichen Bewegers auf passive oder leidende Weise anzunehmen, und seine kreuzigenden wie die angenehmen Wirkungen zu dulden, wohl zufrieden ist. Unter diesen vielfältigen Wirkungen aber, von denen ich gesagt, dass der Geist des Glaubens davon frei sei, verstehe ich ja nicht die guten Werke, noch sage ich, dass sie unnütz seien, da der Glaube ja ohne gute Werke leer oder tot wäre. Ich bin sehr weit davon entfernt, sie auszuschliessen, weil ich die Seelen auf dem Wege des Gebets, der Selbstaufopferung und Beschauung, das gewiss die vornehmsten guten Werke sind, führe und leite; allein ich möchte von den Glaubensakten oder Übungen alle Vielfältigkeit der Wirkungen des Vernünfteins und der Überlegungen der Eigenliebe abschneiden. 0 Glaube! wie rein und makellos bist du, und wie angenehm bist du in Gottes Augen, wenn du so beschaffen bist!
Gleichwie die Heilige Schrift sich nicht selbst widerspricht, indem sie die Dinge in eben demselben Geist, wie ich gemeldet, darstellt; so ist es ein leichtes, die Lehre des Paulus über den Glauben mit der Lehre des Petrus und des Jakobus übereinstimmend zu zeigen, da diese darüber zu schreiben genötigt wurden, weil man den Sendschreiben des Paulus eine falsche Deutung unterlegte. Wenn ich also den Glauben über die guten Werke und Übungen erhoben habe, so geschah dies nur in Bezug auf den leidsamen, von der reinen Liebe belebten Glauben, d.h. von einem solchen passiven Glauben, der von der Wirksamkeit des Vernünfteins, des Überlegens und der Eigenliebe, wenn diese der Grund der Herzenserhebung zu Gott wäre, entblösst ist.
Wird von den Entblössungen der Tugenden gesprochen, so glaube ich in diesen Schriften hinlänglichen Aufschluss gegeben zu haben, dass Gott, wenn Er die Seele von der Eigenheit im Guten entblösst, sie auch öfters vom leichten Gebrauch und von der süssen und leichten Ausübung der Tugenden beraubt, ja ihr sogar gewisse äussere Übungen hinwegnimmt, um zu bewirken, dass die Seele alle Anhänglichkeit an solche verliere, und in die vollkommene Gleichgültigkeit, zu haben und nicht zu haben, zu tun und zu lassen, eingehe. Gott nimmt aber diese auf äussere und wahrnehmbare Weise und nur auf gewisse Zeit hinweg, um sie der Seele nachher ohne alle Eigenheit und in vollkommener Freiheit wieder zu erstatten.
Lasst uns sonach, meine Brüder, in den Geist dieses Werks ohne Vorurteil, ohne Tadelsucht eindringen, alsdann werden wir lernen, wahre Christen, nicht nur dem Scheine nach, sondern in Wahrheit und Wirklichkeit zu werden.
0 Gott, präge diese Wahrheiten in die Herzen derjenigen, die sie lesen werden, ein. Lass sie die Wahrheit, Schönheit und Erhabenheit der christlichen Religion, und dasjenige, worin sie besteht, sehen, erkennen und verkoste! In all deinen Schriften hast du sie durch die Patriarchen und Propheten, ja durch dich selbst und deine Apostel so wundersam ausgedrückt. 0 so handle doch nach deinen Verheissungen, und lasse die wahren Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten; denn Gott ist Geist, und er will Anbeter im Geist haben! 0 Wahrheit! du wirst allzu wenig erkannt, und noch weniger ausgeübt!
An dir ist es, o unschuldiges und einfältiges Gott-Kind! herabgestiegen vom Throne Gottes, um Wahrheit und Einfalt wieder auf die Erde zu bringen, wo sie durchaus verbannt war; gekommen nur deswegen, um dir selbst wahre Anbeter zu bilden, indem du, o allerheiligstes Gott-Kind! selbst der Grundstein des geistlichen Gebäudes der christlichen Kirche, ja ihr einziger Begründer und Gesetzgeber gewesen; an dir ist es, o allerliebenswürdigstes Gott-Kind! den inneren Geist unserer Religion in die Herzen aller derjenigen einzuprägen, die diese Schriften lesen werden. Ach bewirke dies, o göttliches Kind! Drücke ihnen deine Eigenschaften ein, und versiegle sie mit deiner Petschaft. Hauche ihnen deinen Geist und dein in Einfalt und Wahrheit bestehendes Leben ein. Umwandle uns alle zu Kindern nach deinem geschriebenen Wort: dass, wenn wir nicht wie die Kinder, d.h. nicht einfältig und unschuldig werden, wir niemals in das Reich der Himmel eingehen können. Du kannst dies tun, o anbetungswürdiges Kind! und ich hoffe, dass du es durch dieses Werk, das allein Einfalt in sich hat, tun werdest. Daher werden es ja nur die Einfältigen und Kleinen verstehen, keineswegs aber die starken und hochmütigen Geister der Welt.
Werter Leser! findest du etwas in diesen Schriften, mögen es Redensarten oder Lehren sein, die dir zuwider sind, oder stossest du auf Stellen, die dir unverständlich vorkommen, so bemühe und bestrebe dich nicht darüber zu vernünfteln, sondern demütig und klein zu werden. Alsdann wirst du alles verstehen und mit grossem Nutzen annehmen körnen. Sei übrigens nachsichtig in Hinsicht der Mängel von einer Person, die weder Wissenschaft noch Geschicklichkeit zu besitzen trachtet, deren Herz und Geist aber gänzlich der Kirche unterworfen ist, welcher sie ihre Schriften allezeit der Zensur unterstellt hat und immer unterwerfen wird.
Die Heilige Schrift hat eine unendliche Tiefe, und ist vieler und verschiedener Auslegungen fähig. Ausgezeichnete und gelehrte Männer haben sich Mühe gegeben, den Wortverstand und andere Deutungen in ihr zu erforschen. Soviel mir aber bewusst ist, hat es noch niemand unternommen, den mystischen oder inneren Sinn, wenigstens nicht der ganzen Heiligen Schrift, zu erklären. Dieser mystische oder innere Sinn ist es, den Gott mich hier offenkundig machen lässt, und zwar zum Heile derjenigen Seelen, welche aus ganzem Herzen begehren, sich nicht nur in das Äussere des Christentums zu begeben, sondern die sehnlichst verlangen, an dem Inneren als an der tiefsten und grössten Gnade eines Christen teilzunehmen. Vor aller Welt aber bezeuge ich hier, dass ich demjenigen, der mich inwendig leitet, reinweg die Hand geliehen. Ihm ist also alles Gute darin zuzuschreiben. Fände sich aber in diesen Schriften etwas vor, das nicht gut wäre, so käme dies daher, dass ich wider meinen Willen unechte Lichter mit denjenigen des Heiligen Geistes vermischt hätte. Gleichwohl ersuche ich den Leser, sich nicht auf ängstliche Weise an den Buchstaben zu binden, und versichert zu sein, dass er viele Sachen in denselben antreffen wird, die er nicht versteht, und das deswegen, weil sie seine Erfahrung übertreffen. Darum wird der Leser inständig ersucht, sich jedes schiefen und unechten Urteils zu enthalten, hingegen sich zu bestreben, der ersten ihm dargebotenen Mittel sich zu bedienen, und aus allen Kräften sich zu bemühen, in die vollkommene Liebe, wie auch in den Geist des Glaubens und in die gänzliche Übergabe in die Führung Jesu Christi einzugehen, ja mit Gewalt einzudringen. Alsdann wird er gar bald solche Dinge erfahren, die ihm jetzt noch unbekannt und verborgen sind. Je mehr er an Gottes Allmacht und seine Liebe für die Menschen glaubt, sich durch die blinde Übergabe an Gott leiten lässt, und je uneigennütziger er Gott lieben wird, desto mehr wird ihm Erleuchtung zuströmen, um die Wahrheiten einzusehen, die im mystischen Sinne der Heiligen Schrift verborgen oder eingeschlossen liegen. Mit welch unaussprechlicher Freude wird er alsdann jene Erfahrungen entdecken, welche darin auf einfältige aber deutliche Weise beschrieben sind. Er wird sich glücklich, ja selig schätzen, einen Führer zu finden, der ihn durch das Rote Meer begleitet, und mit ihm die folgende, ungeheure Wüste durchwandert. Allein das höchste Vergnügen wird alsdann sich ihm offenbaren, wenn er in dem 9elobten Land, in dem Land der Verheissung angekommen, wo alle ausgestandene Mühseligkeit und Anstrengung gleich einem Traume verschwindet. Entzückt ihn nun der Genuss dieser höchsten Seligkeit, so denkt er nicht einmal mehr daran, wie viele Leiden und Mühe er durchgegangen, und wären diese auch noch grösser und zahlreicher gewesen.
Den Leser bitte ich noch zu beherzigen, dass aus einem so grossen von Ägypten daherziehenden Volke nur zwei Menschen in das verheissene Land einzogen. Was mag wohl die Ursache davon sein? Diese, dass es den Israeliten an Herzhaftigkeit fehlte, und sie immer bedauerten, Ägypten verlassen zu haben. Wären sie mutvoll und treu gewesen, so hätten sie nur wenige Monate gebraucht, um ins gelobte und verheissende Land einzugehen. Ihr Murren und ihre Feigheit hielten sie aber vierzig Jahre auf dem Wege auf. Das gleiche widerfährt auch den Menschen, die Gott durch das Innere führen will. Unablässig bereuen sie, dass sie (nicht die Zwiebeln Ägyptens, sondern) die empfindliche Süssigkeit verlassen, welches Verlassen der Süssigkeit notwendig ist, wenn man auf einem reineren und blosseren Glaubensweg wandeln will. Eine so zarte Speise, wie das Manna ist, verlangen sie nicht, wohl aber etwas Empfindliches. Sie empören sich gegen ihre Führer, und weit entfernt, Gottes Güte zu ihrem Heil anzuwenden, reizen sie Gottes Zorn und erwecken seinen Grimm, so dass sie ihren Weg verlängern, und um den Berg herumziehen. Gehen sie einen Schritt vorwärts, so kehren sie wieder zurück, und die meisten erreichen nicht ihr Ziel, und zwar aus eigener Schuld.
Geliebte Brüder! gehen wir mit frischem Mut ans Werk, streben wir danach, das Ziel zu erreichen, ohne wegen den auf dem Weg aufstossenden Schwierigkeiten mutlos zu werden. In der
Wolke am Tage haben wir einen sicheren Führer, weil sie uns durch Verbergung des Sonnenglanzes sicherer leitet. In der dunkelsten Nacht haben wir die Feuersäule, die uns nicht auf Abwegen gehen lässt, wenn wir ihr folgen. Und was mag denn diese Feuersäule wohl sein? Die heilige Liebe, die umso brennender wird, je dunkler und finsterer der Glaube scheint. Seien wir doch mit diesem inneren, verborgenen Manna, das uns weit besser nährt, als alle jene groben Speisen, die unsere Sinnen mit Ungestüm begehren, zufrieden. Das mystische Grab und nicht die Lustgräber erwählen wir!
Nebst den schönen Vorbildern, die wir überall im Alten Bund finden, um uns in das Innere einzuführen, kam Jesus Christus selbst, auf dass Er uns einen sichern und wahrhaften Weg zeige. Es sind nicht mehr diese geheimnis- und wundervollen Vorbilder, sondern das lebendige Vorbild, Worte der Wahrheit, Jesus Christus selbst ist es, der der Weg ist, auf dem wir wandeln sollen. Er ist die Wahrheit, die uns unterrichtet, und das Leben, das uns belebt. Dem Wesen nach teilte Er uns dasjenige mit, was die Patriarchen im Vorbild besassen. Und da sie dessen ungeachtet doch auf den inneren Wegen wandelten, um wieviel mehr sollen die Christen auf dem Pfade des Innern einhergehen, die ein so handgreifliches Beispiel im ganzen Leben Jesu Christi antreffen? Nichts als das Innere Leben lehrt er uns in seinem ganzen Evangelium, wie wir sehen werden. Man kann sagen, das Innere Leben sei der Geist des Evangeliums, gleichwie die äusseren Übungen oder Andachten dessen Buchstaben sind. Die Apostel folgten diesem nach, um uns durch ihr Beispiel und ihre Schriften das Innere Leben zu lehren. Wandeln wir also auf diesem so lautern, so einfältigen und so sichern Weg, so werden wir, ob wir gleich dessen Sicherheit nicht wahrnehmen, doch nach Gottes Villen vorwärts gehen.
1. Kapitel.
1) Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
2) Aber die Erde war ungestalt und leer, und die Finsternis bedeckte das Angesicht des Abgrunds, und Gottes Geist schwebte über den Wassern.
Gott schuf im Anfang Himmel und Erde, und durch das Wort schuf Er sie. Denn durch dasselbe wurde alles gemacht, und ohne dasselbe wurde nichts gemacht. Das Wort war ursprünglich in Gott. wir sehen hier ein schönes Vorbild der Wiedergeburt oder der Wiedererschaffung von der in das Nichts der Sünde versunkenen Seele. Aus diesem furchtbaren Chaos reisst Gott den sündhaften, verdorbenen Menschen heraus, um ihn wieder neu zu erschaffen. Dies bewirkt Er aber nur durch Jesus Christus. Denn gleichwie der erste Schritt zur Bekehrung schon der Anfang einer neuen Schöpfung ist, und Johannes uns versichert, dass das Wort schon im Anfang war (Joh.1,3), durch welches alles, und ohne das nichts gemacht wurde, so muss man auch sagen, dass gerade anfangs im christlichen und geistlichen Leben, wie in seinem Fortgange und in seiner Vollendung, alles durch Jesus Christus, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist (Joh.14,6), bewirkt wird. Gott erschafft mithin, vermöge seines Worts, die durch die Sünde vernichtete Seele aufs neue. Wie nimmt Gott dieses aber vor sich? Gerade so, wie es der erste Text der Heiligen Schrift ordnungsgemäss ausdrückt. Denn da die Schrift uns das vor Augen legt, was gleich im Anfang der Jahrhunderte geschah, so zeigt sie auch die göttliche Führung bei der Bekehrung des Sünders, als erster Schritt und Eingang in das christliche, geistliche und innere Leben an.
Zuerst schuf Gott Himmel und Erde. Dies bezeichnet die zwiefache Erneuerung im äussern und inneren Leben, die vermittelst der Busse muss bewirkt werden. Denn wir sollen die Sünde nicht nur dem Leibe nach, sondern auch dem Herzen und Gemüte nach verlassen. Gleichwie aber die äussere Bekehrung immer von der inneren, nämlich von der des Herzens und Geistes (vorgebildet unter dem Himmel) abhangen soll, so heisst es hier: Gott schuf Himmel und Erde. Er macht mit dem Herzen und Geist den Anfang, darauf erneuert Er erst den äusseren Wandel. Die erste Rührung zur Bekehrung entspringt im Innern. Gott erschafft diesen Geist, indem Er ihn aus dem abscheulichen Chaos, in welchem er versunken war, herauszieht. Nachher erhebt Er auch den Leib aus der Sünde. Gott giesst ein in das Herz eine geheime Neigung, in demjenigen zu leben, der da ist, und ohne welchen dasselbe niemals bestehen kann. Danach lenkt Er das Äussere, nämlich die Anhänglichkeit und die Verwicklung an und in diejenigen Dinge, die das Herz im Tod und Nichtsein gefangen hielten, zu verlassen. Denn diese Anhänglichkeit und Verwicklung zogen das Herz ja vom höchsten und einzigen Wesen ab, um es in erschaffenen, nichtigen Dingen zu begraben.
Indessen bleibt diese Erde nach ihrer Erschaffung öde und ungestalt; d.h. sie bleibt von allem und jedem Guten beraubt. Sie ist nur mit irgendeiner Art Bildlichkeit und Schein bekleidet, und darin besteht alles. Es wächst gar keine Pflanze auf ihr, sie befindet sich öde und von allem entblösst. So ist der äussere Zustand eines bekehrten Menschen. Es steht noch dabei, dass die Finsternis das Angesicht des Abgrunds bedeckt, d.h. dass dieser Geist und dieses Herz gleich einem Abgrund, den nur Gott allein erforschen kann, mit so grosser Finsternis umgeben ist, dass die arme Seele dazumal nicht weiss, was sie anfangen und tun soll. Sie sieht in sich nichts als Finsternis und Grauen, das die Sünde in sie ausgegossen hat, und ausser ihr Leere und Unfruchtbarkeit. Sie fühlt sich von allem Guten beraubt, und mit allem Bösen umschlungen.
Aber auch wenn es so ist, so schwebt doch Gottes Geist über ihren Wassern. Diese Wasser aber sind nichts anderes als Busstränen, auf denen die Gnade, ungeachtet aller Finsternis der Unwissenheit (Überbleibsel der Sünde), und alles Leerseins von allem Guten, ruht und sich über sie ergiesst.
3) Da sprach Gott: Es werde Licht, und das Licht ward.
Dieser Geist voll der Güte, schwebend über den Wassern der Busse, sendet ihm, wenn er den Schmerz dieses unwissenden Sünders sieht, inmitten der Finsternis einen Lichtstrahl zu. Gott sprach: Es werde Licht, und das Licht ward. Ein gewisser von Gott selbst ausgehender Glanz, der ein Strahl seiner Weisheit ist, erscheint, um diesen blinden Geist zu erleuchten, wodurch der Mensch zu begreifen anfängt, dass seine Finsternis allmählich verschwunden, und dass das Wort Gottes ein kräftiges Wort ist. Es ist Wort und es ist Licht. Denn das erschaffene Licht ist Ausdruck des unerschaffenen Worts, gleichwie das unerschaffene Wort die Quelle des Lichts ist, welche sich dem Geschöpfe mitteilt. Deswegen wird das göttliche Wort der Glanz der Heiligen genannt, weil es ein Wort voll Licht ist, das sich über die Heiligen ausgiesst. Wenn demnach Gott alle Dinge aus Nichts erschafft, so redet Er nur, denn sein Wort ist das Gott-Wort, und sein Wort ist sein Licht. Gott redet also in dieser neuen Kreatur. Welches ist aber sein erstes Wort, das Er zu ihr spricht? Es ist das Wort: Es werde Licht. Sobald das Wort gesprochen, so wurde das Licht. Diese Finsternis der Unwissenheit wird in ein Licht der Wahrheit umgewandelt, welches nach und nach zunimmt, so wie man es bei Aufgang der Sonne, welche allmählich die Finsternis der Nacht verteilt, sieht. Dieses Licht ist ein Gnadenlicht, welches ein durch Jesus Christus bewirktes oder hervorgebrachtes Licht ist, aber es ist noch nicht Jesus Christus selbst, der das Licht ist. Es geschieht alsdann, dass man nach dem erstem Sinn mit Jesaja sagen kann (Jes. 9,2), dass die, welche in der Finsternis der Sünde und Unwissenheit sassen, ein grosses Licht gesehen, und dass die Sonne über diejenigen, welche im Schatten des Todes und der Sünde ruhten, aufgegangen sei.
Leicht ist es zu erkennen, dass all dieses vermöge der Gnade des Erlösers und der Güte des Schöpfers bewirkt wird.
4) Gott sah, dass das Licht gut war, und er schied das Licht von der Finsternis.
5) Er nannte das Licht Tag, und die Finsternis Nacht, und aus Morgen und Abend wurde ein Tag.
Die Schrift setzt hinzu, dass Gott sah, dass das Licht gut war, d.h. dass dieses aus Gott selbst ausgegangene und mit keiner kreatürlichen Unreinigkeit vermischte Licht gut war, auch dass es in dem neuen Geschöpf gute Wirkung hervorbrachte. Denn vermöge dieses Gnadenlichts fängt die Seele ihren ersten Urgrund zu entdecken an, und sie ermutigt sich zu demselben wieder zurückzukehren, gleich einem Lichte, welches an einem sehr dunklen Ort leuchtend bewirkt, dass eben dieser Ort, indem es seine Strahlen verbreitet, sichtbar wird, und dass der gleiche Glanz, der das Licht offenbart, zugleich auch seinen Urgrund aufschliesst und entdeckt.
Wenn Gott seine Gnadenlichter in ein Herz ausgegossen, und es denselben treu und redlich folgt, fängt Er an, sobald Er sieht, dass die Seele diese Erleuchtung wohl anwendet, und wie vortrefflich dies in den finstern Orten verbreitete Licht sei, eben dieses Licht von der Finsternis zu scheiden. Bis dahin war es nur ein finsterer Tag oder eine leuchtende Finsternis, Gott aber bewirkt die Scheidung seines Lichts von unserer Finsternis, auf dass diese Vermischung das Licht nicht verderbe. Der Glaube ist dieses schöne Licht, eine Gottesgabe, welche sich der Seele bemächtigt. Anfangs sind es freilich nur Erleuchtungen, die man sehr gut unterscheidet, und zwar wegen der grossen Nacht, in welcher die Seele sich befindet. Hiermit aber wird nicht gesagt, dass dies schöne Licht mehr Klarheit habe, und in seinen ersten Erleuchtungen überfliessender sei als in der Folge, obwohl es zuerst wahrnehmbarer ist. Es ist gerade das Gegenteil, allein die tiefe Finsternis der Seele macht, dass sie dieses Licht besser unterscheidet, ob es gleich nicht lebhaft ist, wie es später leuchtend wird.
Gott trennt also sein Licht von unserer Finsternis; daher leuchtet es reiner, ausgedehnter und herrlicher, obschon es in Bezug auf den Menschen finsterer zu werden scheint, der wegen der nun vor sich gegangenen Scheidung zwischen dem, was Gott gehört, und dem, was sein Eigentum ist, nichts mehr als seine Finsternis entdeckt, und sich daher in eine grössere Dunkelheit versetzt glaubt. Indes war seine Seelenhöhe oder Spitze nie so erleuchtet und lichtvoll. Da er sich aber vor Gott befindet, welcher wie eine unsterbliche Sonne ihm unablässig Licht zusendet, und der Mensch Ihm wiederum das erhaltene Licht mit vieler Treue zurückerstattet, so kommt es dem Geschöpf vor, als wenn auf seiner Seite alles dunkel wäre. Es ist wie bei dem Mond, der in der Zeit des Neumonds der Sonne mehr ausgesetzt ist, und doch weniger Licht auf die Erde wirft, als er Licht von der Sonne empfängt; und er erscheint den Augen verdunkelt, weil seine Sonne ihn zur Zeit des Neumonds viel näher und stärker beleuchtet. Leuchtet der Mond voll, so empfängt er weniger Licht von der Sonne, wirft aber entsprechend mehr Licht auf die Erde. Also verhält es sich mit der von der göttlichen Sonne erleuchteten Seele. Wenn die göttliche Sonne auf die Seele ihre brennenden und heissen Strahlen ausgiesst, ist sie alsdann so sehr zu Gott hingekehrt, dass sie seinen Glanz und seine Klarheit nicht empfindet, während, wenn sie ein geringeres Licht erhält, sie mehr leuchtet oder grösseren Glanz von sich gibt. Dies ist der Unterschied zwischen den deutlichen und wahrnehmbaren Erkenntnissen (wie erhaben sie auch immer sein mögen), und zwischen dem allgemeinen und dunklen Glaubenslicht.
Noch ist beizufügen, dass aus Morgen und Abend ein Tag wurde. Dies ist auf zweifache Art zu verstehen. Erstens, dass aus einer stetigen Abwechslung von Licht und Finsternis nur ein Tag gebildet wird, nämlich der Glaubenstag, der teils lichtvoll und teils dunkel ist. Die andere Art ist diese, dass aus dem im Lichte des Lebens anfangenden Lichte, welches das Morgenlicht des inneren und von Klarheit ganz hell leuchtenden Lebens ist, dass, sage ich, aus genanntem Licht und aus dem Abend, d.h. aus dem Zustand des Todes, der Hinscheidung und Entblössung nur ein Tag wird, der Tag des Glaubens und des inneren Christen.
6) Hernach sprach Gott: Es werde eine Feste in der Mitte der Wasser, und sondere das Wasser von den Wassern.
7) Und Gott machte die Feste, und schied die Wasser, die unter der Feste waren von denen, die über der Feste waren. Und also geschah es.
8) Und Gott nannte die Feste Himmel, und es ward Abend und Morgen, der zweite Tag.
Nachdem die Busstage beendigt, spricht Gott: Es werde die Feste in der Witte der Wasser, d.h. der Tränenguss soll nun nachlassen, das Herz und Gemüt soll befestigt, und diese erste Zärtlichkeit von diesen Wassern, die obschon an sich heilig, dennoch nur eine Frucht der Empfindlichkeit, geschieden werden. Diese Wasser sollen von den Wassern meiner Gnaden getrennt werden, damit diese rein und ohne Vermischung bleiben.
Die Wasser über der Feste sind die allezeit reinen, klaren und lauteren Wasser der Gnade, welche die Seele so überschwemmen und versenken, dass sie dieselbe in einem Abgrunde lieblicher Wonne reinigen. Die Wasser der Bitterkeit und des Schmerzes werden alsdann hinuntergesetzt; der obere Teil aber, durch die Gegend über der Feste vorgestellt, sieht sich in einem Strome grosser Freuden ertrunken, während der niedere Teil, die Erde nämlich, von bittern und schmerzvollen Wassern überschwemmt wird. Aus diesen so voneinander geschiedenen Wassern, aus dem Tag und dem Abend der Dunkelheit und des Schmerzes ist der zweite geistliche Tag zusammengesetzt, der nichts anderes als die zweite Periode des inneren Christen ist.
9) Und Gott sprach ferner: Es sammle sich das Wasser, so unter dem Himmel ist, an einem Ort, und es erscheine das Trockene, und also geschah es.
10) Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlungen der Wasser nannte er Meer, und Gott sah, dass es gut war.
Die Wasser der Bitterkeit und der Schmerzen, welche sich in die ganze Seele ergossen haben, werden an einem Orte allein versammelt, sie ziehen sich in die ihnen bezeichneten Grenzen zurück, und diese Grenzen umgeben das Herz. Hernach sieht man das Ausgedorrte und Trockene, und die Seele beginnt in ein ganz neues Land einzugehen, welches sie seit ihrer Bekehrung noch nicht entdeckt hat. Erst auf dieses entdeckt die Seele das Dürre und Trockene, was ihr weit härter zu ertragen vorkommt, als die Wasser der Bitterkeit. Denn diese Wasser, die vorher die ganze Erde bedeckten, waren noch mit Süssigkeit vermischt. Sobald sie aber in ihre Grenzen eingeschlossen werden, entsteht aus ihnen ein Meer (d.h. voll Bitterkeit), und alles was sie vorher überschwemmten und bedeckten, wird jetzt ausgetrocknet.
Gott hiess diese Sammlung der Wasser Meer; weil es scheint, dass in der geschehenen Scheidung alle Süssigkeit entwichen, und in die oberen Wasser hinaufgestiegen, so dass in den untern nichts als Bitterkeit zurückbleibt, die an einem und dem nämlichen Orte sich sehr sammelnd, weit bitterer durch ihren Zusammenfluss werden, als sie es vorher, obwohl überall ausgebreitet, waren. Die Heilige Schrift sagt, dass das Trockene Erde genannt werde, was anzeigt, wie der Mensch erst alsdann anfängt, sich selbst und die Nichtswürdigkeit und Niedrigkeit seines Ursprungs zu erkennen. Dieses geschieht aber vermöge dieser so grossen Dürre und Trockenheit, die nur daher entsprungen, weil Gott alle Wasser, die süssen und himmlischen, wie die bittern und Schmerzen erregenden, welche die Erde bedeckten, zurückzog. Und da Er in dem höheren Teil der Seele die süssen Gnadenwasser an sich zog, ohne ihnen auf die Erde, d.h. in den niedrigsten Teil von uns selbst, wo die Empfindlichkeit wohnt, herabzusteigen zu erlauben; so muss notwendig das Dürre und Trockene sich daselbst offenbaren; was sich aber auf äusserst beschwerliche Art zuträgt, weil die Wasser der Bitterkeit sich ebenfalls da einfinden, und zwar nicht wie früher, um zu befeuchten und zu erfrischen, sondern um ihre Bitterkeit ohne irgendein Labsal mitzuteilen, mit Ausnahme doch einiger Augenblicke, in denen ein himmlischer Tau herabfällt, den die Sonne der Gerechtigkeit aber sogleich wieder auftrocknet. Nichtsdestoweniger gibt dieser Tau neue Kraft, er unterstützt und belebt.
Es steht noch bei obiger Stelle, dass Gott sah, dass es gut war. Dies wird ebenfalls von allen früheren Werken gesagt; nicht nur um uns zu lehren, dass alle Werke, die Gott allein ohne Widerstreben unsrerseits bewirkt, allezeit gut sind, und dass an Gottes Werken nichts verdorben werden kann, ausser durch Beimischung der eigenheitsvollen Kreatur, sondern auch, dass ein jeder Zustand oder jede Stufe, auf die Gott die Seele erhebt, etwas Eigentümliches und besonders Gutes hat, und dass also alle Zustände und Stufen ihre voneinander wohl verschiedne Anwendung, ihren Nutzen und ihre Zeit haben. Denn bei Erschaffung der Wasser und ihrer Ausbreitung auf dem Erdboden sagte Gott, dass es gut war. Indes änderte Er kurz darauf die Dinge und sagte abermal, dass es gut war. Dasjenige, was zu einer Zeit gut und notwendig war, wird zu einer andern Zeit unnütz und gefährlich. Gut ist es für eine Zeit, dass diese trockene und dürre Erde mit den Gnadenwassern überschwemmt werde. Hingegen ist es für eine andere Zeit auch sehr gut, dass sie derselben wieder beraubt werde, und sich diese Wasser an ihren Ort zurückziehen, da sie sonst durch ihr Verweilen auf der Erde verderben und verfaulen, ja sogar verhindern würden, dass die Früchte auf ihr hervorwachsen würden. Daraus erkennt man, wie unerlässlich es ist, dass man Gott in den Seelen wirken lässt, ohne dass das Geschöpf seine eigene übereilte und verwirrte Wirksamkeit beimischt; welches Geschöpf gewöhnlich diese Wasser entweder durch eigene Anstrengung zurückbehalten will, da sie ihm Gott doch entziehen möchte, oder dieselbe unter dem Vorwande, als wäre dieser Zustand vollkommener, durch sich selbst auszutrocknen wünscht. 0 allmächtige Hand Gottes! Dir kommt es allein zu, alles durch dein göttliches Wort zu wirken. Du sprichst, und es geschieht (Ps.32,9). Dein Sprechen ist Tun (Mark.7,37), und alles, was du tust, tust du sehr gut. Gott soll also wirken, Er versteht es besser als wir! 0 wir elenden Geschöpfe! Wir glauben das tun zu können, was Gott tut, ja wir halten sogar dafür, es noch besser machen zu können, als Gott selbst. Deswegen mischen wir uns überall mit ein, und wollen immer alles in unserer Gewalt haben, allein wir gehen auf diese Weise nicht vorwärts, vielmehr haltet unsere Geschäftigkeit das Wirken Gottes auf. Er vollführt seine vollkommenen Werke nur auf dem Nichts, das ihm keinen Widerstand leistet.
11) Gott sprach ferner: Es lasse die Erde Gras sprossen, das grünt und Samen macht, und Fruchtbäume, die da Früchte tragen nach ihrer Art, in denen selbst ihr Same auf Erden ist. Und also geschah es.
12) Und Gott sah, dass es gut war.
13) Und es ward Abend und Morgen der dritte Tag.
Wenn die Zeit, der Augenblick des göttlichen Willens gekommen, der die Seele zu ihrer Anfüllung oder Ausleerung nach ewigen Ratschlüssen bereitet, so befiehlt Gott dieser dürren und trockenen Erde, die ganz unnütz zu sein scheint, grünes Kraut hervorzubringen. Dies ist ihr erstes Produkt. Der Mensch, wenn er sieht, dass ihm mitten in aller Dürre eine lebendige Eigenschaft mitgeteilt wird, wodurch es ihm leicht vorkommt, gute Werke zu tun und sich damit zu beschäftigen, fängt an zu erstaunen. Alle Pflanzen tragen in sich ihren Samen, wodurch sie fortgepflanzt und unendlich vermehrt werden. Indessen sind es nur noch kleine Kräuter, schwache und geringe Werke, die dessen ungeachtet dem Menschen doch sehr gross scheinen, weil er nichts Grösseres kennt, auch nicht erwartete, dass eine solche seltene Unfruchtbarkeit ein so grosses Gut hervorbringen könnte. Wenn er also glaubt, das was das Grösste ist zu besitzen, so verwundert er sich noch mehr, wenn er wahrnimmt, dass eben dieses Wort, welches in ihr Gras hervorgebracht, nun auch Bäume mit Blättern und Früchten hervorbringt, welches ein weit höheres Erzeugnis ist, als nur blosses Gras. Dieses sind die grössten Heldentugenden, welche in sich den Samen unendlich vieler Tugenden tragen, die vermittelst dieser Seelen, als Werkzeuge sich fortpflanzen sollen.
Nach diesem fängt die Seele an, die Grösse ihres Adels zu entdecken, wie auch das, wozu sie fähig ist, wonach sie streben und wo-hin sie gelangen kann. Aber alles kommt ihr noch verwirrt vor, denn es ist ihr noch nicht offenbar, wie alles dieses in ihr gewirkt wird, noch wer derjenige ist, der all diese Dinge tut. Sie begreift nur durch eine verworrene Einsicht, dass Gott der Urheber von allem diesem ist, und bildet sich gleichzeitig ein, dass Er alles das wegen ihrer Treue getan habe.
Mittlerweile muss sie in der Folge noch zwei Sachen verstehen lernen: Erstens, dass durch das Wort alles in ihr gewirkt wird, und dass ohne das Wort nichts gemacht wird. Deswegen gebraucht Gott sein Wort, das nichts anderes als ein Gott-Wort ist, um alle Dinge zu wirken (Ps.32,9). Er hat gesprochen, und es ward. Dagegen verfehlte sich Mose beim Stein des Wassers vom Widerspruch. Er wollte den Stein schlagen, da er zu solchem nur reden sollte. Denn in derselben Zeit wurde ihm gegeben, nicht mehr mit der Rute oder dem Stabe seiner eignen Wirksamkeit zu handeln, sondern er sollte durch das Wort handeln, und alles in Gott durch das nämliche Wort wirken. Die Wunder von der in Gott sehr geförderten Seelen geschehen durch das Wort, ohne irgendein Zeichen oder Gestalt. Diese Kraft aber besitzen die Seelen nicht, die noch in den Gaben sich befinden und noch der äusserlichen Werke sich bedienen, weil ihnen die Wirksamkeit des Worts noch nicht gegeben ist. Denn die Seele muss in Gott selbst (und zwar auf eine sehr erhabene Art) sein, damit Jesus Christus ihr mitgeteilt und in ihr gestaltet werde, was die mystische Menschwerdung heisst. Nun aber kann die Seele erst alsdann durch das Wort wirken und handeln, wenn ihr solches auf vorbesagte Weise gegeben wird; und dann geschieht es, dass das sprechende Wort alle Dinge wirkt, und das Sprechen Handeln, und das Handeln Sprechen ist. Wenn man sich aber treulos der Rute oder der Zeichen wie früher bedienen will, zieht man sich Gottes Missfallen zu.
Zweitens, was diese Seele lernen soll, ist dies, dass diese Gnadenwirkungen uns nicht vermöge unserer Verdienste, sondern wegen unserer Vernichtigung zuteil wurden, wie es die göttliche Maria sehr wohl erkannte, als sie Gottes Erbarmungen schildernd, sagte, solche seien ihr widerfahren, weil Gott die Niedrigkeit seiner Magd angesehen habe (Luk.1,48). Nichts sah Gott in ihr, und dieses Anschauen erzeugte das Wort in ihr, welches das Ebenbild des Vaters ist, das auch in uns gezeugt wird, wenn der Vater auf unser Nichts schaut, durch welches Anschauen sein Wort in uns hervorgebracht wird, welches sein sprechendes Wort ist. Durch Mitteilung dieses Worts erhalten wir die Gnadenkraft, durch dasselbe und mit dem Wort allein zu handeln.
Dieser Zustand der Hervorbringung aller Tugenden in einer Seele macht den dritten Tag oder die dritte Stufe des inneren Lebens aus. Bewundernswürdig aber ist dabei dieses, dass alle Tugenden in die Seele kommen, und sich darin festgesetzt befinden, ohne zu begreifen, wie dies geschehen konnte. Denn da der Mensch keine andere Arbeit verrichtet, ausser dieser, dass er sich von seinem Gott besitzen und Ihn in sich wirken lässt, so erstaunt er, dass Gott alle Dinge in ihm und für ihn tut, und zwar jedes zur rechten Zeit. Er verwundert sich über diese wonnevolle Ordnung so sehr, dass er ausruft: 0 wie wohl hat Er alle Dinge gemacht! Du allein, o ewige, unerschaffene Weisheit! kannst alle Dinge so verrichten, dass sie wohl getan sind. Denn alles, was du nicht bist, oder was nicht von dir herkommt, ist lauter Lüge, Irrtum und Betrug.
Wenn man dieser Erklärung mit Fleiss nachgeht, so wird man die Folgenreihe der Wirkung Gottes in den Seelen durch Jesus Christus vom Anfang ihrer Bekehrung an sehen, wie auch die Notwendigkeit, derselben zu entsprechen; nicht etwa nur, wie man sich einbildet, vermöge einer starken Tätigkeit, sondern vielmehr durch eine gänzliche Abhängigkeit von der leitenden Gnade, welche die in ihren Schutz genommene Seele keinen Augenblick verlässt, bis sie dieselbe in ihr Ziel und Ende zurückgeführt hat. Jeder muss also Gottes Geist in sich walten und wirken lassen. Allein es scheint, dass der Mensch im Gegenteil sich nur mit sich beschäftigt, und diesen einen und nämlichen Geist an seinem Wirken in uns hindert. Denn weit entfernt, dem Heiligen Geist durch immerwährende Selbstverleugnung und gänzliche Überlassung in seinen Willen zu folgen, scheint es, als wenn wir ihm durch die Anstrengung unserer Wirksamkeit vorlaufen und ihn nötigen wollen, nicht uns zu führen, sondern uns zu folgen. Und da unsere eigne Führung mangelhaft und ganz erbärmlich ist, bestreben wir uns, diesen Geist anzuhalten, den gleichen Weg zu gehen, den wir ihm vorzeichnen, ohne dass wir uns ihm überlassen wollen, auf dass er uns auf seinen Wegen führe. Dies ist die Ursache, dass wir dem Heiligen Geist unaufhörlich entgegenarbeiten, ihn sogar nach dem Ausspruch der Heiligen Schrift betrüben (Jes.63,1D), und ihn endlich ganz auslöschen. Auch Paulus ermahnt uns, achtzugeben, dass wir uns nicht auf diese Weise betragen (1.Thess.5,19).
14) Und Gott sprach: Es sollen Lichter werden an der Feste des Himmels, zu scheiden Tag und Nacht, und sie dienen zu Zeichen, um die Zeiten und Jahreszeiten, die Tage und die Jahre anzuzeigen.
15) Damit sie scheinen am Himmel und erleuchten die Erde! Und also geschah es.
16) Und Gott machte die zwei grossen Lichter, ein grösseres Licht zu beherrschen den Tag, und ein kleineres Licht, zu beherrschen die Nacht, und die Sterne.
17) Und setzte sie an die Feste des Himmels, dass sie Ober die Erde herleuchten.
18) Und beherrschen den Tag und die Nacht, und scheiden das Licht von der Finsternis.
19) Und Gott sah, dass es gut war, und es ward Abend und Morgen, der vierte Tag.
Nachdem der dritte Tag oder die dritte Stufe des Inneren Lebens überschritten ist, fängt Gott an in der Seele einen neuen Zustand hervorzubringen, welches der vierte Weg oder Fortgang des Inneren Lebens eines Christen sein soll. Diese Seele, die bisher in Finsternis und Dunkelheit wandelte, beginnt Licht und verschiedene Erleuchtungen zu empfangen. In ihrem obern Teil ist alles Licht und Wärme, sie hat ausser dem allgemeinen Lichte viele deutliche Lichter, und ihr Zustand ist so hellleuchtend, dass sie selbst noch in der Nacht, welche die Zeit ihrer Dunkelheit, aber einer ihrer Stufe nach angemessene Dunkelheit ist, Licht empfängt, das jedoch vom Tageslicht verschieden ist. Der Unterschied zwischen dem Lichte des Tages, d.h. des lichtvollsten Zustandes, und zwischen dem Leuchten der Nacht, mag der sein, dass das Licht des Tages macht, dass man die Gegenstände besser unterscheidet, als man das Licht selbst unterscheiden kann. In diesem Zustand erhält man eine Menge Erkenntnisse, viele Wahrheiten werden aufgedeckt, obschon man die Natur und Eigenschaft dieses Lichts, wegen seinem blendenden Glanz nicht wohl sieht; hingegen beim Lichte der Nacht entdeckt man beinahe keine Gegenstände, es offenbart sich nur für sich allein und zwar sehr deutlich. Dadurch werden Seelen auf dieser Stufe oft betrogen, die Tag für Nacht und Nacht für Tag nehmen, da sie diese Lichter der Finsternis höher achten als das allgemeine Licht, welches durch seinen Glanz sich selbst verbergend, dennoch alle Gegenstände, so wie sie sind, darstellt.
Dieses Licht des Tages, die ewige Sonne selbst, ist nichts anderes als das Licht des Glaubens, welches wegen seiner Allgemeinheit kein so grosses Vergnügen erweckt, obschon es unendlich helleuchtender ist, als das Licht anderer Sterne. Die anderen Lichter der Nacht sind alles deutliche Lichter, wie Gesichte, Erleuchtungen, alles was man in der Mitte der Nacht unserer Unwissenheit unterscheidet und wahrnimmt. Alle diese Lichter kommen gleichwohl von Gott und sind Wirkungen seiner Güte und seiner Macht, die wir in Demut ehrfurchtsvoll annehmen sollen; allein sie sind nichtsdestoweniger unter sich, die einen von den andern verschieden. Man ist so verblendet, dass man gewöhnlich das Licht der Nacht dem Tageslicht vorzieht, und da man sich an der Unterscheidung der Sterne an der Feste allzusehr ergötzt (d.h. an den Sternen der deutlichen Lichter, wie der Gesichte, Erleuchtungen und Verzückungen), so überschreitet man dieselben niemals, um sich in das allgemeine Licht des Glaubens zu verlieren. Auf diese weise hält man sich auf, die Gegenstände vermöge dieses kleinen Schimmers zu unterscheiden, obgleich er uns betrügt, die Sachen vergrössert, sie verändert und oft unkenntlich macht. 0 welch einen erstaunlichen Verlust zieht sich die Seele auf dieser Stufe zu! Dies ist einer der wichtigsten Punkte des geistlichen Lebens. Hat die Seele keinen Unterricht über den Unterschied dieser zwei Lichter, so haltet sie sich bis zum Tode bei diesem hier auf, und geht niemals in den vollen Tag des Glaubens über, in welchem die Wahrheit ohne Irrtum und Betrug geoffenbart wird.
Die Seele erkennt aber an den Graden der Erhebungen und Erniedrigungen dieser Lichter ihre Jahreszeiten, d.h. den Zustand, in dem sie sich befindet. Die Sonne unterscheidet die Zeiten und Jahreszeiten durch ihren verschiedenen Aufenthalt, den sie in ihren Zeichen macht. Die gleiche
Bewandtnis hat es mit dem Mond. So macht die erste Herannahung der inneren Sonne für die Seele den ersten Frühling des geistlichen Lebens aus, was aber noch keineswegs der ewige Frühling ist; ihr Vorwärtsschreiten bringt den Sommer hervor, der ein gewisser lichtvoller und brennender Zustand ist, und endlich treibt sie durch ihre Hitze die Früchte hervor, die im Herbst erscheinen. Allein nach dem Mass als sie zurückkehrt und sich von uns entfernt, lässt sie uns einen umso betrübteren Winter zurück, je angenehmer die andern Jahreszeiten gewesen waren. Der Lauf ihrer himmlischen Lichter, sie mögen sich nähern oder sich entfernen, zeigen die Jahreszeiten und die Zustände der Seele an. Gleichwie aber die Sonne immerhin das Zeichen ihres Zodiakus oder Tierkreises, von dem sie ausgegangen, wieder findet (sie mag uns nahe kommen, oder sich von uns entfernen), ebenso findet die Seele allzeit ihren Gott wieder, der ihre Wohnung und der Ort ihres Ursprungs ist, obschon sie eine furchtbare Dunkelheit durch die Entfernung des nämlichen Lichts, das sich ihr mit Riesenschritten genaht, erfährt.
Gott sah, dass es gut war, d.h. Gott sah den Vorteil, welchen die Seele aus der göttlichen Führung zieht. Dies verbindet Gott, diesen Tag oder diese vierte Stufe zu endigen, auf dass die Seele in eine andere hinübergehe. Wenn die Seele getreu wäre, welchen Weg würde sie nicht zurücklegen! bis dass sie beim siebten Tag anlangt, welcher die Ruhe in Gott selbst ist? Aber leider! unsere Untreue verursacht, dass wir beim ersten Tag stillstehen, ohne weiter befördert zu werden. Darum verweilen wir unsere ganze Lebenszeit in einem schrecklichen Wirrwarr.
Zu bemerken ist, dass bei all diesen Tagen und Stufen gesagt wird, dass aus Abend und Morgen ein Tag ward. Dies bezeichnet, wie Gott aus dem Anfang oder dem Eingang in eine Stufe und aus dessen Vollendung einen Tag, oder die Fortschreitung, die von andern unterschieden ist, macht; und dass der Anfang einer jeden Stufe gleichsam ein neuer, aufgehender Tag, und seine Vollendung wie ein sich endender Tag ist, der aber nur deswegen seinem Ziele zuläuft, um mit noch grösserer Kraft wieder zu beginnen. Jeder Tagesveränderung geht eine Nacht voraus, und da sie den vorhergegangenen Tag beendigt, macht sie, dass ein anderer aufgeht. 0 bewundernswürdiges Geheimnis der Führung Gottes über seine Geschöpfe! Wenn wir für das göttliche Licht offene Augen hätten, so würden wir mit unaussprechlichem Vergnügen entdecken, dass sich nichts in der natürlichen Ordnung von allen erschaffenen Wesen zuträgt, das sich nicht auch verhältnismässig nach der Ordnung in der Seele ereignet. Das ergötzt den erleuchteten Geist oder Verstand und bewirkt, dass er nicht nur Gott im allen Geschöpfen, sondern sogar seine weisen Wege entdeckt, durch die Er die Seele zu sich führt; so zwar, dass er nichts in der Natur sieht, das ihm nicht auch etwas von dem, was sich in seinem Innern zugetragen, ausdrücken sollte. Ganz gewiss und wahr ist es, dass der Mensch eine kleine Welt ist, worin alles, was in dem grossen Weltall geschieht, gleichsam in einem kleinen Abriss sich darstellt. Der Grund aber, warum wir solches nicht entdecken, ist der, dass wir vom Licht der Wahrheit nicht ganz durchdrungen sind.
20) Und Gott sprach: Es bringe hervor das Wasser lebendige Tiere, die im Wasser schwimmen, und Geflügel über der Erde unter der Feste des Himmels.
21) Gott schuf die grossen Wasserungeheuer, und alle Tiere, die leben und weben, die die Wasser hervorbrachten, nach seiner Art; und alles Geflügel nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war.
22) Und segnete sie und sprach: Wachset und mehret euch, und erfüllet die Wasser des Meeres, und die Vögel sollen sich mehren auf Erden.
23) Und es ward Abend und Morgen, der fünfte Tag.
Bisher kamen die Pflanzen wohl auf der dürren und trockenen Erde zum Vorschein, man sah in der Seele Lichter entstehen und sich erheben, d.h. sowohl deutliche Lichter, als auch das allgemeine Glaubenslicht, welches obgleich an sich selbst nicht verschieden, doch offenbar die Wahrheiten so, wie sie sind, darstellt. Nur müssen wir uns bei seinem Anschauen nicht verweilen, sondern sich dessen bedienen, um die Gegenstände, die wir durch seine Beleuchtung entdecken, zu sehen. Denn hielten wir uns auf, dies Licht selbst anzusehen, so würde es verblenden, den Geistesaugen eine solche Eigenschaft zu geben, die zwar dem Schein nach leuchtend wäre, aber doch verhindern würde, die Gegenstände zu sehen, wie sie sind, indem es sie nur im Scheine dieses Lichts erblicken lässt. Eben dies widerfährt allen Seelen, welche, anstatt sich dieses Glaubenslichts zu bedienen, um einzig das, was es ihnen offenbart, zu entdecken, es mit Überlegung untersuchen, und in dasselbe selbst hineinsehen, wie auch seine Wesenheit und Wirkungen durchschauen wollen. Dadurch aber wird das Auge verblendet, weil es gegen Gottes Absicht handelt, der dieses Licht nur zu dem Endzweck erteilt, dass wir auf dem Wege, den es uns entdeckt, zu Ihm hineilen. Dies ist die Veranlassung von so vielen Täuschungen, die auf dem Glaubensweg stattfinden, welcher an und für sich selbst so lauter, so gerade und so sicher ist, dass Seelen, welche sich desselben nach gemeldeter Weise bedienen, keine Täuschungen zu befürchten haben. Mit den andern Arten von Lichtern, die an sich selbst etwas Unterhaltendes haben, verhält es sich anders. Denn da sie sich nur für sich allein anschaulich machen, und zwar nur wenige Gegenstände und dazu noch auf sehr beschränkte Weise entdecken, so können sie sich nicht nach ihrer Natur, sondern nur nach unserer Fassungskraft offenbaren, welche durch ihre Lebhaftigkeit besagte Lichter oft in den von ihnen übrig gebliebenen Gestalten und Bildern sich vorstellt, obwohl sie selbst nicht mehr vorhanden sind, ja man bildet und gestaltet sich deren durch Überlegung des Verstandes selbst, ohne es zu wollen. Die Lichter der Nacht können durch künstliche Fackeln nachgemacht werden, allein das Glaubenslicht ist so beschaffen, dass es nicht kann nachgebildet werden, weil es in seiner weiten Ausdehnung alle andern besonderen Lichter verschlingt, da es mit seiner Klarheit sie alle überglänzt. Das ist das Eigentümliche des Glaubens, bei allen Dingen vorbeizugehen, um nur bei Gott sich aufzuhalten, und hierin besteht seine Gründlichkeit, die frei von allem Betrug ist, wenn man, wie schon gemeldet, sich dieses Glaubenslichts nicht bedient, um es selbst anzuschauen, sondern um vermittelst seiner Helle immer fortzuwandern.
Die Seele hatte wohl bis dahin alle lichtvollen Gnaden erfahren, allein ihre Wasser sind noch nicht lebendig und belebend geworden. Warum glauben wir, dass geschrieben steht: Gott schuf in den Wassern verschiedene Tiere, nach der Eigenschaft der Wasser, und nach ihrer Art? Deswegen, weil, wie wir oben gesehen, es zweierlei Wasser gibt, süsses und bitteres. Das bittere Wasser bekommt Leben, denn es geschieht erst nachher, dass die Seele anfängt zu entdecken, wie ein Lebenskeim sich in der Bitterkeit und dem Tode befindet. Das erfreut und entzückt sie so sehr, dass sie das Bittere selbst lieb gewinnt, wohl sehend seine grössere Weite und Nützlichkeit, als diejenige des süssen Wassers. Diese bitteren Wasser bringen die grössten, seltesten und kostbarsten Dinge auf der Erde hervor, daher ereignet es sich, dass die Seele mit der vollkommenen Unterscheidungsgabe geschmückt und geziert, durch ihre Wahl die Bitterkeiten den grössten Süssigkeiten vorzieht.
Indes sind diese Süssigkeiten und Gnaden lebendig und beseelt. Es sind nimmermehr blosse Lichter, welche das Wahre an den Gegenständen aufdecken, ohne diese zu verschaffen, sondern es sind lebendige Ausflüsse, welche in der Seele ein lebendiges Prinzip begründen. Auf dieses fühlt sie sich mit einem geheimen und tiefen Leben beseelt, das sie zu keiner Zeit mehr, ja nicht einmal während ihren äusseren Beschäftigungen verlässt. Und dies Leben ist die Liebe selbst, welche die Seele schon in einem hohen Grad besitzt, und in ihr den Keim der Unsterblichkeit erzeugt. Aus diesem entspringt der Grund des Lebens und der Gnade, wie der Grund einer innigen und tiefen Gegenwart Gottes. Dieses bewirkt wohl die innere, aber noch nicht die wesentliche Vereinigung.
Ausserdem erschafft Gott im Herzensgrund, oder besser auf der obersten Seelenspitze Vögel, welche in den heiligen Lüften der Gottheit fliegen. Diese Vögel sind sehr vortreffliche und erhabene Kenntnisse, allein sie fliegen so schnell vorüber, und halten sich so kurze Zeit auf, dass keine Spur von ihnen übrigbleibt, und das ist der Unterschied zwischen dem, was im Glauben, und dem, was in den andern Lichtern gewirkt wird. Diese Lichter da kann man unterscheiden, darüber Auskunft geben, und stellen sich deutlich dem Verstand dar. Man kann sie nach Belieben hersagen und sie sich so vergegenwärtigen, um ganze Geschichten darüber erzählen zu können. Mit den Glaubenslichtern verhält es sich aber ganz anders. Sie gehen blitz-schnell vorüber, lassen keine Spur und durchaus nichts in der Einbildungskraft zurück, daher kann man sich solche weder vorstellen, noch irgendein Bild von ihnen machen. Indes befinden sich diese Vögel, die ihr Dasein nur durch das schnelle Vorüberfliegen anzeigen, wirklich in der Luft, wo sie wohnen, und wo sie sich vielmehr hören als sehen lassen. Auf gleiche Weise ist es auch mit den vom Glaubens-licht erleuchteten Seelen, sie tragen in sich den Reichtum dieser Kenntnisse, die sie nur durch ihren Gesang, d.h. im Notfall an den Tag geben können, wenn sie pflichtgemäss darüber schreiben oder reden, und sich derselben bedienen müssen. Erst dann sieht man ein, dass man diese Dinge besitzt, ohne es zu glauben, dass man sie habe, gleich den Vögeln an den Orten, wo sie verborgen bleiben, und allein durch ihre Stimme und Gesang sich offenbaren.
Gott befiehlt diesen lebendigen Tieren zu wachsen und sich zu mehren. Wirklich wachsen und mehren sie sich bis ins Unendliche, freilich nicht nach dem Bewusstsein desjenigen, der sie besitzt, weil sie entweder in den Wassern eingeschlossen und verborgen, oder in den Lüften vertieft sind, und sich so sehr in die oberste Gegend erschwungen haben, dass man sie vom niederen Standpunkt aus nicht mehr sieht.
Dies ist der Anfang und die Vollendung des fünften Zustandes, was der fünfte Tag und die fünfte Stufe des inneren Christen darstellt.
24) Und Gott sprach: Es bringe die Erde hervor lebendige Wesen nach ihrer Art, Vieh und Gewürm und die wilden Tiere der Erde nach ihrer Art. Und also geschah es.
25) Und Gott machte die Tiere der Erde nach ihrer Art, und das Vieh und alles Gewürm der Erde nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war.
Wenn der obere Teil der Seele auf den Höhepunkt der erhabensten Kenntnisse gelangt, wenn der fünfte geheimnisreiche Tag vollendet ist und es ihr scheint, weit über alles Irdische sich erschwungen zu haben (denn in diesen letzten Tagen ist nimmermehr die Rede von der Seele, sondern von Licht und Erkenntnis, wie von Inbrunst und Liebe), wenn sie dem Scheine nach, sage ich, wie in einem Meer von Leben und gänzlicher Abgeschiedenheit von allem Hinfälligen und Materiellen vertieft ist, verwundert sie sich nicht wenig wahrzunehmen, dass aus ihrem Erdreich Tiere aller Gattungen hervorkommen, welche die besagte Erde zertreten, dieselbe ihrer ganzen grünen Zierde berauben, dies schöne, grüne Gewand sogar als ihre Weide gebrauchen und auffressen. Kurz, nachdem sie sich wie Gottes Thron angesehen, erkennt sie nun, dass sie der Fuss-Schemel von Tieren geworden. 0 Zustand, von andern so sehr verschieden! Wie aber Gott die früheren Zustände bewirkte, so bewirkt Er auch diesen hier. Freilich sieht man bis dahin diese Dinge als unnütz an, ja sogar als etwas, das die Erde grässlich entstellt, und sie ihrer Schönheit beraubt. Indes ist dieses doch ihr vornehmster Schmuck. Die Tiere sind edler als jene Pflanzen, welche der Erde so sehr zur Zierde gereichten und jetzt selbst zur Nahrung benannter Tiere werden. Dies ist der Zustand des Menschen, wenn es Gott gefällt, ihn auf die höchste Stufe der Vollkommenheit zu erheben, und ihm eine Zeitlang das Anschauen von dieser Schönheit, welche Er in ihn pflanzte, wegnimmt, und hingegen ihm nur irdische und tierische Wirkungen zeigt oder vor Augen stellt, die aber dennoch lebendige und belebende Wirkungen sind. Daher muss die Erde, als der niedere Seelenteil, auch Handlungen des Lebens hervorbringen. Allein, wird man erwidern, waren denn die Pflanzen, welche die Erde zierten, nicht alle beseelt? Ja doch, sie besassen alle ein wachsbares, aber kein empfindungsfähiges Leben, und gerade dies Leben muss in die innige Seele, aber nimmermehr zum Bösen, sondern nur zum Guten eingeprägt werden. Denn auf dieser Stufe empfängt sie das Gefühl oder einen tiefen Zug, Gott zu verherrlichen, da sich nichts in uns befindet, wie arm und elend es auch sein mag, das nicht fähig und verbunden wäre, Gott einige Ehre zu erweisen, Dieser Mensch also, der seit so langer Zeit unempfindlich gewesen, wird ganz betrübt wegen der Rückkehr der Empfindlichkeit, und dadurch wird er umso mehr überrascht, je mehr er meinte, auf immer aller Empfindungen beraubt zu sein. Indes muss er wieder empfindlich werden, allein sein Gefühl wird inskünftig solchergestalt gereinigt, dass es ihm nimmermehr gegen den Willen seines Erschaffers, sondern im Gegenteil zur Erfüllung desselben dienen wird.
Es werden also Tiere nach allen Arten auf der Erde erschaffen, reissende und kriechende Tiere. Wie denn! Gerade die gleiche Vorstellungskraft, die vorher angenehme, lichtvolle und göttliche Dinge sich vergegenwärtigte, dieser mit so tiefen Kenntnissen bereicherte Geist, sieht sich jetzt von kriechenden und schmutzigen Tieren angefüllt. Würde man nicht lieber wie Petrus sagen: Ich habe niemals etwas Beflecktes und Unreines gegessen, und werde solches auch nicht tun? Er erhielt aber zur Antwort: Nenne das nicht unrein, was der Herr gereinigt hat; d.h. Dinge, insofern sie von ihrem Schöpfer hergekommen, sind gut und heilig, aber unsere in uns wohnende Unreinigkeit verunreinigt sie. Gott bedient sich indessen eines gewissen Schmerzes, den uns diese Sachen verursachen, um uns von demjenigen, was Unlauteres in unserem Gefühl sich vorfindet, zu reinigen, auf dass er dasselbe nach und nach vergeistige. Aber Er reinigt es nur durch scheinbare Beschmutzung.
Die zahmen Tiere stellen unsere Selbstheit (oder den sinnlichen Teil) vor, welche uns äusserst beschwerlich fällt, wenn sie sich gegen Gott, ihren Schöpfer, empört; aber von sehr grossem Nutzen ist, wenn dieselbe dem, der sie gemacht hat, vollkommen unterworfen ist. Nichts befindet sich in uns, das nicht sehr vortrefflich ist, solange wir nach der Ordnung der Schöpfung leben, und niemals wird uns etwas schädlich, ausser durch den von der Sünde entsprungenen Missbrauch. Diese aus der Hand des Schöpfers kommenden Tiere waren ursprünglich sehr nützlich und unterhaltend, weil sie dem Menschen ganz unterworfen waren, und in der Ordnung ihrer Schöpfung sich befanden. Sie widersetzten sich dem Menschen auch nicht eher, bis er selbst Empörer wurde, woraus dann folgte, dass die Tiere sich ebenfalls wider ihn empörten. Der Aufruhr unseres Geistes verursacht den Aufruhr unseres Fleisches. Gott aber, gemäss seiner unendlichen Güte, bedient sich eben dieses Aufruhrs des Fleisches gegen den Geist, um sich den Geist unterwürfig zu machen. Sobald der Geist sich vollkommen Gott seinem Herrn unterworfen hat, unterwirft sich auch das Fleisch dem Geiste. Daher sah Gott, dass dies gut war, weil dieses dem Menschen von unendlich grossem Vorteil ist, um vernichtet, gedemütigt und zerstört zu werden.
Man wird sich gewiss verwundern, dass ich dem Menschen Zustände und Durchgänge zueigne, welche vor seiner Gestaltung sich zugetragen. Allein man wird in keiner Hinsicht überrascht werden, wenn man auf zwei Dinge achtet. Das eine, dass wie schon gemeldet, sich in der allgemeinen Welt nichts ereignet, was nicht auch im einzelnen Menschen geschieht; dergestalt, dass Gottes Handlungsweise für das Weltall, oder die Schöpfung, sich für den in der Gnadenordnung stehenden Menschen bei seiner Umgestaltung und Erneuerung wieder findet.
Das andere, dass alles, was sich im unschuldsvollen Zustande der Natur vor Erschaffung des Menschen, der ihn verdorben, zugetragen, in dem gleichen Menschen jetzt geschieht, um ihn vermöge der Gnade in der von seinem Erlöser überfliessend wieder hergestellten Unschuld aufs neue zu begründen. Deswegen treffen wir, ohne der Sache Gewalt anzutun, so wie bei der Welt, ihre Auflösung mitbegriffen, sieben Alter, so auch sieben Gnadenalter beim Menschen an, die sich auf den Zustand der Unschuld von der Natur beziehen; welche Alter, wenn sie im Menschen vollendet worden, ihn durch die Gnade allseitig, im ganzen Umfange unschuldig machen, so wie man es in diesem Leben sein kann. Dies darf man ohne Bedenken glauben, indem es, wie Paulus sagt, mit der Gnade eine ganz andere Beschaffenheit als mit der Sünde hat (Rom.5,15). Es sind in Wahrheit viele wegen der Sünde eines Einzigen gestorben, allein die Gabe und Gnade Gottes wird weit überfliessender vermöge der Gnade eines einzigen Menschen, der Jesus Christus ist, auf viele ausgegossen. Da die Erlösung durch Jesus Christus also überfliessend gewesen war, so erstattete sie dem Menschen weit mehr, als ihm die Sünde geraubt hatte. Wenn es Gott gefällt, werden wir anderswo die Weise, wie dies vor sich ging, ohne dem allgemeinen Kirchenglauben Eintrag zu tun, erklären.
26) Und sprach: Lasset uns den Menschen machen nach unserm Bild und Gleichnis, der da herrsche über die Fische des Meeres, und das Geflügel des Himmels und die Tiere, und über die ganze Erde, und alles Gewürm, das sich regt auf Erden.
Wenn der Mensch bis hieher gekommen, dass das Bild seines Gottes in ihm wahrhaft erneuert worden, so trifft man da vollkommen das von der Sünde verdorbene und entstellte Ebenbild wieder hergestellt an. Welches ist denn dieses Ebenbild Gottes? Es gibt kein anderes, ausser Jesus Christus, der als lebendiges Bild seines Vaters, sehr grosses Vergnügen hat, sich im Menschen aufs neue abzubilden und gänzlich einzuprägen. Aus diesem kann man erkennen, welches die Absicht der Schöpfung, wie diejenige der Erlösung ist. Bei der Schöpfung hat Gott alles für den Menschen erschaffen, den Menschen aber machte Er für sich. Und gleichwie Er den Menschen erst nach allen Wesen als deren Krone und Endzweck erschaffen, ebenso war und ist Gott allein vor und nach dem Menschen, damit er sich zu keinem andern Ziel und Ende hinneige. Der Mensch war das Ziel von allem übrigen, er selbst aber hatte kein anderes Ziel und Ende vor sich, als Gott allein. Gott erschuf also den Menschen nach seinem Ebenbild, d.h. Er zeichnete in ihn sein Ebenbild, seinen Sohn und sein Wort ab, und prägte ihm seinen Geist ein, und wie (Spr.8,31) seine Wonne, unter den Menschenkindern zu wohnen, sein sollte, und wie sein Sohn der alleinige Gegenstand seines Wohlgefallens ist (Matth.17,5), ohne den Er an nichts Freude haben kann (denn wenn Er sich auch an irgendeinem Geschöpf erfreut, so geschieht es nur vermöge seines Sohnes), so war es allerdings notwendig, damit Gott am Menschen Freude haben konnte, dass Er ihn nach seinem Bildnis machte, ihm die Kennzeichen seines Worts einprägend, ohne das Er sich niemals am Menschen ergötzt haben würde. Dies war mithin der Zweck der Schöpfung, aus allen Menschen Ebenbilder des Worts zu machen, in welchen die Gottheit eingeprägt wurde, und die eben diese Gottheit so darstellen sollten, wie ein lauterer Spiegel den vorgestellten Gegenstand darstellt.
Nachdem der Mensch aber dies schöne Ebenbild durch die Sünde verunstaltete, so beabsichtigte die Erlösung, dass Gott, der sich nur einzig in seinem Wort gefällt, und nicht dulden konnte, dass diese Menschen, in denen dies Ebenbild einmal eingegraben war, zugrunde gehen und zugleich auf immer das Bild seines Worts und die Merkmale der Gottheit verlieren, sehnlichst verlangte, dass sein Wort käme, dies Ebenbild wieder herzustellen. Denn das Gott-Wort allein war imstande, sich selbst wieder abzuzeichnen; dasselbe konnte es einzig bewirken, deswegen wurde dies Wort Mensch; gleichwie man sieht, dass man, wenn ein Spiegel den vorgestellten Gegenstand verloren hat, eben diesen Gegenstand wieder vor den Spiegel bringen soll, auf dass er ihn vergegenwärtige. Es war also durchaus notwendig, dass 3esus Christus in den Menschen komme, damit er diesen göttlichen Gegenstand nimmer verlierend, auch nicht mehr des Ebenbildes und der Kennzeichen der Gottheit verlustig werde. Sehr wohl weiss ich, dass Gottes Bildnis so tief im Menschen eingegraben ist, dass er dasselbe nie verlieren kann, wenn es auch durch die Sünde bedeckt, entstellt und verunreinigt ist. Daher kommt der Schmerz von Gott beim Verlust der Menschen, und sein grosses Verlangen sie selig zu machen. Alles was in der Seele bewirkt wird, geschieht nur in der Absicht, um dieses Ebenbild wieder zu entdecken und zu erneuern. Ist die Erneuerung vollendet, so wird der Mensch in den Zustand der Unschuld versetzt. Dies veranlasste den königlichen Propheten zu sagen: Ich will in Gerechtigkeit vor dir erscheinen, und werde satt werden, wenn sichtbar wird deine Herrlichkeit (Ps.16,15). Gleichsam als spräche er: Ich werde in Gerechtigkeit dein Angesicht beschauen, die ich von dir werde empfangen haben, und ich werde gesättigt sein, wenn deine Herrlichkeit durch dein erneuertes Ebenbild in mir erscheinen wird.
Es ist zu bemerken, dass Gott durch Erschaffung des Menschen, ihn zum König über alle Tiere setzte, und sie ihm unterwürfig machte, so zwar, dass der Mensch alles ausser Gott auf diesem Weltall beherrschtes, und von nichts als allein von Gott beherrscht wurde. Sobald er sich aber wider seinen Gott empörte, hörte auch alle Unterwürfigkeit der Geschöpfe gegen ihn auf. Daher kam es, dass er wegen seiner Sünde nicht nur die besondere Ordnung seiner eignen Schöpfung, sondern auch die allgemeine Ordnung des grossen Weltalls, d.h. was in demselben dem Menschen unterwürfig war, veränderte.
27) Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn, Mann und Weib schuf er.
Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, indem Er ihn ein und einfach machte, so wie Er ist. In diesen ersten Zustand der Unschuld kann der Mensch nicht wieder eintreten, wenn er nicht zur ersten Ähnlichkeit, in vollkommene Einheit und Einfalt zurückkehrt. Dieses kann aber nur dann geschehen, wenn er die Vielfältigkeit des Geschöpfs und seiner eigenen Wirksamkeit verlässt, um wieder in Gottes Einheit einzugehen, welcher allein den Menschen sich vollkommen ähnlich machen kann.
28) Und Gott segnete sie und sprach: Wachset und mehret euch und erfüllet die Erde, und machet sie euch Untertan, und herrscht über die Fische des Meeres, und über die Vögel des Himmels, und über alle Tiere, die sich regen auf der Erde.
29) Und Gott sprach: Siehe, ich habe euch gegeben alles Kraut, das sich besamt auf Erden, und alle Bäume, die in sich selbst Samen haben nach ihrer Art, dass sie euch zur Speise seien.
30) Und allen Tieren der Erde, und allen Vögeln des Himmels, und allem, was sich regt auf Erden, und in welchem eine lebende Seele ist, damit sie haben zu essen. Und also geschah es.
31) Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und es war sehr gut. Und es ward Abend und Morgen der sechste Tag.
Gott will, dass der Mensch wachse und sich mehre, d.h. dass das Bild des Worts sich auf der ganzen Erde ausdehne, auf dass Er überall durch das Anschauen seines in den Geschöpfen eingeprägten Bildes sich erfreuen könne. Vor Erschaffung des Menschen steht geschrieben: Die Erde war leer. Allein wie konnte sie leer sein, da es ja kein Ort gibt, der nicht durch die Unendlichkeit Gottes angefüllt ist? Gott findet sie deswegen leer, weil sich die edlen Geschöpfe, die lebendigen Ebenbilder seines Sohnes noch nicht darauf befanden. Er will also, dass dies Bild auf der ganzen Erde wachse und sich vermehre. Und warum denn dies, o grosser Gott? Um meine Wonne, meine Freude zu vermehren. Denn seitdem der Mensch mein Bild trägt, und mein Wort sich in Ihm ausgeprägt hat, sind mir alle Menschen Örter der Wonne und Freude.
Gott hat alle Dinge, wie die Heilige Schrift sagt, wegen dem Menschen erschaffen, daher gibt Er ihm über dieselben alle Herrschaft. Und woher erhält denn der Mensch diese unumschränkte Gewalt über alle anderen Tiere? Von der Kraft des Ebenbildes der Gottheit, welches in ihm war. Dieses Bild ist der Ausdruck seines Worts im Menschen. Gleichwie mir, sprach Jesus, alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben wurde (Matth.28,18), ebenso hatte der Mensch, als seine Gestalt und sein lebendiges Bild, alle Macht auf Erden, und seine Gewalt war umso grösser, je reichlicher das Wort sich in ihn ergossen. Ob wir nun gleich diese Macht wegen der Sünde verloren, und wie sich auch wegen den begangenen Verbrechen das Bild des Worts in uns verunstaltete, so bekommt es bei vollkommener Erneuerung des Bildes Jesu Christi in uns, doch wieder eine unbedingte und so grosse Macht auf uns, dass wir derselben weder widerstehen wollen noch können. Nicht als wenn dies Widerstehen von einem absoluten, sondern von einem, durch die in uns wiederhergestellte Ordnung verursachten, Vermögen herkommt, welche unserm Willen nicht nur die Empörung, sondern auch das Widerstreben gegen die Vollziehung des göttlichen Willens abgenommen hat; worauf wir dann durch die Übergabe und Gelassenheit, wie durch die Vereinigung und Umgestaltung unseres Willens in Gottes Willen dermassen befestigt werden, dass wir bei uns keinen Eigenwillen mehr finden können, sondern nur das wollen, was Gott will, weswegen Gottes Wille der unsrige geworden ist.
Dass dies in unserm Leben geschehen könne, ist unstreitig, da uns Jesus Christus im Unservater zu bitten anbefohlen, dass sein Wille auf Erden wie im Himmel erfüllt werde. Wenn man diese Verlierung des ganzen Willens in Gottes Willen nicht schon in diesem Leben erreichen könnte, wie die Seligen im Himmel, so würde uns Jesus Christus nicht geboten haben, darum zu bitten. Denn hätte Er uns wohl auffordern dürfen, um Grillen oder Hirngespinste zu bitten? - Sein bewunderungswürdiges Gebet zum Vater im Himmel bestätigt hinlänglich das Gesagte, als Er in Joh.17,22 sprach: Nein Vater! dass sie doch eins seien, wie wir eins sind! Es ist gewiss, dass diese vollkommene Einheit einzig und allein im gänzlichen Verlust des Gott widerstrebenden Willens bestehen kann. Nun spricht Jesus Christus auf so erhabene Weise nur in dem, der willenlos und frei von allem Widerstreben ist: Alle Gewalt ist mir gegeben im Himmel und auf Erden.
Diese Willensverlierung ist eine Frucht oder Folge der Erlösung Jesu Christi. Der Mensch, welcher durch die Anwendung seines Bluts in diesen Zustand gekommen, tritt wieder in alle seine herrschaftlichen Rechte über die Geschöpfe ein, von denen er das Ziel und Ende ist; weil er in Gott alles beherrscht, so wie er auch in Ihm selbst alles besitzt. Eben dieses wollte Gott offenbaren, da man mit Erstaunen gesehen hat, wie Heilige durch ihren Befehl sich die wildesten und unbändigsten Tiere unterwürfig und gehorsam machten. Ja sie übten diese Macht sogar an Dingen aus, die der Natur der Elemente ganz entgegengesetzt waren, wie im Feuer baden und sich darin abkühlen. Denn diejenigen, welche von der Liebe Gottes durchdrungen waren, wollten lieber ihr Leben verlieren, als ausser Gottes Willen leben, oder weil sie ohne Gefahr, gegen Gott aufrührerisch zu werden, nicht leben konnten, verlangten sie lieber zu sterben, als Gott nicht vollkommen zu gefallen.
O Grösse, o Macht Jesu Christi im Menschen und des Menschen in Jesu Christo, wie bewunderungswürdig, aber wie wenig erkannt bist du! Wir tragen alle den Namen von Christen, und doch sind wir nichts weniger als Christen, weil wir selbst das nicht wissen, was ein Christ ist.
Christen! die ihr den schönsten aller Namen, wie noch keiner war, tragt. Lernet doch Christen werden, erst dann werdet ihr eure Grösse und euren Adel erkennen, und von einem gerechten Ehrgefühl durchdrungen, nichts eurer Geburt Unwürdiges weder tun noch reden. 0 christliche Ritter! wieviel Blut vergiesst ihr wegen einer falschen Ehrensache! Wenn ihr verstündet, was das sei, Christ zu sein, wieviele Leben würdet ihr nicht hingeben, wenn ihr sie in eurer Gewalt hättet, um diese wahrhaft ruhmvolle Eigenschaft zu bewahren, und nichts ihrer Unwürdiges zu tun? Aber leider ist man von der Wahrheit und dem Geist der christlichen Religion nicht unterrichtet, man hält sich nur oberflächlich bei ihr auf, ohne ihren Geist zu ergründen, und deswegen wird man unendlich vieler Güter beraubt. Ach Mensch! du bist ja als König erschaffen, und du würdest ein unendlich gücklicher König sein, wenn du es verstündest, in dir das Bild Jesu Christi erneuern zu lassen! Indes bleibst du immer Sklave, weil du dein Königreich nicht auf die Gott schuldige Abhängigkeit, auf gänzliche Unterwerfung unter seinen Willen, auf Beobachtung seiner Führung, und endlich auf ehrfurchtsvolle Erduldung aller seiner sowohl begnadigenden als kreuzigenden Wirkungen, sondern auf deine eigene Führung begründest. Denn bis jetzt hat man bemerken können, dass dasjenige, was den Menschen auf einen so hohen Standpunkt versetzt hat, nicht Sache seines eigenen Bestrebens und Fleisses, sondern allein Sache der Güte Gottes, wie auch der Treue von Seiten der Seele, Ihm nicht zu widerstehen, gewesen war. Böses tun und Gott widerstehen, das und nichts anderes können wir, wie man in der Folge sehen wird. Treu sein aber heisst, Gott unumschränkter Herr über unser inneres sowohl als äusseres Wesen sein lassen.
Gott sah, dass alles, was er gemacht hatte, sehr gut war. Denn nichts ist besser für den Menschen, als in sich das Bild seines Gottes zu sehen. Es kann auch nichts aufgefunden werden, wodurch Gott ausser sich selbst mehr könnte verherrlicht werden, als durch seine Abbildung im Menschen. Dies brachte die unaussprechlich grosse Liebe Gottes gegen den Menschen hervor. Denn Gottes Lust und Wonne ist, sich selbst ausser sich im Menschen zu beschauen; und gleichwie Gott in sich selbst alle Lust und Wonne hat sich zu beschauen, und durch die Selbstbeschauung sein Wort zu zeugen; ebenso besteht das grösste Vergnügen Gottes darin, ausser sich im Menschen sein Bild sehend sich zu beschauen und in ihm sein Wort zu gestalten. Dies nennt Paulus die Gestaltung Jesu Christi in uns (Gal.4,19).
Der Mensch soll sich niemals selbst beschauen, noch ausser Gott sich ansehen. Tut er aber solches, so ist das die Ursache aller seiner Unordnungen, und solchergestalt fällt er in falsche Anmassung und Selbsthochachtung, indem er durch das Selbstanschauen aus seiner Niedrigkeit Hochmut oder Eitelkeit zieht, und seinen Ursprung vergisst. Ist er aber getreu, nur Gott allein anzuschauen, so entdeckt er voller Bewunderung seinen Adel in Ihm, ohne deswegen hochmütig zu werden, weil er ja ausser Gott in sich nichts anderes als Kot, aus dem er gemacht worden ist, sieht. In Gott aber sieht er sich vermöge der Teilnehmung als Gott, und zwar auf solche Weise, dass er zugleich entdeckt, dass, wenn er aufhören würde sich in seinem Ursprung anzuschauen, um sich in sich selbst zu sehen, und sich etwas anzumassen, solches ohne unrechtmässige Zueignung nicht geschehen könnte, so zwar, dass er ausser Gott ein so abscheuliches Nichts sein würde, dass ihm alle Lust verginge, sich jemals wieder anzuschauen. Dabei ist das sonderbarste noch dieses, dass der Anblick seiner selbst ausser Gott keineswegs zu seiner Verdemütigung, sondern im Gegenteil zum Hochmut in seiner Erniedrigung dient, und abirrend vom rechten Wege, masst er sich dasjenige an, was ihm nicht gehört.
Es ist also von der wichtigsten Folge, dass der Mensch sich ja niemals anschaue, sondern nur Gott allein, in welchem er sich ohne Gefahr sieht, was denn eine unaufhörliche Beschauung Gottes von seiten des Menschen ist. Diese Beschauung, die nichts anderes als ein einfacher Blick des Geistes auf Gott ist, zieht Gottes Beschauung auf den Menschen nach sich. Denn je mehr der Mensch seinen Gott beschaut, desto mehr wird er von Gott beschaut. Die Bewunderung dieses ausserordentlichen Ereignisses veranlasste David, wie ganz ausser sich, auszurufen: 0 Gott, was ist der Mensch, dass er der Gegenstand deiner Erinnerung ist! (Ps.8,5).
Aus diesen eben beschriebenen Zuständen und Durchgängen macht Gott den sechsten mystischen oder geheimnisvollen Tag, oder die sechste Stufe des inneren Christen, und hier ist es, wo alles für den Menschen in dem Menschen selbst sein Ziel erreicht. Es ist die Vollendung der Werke Gottes im Menschen, weil das Ziel seiner Arbeit, das Bild seines Sohnes wieder herzustellen, erreicht ist. Jetzt erscheint der wichtige Augenblick, wo der Mensch Mittel und Weg verlässt, um in seinem Ende zu ruhen, und aus den geheimnisvollen Tagen herausgeht, um in den ewigen und göttlichen Tag einzugehen.
2. Kapitel.
1) Also ward vollendet Himmel und Erde und alle ihre Zier.
2) Und Gott vollendete am siebten Tage sein Werk, das er gemacht, und ruhte am siebten Tag von allem Werk, das er gemacht.
Es wird gesagt, dass Gott sein Werk vollendete. Welches war wohl die Beendigung und die Vollkommenheit aller seiner Werke? Es war das Werk der vollkommenen Abbildung seines Worts, nach welchem Er in sich selbst ruht, und bewirkt, dass die Seele in Ihm ruhe, allwo sie mit Jesus Christus, ihrem göttlichen Urbild, verborgen bleibt (Kol.3,3).
Die Heilige Schrift setzt aber noch hinzu, dass Gott sein Werk vollendete, das er gemacht. Alle diese Redensarten sind notwendig, drücken sehr gut das Innere Leben aus. Es heisst nicht nur das
Werk, da alles im Menschen gewirkte Gute ganz gewiss von Gott gewirkt wird, und keiner Jesum Christum aussprechen kann, ausser durch den eiligen Geist (1.Kor.12,3), sondern auch sein Werk, das er gemacht, hiemit anzuzeigen, dass Er es allein gemacht. Auf gleiche Weise verhält es sich auch mit einer Seele, die vermöge ihrer Vernichtigung den Zustand der Unschuld gelangt, in der Gott ganz unumschränkt, ohne den geringsten Widerstand von seiten des Geschöpfs, allein handelt. Und Gott ruhte am siebten Tage von allem Werk, das er gemacht, worunter die Herrlichkeit und die Ruhe, welche Er in der göttlich gewordenen Seele findet, verstanden wird. Denn da diese Seele Gott nicht mehr widerstehen kann, und mit Ihm eins ist, in welche Einheit sie Gott selbst eingeführt hat, so hat Er ferner nichts mehr zu tun, als in dieser Seele zu ruhen, und sich in ihr zu erfreuen.
3) Er segnete den siebten Tag, und heiligte ihn, weil er an selbem ruhte von allem seinem Werk, das Gott schuf, um es zu machen.
Gott segnete und heiligte den siebten Tag, weil Er gerade an diesem Tag aufhörte seine Werke zu verrichten, verschlingend die Seele in sich als in sein göttliches Leben, in dem nichts mehr als Ruhe ist, obgleich Er dieses Werk erschaffen hatte, auf dass es gemacht sei. Wenn aber die Seele zum Ziele ihrer Erschaffung, zur Ruhe in Gott, angekommen ist, so hat sie nichts mehr zu tun, als in dieser göttlichen Ruhe oder in Gott selbst zu verbleiben. Hier hat das Werk in Hinsicht der Tätigkeit, die sie zu ihrem Ziel brachte, seine Vollendung erreicht; nicht aber in Beziehung der zu geniessenden Tätigkeit, die in der Ruhe fortdauert, und ewig nicht aufhören wird.
4) Das ist der Ursprung des Himmels und der Erde, da sie erschaffen wurden am Tage, da Gott der Herr Himmel und Erde machte.
5) Und da er schuf alle Pflanzen des Feldes, ehe sie auf gegangen waren auf der Erde, und alles Kraut des Landes, ehe es noch gesprosst. Denn Gott der Herr hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und war kein Mensch da, das Land zu bauen.
6) Sondern ein Brunnen stieg auf von der Erde, und be feuchtete den ganzen Erdboden.
Der Ursprung des Himmels und der Erde, d.h. der zwei Teile im Menschen ist Gott, und wie sein Anfang oder Ursprung war, so soll sein Ende sein. Er kehre dahin zurück, woher er ausgegangen ist. So wie alles durch das Wort bei unserer Erschaffung gestaltet wurde, und ohne dasselbe nicht das geringste gemacht worden ist, auf gleiche Weise muss alles bei dem Hingehen des Menschen zu seinem Ziel und Ende von Jesus Christus bewirkt werden, und nichts kann ohne Ihn geschehen. Schon im Anfang, wenn der Mensch diesen Weg betritt, nimmt Er ihn in seinen Schutz, und verlässt ihn keinen Augenblick, bis Er ihn mit sich in Gott eingeführt hat, insofern nämlich der Mensch sich vollkommen seiner liebenswürdigen Führung überlässt. Deswegen versichert uns der Heilige Geist, dessen grösstes Vergnügen ist, uns von allen Dingen zu unterrichten, dass Gott die Pflanzen schuf, ohne dass der Mensch an ihrer Anbauung gearbeitet habe. Diese Pflanzen sind Tugenden, welche in der sich Gott übergebenen Seele wachsen und aufkeimen, auch bevor sie sich um ihre Bewerbung bemüht. Denn das Verlangen, sich Tugenden zu erwerben, ist selbst Tugend, eine Kraft, die Gott aus lauter Güte in die Seele einpflanzt. Sobald der Mensch vom wahren Licht erhellt ist (eine Folge der gänzlichen Übergabe in Gottes Willen), so erkennt er deutlich, dass Gott allein alle Tugenden in die Seele verpflanze.
Worin besteht denn die Mühe und die Treue der Seele, wenn sie nicht in Erwerbung der Tugenden aufgefunden wird? Gerade das ist das Geheimnis, christliche Brüder! Die Treue der Seele besteht darin, sich Gott unaufhörlich zu unterwerfen, und nach der Lehre des Petrus uns zu demütigen unter die gewaltige Hand Gottes, die einzig alles Gute in uns wirken kann, und alle Sorge und jeden Kummer seiner flacht zu überlassen, da er selbst für uns sorgt (1.Petr.5,6-7). Sie besteht darin, uns immerfort zu verleugnen, um der Natur jede Widerstrebung gegen die Gnade zu benehmen, und durch die Selbstverleugnung uns allseitig und vollkommen Gottes Willen zu überlassen, auf dass wir, vermöge benannter Selbstverleugnung und Gelassenheit, Gott alles Recht einräumen, ganz frei in uns zu handeln. Darin bestände also die vorzüglichste Arbeit des von der Gnade unterstützten Menschen; aber sich mit Tugenden schmücken, das ist allein Gottes Sache, womit Er uns unfehlbar zieren wird, sofern wir in diesen zwei Punkten treu mit der Gnade wirken. Damit ja niemand glaube, dass diese Gnade uns abgehe, so steht geschrieben, dass Gott einen Brunnen gemacht, der uns seine Gnade darstellt, welcher sozusagen aus der Erde aufsteigt, weil eben diese Gnade uns sehr nahe und allezeit bereit ist, sich in unsere Herzen zu ergiessen. Es steht noch dabei, dass Gott alles dieses getan habe, bevor er auf die Erde regnen liess; damit wir seine Sorgfalt bewundern, mit welcher Er über unser inneres Leben, wenn es Ihm vollkommen unterworfen und ergeben ist, waltet; und dass, wenn uns laut seiner Anordnung zur Vollkommenheit Hilfsmittel fehlen, uns Gott auf andere Weise herbeischaffe; so wie Er aus der Erde Wasser aufquellen liess, um die Pflanzen zu begiessen, da noch keines von den Wolken herunterregnete.
7) Und Gott der Herr bildete den Menschen aus Leim der Erde, und hauchte in sein Angesicht den Odem des Lebens, und also ward der Mensch beseelt lebend.
Gleichwie uns die Heilige Schrift den geistigen Ursprung des Menschen, der Gott selbst ist, darstellte; so will sie uns auch sein natürliches Herkommen zeigen. Deswegen lehrt sie uns, aus welcher Materie er gebildet wurde, auf dass er einsehe, was er von Natur aus sei. Alles, was der Mensch Gutes besitzt, kommt von Gott und gehört Gott an. Was er aber aus und durch sich selbst hat, ist sehr gering und niedrig. Da aber im Menschen zwei Zustände erscheinen, der eine von seiner Erschaffung in der natürlichen Ordnung, der andere hingegen von seiner Wiedergeburt in der geistlichen Ordnung, so ist es allerdings wahr, dass Gott, nachdem Er den inneren Menschen aus Kot gebildet (was der Zustand seiner eigentümlichen Verwerflichkeit, aus geringem und wertlosem Erdenstaub bestehend, bezeichnet), aus diesem Kot einen neuen Menschen erschaffen, und nachher ihm seinen eigenen Geist, und nicht einen andern, einhaucht, so dass ihn nur zufolge seiner Vernichtung Gottes Geist beseelt und bewegt.
8) Und Gott der Herr pflanzte von Anbeginn einen Lust garten, und setzte darin den Menschen, den er gebildet hatte.
Gott setzt gleich anfangs den Menschen hin ins Paradies der Wonne und Freude, worunter die Süssigkeiten des leidsamen Zustandes der Lichter, Liebe und der empfindlichen Gegenwart Gottes, welches die grössten in diesem Leben zu geniessenden Vergnügen sein mögen, verstanden werden.
9) Und Gott der Herr brachte aus dem Boden hervor allerlei Bäume, schön zu schauen und lieblich zu essen; auch den Baum des Lebens in der Mitte des Gartens, und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.
10) Und ein Fluss ging aus vom Lustorte, zu bewässern den Garten, und von da an teilte er sich zu vier Flüssen.
In diesem leidsamen oder passiven Zustande blüht alles in der Seele, und die Bäume ihrer Kräfte sieht man ganz mit Tugendübungen beladen, ohne dass benannte Seele begreifen kann, wie sie im Erdreich ihres Herzens hervorgebracht wurden. Sehr geschmackvoll sind diese Früchte, denn die Ausübung der Tugenden ist alsdann äusserst angenehm.
Der Baum des Lebens ist in der Mitte; Gott selbst ist dieser Lebensbaum, denn Er ist ja die Quelle alles Lebens, der durch seinen Gnadengeist den Grund des mit Ihm glücklich vereinigten Menschen belebt, auf dass er nur Früchte des Lebens trage. Der Baum der Wissenschaft des Guten und Bösen ist Jesus Christus, welcher als die göttliche Weisheit nach Jesaja 7,15 das Böse zu verwerfen und das Gute zu erwählen weiss, wie auch untrüglich zu unterscheiden, worin das eine wie das andere bestehe. Dem grössten Teil der Menschen geht diese Unterscheidungsgabe ab, denn sie nennen das Böse gut, und das Gute bös (Jes.5,20). Finsternis heissen sie Licht und Licht Finsternis. Ihr Betrug und Irrtum entsteht daher, weil sie auf ihre eigenen Lichter vertrauen, anstatt Jesus Christus um die Mitteilung seiner Weisheit zu bitten. Der Baum der Wissenschaft des Guten und des Bösen müsste sich im Paradies, wo die Menschen sich aufhalten sollten, einfinden; zumal diese Erkenntnis durchaus erfordert wurde, damit sie pflichtgemäss handeln möchten. Sie hätten sich mit dem, was ihnen die göttliche Weisheit mitgeteilt, begnügen sollen, da sie hinlänglich zu ihrem Verhalten und Betragen unterrichtet waren, somit sich nicht ehrsüchtig durchs Ergründen der Geheimnisse, welche Gott ihnen verbergen wollte, überheben sollen. Tiefe Verblendung war die Folge ihrer stolzen und neugierigen Forschung.
Der Fluss, welcher das Paradies aller Freude und Wonne bewässert, welches der innere Schauplatz unserer Seele ist, ist der Gnadenfluss, welche Gnade in das Herz des Gerechten einfliesst, die in vier Teile sich scheidet, entweder weil sie verschiedene Namen nach ihren verschiedenen Wirkungen annimmt, obgleich sie in ihrer Urquelle die Eine und die Nämliche ist, oder um sich auf alle Kräfte und Handlungen des Menschen zu ergiessen, wie die vier Flüsse aus dem Orte der Wonne und aller Freuden hervorströmen, um die Erde zu bewässern. Daraus können wir noch entnehmen, wie uns Jesus Christus die Gnade verdient habe, und wie selbst die Gnade, welche Adam nach seinem Fall empfangen, ihm nur in Bezug auf Jesus Christus und zufolge des Verdienstes seiner Erlösung geschenkt wurde.
11) Der eine Fluss heisst Pison, der umfliesst das ganze Land Hawila, wo Gold wächst. 12) Und das Gold dieses Landes ist sehr gut; da findet man den Bedellion und den Stein Onyx 13 und der Name des andern Flusses ist Gihon, der umfliesst das ganze Land Äthiopien.
14) und der Name des dritten Flusses ist der Tigris, geht gegen Assyrien. Der vierte Fluss aber ist der Euphrat.
Der Fluss Pison ist die erste Gnade, die uns in der Taufe mitgeteilt wird, von woher ein köstliches Gold entspringt, welches Gold die reine Liebe vortrefflich bezeichnet, die uns in der Taufe eingegossen wird. Bedellion ist das Sinnbild der Hoffnung, wie Onyx vom Glauben. Es ist ganz zuverlässig, dass uns mit der ersten in der Taufe eingegossenen Tugend zugleich auch die drei theologischen Tugenden eingepflanzt werden. Der zweite Fluss umfliesst die Erde unserer Seele und ihrer Kräfte, was wirklich eine Gnadenvermehrung ist, welche gleichsam durch verschiedenes Hin- und Herfliessen an Wachstum zunimmt, bis sie einen solchen Höhepunkt erreicht hat, dass wir durch sie zum Ziele kommen. Der dritte Fluss bezeichnet die willkürlichen Gnaden, die andern Seelen ausgeteilt werden, so wie sich der Tigris über die Assyrer, d.h. über ganze Völkerschaften ergiesst. Der vierte Fluss versinnbildlicht die Ausharrung bis ans Ende, welches Beharren zum ewigen Leben einführt, und zur Folge hat, uns auf sehr kräftige Weise an den Ort unseres Ursprungs zurückzuführen, zumal diese gemeldete Gnade den Menschen nicht nur heiligt, sondern ihn zur Vollendung bringt.
15) Und Gott der Herr nahm den Menschen, und setzte ihn in den Lustgarten, auf dass er ihn bebaue und bewahre.
16) Und er gebot ihm und sprach: Von jedem Baume des Gartens magst du essen,
17) Aber von dem Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen, denn an welchem Tage du davon issest, wirst du des Todes sterben.
Nachdem Gott den Menschen in den Lustgarten, d.h. in das Innerste seiner Seele versetzt hatte, und ihm solche überfliessende Gnade, die ihn von allen Seiten beschützt, mitgeteilt hatte, dass er ohne auffallende Treulosigkeit unmöglich davon abfallen kann; nachdem, sage ich, Gott den Menschen mit so grossen Gaben überhäuft, will Er, dass derselbe das Paradies bebaue und bewahre. Darin besteht also die Treue der Seele, dass sie das ihr von Gott Anvertraute bewahre und bebaue.
Liebe Brüder ! was ist dies wohl für eine Bewahrung? Lasst sie uns von Jesus Christus selber erlernen, der bei Matth. 26,41 sprach: Wachet und betet, damit ihr nicht in der Versuchung fallet, denn der Geist ist bereit, das Fleisch aber ist schwach. Durch Wachen also, und zwar durch beständiges Aufmerken auf Gott, bewahrt man diese Erde. Denn eine solche Wachsamkeit fordert Gott von uns, dass sie immer vom Gebet unterstützt werde, wie David sprach: 0 Gott, mein Gott! Frühe wache ich zu dir. Wenn der Herr die Stadt nicht behütet, wacht der Hüter umsonst (Ps.62,1 & 126,1). Allein man wird mir erwidern: Wenn ich auf mich selbst nicht wache, oder mich vernachlässige, und nur auf Gott allein aufmerksam bin, so werden meine Feinde mich unversehens überfallen. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Denn wenn wir uns selbst vergessen und nur an Gott denken, so bewirkt seine Liebe gegen uns, dass Er eine weit grössere Sorge für uns trägt; denn in der Liebe lässt Er sich niemals übertreffen, wohl aber von ihr überwinden. Sind wir denn nicht viel besser durch einen solchen starken und mächtigen Beschützer bewahrt, als durch uns selbst? Wie sorgfältig wir immer über uns selbst wachen mögen, so kann uns doch der Mächtigere allezeit entwaffnen, und uns gerade aller derjenigen Dinge berauben, die wir mit so grossem Eifer bewahren. Überlassen wir aber alle unsere Angelegenheiten Gottes Fürsorge, so dürfen wir gleich einem andern heiligen Michael ausrufen: Wer ist so stark wie Gott!?
Gott fordert überdies, dass wir den Lustgarten des inneren Lebens anbauen. Worin aber dies Anbauen besteht, lehrt uns der Herr, unser göttlicher Meister, mit diesen Worten: Verleugnet euch selbst, und traget täglich euer Kreuz (Matth.16,24). Sich beständig in allem, was die Natur
Gott zuwider begehren möchte, verleugnen; sich immer Gott nach dem Masse der Selbstverleugnung überlassen, um mit Gleichförmigkeit die verschiedenen Kreuze, die vielerlei Mühsale und Widersprüche, die Er über uns verhängt, zu tragen, das ist das Werk des Menschen, welcher von den überfliessenden und niemals uns mangelnden Gnadenwassern unterstützt, in der Ordnung nach Gottes Willen verbleibt, und so zu seinem Ziel und Ende gelangt.
Gott gestattet dem Menschen alle diese Ergötzungen, d.h. alle Tugenden, vorgestellt durch die Früchte, zu verkosten; nur verbietet Er ihm von der Frucht der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen, welches Essen den Missbrauch unserer Selbstführung zum Nachteil der Herrschaft oder Gewalt Jesu Christi auf uns bezeichnet. Wenn ihr davon verkostet, spricht Er, so werdet ihr sterben. Denn dadurch geschieht es, dass man sich dessen bemächtigt, was nur Gott allein zugehört, und man eignet es sich zu, es als eine Frucht seiner Mühe und Sorgen anschauend, was doch nur einzig von Gottes Güte herkommt.
Wie jeder Baum, der nicht auf Jesus Christus gepfropft ist, keine gute Frucht tragen kann, also entspringt auch jede gute Frucht notwendig aus Jesus Christus, in den wir alle eingepfropft sind, damit selbst in uns Frucht bringe. Derjenige nun, der sich selbst führen seine will, und der Herrschaft Jesu sich entzieht, indem er durch Überlegung sich das Gute zuschreibt, was doch Gott durch Jesus Christus, unsern Herrn, in ihm tut und wirkt, ergötzt sich daran. Und eben durch diese Handlungsweise geschieht es, dass man in diesem so wundervollen Zustande der Gnade der Sünde Eingang gestattet, und man wegen Vorwitz und eigensinnigem Anschauen der göttlichen Wohltaten sich den Tod zuzieht.
Obwohl geschrieben steht, an welchem Tage du davon issest, wirst du sterben, stirbt deswegen die Seele doch noch nicht an demselben Tage, an dem sie sich dieses Missbrauchs schuldig macht. Ich v/erstehe hierunter nicht den Tod der Sünde, sondern den Zustand des mystischen Todes. Sie stirbt noch nicht, sage ich, an diesem Tage; sie wäre allzu glücklich; aber sie ist zum Tod verurteilt, und von dieser Verurteilung an beginnt ihr Martyrium; gleichwie auch Adam nicht alsobald starb, als er gesündigt hatte, wohl aber von diesem Augenblick an zum Tod bestimmt wurde, in dessen wehe und Wirken er sich alsogleich fügte. Es heisst in gemeldeter Schriftstelle: Du wirst des Todes sterben; das will nichts anderes sagen, als Gott sei weder mit einem halben Tod, noch mit tausend Tode oder Abtötungen zufrieden; sondern es müsse ein wirklicher und wahrhafter Tod erfolgen, ohne das ja kein wahrer Tod, sondern nur ein Bild oder Schatten des Todes stattfände.
18) Auch sprach Gott der Herr: Es ist nicht gut für den Menschen, dass er allein sei. Lasset uns ihm eine Gehilfin machen, die ihm gleich sei.
Dies kann von der menschlichen Natur verstanden werden, welche Gott mit der göttlichen durch die Person des Worts in Jesus Christus, seinem Sohne, vereinigen wollte. Denn ein Gott konnte nicht leiden, noch Genugtuung leisten, und weil der Mensch allzu schwach war, einer Welt die Erlösung mit Gerechtigkeit zu verdienen, so wurde die menschliche Natur der göttlichen als Gehilfin gegeben, um die Errettung des menschlichen Geschlechts durch den Gott-Menschen aufs vollkommenste zu bewirken. Zugleich wird auch das Vorbild der Vereinigung Jesu Christi mit der Kirche darunter verstanden, welche als eine fruchtbare Mutter Ihm unendlich viele Kinder als Frucht seines Bluts zuführen, wie auch als getreue Braut mit Ihm zu deren Heiligung und Seligkeit das ihrige beitragen sollte. Dies ist ferner noch das Sinnbild der Gnadenvereinigung gewisser Seelen, welche Gott unter ihnen schon in diesem Leben stiftet und im Himmelreich verewigt, indem Er sie als Gefährten der gleichen Schicksale, der gleichen Mühe und Arbeit, wie auch der gleichen Kreuze macht, so dass sie zusammen einstimmig und mit gleichförmiger Gnade sowohl für ihre Vollkommenheit, als auch für das Heil vieler andern handeln und wirken.
19) Also bildete Gott der Herr aus Erde alle Tiere des Feldes und alles Geflügel des Himmels, und führte sie vor Adam, dass er sehe, wie er sie nennte; denn wie Adam jedes lebende Wesen nennte, so sollte sein Name sein.
20) Und Adam nannte mit Namen alles Vieh, und alles Geflügel des Himmels, und alle Tiere der Erde, aber für Adam fand sich keine Gehilfin, die ihm gleich war.
21) Darum sandte Gott der Herr einen tiefen Schlaf auf Adam, und als er schlief, nahm er eine von seinen Rippen, und füllte Fleisch an ihre Stelle.
Adams Macht und Gewalt über alle Tiere im Zustand der Unschuld beweisen, wie alle Geschöpfe dem Menschen, der Mensch aber Gott Untertan gewesen; gleichwie auch die Empörung der Kreaturen ein Kennzeichen des Aufruhrs vom Menschen war. Gott führte alle Tiere hin vor Adam, damit er einem jeden aus ihnen einen ihrer Natur nach angemessenen Namen gebe, um dadurch anzuzeigen, dass Gott ihn als König über die Tiere, wie über ihre Kräfte, Sinne und Leidenschaften setzte, daher der noch unschuldige Adam mit unbegrenzter Gewalt über sie herrschte; allein da der sündhaft gewordene Mensch allen seinen Leidenschaften Untertan wurde, so wird er jetzt von allem beherrscht. Adam war das Bildnis von Jesus Christus, und es hing von seiner Macht ab, in Adam die Tiere, welche den sinnlichen oder tierischen Bestandteil und die verschiedenen Leidenschaften des Menschen vorstellen, unterwürfig zu machen; auch der so angemessene Raum, den er ihnen gab, bezeugt hinlänglich, dass einzig und allein Jesus Christus sich die Leidenschaften des durch die Sünde empörten Menschen unterwerfen könne, und dass die Vögel des Himmels die edelsten Teile der Seele, wie ihre Kräfte, und was von ihnen abhängt, andeute. Dies alles aber konnte nur der Erlöser vermöge seiner Gnade in die ursprüngliche Ordnung zurückbringen.
Die Schrift fügt noch hinzu, dass, obschon Adam, Vorbild von Jesus Christus, den Tieren so geeignete Namen gab, und sie sich alle, sowohl die Vögel des Himmels als die Tiere der Erde, als ihrem König unterwarfen, er dennoch keine Gehilfin hatte, die ihm gleich wäre. Dies kann von Jesus Christus auf zweifache Art erklärt werden:
Erstens dass, obschon alles durch Jesus Christus, als Wort, gemacht wurde, und ohne dasselbe nichts gemacht wurde, es noch keine Gehilfin, die Ihm gleich wäre, hatte. Denn wiewohl Es das Ebenbild seines Vaters, und die Quelle, wie auch der Ursprung aller Geschöpfe ist, so hatte Es doch das Bildnis seines Vaters nur in die Schöpfung des Menschen ausgedehnt, und diese Abbildung, nachdem sie ganz verdorben wurde, glich Ihm nicht mehr. Und wenn auch die menschliche Natur zur Zeit des noch unschuldigen Adams ein lebendiges Bild des Worts war, so ist es allerdings nicht so vollkommen gewesen, wie es in Jesus Christus zu finden war. Wenn Gott also sprach: Lasst uns ihm eine Gehilfin machen, die ihm gleich ist, so hatte dies die gegenständliche Vereinigung des Worts mit der menschlichen Natur, welche eine ihm ähnliche Gehilfin war, zur Absicht, ja eine so zweckdienliche Gehilfin, dass sie vereinigt am Heile des menschlichen Geschlechts arbeiten sollten, welches Heil ohne diese Vereinigung, das grösste aller Werke Gottes, nicht bewirkt werden konnte. Diese Gehilfin wurde ihm so ähnlich gemacht, dass aus zwei an sich selbst verschiedenen Naturen, so wie es die göttliche und die menschliche Natur ist, nur eine und die nämliche Person in Jesus Christus gebildet wurde.
Die andere Weise obiges zu erklären, wäre die von Jesus Christus und seiner Kirche. Bevor die Kirche geboren war, fand sich keine Gehilfin vor, die Jesus Christus ähnlich war. Sobald die Kirche aber gestaltet war, so wurde sie für Jesus Christus eine wahre und solche Gehilfin, die mit Ihm am Heil der Menschen mitwirkt, da sie und Er nur einen und den gleichen Willen haben. Konnte diese durchaus heilige Gehilfin Ihm mehr gleichen, sintemal sie glorreich und makellos, ohne Runzel und Fehler ist? (Eph.5,27).
Auf welche Art wurde denn diese Gehilfin gebildet? Gott sandte einen Schlaf auf den neuen Adam. Dieser Schlaf bemächtigte sich seiner auf dem Bette des Kreuzes, an dem seine Seite geöffnet wurde, und von dannen eine Tochter, eine Braut hervorging, deren Schönheit so vollkommen war, dass an ihr nichts zu finden, was für den unwürdig gewesen, welcher ihr Vater war, gleichwie Er ihr Bräutigam sein sollte. Die Vereinigung Jesu mit seiner Kirche ist so eng und genau begründet, um einmütig mit dem gleichen Geist, und mit einem Willen am Menschenheil zu arbeiten, dass derjenige, welcher nicht mit der Kirche verbunden ist, auch Jesus Christus nicht angehören kann, und so umgekehrt nicht Jesus Christus angehört, wenn er nicht ein Kind seiner Kirche ist. Vermöge des so einzigen wie gesetzmässigen Bandes dieser Vermählung, ist niemand ein wahrer Sohn der Kirche, ausser er sei ein Kind Jesu Christi, und keiner wird von Jesus Christus erzeugt, ohne dass er von der Kirche geboren sei.
Wie aber Jesus Christus in Gottes Gedanken von Erschaffung der Welt an war, und alle Gnaden, die den Menschen von dem Augenblick an, als sie einen Erlöser notwendig hatten, gespendet wurden, ihnen in Bezug auf seine Verdienste erteilt worden sind; ebenso wurde die Kirche von der Zeit an Jesus Christus zugesellt, auf dass sie so viele Kinder wiedergebäre, als wieviele durch das Blut des Erlösers sollten geboren werden, welches in diesem Sinn (Offb.13,8) von Anbeginn der Welt zur Heiligung aller Auserwählten, die Gott der Vater seinem Sohn als Belohnung für seinen Tod gegeben, vergossen worden.
22) Und Gott der Herr baute aus der Rippe, die er von Adam genommen, ein Weib, und führte es zu Adam.
23) Da sprach Adam: Das ist nun Bein von meinen Beinen, und Fleisch von meinem Fleische! Man soll sie Männin heissen, weil sie vom Manne genommen ist.
24) Darum wird der Mensch seinen Vater und seine Mutter verlassen, und seinem Weibe anhangen, und werden zwei in Einem Fleische sein.
25) Es waren aber beide nackt, Adam nämlich und sein Weib, und schämten sich nicht.
Aus der am Kreuze eröffneten Seite Jesu Christi, und aus dem daraus geflossenen Blut und Wasser ging die Kirche hervor. Diese Vereinigung Adams mit der Eva war ebenfalls das Bild der mystischen Vermählung der Seele mit Jesus Christus. Auf dem Kalvarienberg der Schmerzen, und nicht auf dem Berg Tabor der Süssigkeiten ging sie vor sich. Und diese Vereinigung der Seele mit ihrem himmlischen Bräutigam wird so eng geschlossen, dass Jesus Christus darauf sagt: Dies ist Fleisch von meinem Fleische, und Bein von meinen Beinen; denn sie wird so ein und der gleiche Geist mit dem Wort, dass sie in sich nichts mehr als das Wort antrifft. Und wie sie vom Wort ausgegangen, so findet sie sich ohne Mittelding mit dem Wort wieder vereinigt, sehend, dass sie denjenigen als Bräutigam besitzt, den sie zum Vater hatte. Diese Vereinigung der Seele mit Jesus Christus wird so innig, dass, ob sie schon in den grössten Schmerzen und Leiden bewirkt wird, solche doch keineswegs benannte Vereinigung unterrechen, sondern sie im Gegenteil inniger und fester machen.
Es steht noch dabei, dass Gott dieses Weib dem Adam gab, woraus wir erkennen lernen, dass eine solche geistige Vereinigung niemals durch das Geschöpf bewirkt werde, indem sie einzig Gottes Werk ist, und nicht vom Willen des Menschen abhängt, der keinen andern Teil daran hat, als dieselbe anzunehmen, und in allem den göttlichen Anregungen getreu zu folgen.
Was hat nun wohl eine treue Seele zu tun, um allem, was der Bräutigam für sie getan hat, vollkommen zu entsprechen, und um die unaussprechlichen Freuden der Hochzeit des Lammes zu geniessen? Sie muss ihren Vater und ihre Mutter verlassen, ohne welches die geistliche Hochzeit mit ihr niemals zur Vollendung kommen kann. Wer mag wohl dieser Vater und diese Mutter sein, wenn nicht der alte Adam und die verdorbene Natur, die man unumgänglich notwendig verlassen soll? Zur Hochzeit des Lammes gelangt man alsdann, wenn man sich vermöge der Selbstverleugnung, die einen gänzlichen Tod bewirkt, verlässt; denn auf einem andern Wege kommt man niemals dahin. Diejenigen also, welche mit sich selbst noch ganz angefüllt sind, und zu dieser geistlichen und göttlichen Hochzeit angekommen zu sein glauben, betrügen sich unendlich. Dürfen wir wohl dafür halten, uns mit Jesus Christus zu vermählen, ohne uns selbst zu verlassen, da Er doch, um sich mit unserer Natur zu vereinigen, den Schoss seines Vaters verlassen musste? Niemals wird dies stattfinden.
Ferner heisst es noch, dass sie beide nackt waren, Adam nämlich und sein Weib, und schämten sich nicht; was sehr tiefsinnig die vollkommene Entblössung alles eigenen Willens, wie auch jeder eignen Absicht, und das Entwerden aller eigenen Anschauung und aller eigenen Güter bezeichnet, was der wahre Zustand einer sich gänzlich verlassenen Seele ist. In so grosser Selbstvergessenheit leben solche Seelen, dass sie sich ihrer geistlichen Blosse, d.h. ihrer äussersten Geistesarmut und tiefen Schmach, in welche sie sind versetzt worden, nicht schämen; weil sie diese wegen ihrer Versenkung und Verlierung in Gott weder sehen noch daran denken können, was Zustand der Umgestaltung heisst, der mit Recht ein wahrer Unschuldszustand kann genannt werden.
3. Kapitel.
4) Die Schlange aber sprach zum Weibe: Keineswegs werdet ihr sterben!
5) Denn Gott weiss, dass, an welchem Tage ihr davon esset, eure Augen werden aufgetan, und werdet sein wie Götter, erkennend Gutes und Böses.
6) Und das Weib sah, dass der Baum gut zu essen, und schön für die Augen, und dass es eine Lust sei, ihn anzuschauen; und nahm von seiner Frucht und ass, und gab ihrem Manne, der auch ass.
Die Eigenliebe, durch die Schlange vorgebildet, -will der Seele den Vorteil zeigen, den man so daraus ziehen würde, dass, wenn man auf einem andern Wege zu Gott ginge, als auf dem der blinden Überlassung seiner Führung ohne Rücksicht auf sich selbst, und sie sich dem Gehorsam gegen Gott und seiner gänzlichen Überlassung entzöge (in der sie sich vermöge der Verlierung ihres Willens in Gott in vollkommener Gelassenheit befinden), sie alle Dinge erkennten, aller ihrer Wege versichert wären, und nicht sterben würden. Der niedere Teil» durch das Weib vorgestellt, betrachtet die Frucht der Wissenschaft und der Erkenntnis, die ihm viel schöner als die unwissende Unschuld, worin er durch die Grösse seiner Gnade festgehalten wird, erscheint. Er reicht seinem Manne, als dem oberen Teil, davon dar; er nahm diese Frucht an, verkostet sie, und eben dadurch zog er seinen Willen vom Göttlichen hinweg, entreisst sich seiner Herrschaft, geht aus seiner blinden Überlassung heraus, und sündigt wahrhaft.
7) Da wurden beiden die Augen aufgetan, und als sie merk ten, dass sie nackt waren, flochten sie Feigenblätter, und machten sich Schürzen.
Die Sünde schloss beiden Teilen die Augen auf. Die erbärmlich Betrogenen schämten sich, und sahen sich nackt. Denn nachdem sie ihre Unschuld, welche ihnen als ein Kleid diente, verloren, und ohne eigentümliches Gut waren, indem ja alles, was gut ist, Gott allein angehört, so blieb ihnen nichts als eine schändliche Blösse übrig, welche sie zu bedecken trachteten, denn sie wurde ihnen selbst unerträglich, und sie fürchteten sich vor Gottes Angesicht zu erscheinen.
8) Und da sie die Stimme Gottes des Herrn hörten, der bei der Kühle nach Mittag im Garten wandelte, verbarg sich Adam und sein Weib vor dem Angesicht Gottes des Herrn unter den Bäumen des Paradieses.
9) Und Gott der Herr rief Adam, und sprach zu ihm: Wo bist du?
Hierin begingen sie zwei grosse Fehler. Erstens, dass sie sich nach ihrem Fall noch mehr von Gott entfernten, vor ihnen sich selbst schämend; zweitens, dass sie zur Arglist ihre Zuflucht nahmen, sich nämlich zu bedecken, und glaubten mit eigner Sorge und Mühe ihre Nacktheit zu verbergen, welche Sorge nichts ist als schwache Tugendwerke, die den Blättern ähnlich sind. Wer sich nach dem Sündenfall von Gott entfernt, verlässt den Weg der Gelassenheit, nimmt sich wieder zurück und folgt der menschlichen Führung. Gott aber, unendlich an Güte, sucht solche Gefallene wieder auf, ruft sie von den Irrwegen zurück, und fragt sie, wo sie sind, und was aus ihnen geworden sei.
10) Er antwortete: Ich habe deine Stimme im Paradies gehört, und mich gefürchtet, weil ich nackt bin, und habe mich verborgen.
Er fürchtet sich vor Gott zu erscheinen, weil er nackt ist. Was die falsche Demut derjenigen bezeichnet, die nach begangener Sünde sich der Gelassenheit unter folgendem Vorwande entziehen, dass sie nicht würdig seien darin zu verbleiben, noch so vertraulich mit Gott umzugehen.
11) Der Herr erwiderte ihm: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist, als weil du von dem Baume gegessen, wovon ich dir geboten, nicht zu essen?
Ganz bewunderungswürdig ist es, wie Gott diese zwei Teile unterweist, ihnen zeigend, dass diese schändliche Blosse nur von ihrem Ungehorsam, wie auch von ihrem Erforschen der Führung Gottes, deren Erkenntnis Gott allein vorbehalten ist, herrühre. Deswegen versprach ihnen die Schlange, dass, wenn sie diese Erkenntnis besässen, sie Gott ähnlich sein würden. Gottes Leitung und das Geheimnis seiner Absichten mit uns erkennen wollen, heisst seinen Rechten vorgreifen und Ihm eine Unbill antun; hingegen sich Ihm blindlings überlassen, bezeugt ganz zuverlässig unsere Liebe gegen Ihn, so wie die wahrhafte Anbetung, wodurch wir Ihm das erweisen, was wir Ihm schuldig sind.
17) Gott sprach zu Adam: Weil du Gehör gegeben der Stimme deines Weibes, und von dem Baume gegessen, von dem ich dir geboten: Esse nicht davon; so sei die Erde verflucht in deinem Werk; mit vieler Arbeit sollst du essen von ihr alle Tage deines Lebens.
18) Dörner und Disteln soll sie dir tragen, und sollst das Kraut der Erde essen.
Auf solche Weise wurde der obere Teil bestraft, weil er sich vom niederen Teil und der Eigenliebe verführen liess. Deswegen fiel auf diese Übertreter das Verdammungsurteil, dass sie mit grosser Anstrengung arbeiten, und doch nur wenige Früchte daraus ziehen sollen, indem die Erde ihrem Werke verflucht ist, d.h. dass dieses schöne, innere Feld, von Gottes Hand selbst angebaut und unendlich fruchtbar gemacht, beinahe nichts mehr als Dörner hervorbringt, seitdem es in Adams Hände gefallen.
19) Im Schweisse deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du zur Erde wieder kehrest, von der du genommen bist. Denn du bist Staub, und sollst zum Staub wiederkehren.
Gott verurteilt die beiden Teile, d.h. diese zwei Seelen zu vieler Arbeit und Mühe, bis dass sie durch eine vollkommene Vernichtung, welche der Tod, die Fäulnis und der Staub bewirkt, gleichsam wieder in jenes Nichts zurückkehren, in welchem sie sich befanden, als sie Gott erschaffen. Wenn dies geschehen, wird Er aus ihnen neue Geschöpfe bilden.
22) Gott sprach: Siehe, Adam ist wie unsereiner geworden, erkennend das Gute und Böse. Nun aber geben wir wohl acht, dass er nicht etwa seine Hand ausstrecke, und nehme auch vom Baume des Lebens, und esse und lebe ewiglich.
Diese Stelle zeigt ganz auffallend an, wie die Erkenntnis des Guten und Bösen, nämlich die Werke Gottes in uns, das eigne Leben der Seele erhält, und ihren inneren Tod verhindert. Daher verjagt Gott den Adam aus dem Orte der Wonne, damit er seine Hand nicht etwa ausstrecke gegen diesen Lebensbaum, und ihm ferner gar keine Erkenntnis mehr übrigbleibe, die sein Leben unterhalten und seinen Tod verhindern könnte. Denn das Errettungsmittel gegen sein Übel kann nur in seinem Tod aufgefunden werden, durch den er sein eignes und verdorbenes Leben verliert, und wieder in das göttliche Leben, das ihm die ursprüngliche Gerechtigkeit mitteilte, eingeht. Würde er sich selbst nicht absterben, so könnte er in Gott nicht wieder lebendig werden. Unruhe und Verwirrung nach einer begangenen Sünde ist nur Folge einer unechten Demut, und endigt sich öfters in Verzweiflung. Das sich Quälen und Bekümmern nach einem verübten Fehler zeigt viel Hochmut und grosse Eigenliebe an; so wie es im Gegenteil ein richtiges Merkmal wahrer Demut ist, wenn man ruhig und gelassen, auch bei einem bedeutenden Fehler, in seiner Schmach verbleibt; sich geradezu Gott überlässt, auf dass Er uns vermöge seiner Barmherzigkeit aufrichte, und sich durch grossmütige Selbstaufopferung allem demjenigen unterwirft, was Gott wegen unsern Fehlern über uns verhängen will.
4. Kapitel.
3) Kain sprach zu dem Herrn: Meine Missetat ist grösser, als dass ich Verzeihung verdiente!
14) Siehe, du treibst mich heute aus dem Lande, und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen, und unstet und flüchtig werde ich auf Erden sein, und wer mich findet, wird mich töten.
Was ist fliehen vor Gott anders, als sich nach Abwendung von der höchsten Wahrheit, die Gott allein ist, und nach Losreissung von Ihm, aus der Übergabe herausziehen, wie ein Flüchtling auf allen menschlichen Wegen herumschwärmen, und sich auf Erden auf den Fuss-Steigen der Eitelkeit verirren? Wer sich also immer so von seinem allmächtigen Beschützer losreisst, ist jederzeit der Wut seiner Feinde preisgegeben.
6. Kapitel.
2) Als die Kinder Gottes sahen, wie schön die Töchter der Menschen waren, nahmen sie diejenigen aus ihnen zu Weibern, welche ihnen gefielen.
3) Und Gott sprach: Mein Geist soll nicht ewiglich im Menschen bleiben, denn er ist Fleisch, und sollen seine Tage hundertundzwanzig Jahre sein.
Die Kinder Gottes sind Erzeugnisse seiner Gnade unter den Seelen, Erzeugnisse, die ganz rein in seinen Händen sind; sobald sie aber in Menschengewalt kommen, verlieren sie durch das sich Einmischen des Geschöpfs ihre Lauterkeit, welches vermessentlich die Erzeugnisse der Natur mit den Gnadenerzeugnissen verbinden möchte; und um leichter zu seinem Zwecke zu gelangen, dasjenige, was ihm am besten gefällt, bei der Natur aufsucht, und eben dies Geschöpf das, was ihm am besten gefällt, der Gnade beimisst. So lässt es der Natur zukommen, was der Gnade eigentlich angehört, und so umgekehrt der Gnade, was nur der Natur zugeschrieben werden soll. Gott aber, erzürnt über den Missbrauch seiner Gnaden, zieht sie zurück, uns versichernd, dass sein Geist nicht ewig im Menschen bleiben soll, denn er ist Fleisch und irdisch gesinnt. Deswegen entzieht Gott der Kreatur alles, was Sein ist; und nachdem ihr nichts als die Wirkungen der Natur übrigbleiben, erkennt sie ihren verwerflichen Zustand, daher sie anfängt sich sehr zu hassen; so zwar, dass sie beinahe an der Wiedererlangung des Heiligen Geistes verzweifeln würde, erhielte sie nicht ein Versicherendes Licht oder eine höhere Erleuchtung, dass wir aus uns ausgehen können, um wieder in Gott zurückzukehren. Daraus ist zu entnehmen, dass eine Zeit für den Menschen gesetzt sei, eine von Gott abgekürzte Zeit, in welcher der Mensch sich selbst überlassen, ja in der der Mensch Mensch ist, wie folgende Worte es trefflich ausdrücken: Seine Tage sollen inskünftig nicht mehr als hundertundzwanzig Jahre sein; oder mit andern Worten: Ich setze Grenzen dem Menschenverderbnis. Diese Verheissung spornt diejenigen, welche ihrem Herrn und Gott getreu sein wollen, dahin an, sich selbst sobald als möglich, durch ununterbrochene Verleugnung, zu verlassen; was im sündigen Menschen die Hoffnung erweckt, trostvoll erwarten zu dürfen, einstens nach vollkommener Selbstverleugnung sich selbst oder die Ichheit verlassen zu können.
4) Es waren aber in jenen Tagen Riesen auf Erden; denn nachdem die Kinder Gottes zu den Töchtern der Menschen gingen, und diese Kinder gebaren, wurden dies Mächtige auf der Welt, und berühmte Männer.
Diese Riesen und Ungeheuer von Hochmut nehmen ihr Dasein aus der Verbindung des Menschlichen mit dem Göttlichen. Alle grossen und berühmten Menschen in den verflossenen Jahrhunderten waren diejenigen, welche die fleischlich gesinnte oder irdische Klugheit im Triumph einhertreten liess, überkleistert mit etwas geistlichem oder mystischem Schein. 0 welch entsetzliche Entstellung ist dies! Menschen wird man sehen, die durch Selbstachtung wegen gewissen natürlichen Gaben, mit einigen geistreichen Grundsätzen und Maximen geschmückt, sich wie Riesen brüsten und hervortun, welche dennoch ganz irdisch gesinnt sind, und an ihrer eignen Führung sehr grosses Wohlgefallen haben. Das sind gerade solche Wesen, die bei der Welt als ausserordentlich erscheinen, und alle Hochachtung und rauschenden Beifall ernten. Die andern Seelen hingegen, welche sich durch anhaltende und allgemeine Selbstverleugnung vernichtet haben, bleiben verborgen, ja sie werden sogar von andern Menschen nicht unterschieden. Wie könnte man sie wohl unter diesen Riesen wahrnehmen, da sie so klein sind, dass man sie neben diesen kaum als Ameisen betrachtet, die von diesen Ungeheuern mit tiefer Verachtung als unnütze Wesen auf Erden mit Füssen zertreten werden? Allein du, o Gott! widerstehst den Hoffärtigen, und verleihst den Demütigen deine Gnade. (Jak.4,10). Überfliessend giessest du aus deine Gnaden in diese kleinen Täler, welche wohl verstehen dieselben aufzunehmen, da indes jene stolzen prachtvollen Berge nicht einen einzigen Gnadentropfen empfangen können, ohne dass er wieder auf die Kleinen im Tale herunterfliesst, sich derselben umso unwürdiger schätzen, je mehr sie mit ihnen überströmt werden.
5) Da aber Gott sah, dass der Menschen Bosheit gross war auf Erden, und alles Dichten ihres Herzens immerdar zum Bösen gerichtet,
6) Reute es ihn, dass er den Menschen gemacht auf Erden, und es schmerzte ihn bis in den Herzensgrund.
7) Und sprach: Ich will den Menschen, den ich geschaffen, von der Erde vertilgen, vom Menschen bis zum Vieh, vom Gewürm bis zu den Vögeln des Himmels, denn es reut mich, dass ich sie gemacht.
Wunderschön ist die Sprache der Schrift. Kann Gott wohl etwas gereuen, oder ist Gott wohl eines Schmerzes fähig? Diese Redensarten tönen deswegen so grell, um die Grösse der Verachtung anzuzeigen, die Gott hat, wenn man seine Gnaden missbraucht, und das Sinnliche oder Fleisch mit dem Geist vermengt. Die grösste Sehnsucht hat Gott, den Menschen seine Gnaden mitzuteilen. Reichlich sind seine Hände immer angefüllt, um den Menschen aus dieser Fülle überfliessend zu versehen. Seine Hände sind, wie die Braut im Hohelied (5,14) spricht, wie aus Gold gedreht und voll Hyazinthen. Damit will sie sagen, dass das Übermass seiner Liebe Ihn antreibt, seine Gnaden mit so grosser Verschwendung auszuteilen, dass Er sie nicht zurückzubehalten vermag. Allein wie gross die Freigebigkeit Gottes gegen die Menschen ist, ebenso gross ist auch die Schmach gegen Ihn, wenn wir seine Gnaden missbrauchen, welche Schmach seinen Herzensgrund rührt. Und warum dies? Weil er alle Menschen im Innersten seines Herzens trägt (Jes. 46,3), wie Er es selbst sagt. Deswegen beleidigt Ihn der Menschen Undankbarkeit und der Missbrauch seiner Gnaden am meisten. Wie handelt also Gott dagegen? Er entreisst dem Menschen alles, was Er ihm gegeben, und mit dem nämlichen Arm, womit Er ihn begnadigte, ergreift Er das Schwert der Rache, um selbst im Menschen alles dasjenige zu zerstören, was Er in ihm gewirkt hatte. 0 undankbarer Mensch! dein Stolz und deine Eigenheit macht aus Gott, dem Erschaffer, einen rächenden Gott, und verbindet ihn, alle (die grössten wie die kleinsten) Dinge in dir zu vernichten, dass nichts davon übrigbleibt.
8) Noah aber fand Gnade vor dem Herrn.
9) Noah war ein gerechter und vollkommener Mann in seinem Geschlecht, er wandelte mit Gott.
In einer ganzen Welt voll Menschen ist nur ein Einziger anzutreffen, der einfältig und klein war, und vor Gott Gnade gefunden. Warum aber hat er vor Gott Gnade gefunden? Mit wenigen Worten beantwortet die Schrift die gemachte Frage: weil er gerecht war, und eben diese Gerechtigkeit verhinderte ihn, Gott etwas zu entwenden, was Ihm angehörte, und bewahrte ihn, sich der Laster und Verbrechen anderer Menschen schuldig zu machen, die deswegen lasterhaft waren, eil sie ungerecht handelten. Denn sie eigneten sich zu, was Gottes war um aus diesem Raub mit der Natur und dem Verderbnis eine erbärmliche Vermischung zu machen.
Von Noah steht noch geschrieben, dass er unter allen Menschen seines Jahrhunderts der Vollkommenste war. Woher mag er wohl diese Vollkommenheit erhalten haben? Vom Wandeln mit Gott, indem er sich Ihm gänzlich überliess. Er folgte seiner Führung, und blieb fest auf Gottes Wegen, wie auch mit seiner Gegenwart angefüllt, brachte er seine Tage zu. Aus diesem Benehmen ging hervor Noahs Vollkommenheit, und aus einem solchen sollte diejenige aller Christen entspriessen, wenn sie auf gleiche Weise wandeln würden. Der Gegensatz aber von diesem, als Gottes Vergessenheit, und die Leidenschaft nach eigner Willkür zu handeln, verursacht alles Unheil, so wie auch den Verlust aller Menschen.
13) Gott sprach zu Noah: Alle Menschen will ich vor mir vertilgen, die Erde ist erfüllt von Ungerechtigkeit von ihnen, und ich will sie mit der Erde verderben.
Gleichwie der Mensch auf Erden sündigt, d.h. den erhaltenen irdischen Leib missbraucht, und ihm dem Dienst der Sünde unterwirft anstatt dem Geist, so straft Gott den Menschen samt der Erde, indem Er sich seines Leibes zur Strafe bedient, die Sünde durch die Sünde selbst züchtigend, was alsdann erfolgt, wenn Gott den Menschen durch ein gerechtes Strafurteil ihm selbst und seinen Leidenschaften überlässt, gemäss dem königlichen Propheten, welcher sagt: Ich habe sie den Begierlichkeiten ihrer Herzen preisgegeben, und sie gingen irre nach ihren eigenen Gedanken (Ps.80,13).
22) Also tat Noah alles, was ihm Gott befohlen hatte.
Bevor man in die Arche des Himmels, in Gott selbst, aufgenommen wird, muss man alle Gebote Gottes erfüllt, und in allem seinen Willen beobachtet haben, und zwar nicht nur in Hinsicht der äusseren Werke, sondern auch der inneren Reinigkeit, die man nicht erlangen kann, ausser vermöge der Beobachtung des Gesetzes des Geistes und des Lebens.
7. Kapitel.
1) Der Herr sprach zu Noah: Gehe in die Arche, du und dein ganzes Haus, denn dich habe ich gerecht gesehen vor mir unter allen denen, welche heutzutage auf der Erde leben.
Auf dem ganzen Erdboden fand sich nur ein einziger gerechter Mensch vor, der als würdig befunden worden ist, in die Arche, d.h. in Gott selbst einzugehen. Indes meinen so viele Leute unter uns, dass sie in Gott seien. Gerecht muss man sein, um in Ihn einzugehen, was nichts anderes sagen will, als man muss Gott nichts geraubt, oder ihm alle entwendeten Sachen wieder zurückerstattet haben, da man Gott in Gott lässt, wie auch alles, was Ihm gebührt, auf dass wir in unserer Nichtigkeit verbleiben. Eine solche Gerechtigkeit wird erfordert, um vermöge einer sehr innigen Vereinigung, in Gott aufgenommen zu werden.
12) Und es kam ein Regen über die Erde her, vierzig Tage und vierzig Nächte.
20) Fünfzehn Ellen war das Wasser höher als die Berge, die es bedeckte.
21) Da wurde vertilgt alles Fleisch, das sich auf Erden regte, die Vögel, die Tiere, das Vieh und alles Gewürm, das auf der Erde kriecht, und alle Menschen.
22) Und alles starb, was in dem Odem des Lebens war auf Erden.
23) Nur Noah blieb übrig, und was mit ihm in der Arche war.
Dies ist ein schönes Bild von dem, was im inneren Leben vor sich geht, worin alles Menschliche und Natürliche, was es nur immer sein mag, in den Wassern der Bitterkeit und Schmerzen versenkt und ersäuft werden muss, auf dass Noah, als Vorbild des Seelengrundes, allein errettet werde, und in Gott selbst übergehe. Diese Wasser aber müssen über die höchsten Berge, d.h. über die Seelenkräfte sich erheben, und so versenkt werden, wenn dieser Zustand auch voll Bekümmernis und Schmerzen ist, so mag sich derjenige, der ihn durchgeht, mit dem trösten, dass die Sünde mit der Sünde ersäuft werde, und nur der Gerechte übrigbleibe, welcher kein anderer ist, als der auf ausgezeichnete Weise vermöge seiner Verlierung und Vernichtung gerechtfertigte Mensch.
Die Wasserflut bezeichnet nebstdem die Leidenschaft und das Getümmel der Welt. Alle sind darin untergegangen mit Ausnahme derjenigen, welche sich in Gott, als in der Arche, in der sie wohl gesichert leben, befinden. Solche Menschen sind aber selten, doch findet man noch deren männlichen und weiblichen Geschlechts, in jedem Alter, in jedem Stand und Beruf.
Dass die Arche auch die Kirche vorbildet, ist jedermann bekannt.
8. Kapitel.
1) Aber Gott gedachte Noahs und aller Tiere, und alles Viehs, das mit ihm in der Arche war, und liess einen Wind über die Erde wehen, und das Wasser nahm ab.
2) Und es schlössen sich die Brunnen in der Tiefe und die Schleusen des Himmels, und dem Regen vom Himmel ward gewehrt.
3) Und das Wasser verlief sich auf der Erde hin und her, und fing an abzunehmen nach hundertundfünfzig Tagen.
4) Und im siebten Monat am siebenundzwanzigsten des Monats ruhte die Arche auf den Bergen Armeniens.
Gott gedachte des Grundes und des Mittelpunktes der Seele, welchen Er wie verborgen in einer so grossen Überschwemmung allein in Verwahrung genommen hatte. Warum aber geschieht hier nur Meldung von Noah und den Tieren, und gar keine von seiner Familie? Weil diese ganze Familie in Noah eingeschlossen war, und alles seine Errettung in ihm fand. Ebenso werden alle edlen Erzeugnisse der Seele vermittelst ihres Mittelpunkts errettet. So wie Gott das Innerste der Seele in sich aufnimmt, so verbirgt Er ebenfalls alle ihre Wirkungen und ihre Fähigkeiten in sich, welche wie ganz entkräftet und verschlungen scheinen, so dass sie alle ihrer Verrichtungen verlustig geworden, was aber Gott nur deswegen getan, um sie zu erretten, und zwar zugunsten der Seele. Deswegen ist hier von keinem Unterschied die Rede.
Gott erinnert sich auch aller Tiere, d.h. an alles, was zum niederen Teil gehört, um ihn aus jeder Unterdrückung, und aus dem Schiffbruch herauszuziehen.
Alsdann, wenn sich dieses zugetragen, wird dem Austreten der Wasser Einhalt getan, was freilich keine Überschwemmung der Gnadenwasser, sondern das Ausbrechen der Wasser des Zorns und der Ungnade, wie auch der Ströme der Rache bezeichnet. Aber, o Güte meines Gottes! du willst ja nur den Missetäter vertilgen, und die Sünde in ihrer Quelle und in allen ihren Verzweigungen auslöschen. Du ersäufst dieselbe auf solche Weise nur deswegen, um den Gerechten in der wahren Gerechtigkeit zu erhalten, welche Gerechtigkeit der schöne Anteil an der Gottheit ist, ein Anteil, welcher in die Seele, die durch die verdorbene Natur und durch die sie überall umgebende Sünde beinahe ganz entstellt worden, verbreitet wurde. Die Sündflut ist zu keinem andern Ende ausgebrochen, als das Böse in der verdorbenen Natur zu ersäufen. Was sich aber in ihr Gutes vorfindet, das erhält Gott, so wie alles dasjenige, was unmittelbar von Ihm herkommt, wie das die in der Arche erhaltenen Tiere andeuten.
Wie und mit welchen Mitteln hält Gott aber diese Sündflut auf? Er sendet einen lebendigen und belebenden Atem seines Geistes, der die Wasser der Bosheit austrocknet, und allen Dingen das Leben wieder erstattet, laut dieser schönen Schriftstelle: Du sendest aus deinen Geist, o Herr! und sie werden aufs neue geschaffen, und das Angesicht der Erde erneuerst du (Ps.103,30).
Wenn dieser Wind des Heils auf die Seele hinweht, so bewegt er sie anfänglich auf solche Weise, dass sie nicht unterscheiden kann, ob es zu ihrem Heil oder Verderben gereiche. Voll Verwunderung aber sieht sie auf einmal die Arche ruhen auf den armenischen Bergen, d.h. Friede und Stille auf der Spitze zum Vorschein kommen, auf welcher sich Gott, vermöge eines kleinen Strahls seiner Majestät, offenbart, wodurch in ihr wieder einige Hoffnung aufblüht, dass ihr Verlust zu einer neuen Wiederauflebung dienen werde.
6) Und als vierzig Tage um waren, öffnete Noah das Fenster, das er gemacht hatte, und Hess einen Raben fliegen.
7) Der flog aus, und kam nicht wieder, bis das Wasser vertrocknete auf Erden.
Der Rabe bezeichnet eine Seele voll von Eigenheit und Eigenwille, der sich bei allem, was ihm begegnet, aufhält. Er glaubt darin Ruhe zu finden, allein es ist eine trügerische Ruhe, denn er findet hier sogleich die Unbeständigkeit.
8) Nach dem Raben sandte er auch eine Taube aus, um zu sehen, ob das Wasser nun weg wäre vom Angesicht der Erde.
9) Als aber diese nicht fand, wo ihr Fuss ruhen konnte, kehrte sie zu ihm in die Arche zurück, denn das Wasser war noch auf der ganzen Erde; und er streckte die Hand aus, ergriff sie und brachte sie in die Arche.
Die Taube aber stellt eine gelassene, eine schon in Gott vertiefte und umgestaltete Seele vor, welche von Gott ausgeht, um draussen zu wirken, wenn Er es so begehrt. Ich möchte sagen, dass sie ihrer tiefen Ruhe hervorgeht, wenn der hier Gott vorstellende Noah sie zum Heil des Nächsten auswärts sendet. Da indes auf Erden für sie gar nichts anzutreffen ist, so findet sie keine Stätte, wo ihr Fuss ruhen, d.h. worauf sie sich stützen könnte. Deswegen, ohne sich irgendwo aufzuhalten, kehrt sie wieder in ihre tiefe Ruhe zurück, in welcher der göttliche Noah ihr die Hand reicht, und sie in sich aufnimmt. Unter diesem Bild wird der Zustand der Vernichtung verstanden, wo die Seele auf Erden gar nichts mehr für sich findet.
10) Und als er noch sieben Tage gewartet hatte, entliess er wieder eine Taube aus der Arche.
Sieben Tage hernach, welche so viele Jahre der vollkommenen Vernichtung bezeichnen, wird die Seele aus der Arche herausgelassen. Alsdann findet sie überall ihre Ruhe, wie in der Arche selbst, weil die ganze Welt für sie Gott geworden ist. Auf diese Weise begibt sie sich an alle Orte, ohne sich irgendwo aufzuhalten, und hierin besteht das apostolische Leben.
11) Gegen den Abend kam sie wieder zu ihm, und trug einen Oelzweig mit grünen Blättern in ihrem Mund. Da er kannte Noah, dass die Wasser von der Erde gewichen waren.
Überall bringt sie das Friedenszeichen hin, ohne im geringsten etwas für sich zu behalten. Sie überbringt es dem göttlichen Noah. Diese Seele behält im apostolischen Leben von dem nichts für sich, was sie wegen und für Gott tut. Mit bewunderungswürdiger Treue trägt sie Ihm den Oelzweig zu. Darnach kann sie, und alle ihresgleichen, welche noch in der Arche eingeschlossen und in der Enge waren, voll Sicherheit hinausgehen, ohne irgendetwas weiteres zu bedürfen, um sich gegen die Sündflut zu verwahren. Nimmermehr sind sie eingeschränkt, noch durch etwas Erschaffenes unterstützt, obgleich für sie alles ohne Versicherung Seligkeit wird. An diesem erkennt man, dass die Wasser gewichen sind und die Seele in Zukunft auf Erden nichts mehr zu befürchten habe, ausgenommen im Falle eines verderbnisvollen Rückblicks auf sich selbst, wodurch Treulosigkeit stromweise eindringen würde, was aber auf dieser Stufe schwerlich der
Fall ist.
15) Und Gott redete zu Noah und sprach:
16) Gehe aus der Arche, du und dein Weib, deine Söhne und die Weiber deiner Söhne mit dir.
Dieses bezeichnet die Sorge Gottes für die Seelen, die sich Ihm ganz übergeben haben und an nichts anderes denken, als still und ruhig in der Arche der vollkommenen Gelassenheit zu leben. Zu rechter Zeit erinnert Er sie an jede Sache. Deswegen scheint auch Noahs Sorgfalt, eine Taube ausfliegen zu lassen, nicht nur unnütz, sondern eine Beleidigung gegen Gottes Vorsehung, läge nicht ein grosses Geheimnis hierin verborgen. Daraus sollt ihr, in der Arche nach Gottes Verordnung wohnenden, oder in tiefsinniger Ruhe lebenden Seelen lernen, dass man aus derselben nicht herausgehen soll, um auf apostolische Weise zu wirken, es sei denn, dass euch Gott selbst dazu den Auftrag oder die Sendung gegeben habe, was eben benannte Vorsehung euch jeden Augenblick zu erkennen geben wird.
20) Noah aber baute dem Herrn einen Altar, und nahm von allen reinen Tieren und Vögeln, und opferte Brandopfer auf dem Altar.
21) Und der Herr roch den lieblichen Geruch und sprach: Nimmermehr will ich die Erde verfluchen um der Menschen willen.
Erst alsdann riechen die Opfer der Seele vortrefflich vor Gott; nichts Unreines, nichts Beflecktes findet sich an ihnen. Solange die Seele in der Arche, in der göttlichen Ruhe, welche dem apostolischen Lebenszustand vorausgeht, sich befindet, bringt sie keine Opfer dar, indem bei ihr alle Selbsttätigkeit aufgehört. Sobald sie aber in völlige Freiheit versetzt wird, bringt sie Opfer dar, deren Geruch Gott sehr angenehm ist, was bis dahin nicht der Fall war. Denn vor dieser Zeit heisst es nirgends, dass die Opfer wohlriechend vor Gott hinaufgestiegen. Nun ist aber der Geruch dieses Opfers Gott so sehr angenehm, dass Er wegen dessen Reinheit und Einfachheit gleichsam zum Schwören gezwungen wird: Nimmermehr will ich die Erde verfluchen. Die geringen Fehler dieser Seele aber, spricht Gott, werden mir nicht mehr unangenehm sein, weil sie unschuldig ist, und sich nichts Arges mehr in ihr befindet. Es bleibt ihr nichts mehr übrig, als ihre ursprüngliche Schwachheit. Dieses Lebens will ich sie nicht mehr berauben, weil es nicht wie das erste verdorben ist, und in mir seinen Bestand hat.
9. Kapitel.
1) Gott segnete Noah und seine Söhne, und sprach zu ihnen: Wachset und mehret euch, und erfüllet die Erde.
Alsdann ereignet es sich, dass man auf Erden, vermöge der Seelen, welche man für Jesus Christus, wie auch für die Gerechtigkeit und das innere Leben gewinnt, sich vermehrt.
2) Furcht und Schrecken vor euch sei über alle Tiere der Erde, und über alle Vögel des Himmels, samt allem, was sich regt auf Erden; alle Fische des Meeres, in eure Hand sind sie gegeben.
3) Und alles, was sich regt und lebt, sei euch zur Speise.
Nach den Trübsalen der Sündflut wird der Mensch wieder in den Stand der Unschuld versetzt, wovon er alle Vorteile geniesst. Dies zeigt die Macht an, welche er über alle Tiere erhält, und so auch die Freiheit von allem zu essen.
4) Nur Fleisch mit seinem Blut sollt ihr nicht essen.
Dennoch stellt Gott ein neues Gebot auf, nicht mehr ein Gebot weder von der Frucht der Wissenschaft, noch irgend von Fleisch etwas zu essen, sondern dieses, weder Fleisch mit Blut, noch Blut allein zu essen. Diese Trennung des Fleisches vom Blute deutet sehr wohl die Scheidung des Geistes vom sinnlichen Teile an, die auf keine Weise mehr sollen vereinigt werden, ausser sie seien durch die Reinigung in ihre ursprüngliche Ordnung zurückgekehrt.
9) Ich will mit euch meinen Bund errichten, und mit eurem Samen nach euch.
Gott schliesst nachher mit dem Menschen durch die innigste Vereinigung einen Bund, ihn in sich umgestaltend, was eigentlich die geistliche Vermählung, die nimmer kann aufgehoben werden, in sich begreift.
Deswegen stellt Gott ein zuverlässiges Merkmal und Zeichen dieses Bundes auf, welches Er am Himmel sichtbar zeigt; d.h. Er versetzt diese Seele in solche Unbeweglichkeit, und erhebt sie über alle Dinge dass sie keine Sündflut mehr befürchten darf, weil ihre Umgestaltung sie ebenso unbeweglich macht, wie der Himmel unveränderlich ist, und sie vor allen Anfällen beschützt.
12) Gott sprach: Siehe das Zeichen des Bundes, den ich zwischen mir und euch errichte, und für jede lebende Seele, die bei euch ist, auf ewige Geschlechter.
Dies ist die Unbeweglichkeit und der festgesetzte, immerbleibende Zustand einer Seele, die sich in der Vereinigung und Umformung befindet.
13) Meinen Bogen will ich in die Wolken setzen, und er soll ein Zeichen des Bundes sein zwischen mir und der Erde.
14) Und wenn ich den Himmel mit Wolken umziehen wer de, soll mein Bogen in den Wolken erscheinen.
Und wenn die Seele mit Wolken von äussern Trübsalen wird überzogen sein, so wird dies Zeichen der im Grunde bestehenden Unbeweglichkeit, nicht achtend der Wolken, doch zum Vorschein kommen; ja diese Wolken selbst werden dasselbe sehr bemerkbar machen, so wie der Regenbogen nur am Gewölk sichtbar wird. Dies unfehlbare Merkmal zeigt den Zustand der Umgestaltung an. Denn alle diejenigen, welche noch nicht bis dahin angelangt sind, leiden von Zeit zu Zeit Abwechslungen, und ihre Unbeweglichkeit ist noch nicht auf immer beständig und dauerhaft.
20) Noah, ein Ackersmann, fing an die Erde zu bauen, und pflanzte einen Weinberg.
Noah ist das Vorbild unseres Herrn Jesu Christi, welcher von neuem kommt unsere Erde zu bauen, welche durch die Sünde öde, und durch die Wasser der Sündflut überschwemmt worden ist. Diese vorher unfruchtbare Erde macht Er fruchtbar, d.h. Er gibt dem Äussern Leichtigkeit allerlei gute Werke auszuüben. Allein wie baut Er die Erde an, und was pflanzt Er daselbst? Den Weinberg pflanzt Er, welcher das Vorbild der reinen Liebe ist. Wenn Jesus Christus in die Seele kommt, welche durch den Verlust aller Dinge in Gott angelangt ist, und in welche Er sich auf geheimnisvolle Weise einfleischt, so pflanzt Er daselbst den Weinberg. Das ist nach dem Sinn der Braut, welche spricht: Sein Panier über mir ist die Liebe (Hohel.2,4). Wie nun das Eigentümliche der Traube darin besteht, dass sie sich ganz hingibt und nichts für sich behaltet, so leert eben auf gleiche Art die vollkommene Liebe den damit angefüllten Menschen aus, und lässt ihn nichts besitzen ohne es auszuteilen.
21) Und da er Wein trank, wurde er trunken, und lag entblösst in seiner Hütte.
Da Jesus Christus nur deswegen in die Seele eingeht, um sie seiner Zustände teilhaftig zu machen, so ist Er auch dafür besorgt, dass sie dieselbe in vollkommenster Ordnung durchgehe. Jesus Christus trank vom Wein, Er trank aus dem Kelche, und wurde davon trunken. Dies wird auf zweifache Weise verstanden: Erstens von der Schmach, die Er erlitten, wie der Prophet sagt, dass er davon ganz gesättigt wurde (Klagel.3,30). Zweitens von dem Wein des Grimmes Gottes, der sich wegen den Sünden der Menschen über Jesus Christus ergossen hatte. Es war jener so schreckliche Kelch, um dessen Wegnahme Er seinen Vater bat (Matth.26,39). 0 dass doch dieser Kelch vorübergehe! schrie Er, aber doch nur dein Wille geschehe!
Seine Leiden sah Er auf zweifache Art an, oder vielmehr, Er unterschied im Kelch zwei Getränke. Das eine war der Trank des Leidens und der Schmach, und von diesem begehrte Er gesättigt zu werden, wie Er es in seinen Jüngern bezeugte, dass Er ein grosses Verlangen habe, mit ihnen vor seinem Leiden die Ostern zu halten (Luk.22,15). In dieser Ostern trank Er den ersten Kelch, von dem Er so trunken wurde, dass Er von nun an an nichts mehr dachte, als seinen Leiden und seinen Schmerzen entgegenzugehen. Der andere Kelch war der im Garten, welcher Gottes Grimm und Zorn über die Menschen in sich fasste. 0 wie schrecklich war dieser! Nachdem Er ihn getrunken, verwandelte sich der Wein in Blut. Er schwitzte aus seinem ganzen Leibe Blut, als wenn Er dazu spräche: "0 ewiger Vater, gerechter Gott, du Rächer einer Missetat, die noch grössere Strafe, noch einen grösseren Zorn verdiente, als du dawider zeigest. Deinen ganzen Grimm und Unwillen will ich hineintrinken, ihn verwandeln in mein Blut, auf dass mein Blut deinen Zorn zum Nutzen der Menschen besänftige und stille! Lass doch den ersten Kelch, den Kelch meiner Leiden zu meinen Auserwählten und Geliebten übergehen, denn von diesem nur habe ich zu ihnen gesagt: Trinket alle daraus (Matth.26,27), und werdet trunken davon, meine Freunde! (Hohel.5,1). Aber in Hinsicht des Kelchs deines Zorns, der höre bei mir auf, oder vielmehr, er gehe weiter, er vertilge überall die Sünde, doch schone er des Sünders!"
Kommt Jesus Christus wirklich in eine wahrhaft vernichtete, ihr selbst abgestorbene und in Ihm lebende Seele, so vollendet Er in ihr, was noch an seinem Leiden mangelt (Kol.1,14), d.h. Er dehnt über sie das gleiche Leiden aus, und gewöhnlich berauscht Er solche Seelen mit dem ersten Kelche. Den andern aber spart Er für die Auserkorenen auf, und lässt sie daraus in zwei verschiedenen Zeiten trinken. Zuerst, wenn Er in ihnen alle Eigenheit vernichtet. Da erfährt eine solche Seele in sich nichts als Gottes Zorn, wie auch seine Ungnade und seinen Grimm. In der zweiten Zeit dann wird diese Seele ein anderer Jesus Christus. 0 alsdann trinkt sie aus diesem Kelch des Zorns für andere Sünder, wie Jesus Christus, und zwar mit einem sehr grossen Entsetzen, weil ihr Gott, solange seine Ungnade dauert, verheimlicht, dass es für andere geschehe, was Er ihr erst nachher entdeckt, und höchstens verlangt Er ihre Einwilligung dazu. Denn Gott fordert gewöhnlich von der Seele ihre Einwilligung, bevor Er ihr für den Nächsten zu leiden auferlegt, und erst nachher wird die Seele angeregt, sich Gottes Gerechtigkeit und seinem Willen in aller Beziehung zu opfern.
Die beim berauschten Noah am Tage liegende Blosse bedeutet den Zustand der Nacktheit, in welchem von Trübsalen, Schmach und Schande trunkene Seelen sein sollen, sowie diejenigen, die den Kelch des Zornes Gottes trinken. Der Herr hält sie in einer so vollkommenen Entblössung von allen fühl- und wahrnehmbaren Gnaden, wie auch von allen Gaben und Mitteilungen, welche ihnen als Bekleidung dienten, um das, was ihr Beschämung verursachen könnte, zu bedecken, dass sie vor ihren eignen und anderer Augen oft in schändlicher Blosse erscheinen. Nur Schwachheit und Unvermögen sieht man an solchen Menschen. Denn, beraubt der Kraft Gottes, stehen alle ihre Armseligkeiten, die unter dem Übermass der Gnaden verborgen lagen, offen da. Daher erscheinen sie vor den Augen der Kreaturen voll Schande und Schmach. Siehe hierin den Zustand Jesu Christi selbst auf dem Kalvarienberg, welcher, nicht zufrieden von Schmach und Schande berauscht zu werden, auch nackt am Kreuze hangen wollte. Diese äussere Blosse, dem Scheine nach etwas Schändliches, war nur die Figur der Nacktheit seiner Seele, die so gross gewesen, dass Er ausrief: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Du, meine eigene Stütze! wie hast du mich verlassen? Gleichwie Jesus Christus das Beispiel der Entblössung für die Seelen ist, welche sich im Opferzustande befinden, so soll Er auch ihr einziger Trost während demselben sein.
22) Als dies Ham sah, der Vater Kanaans, dass nämlich seines Vaters Schande entblösst, sagte er es draussen seinen beiden Brüdern.
23) Sem und Japhet aber legten einen Mantel auf ihre Schultern, und gingen rücklings hin, die Schande ihres Vaters zu bedecken, und wandten ihr Angesicht weg, dass sie ihres Vaters Schande nicht sahen.
Es gibt zweierlei Menschen, welche diese Seelen in ihrer Blösse anschauen. Die einen, wie Ham, spotten ihrer, murren gegen sie und verhöhnen sie. Daraus nehmen sie Anlass, Gottes Geist zu lästern, wenn sie sehen, wie schwach diese Seelen geworden, nachdem sie so stark gewesen. Andere hingegen decken solche Seelen mit dem Liebesmantel zu, da sie ihre Fehler entschuldigen, und sie in ihrer Quelle, d.h. in ihrer Entblössung anschauen, welche ihnen das Übermass des Wermut-Weins von Schmerz und Schmach, wovon sie betrunken wurden, verursacht hat. Als besondere Wirkung der Güte Gottes betrachten sie ihre Nacktheit, wodurch Er in solchen Seelen die Sünde mit all ihrem Zubehör vernichtet, damit Er allein in ihnen bleibe. Wie Gott diese da segnet, straft Er die andern wegen ihrer Ruchlosigkeit, wegen ihrem Spötteln und Verhöhnen. Alles was zu entschuldigen ist, soll man entschuldigen, und mehr zur Milde als zur Strenge und Hartherzigkeit sich neigen.
11. Kapitel.
1) Es war aber auf Erden nur eine Sprache und einerlei Rede.
Dieses ist die Einförmigkeit der aus der Sündflut herausgegangenen Seelen, welche alle zusammen in Wahrheit nur eine und die nämliche Sprache reden, weil sie alle von Gott belehrt werden (Joh. B, 45), und die nur einerlei Rede haben, weil es nur ein und derselbe Geist ist, der durch sie redet.
4) Sie sprachen: Kommet, lasset uns eine Stadt bauen und einen Turm, dessen Spitze bis an den Himmel reicht, und lasset unsern Namen berühmt machen, ehe wir in alle Länder zerstreut werden.
Aus diesem können wir die Abbildung der Seelen entdecken, welche trachten durch ihre eigenen Werke heilig zu werden, und dafür halten, eine solche Heiligkeit mit natürlicher Anstrengung zu erringen, ohne dass sie ihre Missgriffe erkennen. Diese Menschen, voll feinen Dünkels, raffen und häufen Übungen auf Übungen zusammen, um, wie sie sagen, sich dadurch zu heiligen. Alles erwarten sie von ihrem eigenen Fleiss, von ihrer eigenen Anstrengung, und ohne sich an das zu erinnern was sie tun, glauben sie sogar Gott Gesetze vorschreiben zu können. Darum spricht die Heilige Schrift: Sie unternahmen den Bau mit Ziegel und Lehm auszuführen, um damit anzuzeigen, dass das ganze Werk von Menschenerfindung herrühre.
5) Aber der Herr kam herab, um die Stadt und den Turm zu sehen, den die Söhne Adams bauten.
Gott liess sich herab, um ihre Verwegenheit, die Eitelkeit ihrer Worte, so wie auch die Früchte ihres Eigensinns zu sehen, denn Er selber führte den Bau nicht aus.
7) Und er sprach: Kommt, lasst uns niedersteigen, und da selbst ihre Sprache verwirren, dass einer des andern Rede nicht verstehe.
Ihre Sprache verändern sie, denn weil sie die Einfalt ihres Wirkens und Handelns verlassen, so entfernen sie sich von der Einfachheit ihrer Rede. Daher lässt Gott zu, dass sie die erste Sprache der Unschuld verlieren, welche Sprache mit ihren Werken nimmermehr übereinstimmt. Dieses war der Anfang ihrer Unordnung und Verwirrung. Aus der eigenen Wirksamkeit entsteht alle Unordnung und Verwirrung des inneren Lebens. Nachdem die Menschen Gottes Sprache, die einfach und einzig ist, verloren haben, redeten sie alle auf verschiedene Weise.
8) Zufolge dessen zerstreute sie der Herr von dannen in alle Länder, und sie hörten auf die Stadt zu bauen.
9) Und darum heisst man ihren Namen BABEL, das heisst Verwirrung.
Von diesem Augenblick an sind sie nicht mehr miteinander vereinigt, der Herr zerstreute sie. Und öfters werden sie genötigt alles zu verlassen, da sie weder vorwärtsgehen noch sich andern verständlich machen, noch Gott anhören körnen. Er entfernt sich von ihnen, Er zerstreut sie wegen ihrer inneren Verwirrung, welche eine Folge ihrer eigenheitsvollen Selbsttätigkeit ist. Die Arche, auf Gottes Befehl verfertigt, war die Wohnstätte des Friedens. Babel, von Menschenhand aufgebaut, war der Aufenthalt von Unruhe und Verwirrung.
29) Der Name des Weibes Abrams war Sarai.
30) Sarai aber war unfruchtbar, und hatte keine Kinder.
Auf dem eigenen Grund und Boden ist Sarai unfruchtbar, ebenso die Seele, wenn sie noch in sich selbst eingewurzelt ist und besteht.
12. Kapitel.
1) Der Herr sprach zu Abram: Gehe aus deinem Lande, und aus deiner Verwandtschaft, und aus deines Vaters Hause, und komm in das Land, das ich dir zeigen will.
Hierin erkennen wir das schöne Bild vom Beruf der Seele, wie sie aus sich selbst ausgehen soll. Im Herzensgrund redet Gott zu ihr, und lehrt sie, dass es noch ein anderes Land gebe, als nur dasjenige, in welchem sie wohne. Er unterrichtet sie, dass, wenn sie Ihm getreu (vermöge einer gänzlichen und vollkommenen Übergabe) folge, sie es sehen, und durch seine Führung dahin kommen werde.
2) Ich will machen, dass ein grosses Volk aus dir hervor gehe, ich will dich segnen, und deinen Namen gross machen, und du sollst gesegnet sein.
Gott versprach dieser Seele ferner, dass wenn sie in dieses Land, nämlich in die göttliche Ruhe werde angekommen sein, so werde sie ein grosses Volk bekommen und verherrlicht werden. Für all dieses verlangt Gott aber nichts anderes, als dass sie sich Ihm durch Selbstverleugnung übergeben, und durch gänzliche Gelassenheit sich zu Ihm führen lasse.
3) Segnen will ich, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen, und alle Völker der Erde werden in dir gesegnet werden.
Voll Verwunderung sehen wir, wie sehr sich Gott um die Seelen annimmt, die sich Ihm überlassen, wie sorgfältig Er sie beschützt, welche Barmherzigkeit Er so vielen Menschen ihretwegen erweist. Und wer mag berechnen den Segen, den die Seelen empfangen, welche mit solchen edlen Geschöpfen vereinigt sind? Dies ist wirklich und wahrhaftig also, und zwar so, dass diejenigen, welche davon die Erfahrung machen, vor Freuden erstaunen, wie herrlich und anschaulich all dieses vorgebildet ist. Mit grossem Vergnügen werden sie die ganz natürliche Ordnung einsehen, nach welcher alle diese Dinge ausgedrückt sind, und welche Ordnung sogar in den Schriften des alten Bundes aufzufinden ist.
4) Da ging Abram aus, wie ihm der Herr befohlen hatte.
Dieser ernste Gehorsam Abrams zeigt an, wie treu und geschwind die Seele aus sich selbst ausgehen soll, um Gott zu folgen.
6) Der Herr erschien Abram, und sprach zu ihm: Deinem Samen will ich dieses Land geben.
Gottes Verheissungen gehen immer unfehlbar in Erfüllung, ob sie gleich nicht allezeit nach der Deutung desjenigen, dem sie gemacht wurden, vollzogen werden. Seelen, die im Anfang ihres Weges, und während demselben Verheissungen erhalten, oder innere Worte vernehmen, sollen sich niemals dabei verweilen, auch kein Urteil darüber fällen, noch sie nach ihrem Sinn auslegen. Die Wahrheit von diesen Worten befindet sich in Gott, und sie werden wahrhaft an uns in Erfüllung gehen, aber nicht immer so, wie wir es erwarten.
7) Und er baute einen Altar daselbst dem Herrn, der ihm erschienen war.
8) Und er zog von dannen zu dem Berge, der morgenwärts von Bethel war, schlug daselbst sein Zelt auf, Bethel gegen Abend und Ai gegen Morgen, baute auch einen Altar da dem Herrn, und rief seinen Namen an.
9) Und Abram zog weiter, und kam immer mehr gegen Mittag.
Dieser Altar, welcher Abram dem Herrn baute an eben dem Orte, wo Er ihm erschienen war, lehrt uns, dass wir allezeit die empfangenen Gnaden Gott wieder aufopfern sollen, und zwar am gleichen Orte, wo Er sie uns erwiesen. Denn wir dürfen sie nur annehmen, auf dass wir sie Ihm, als dem Ursprung aller Gnaden, wieder abtreten, und in seinen Schoss wieder ausschütten. Selten sind die Seelen, welche Abrams Beispiel folgen. Ein jeder eignet sich Gottes Gnade zu, und behält sie in sich zurück. Man treibt dies so arg, dass man sich oft bekümmert und betrübt, wenn Gott dieselben zurückzieht. Ja man beklagt sich sogar gegen Gott, als hätte Er uns etwas von dem unsrigen weggenommen. Indes zieht Gott nur das Seinige zurück. Wären wir nicht ganz von Eigenheit und Selbstsucht durchdrungen, so gäben wir nicht einmal auf die Zurücknahme seiner Gnaden acht; und würden wir uns auch bei diesen empfangenen Gaben und Wohltaten nicht verweilen, sondern von allen insgesamt das Auge abwenden, so könnte alsdann derjenige, der uns dieselben geschenkt, sie ohne Anstand wieder zurücknehmen. Leider aber sieht man nichts anderes, als wie Menschen über die Entziehung der empfindlichen Gnaden und Tröstungen jammern, was sie als grosse, innere Leiden anschauen, da sie doch nur unbegrenzte Selbstsucht andeuten, und wirklich sind.
Du erwiderst mir freilich, dass du dich nicht um die Beraubung der Gnade bekümmerst, sondern aus Furcht so besorgt seiest, als wärest du selber Ursache dieses Verlusts. 0 wieviel Betrug liegt in dir, schlimme Natur! Wie klüglich verstehst du es, dich unter schönen Vorwänden zu verbergen! - Brüder, wäre es Furcht oder Untreue, die uns Kummer verursacht, so demütigen wir uns dieser Treulosigkeit wegen, die Gott Veranlassung gegeben, mit uns auf solche Weise zu verfahren, und erfreuen wir uns gleichzeitig, dass Gott uns seiner Güter beraubt und uns keine mehr gibt, aus Furcht, wir möchten sie missbrauchen. Ja, eine heilige Freude soll uns ankommen, dass Gott selbst sich Recht verschafft. Darin besteht die Gemütsstimmung einer wahrhaft demütigen Seele. Ferne sei also von uns aller Kummer, alles Klagen über benannte Beraubung, womit wir unsern geistlichen Lehrern täglich beschwerlich fallen. Wir sollen vielmehr wegen dieser Entziehung auf bescheidene Art fröhlich sein, und zu keiner Zeit etwas anderes begehren, als was wir haben.
Es heisst ferner, dass Abram an einem andern Orte einen Altar baute, um dadurch zu bemerken, dass er von Opfer zu Opfer schreite. Es steht ebenfalls dabei, dass er immer mehr gegen Mittag fortwandelte, woraus wir erkennen, dass er alle Dinge überschritt, um sich allein zu Gott zu begeben.
10) Ein grosser Hunger kam aber über dieses Land.
Eine gelassene Seele soll, gleich Abram, getreu sein, sich über Geistesdürre nicht beklagen, und würde sie auf dieser Bahn, worauf ihr Gott lauter Süssigkeiten verheissen, nur Sorgen und Kreuz sehen, gar nicht verzagen. Unablässig muss sie mitten durch alle Bitterkeiten, ohne sich irgendwo aufzuhalten, ohne stillzustehen, noch mutlos zu werden, Gott folgen.
11) Abram sprach zu Sarai, seinem Weibe:
13) Ich bitte dich, sage, du seiest meine Schwester, damit es mir wohl gehe um deinetwillen, und meine Seele leben möge um deinethalben.
Dieser scheinbare Fehler Abrams, der uns wie eine Verstellung vorkommt, und seines Weibes Ehre der Gefahr aussetzt, um sein Leben zu bewahren, lehrt uns, wie Gott ihn zum Besten wendet, auch wie sorgfältig Er ist, um sogar die Fehler und Verirrungen wieder gut zu machen, deren sich diese Seelen aus Furcht und Schwachheit schuldig machen, sofern sie in der Gelassenheit verharren, und den ihnen von Gott angewiesenen Pfad, auf dem sie sich Ihm zum Eigentum geschenkt, nicht verlassen. Diese göttliche Führung Abrams, wie auch die Zulassung gemeldeten Fehlers, schauen die im Wahrheitslichte Wandelnden mit solcher Verwunderung an, dass man sehr viele Bücher, um dieselbe zu erklären oder auseinanderzusetzen, verfassen müsste.
17) Der Herr schlug Pharao und sein Haus mit sehr grossen Plagen, wegen Sarai, Abrams Weib.
Gott züchtigt Pharao eines schuldlosen Fehlers wegen, welcher dem Scheine nach mehr Abram als Pharao zuzuschreiben war, und belohnt Abram wegen eines Fehlers, der wirklich ein Fehler zu sein schien. Wer mag wohl Gottes geheime Gerichte ergründen? Aber wer kann auch die Sicherheit der Überlassung in jener Zeit genugsam bewundern, in der alles unwiederbringlich zugrunde zu gehen scheint? 0 Gott, du errettest sowohl Abrams Leben, als die Ehre seines Weibes, nur wegen dem Glauben dieses Patriarchen, der dir alles ohne Ausnahme überlassen!
13. Kapitel.
1) Also zog Abram herauf aus Ägypten, er und sein Weib, und alles was er hatte, und Lot mit ihm in die Gegend gegen Mittag.
2) Er war aber sehr reich an Habe, Gold und Silber.
3) Und er zog wieder den Weg, den er gegangen war, von Mittag bis gen Bethel, bis zu dem Ort, wo er vorher sein Zelt aufschlug, zwischen Bethel und Ai.
4) Zu dem Ort des Altars, den er früher gemacht hatte, und rief daselbst den Namen des Herrn an.
In der Heiligen Schrift hat alles seine Bedeutung. Es heisst, dass Abram gegen Mittag wandelte, was nach schon geschehener Erklärung nichts anderes sagen will, als dass er immerhin zu Gott gehe. Aber es steht dabei, dass er wieder den Weg zog, den er gegangen war, von Mittag bis gen Bethel. Was kann dies wohl bedeuten? Ungeachtet des scheinbaren Widerspruchs nichts anderes, als dass alle Wege zu Gott hinführen. Wer auf keinem stille steht, und alle Ereignisse benützt, um schnell und unaufhaltsam zu Gott zu eilen, der findet Gott gewiss und unfehlbar.
Aus der gleichen Ursache heisst es ferner, dass Abram viele Reichtümer besessen, die er aber alle zum Altar hinbrachte, d.h. er opferte sie ohne Ausnahme Gott auf, und verfolgte den Weg zu Ihm auf gleiche Art, wie auch dieser zu Gott führende Weg angenehm oder schmerzvoll sein mochte. Alles, was ihm immer widerfuhr, betrachtete er als den einen und den gleichen Weg, auf dem er zu Gott gehen und seinen Namen anrufen konnte.
6) Und das Land konnte sie nicht fassen, um beisammen zu wohnen, denn ihre Habe war gross, und sie konnten nicht beieinander wohnen.
7) Daher entstand auch Zank zwischen den Hirten der Herden Abrams und Lots.
Die allzugrossen, inneren Reichtümer heben Frieden und Einigkeit unter den Hausgenossen auf, welche die Leidenschaften sind. Dies kommt daher, weil diese sich auf jene fussen, und sich an sie anfesseln, weswegen sie unvollkommene Geschäftigkeit und unlautern Eifer hervorbringen, da man benannte Reichtümer nur auf natürliche Weise verkostet.
8) Deshalb sprach Abram zu Lot: Lieber, lass keinen Zank zwischen mir und dir, und zwischen meinen Hirten und deinen Hirten sein, denn wir sind Brüder.
9) Siehe! das ganze Land ist vor dir, ich bitte, scheide von mir; gehst du zur Linken, so bleibe ich zur Rechten; wählst du aber zur Rechten, so gehe ich zur Linken.
10) Da hob Lot seine Augen auf, und sah die ganze Gegend um den Jordan, die ganz bewässert war, ehe der Herr Sodom und Gomorra verderbte, wie das Paradies des Herrn, und wie Ägypten, bis man nach Zoar kommt.
Abram konnte wegen dem Frieden, den er in sich selbst und mit Gott genoss, keine Uneinigkeit zwischen seinen Hirten und den Hirten seines Vetters dulden, zumal er in Hinsicht jenes Guts, das ihm Gott einzig geschenkt, und an das er so wenig angefesselt war, bereit war, es tausend und tausendmal hinzuopfern. Auch war seine Überlassung, wie auch seine Gleichgültigkeit so gross, dass er die Auswahl der Länder ganz seines Bruders Sohn überliess, obgleich ihm der Vorzug gebührt hätte. Lot hingegen, von solchem Glauben, von solcher Überlassung und Entwerdung Abrams weit entfernt, wählte sich die angenehmste Gegend aus. Unzählbare Menschen tun dasselbe und wählen anstatt Tod, Verleugnung, Kreuz und Bitterkeit nur geistige Ergötzungen im Dienste Gottes. Der Ausgang wird uns aber klar vor Augen stellen, wie weit vorteilhafter Abrams Übergabe an Gott, als Lots Auswahl gewesen war.
11) Die beiden Brüder schieden einer von dem andern.
Gott begnügt sich nicht mit dem allein, die Seele aus sich selbst herauszuziehen, sondern Er scheidet sie auch noch von allem, was ihren Lauf hemmen könnte, wie gut es immer scheinen mochte. So hätte Abrams Zuneigung zu Lot ihn auf dem Wege Gottes versäumen, oder für ihn, durch was für immer einer natürlichen Belustigung oder Freude an seiner Gesellschaft, gefährlich werden können.
14) Der Herr sprach zu Abram, nachdem Lot von ihm geschieden war: Hebe deine Augen auf, und schaue auf den Ort, da du nun bist, gen Mitternacht und Mittag, gen Aufgang und Niedergang.
15) Alles Land, das du siehst, will ich dir geben, und deiner Nachkommenschaft ewiglich.
0 unbegrenzte Güte Gottes, wie belohnst du nicht eine Seele, sobald sie sich in etwas um deinetwillen verleugnet! Mit welcher Zärtlichkeit redet Gott zu Abram, nachdem er sich von Lot geschieden! Eine an und für sich gute Sache, auf die wir uns aber stützen, und die uns als Gesellschaft dient, haltet Gott ab, sich uns mitzuteilen, und uns seine Gnaden zufliessen zu lassen. Diese dem Abram so oft wiederholten Verheissungen wurden erst nach Verlauf von vier Jahrhunderten (Apg.13,20 & Gal.3,17) buchstäblich so, wie sie ihm gemacht worden, allein nur nach sehr blutigen Kriegen zwischen dem Volke Gottes und seinen Feinden, erfüllt. Daraus sollen wir lernen, wie wir die inneren Worte, welche im Herzen der Diener Gottes ausgesprochen werden, weder auslegen, noch ihnen Zeit und Weise, noch etwas Entschiedenes beisetzen sollen.
16) Ich will deinen Samen machen wie den Staub der Erde. Wenn jemand den Staub der Erde zählen kann, wird er auch deine Nachkommen zählen können.
17) Mache dich auf und ziehe durch das Land, nach seiner Länge und Breite, denn dir will ich es geben.
Wie bewunderunswürdig ist Gott in Ansehung seiner (selbst zeitlichen) Belohnungen! Er misst diese sowohl als die ewigen nach der Natur der aus Liebe zu Ihm gemachten Verleugnungen ab. Sobald sich Abram von seinem Neffen geschieden, um Gottes Willen zu tun, so verheisst ihm Gott für den Wert des Opfers, das nur dieser eine Mensch dargebracht, eine der zahlreichsten Nachkommenschaft, welche jemals gewesen war. Wegen der ersten Verleugnung wurde ihm dies grosse Volk versprochen, und wegen Isaaks Aufopferung erwarb er sich das hohe Verdienst, Jesus Christus selbst unter seine Nachkommen zu zählen. Wenn wir uns aus Liebe Gottes von den Geschöpfen, von Weltfreunden oder auch von unvollkommenen geistlichen Freunden trennen, so gibt uns Gott dagegen eine grosse Anzahl Freunde von ganz anderer Art, Freunde in Ihm und wegen Ihm. Anstatt der Kinder und Neffen, die man aus Gottes Liebe verlassen, gibt uns Gott eine zahllose Menge geistlicher Kinder, wie ein solches Versprechen bei Jesaja zu finden ist: Unfruchtbare! erfreue dich, die du nicht gebierst; die Verlassene hat mehr Kinder, als diejenige, welche einen Mann hatte (Jes.54,1).
Die Erde, welche Gott damals Abram verheissen, war nicht nur die materielle oder körperliche Erde, welche er vor sich sah, sondern auch diejenige seines Herzens, welche denen als Belohnung verheissen wird, welche sanftmütigen Geistes sind (Matth.5,4). Dies ist soviel, als wenn Gott zu ihm gesagt hätte: Jetzt, da dein Herz von allem, was es an das Irdische, an die Erde anfesseln könnte, befreit ist, geniesst es eine vollkommene Freiheit, eine Freiheit ohne Grenzen, gleich deinen Augen, die das Erdreich, welches ich für dich bestimme, nicht übersehen können. Und wie du hienieden nichts siehst, das dir nicht angehört, so bist du ebenfalls vermöge deiner treuvollen Verleugnung Meister über alle Dinge.
14. Kapitel.
11) Die Sieger nahmen alle Beute, und zogen davon.
12) Und nahmen auch Lot und seine Beute, Abrams Bruders Sohn, der zu Sodom wohnte.
16) Abram brachte alle Habe zurück, und Lot seinen Bruder mit seiner Habe, auch die Weiber und das Volk.
Belohnt wird Abram wegen seiner Scheidung von Lot; Lot aber wird bestraft wegen seiner Trennung von Abram. Diejenigen Seelen, welche um Gottes willen alles verlassen, empfangen wegen und von Ihm neue Gnaden; es wird ihnen tiefer Friede und grosse Ruhe zuteil. Solche Menschen hingegen, welche sich aus Eigennutz oder Misstrauen von dem Gerechten absondern, leben in immerwährendem Streit; Verwirrung und Strafe ist ihr Lohn. Lot stellt uns diejenigen vor, welche sich von den gläubigen und gelassenen Seelen trennen, um in der Festung der Vernunft und der menschlichen Hilfe sicher zu leben, in welcher sie indes weit grösseren Gefahren preisgegeben sind, teils wegen der Unbeständigkeit der Geschöpfe, welche sie nicht unterstützen können, teils deswegen, weil sie Gott billigermassen wegen ihrer stolzen Anmassung ihnen selbst überlässt.
Die so schnelle als erwünschte Hilfe, welche Abram seinem Neffen leistet, zeigt die Sorgfalt an, welche gelassene Seelen selbst für diejenigen tragen, die sich von ihnen entfernen, und wie unablässig sie in der Zeit der Not für sie bekümmert sind.
18) Melchisedek, König von Salem, brachte Brot und Wein, denn er war ein Priester Gottes des Allerhöchsten.
19) Er segnete Abram und sprach: Gesegnet sei Abram dem höchsten Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat.
Nur Melchisedek geziemt es, welcher der alleinige Opferpriester des lebendigen Gottes war, Abram zu segnen; denn nur er kennt und anerkennt den lautern und erhabenen Pfad der Gelassenheit. Dies ist das Bild eines wahrhaften Priesters, welcher die Seele nach Kampf und Streit zur zweifachen Mahlzeit einladet, zur Mahlzeit des Worts des Lebens, und zur Mahlzeit des heiligsten Altarsakraments.
20) Abram gab Melchisedek den Zehnten von allem, was er genommen hatte.
Wenn diese glaubensvolle Seele einsieht, dass derjenige, welcher ihr als Führer gegeben wurde, der Priester des Herrn sei, so unterwirft sie sich ihm, erkennt ihn als solchen, und bringt ihm von allem, was sie besitzt, den Zehnten dar, der darin besteht, dass sie ihm aus Gottes Liebe, und wie Gott selbst gehorcht.
22) Abram sprach zum König von Sodom: Ich erhebe meine Hand zu dem Herrn, dem höchsten Gut, dem Besitzer Himmels und der Erde,
23) Dass ich vom Faden des Gewebten bis zum Schuhriemen nichts nehme von allem, was dein ist, dass du nicht sagest: Ich habe Abram reich gemacht.
So grossmütig handeln die gelassenen und auf dem Glaubenswege wandelnden Seelen, dass sie alle Reichtümer und alle Hilfe der geistigen Kräfte abschlagen und von sich weisen, um sich nur allein auf Gott zu verlassen und zu stützen. Was es immer sein mag, verwerfen sie, und mit heiliger Kühnheit sich bis zu den Himmeln erschwingend, finden sie nichts ihrer würdig, als Gott, welcher ihr als ihr einziger Schatz, sie mit sich selbst bereichert.
15. Kapitel.
1) Nachdem dies also geschehen, kam das Wort des Herrn zu Abram im Gesichte und sprach: Fürchte dich nicht Abram, ich bin dein Schutz und dein sehr grosser Lohn.
Der Mensch kann keinen grösseren Beweis seiner Liebe gegen Gott an den Tag legen, als wenn er durchaus alles und jedes verachtet, um sich mit Ihm allein zu begnügen. Deswegen beeilt sich Gott, demselben durch sehr zärtliche Reden sein Wohlgefallen zu bezeugen, ihn seines Schutzes, wie auch seiner Belohnung versichernd, die Er selbst sein will. 0 unbegreifliche Seligkeit! Gott selbst will an die Stelle der unbedeuteten, geringen Sachen, die wir seinetwegen verlassen, treten! Wahrhaftig, o Paulus! Die Leiden dieser Zeit sind gar nicht zu vergleichen mit der Herrlichkeit, die künftig an uns offenbar werden wird (Röm.8,18). Denn was könnten wir mit dem Besitztum eines Gottes vergleichen?
2) Abram erwiderte ihm: Gott, Herr! was willst du mir geben? Ich gehe dahin ohne Kinder.
3) Und der Sohn meines Hausverwalters wird mein Erbe sein.
Dieser treue Diener sieht, dass er am Ende seiner Tage sich befinde, ohne dass die göttlichen Verheissungen noch an ihm in Erfüllung gegangen. Er hört zwar nicht auf, ganz gelassen und ergeben zu sein, sucht aber doch irgendetwas auf, das ihm für die Zukunft einige Sicherheit verschaffen könnte, was die Erbschaft bedeutet; daher denkt er an Massregeln.
4) Alsbald geschah das Wort des Herrn zu ihm und sprach: Nicht dieser soll dein Erbe sein, sondern der aus deinem Leibe kommt, soll dein Erbe sein.
5) Und er führte ihn hinaus, und sprach: Schaue gen Himmel und zähle die Sterne, wenn du kannst! Und er sprach zu ihm: Also soll dein Same vermehrt werden.
Gott, dessen Güte keine Grenzen hat, unterbricht eilends alle Massnahmen Abrams, die er aus Schwachheit machte. Er vernichtet sie durch neue Versicherung, die Er ihm von der Sorgfalt seiner Vorsehung gibt. Da dieser arme, gelassene Mann wieder ein wenig in sich selbst eingekehrt war, eben weil er für die Zukunft zu sorgenvoll gewesen, zog ihn Gott noch mehr aus derselben heraus. Er zeigte ihm sogar in einfachem Vergleich mit den Sternen die Wirkungen seiner Macht, ihn neuerdings seiner unfehlbaren zu erfüllenden Verheissungen sowie seiner Allmacht versichernd.
6) Abram glaubte Gott, und das wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet.
Was Gott am meisten hoch achtet, ist der Glaube. Daher schätzt Er den Glauben dieses Menschen, der seine Übergabe nicht unterbricht und nicht aufhört, sich Gottes Händen zu überlassen, weit höher, als alle guten und gerechten Handlungen, die nicht aus einem solchen grossartigen Glauben hervorgehen, weil es ein vom Übermass der Liebe beseelter Glaube ist. Alles in allem trifft Er in ihm Glauben und Gelassenheit an, und sein Leben besteht in nichts mehr als im Gelassensein und im Glauben.
7) Und Gott sprach zu ihm: Ich bin der Herr, der dich geführt hat aus Ur in Chaldäa, um dir dieses Land zum Be sitze zu geben.
Um seinen Glauben noch mehr zu üben, und ihn in der Gelassenheit zu erhalten, gibt ihm Gott neue Versicherungen seines Versprechens. Da aber diese Seele im Glauben und in Gelassenheit durch einen festen und unbeweglichen Zustand noch nicht begründet ist, so wankt sie, und aus Abgang der Treue begehrt sie Zeugnisse, ohne zu bedenken, dass solche der Vollkommenheit des Glaubens ebenso sehr entgegengesetzt sind, als sie ihrer Entblössung schädlich werden. Alle solche Zeugnisse halten die Menschen beim Geschaffenen auf, und verhindern sie, sich aller Stützpunkte, ausser Gottes Güte und Wahrheit, zu entledigen.
8) Er aber sprach: Gott, Herr! woher kann ich wissen, dass ich es besitzen werde?
12) Und als die Sonne unterging, fiel ein tiefer Schlaf auf Abram, und grosse Schrecken und Finsternis kam über ihn.
Gott gibt ihm zwar Zeugnis, aber auf eine solche Weise, die uns hinlänglich überzeugt, wie sehr Ihm sein Misstrauen missfällig war. Denn nichts ist Glauben und Gelassenheit so sehr zuwider als Zeugnisse. Der göttliche Augenblick entscheide alles, und diesen Moment erwarte die Seele ganz blindlings, ohne sich zu bemühen in die Zukunft hineinzuschauen, nicht einmal dann, wenn die Zeit der Verheissungen verflossen scheint. Auf diese Art läuft man nicht Gefahr, betrogen zu werden, und begnügt sich mit dem Augenblick, in dem Gottes Wille ganz unfehlbar vollzogen wird.
13) Wisse zum voraus, dass deine Nachkommenschaft fremd sein wird in einem Lande, das nicht ihr Eigentum sein wird, und man wird sie zu dienen zwingen und plagen vierhundert Jahre.
Gleich wie Selbstverleugnung, Glaube und Gelassenheit Gott bewegen, ihretwegen grosse Belohnungen zu erteilen, so zwar, dass es scheint, Er könne diese heldenmütigen Tugenden auf keine andere Weise, als mit sich selbst bezahlen; ebenso zieht das geringste Misstrauen oder das Verlangen nach Zeugnissen, die denselben so sehr entgegen sind, Gottes Unwillen und Zorn nach sich, und nötigt Ihn, selbst denjenigen zu bedrohen und zu bestrafen, den Er früher mit sich selbst belohnen wollte. 0 wie geheimnisvoll ist dies, und wie notwendig zu unserem Unterricht! Denn es ist allerdings dem also, dass oft die wider Glauben und Gelassenheit begangenen Fehler, über die man zurecht gewiesen wird, nach der von Gott damit gemachten Anwendung den Glauben mehr befestigen, als eine nie unterbrochene Treue, die gar keine Schwachheiten erfahren.
Gott machte also Abram auf gewisse Weise Vorwürfe, in Bezug seiner Nachkommenschaft, weil die Versprechen für seine Nachkommenschaft waren. Der Schrecken und die Dunkelheit bezeichnen die schlimmen Folgen von Zeugnissen und Versicherungen, welche man aus Mangel an Glauben begehrt und aufsucht; die, indem sie die Seele in Furcht und Unschlüssigkeit versetzen, den Menschen der göttlichen Gnaden und der göttlichen Erleuchtung berauben.
14) Sie werden danach mit grossen Reichtümern aus diesem Lande ziehen.
17) Und als die Sonne untergegangen war, entstand eine dichte Finsternis.
18) An diesem Tage schloss der Herr einen Bund mit Abram.
Gott erfüllt gleichwohl seine um einen hohen Preis verkauften Verheissungen, und wenn die Seele in die Dunkelheit des Glaubens eingetreten, so wie geschrieben steht, dass, als die Sonne untergegangen war, eine dichte Finsternis entstanden, erneuert Gott seinen Bund mit ihr, und setzt ihr zuliebe die Sorge seiner besonderen Vorsehung fort.
16. Kapitel.
1) Sarai, Abrams Weib, hat noch keine Kinder geboren.
3) Sie nahm also Agar, ihre ägyptische Magd, und gab sie ihrem Manne zum Weib.
Der niedere Teil, vorgebildet durch das Weib, einer so langen Unfruchtbarkeit und eines so dunklen und nackten Weges überdrüssig, sucht bei Fremdlingen auf, was er bei und in sich nicht findet; und sofern er nur ein wenig unterstützt wird, bekümmert er sich gar nicht, woher ihm Hilfe geleistet werde.
4) Als Agar sah, dass sie empfangen hatte, verachtete sie ihre Gebieterin.
5) Und Sarai sagte zu Abram: Du handelst unrecht an mir.
6) Abram antwortete ihr und sprach: Siehe, deine Magd ist in deiner Hand, handle mit ihr, wie es dir gut dünkt.
Es währt aber nicht lange, dass der niedere Teil deswegen leiden muss; denn diese Stütze, auf die er sich verlassen wollte, ist eine Magd, welcher er gewisse Gewalt über sich einräumte, und die sich derselben bediente, um eben diesen Teil zu verachten und zu misshandeln. Diesen Missgriff nachher erkennend, beklagt sich der niedere beim oberen Teil, den er seines begangenen Fehlers zugleich schuldig machte, welcher ihn wiederum in seine wahre Stelle aufs neue einsetzt, und ihm sein Ansehen, das er sich rauben liess, zurückgibt.
11) Der Engel des Herrn sprach zu Agar: Siehe, du hast empfangen, und wirst einen Sohn gebären, des Namen sollst du Ismael nennen, weil der Herr dein Elend erhört hat!
Agar ist das Vorbild der vielfältigen und tätigen Wege, die man dem Glauben wegen seiner scheinbaren Unfruchtbarkeit vorzieht. Ungeachtet sie nur die Magd ist, so wird sie doch in Ismael Mutter eines grossen Volks, aber eines Volks, das voll Verwirrung, voll von Empörung und Uneinigkeit ist, welches das, was es besitzt, nur mit dem Schwert in der Faust erobert. Auf solche Weise belohnt Gott seine Trübsale.
13) Agar nannte den Namen des Herrn, der mit ihr geredet: DU GOTT, DER MICH SAH. Denn, sagte sie: Fürwahr! ich habe den Rücken dessen gesehen, der mich sah.
Gott erweist diesen in die Vielfältigkeit verflochtenen Seelen gewisse Gnaden, aber Er stellt sich ihnen doch nur von hinten, d.h. nur in seinen Gaben und Bildern zum Anschauen dar. Auf einer solchen Bahn aber gelangen sie niemals zu seiner Vereinigung.
17. Kapitel.
1) Der Herr erschien Abram, und sprach zu ihm: Ich bin der allmächtige Gott, wandle vor mir und sei voll kommen.
2) Ich will einen Bund errichten zwischen mir und dir, und will dich mehren ins Unendliche.
Gott kündet der gelassenen Seele an, dass Er allmächtig sei, und sie sich damit begnügen soll, in seiner Gegenwart zu wandeln, nur in der Absicht, Ihm allein in allen Dingen zu gefallen, da dies das wahre Mittel ist, vollkommen zu werden. Zugleich verspricht Er ihr feierlich, dass Er sich mit ihr vereinigen, und sie fruchtbar machen wolle; was nichts anderes ist, als dass Er sie zuerst mit seiner göttlichen Vereinigung beehre, und nachher bereichere mit den Erzeugnissen seiner eignen Fruchtbarkeit.
3) Da fiel Abram nieder auf sein Angesicht.
Wenn eine solche Seele unterrichtet ist, keine Zeugnisse mehr zu verlangen, denkt sie an nichts mehr, als an ihre Selbstvernichtung, wohl erkennend, dass die beste Gemütsstimmung, Gott nach seinen Absichten zu dienen, die Vernichtung und die einzig wahre Vorbereitung zum übernatürlichen Leben das Nichts sei.
4) Und Gott sprach zu ihm: ICH BIN'S, und habe meinen Bund mit dir, und du sollst Vater vieler Völker werden.
Nach der geheimnisvollen, mystischen Vernichtung teilt sich Gott der Seele auf eine weit andere Weise als vorher mit. Denn einem Ihm vollkommen unterwürfigen Herzen schenkt Er die grösste und ausgedehnteste Erkenntnis, die man hienieden von seiner göttlichen Majestät haben kann, sprechend: Ich bin’s, und nichts ist ausser mir und ohne mich. Er erneuert gleichzeitig seine Vereinigung wie seine Verheissungen.
5) Dein Name soll hinfort nicht Abram sein, sondern Abraham sollst du heissen, denn ich habe dich zum Vater vieler Völker gesetzt.
6) Könige sollen aus dir kommen.
Wenn man so ganz vernichtet ist, erhält man einen Namen (Offb. 2,17); einen Namen, den niemand kennt, ausser derjenige, dem er gegeben wird, einen Namen (Jes.62,2), welchen der Herr mit seinem eignen Mund erteilt, und folglich mit diesem Namen Alles, was zur Erfüllung dessen, was in ihm eingeschlossen und enthalten ist, erfordert wird. Die Versprechen einer zahlreichen Nachkommenschaft werden wiederholt, sogar das Verdienst und die Würde derjenigen Menschen, welche unter das Folgende erhoben: Könige sollen aus dir kommen; und im
Römerbrief 4,16: Er ist unser aller Vater.
7) Ich will bekräftigen meinen Bund zwischen mir und dir, und zwischen deinem Samen nach dir in seinen Geschlechtern, einen ewigen Bund, dass ich dein Gott sei, und deines Samens nach dir.
Er versichert dieser gelassenen Seele, nachdem sie bis hieher vorwärts geschritten, und einen neuen Namen empfangen, dass Er inskünftig ihr Gott, wie der Gott aller gelassenen Seelen, die vom Urgrund entsprungen, sein werde. Alsdann begründet sich in solchen Menschen wahrhaft der Bestand, ein Bestand, der keiner Veränderung mehr unterworfen ist. Gott spricht, dass Er ihr Gott sei, und dass sein Bündnis mit ihnen immerwährend, dauerhaft und ewig sein werde. Er ist ihr Gott, da Er in einer solchen Seele als höchster Befehlshaber gebietet, und keinen Widerstand mehr findet, weil ihr Wille ganz in Gottes Willen sich verloren hat, und sie auf Erden seinen Willen tut, wie die Seligen im Himmel (Matth.6,10).
10) Alles Männliche unter euch soll beschnitten werden. 12) Ein Kind von acht Tagen soll bei euch beschnitten werden, jedes Männliche unter euren Geschlechtern; sowohl der Knecht, der im Hause geboren, als der gekauft ist, soll beschnitten werden, und der nicht von eurem Stamme ist.
Gott stellt ein Gebot als Bundeszeichen auf. Hiemit will Er uns zu verstehen geben, dass wir, um auf dem Pfade der Gelassenheit wandeln zu körnen, an der Beschneidung, d.h. am Losreissen von allem, was uns noch lebendig im sündigen Adam zurückbehaltet, arbeiten sollen. Diese beständige Abtötung und Verleugnung alles dessen, was das tierische und sinnliche Leben unterhält, ist der Anfang der Geistesbahn, woran man das Volk Gottes erkennt. Freie und Sklaven unterscheiden sich nicht mehr voneinander, denn jeder Stand und Beruf ist denjenigen, welche sich Gott überlassen, ganz gleich.
Durch das im Haus geborene Kind werden solche Seelen dargestellt, deren Leben unschuldig ist. Es scheint zwar, dass sie gar keine Beschneidung, kein Losreissen bedürfen, aber auch sie müssen solche vornehmen. Denn anfangs sind sie verpflichtet allem, was vom Leben Adams herkommt, zu entsagen, auf dass das Leben Jesu Christi in ihnen Platz nehme. Der Sklave versinnbildlicht alle diejenigen, welche unter dem tyrannischen Joch der Sünde geseufzt, die Beschneidung aushalten sollen, in welchem Alter sie sich auch immer ergeben mögen. Ich gestehe, dass diese Beschneidung ihrerseits mehr passiv, leidend als tätig ist, und zwar deswegen, weil sie sich Gott mit allem Ernst ergeben. Daher, bewaffnet mit dem Schwert in der Hand, schneidet Er selbst ihre Unbeschnittenheit weg, ohne auf Schmerz, noch Furcht, noch Tränen derjenigen, die solche Wunden leiden müssen, Rücksicht zu nehmen. Je tiefer die Sinnlichkeit eingewurzelt, je älter sie geworden, wie die Vorhaut, desto mehr Widerstand leistet sie unter dem Messer, weshalb die Beschneidung umso empfindlicher und schmerzvoller wird. Wer also dafür hält, sich Gott zum Eigentum zu geben, aber das Messer der Beschneidung des eigenen Lebens noch nicht gefühlt und ausgestanden hat, oder wer nur dem Namen nach gelassen ist, und alles behalten und nichts verlieren möchte, ein solcher ist sowohl aus der Anzahl der wahrhaft Gottergebenen als wirklich Beschnittenen ausgeschlossen.
15) Gott sprach ferner zu Abraham: Sarai, dein Weib, sollst du nicht mehr Sarai nennen, sondern Sara.
16) Und ich will sie segnen, und dir von ihr einen Sohn geben.
Nachdem Gott den Grund der Seele und den obern, edlern Teil vermöge der Auferstehung des Geistes nach dem mystischen Tod erneuert, welchen Geist Er aus dem Todesschatten (Matth.4,16) gezogen, und in einem neuen Leben, vorgebildet durch den neuen Namen, begründet; ebenso erneuert Er auch den niedern, unedleren Teil, und ändert seinen Namen, indem Er denselben an der Erneuerung des edleren Teils teilhaben lässt. Daher ändert Er auch, nach vorausgegangener Namensänderung Abrahams, den Namen Sarai in Sara, und verheisst ihr das Nämliche, was ihrem Manne, mit dem Beisatz, dass sie ihm einen Sohn gebären werde.
17) Abraham fiel auf sein Angesicht und lachte, und sprach in seinem Herzen: Meinst du, dass einem Hundertjährigen ein Sohn geboren wird, und dass Sara, neunzig Jahre alt, noch gebiert?
19) Und Gott sprach zu Abraham: Sara, dein Weib, soll dir einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Isaak nennen, und ich will meinen Bund errichten mit ihm, einen ewigen Bund, und mit seinem Samen nach ihm.
Der obere Teil, welcher an die ihm selbst gemachten Verheissungen geglaubt hatte, bezweifelt nun die verheissene Geburt eines Sohnes aus seiner Wiedervereinigung mit dem niedern oder schwächeren Teil, auf welchen Sohn sich alle Verheissungen beziehen sollen, und zwar deswegen, weil er als der einsichtsvollere Teil die Schwäche des unteren erkennt; dann aber die Geringheit des niederen Teils ausser Gott anschauend, verfällt er in Zweifelsucht, und traut nimmermehr der göttlichen Macht. Er entnimmt den Grund zu diesem Misstrauen aus der langen Erfahrung von der Schwachheit, vom Unvermögen und von der Fruchtlosigkeit des niederen Teils. Diese beiden Teile lebten in ihrem Elend vergnügt zusammen, und begehrten und hofften von keiner Seite nichts mehr. Dies ist der Zustand der Ruhe in Gott, welcher vorhergeht dem apostolischen Leben. Gemeldeter Isaak, der empfangen werden soll, ist der in den Seelen gebildete Jesus; allein nicht eher wird Er geboren, als bis sich in ihnen gar nichts mehr vorfindet, auf welche Vernichtung hin sie eine gerechte Hoffnung haben können, Ihn zu empfangen. Dies Kind wird nur alsdann empfangen, wenn man an aller und jeder natürlichen Hilfe verzweifelt, und in vollkommener Uneigennützigkeit der übernatürlichen Gaben sich befindet, auf dass, wie Paulus in 2.Kor.4,7 sagt, die Grösse der Kraft nicht dem Menschen, sondern Gott beigemessen werde.
18) Abraham sprach zu Gott: Möchte doch Ismael leben vor dir.
20) Gott erwiderte: Und auch um Ismael habe ich dich erhört. Siehe, ich will ihn segnen und ihn fruchtbar machen, und gar sehr mehren. Zwölf Fürsten wird er zeugen, und ich will ihn zum Haupte eines grossen Volks machen.
Mit diesen Worten bezeichnet Abraham die Glaubensseelen, die ganz und gar entblösst sind, vortrefflich. Beim Überlegen und Betrachten ihres so armseligen und verlassenen Zustandes, rufen sie aus: Wollte Gott! dass wir uns mit so heiligen Handlungen beschäftigen könnten, anstatt so müssig, so unnütz dahinzuleben; und dass Ismael, Bild der vielfältigen Beschäftigungen, nur allein von Gott sein Leben erhalte. Gott aber, diesen Irrtum sehend, gibt die Versicherung, dass Er diesen Pfad auf alle Ihm nur mögliche Weise gesegnet, und ihn mit grossen Vorteilen ausgestattet habe, dennoch soll er nicht der Weg seines Vaters sein, indem dieser Pfad der Weg eines Volkes ist, das sich in diesem Leben vom Fleisch, d.h. vom Empfindlichen nicht los und frei gemacht hatte, da hingegen sein Volk in Jesu Christo es getan. Darum leitet und ordnet Gott die Sache so, dass diejenigen, welche Ihm dies Volk, das Er so lieb hat, erzeugen sollen, zu einem sehr hohen, hoffnungslosen Alter gelangen, auf dass alle, welche von ihnen erzeugt werden, wie Johannes in Kap. 1,13 sagt, nicht vom Geblüt, noch vom Willen des Fleisches, noch vom Willen des Mannes, sondern von Gott selbst geboren sind.
Wie lehrreich ist doch nicht alles in der Heiligen Schrift ! Zu bemerken ist, dass alle an Ismael gemachten Verheissungen begrenzt, somit nicht zahllos sind, wie diejenigen an Isaak, Vorbild des Glaubens und der Gottergebenheit, schrankenlos und ohne Zahl sind, denn Gott selbst ist ja in seiner Nachkommenschaft eingeschlossen und mit inbegriffen. Darum wird auch nichts Geringeres als Gott selbst die Belohnung für eine Glaubensseele sein, laut den Worten, die Er zu Abraham spricht: Ich bin dein sehr grosser Lohn (1. Mose 15,1).
18. Kapitel.
1) Der Herr erschien Abraham im Tale Mambre, da er in der Türe seines Zeltes sass, bei der grössten Hitze des Tages.
Diese Schriftstelle deutet das heftige Verlangen einer Seele an, wie sie Gott aufhaltet und diesen Genuss bewahrt, als sie Ihn in der beschaulichen Ruhe gefunden hat. Abraham sass im Tale Mambre. Wer sitzt, ist in Ruhe. Man muss sich in Ruhe befinden, und zwar in der Ruhe von Verdemütigung und Verachtung, auf dass Gott sich offenbare.
2) Und als er seine Augen erhob, erschienen ihm drei Männer, stehend in seiner Nähe.
3) Und sprach: Herr! habe ich Gnade gefunden vor deinen Augen, so gehe nicht vorüber vor der Hütte deines Knechts.
Diese Seele lässt ihren Vielgeliebten durchaus nicht vorübergehen, ohne dass Er sie mit einem Besuche erfreue; auch möchte sie Ihn für immer zurückbehalten. In dieser einen, wahren Liebe, welche sie zu Gott hat, haltet sie alles für Gott, und möchte alle Menschen wie Gott behandeln. Alsdann ereignet es sich, dass Er sich derselben auf solche Weise mitteilt, dass sie Ihn überall, in allen Dingen findet. Daher behandelt Abraham diese vor ihm stehenden Fremdlinge wie Gott selbst. So sehr ist er von Gott angefüllt, dass er nicht anders reden kann. Zu dreien spricht er wie zu einem allein: Herr, ruft er aus, habe ich Gnade gefunden vor deinen Augen, so gehe nicht vorüber vor der Hütte deines Knechts! Ebenso verhält es sich mit dieser Seele, Gott findet sie in allem, und alles ist Gott für sie.
6) Da eilte Abraham in das Zelt zu Sara, und sprach zu ihr: Eile, und knete drei Mass weisses Mehl, und backe Aschkuchen.
7) Er aber lief zu den Rindern, und nahm das zarteste, beste Kalb davon, und gab es dem Knecht, der eilte, es zu bereiten.
8) Und er nahm Butter und Milch, und das Kalb, das er bereitet hatte, und setzte es ihnen vor.
Alle diejenigen, welche auf dem leidenden Wege der Beschauung innigst und tief von Gottes Liebe sind gerührt worden, finden nichts zu schwer, wenn es um Gottes Verherrlichung zu tun ist. Kein Opfer ist ihnen zu lieb und zu teuer, um Ihm dadurch Beweise ihrer Liebe abzulegen. Deswegen tun sie alles schnell und mit Fertigkeit, ohne doch ihrer Ruhe verlustig zu werden. Wie ihre Liebe, so ist ihre Freigebigkeit beschaffen. Solche Liebe trifft man in Magdalena bei dem Aussätzigen an (Luk.7,37 & Matth.26,6).
9) Nachdem sie gegessen hatten, sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, dein Weib?
10) In einem Jahre soll sie einen Sohn haben. Als Sara dies hörte, lachte sie hinter der Türe des Zeltes.
12) Und sprach bei sich selbst: Nun, da ich alt geworden, und mein Herr auch alt ist, soll ich noch Wollust pflegen?
Jede ihrer Freigebigkeit wird mit der Versicherung der baldigen Erfüllung aller Verheissungen belohnt. Diejenigen aber, welche in Gott noch keinen Bestand haben, sind unschlüssig, und fallen hin und wieder, als Folge der Überlegung ihrer Unfähigkeit und Schwäche, in Zweifel und Misstrauen zurück. Wer aber immer in Gott fest begründet ist, kann weder unschlüssig sein noch Zweifel haben. Wie äusserst selten sind aber solche Wesen! Wo sind solche aufzufinden?
Mit den Worten: Da ich alt bin, soll ich noch Wollust pflegen, wollte Sara nichts anderes sagen, als sie gedächte nicht mehr, sich des Ehestandes zu bedienen. Das ist ein Zeichen, dass sie dies noch auf menschliche Weise, und keineswegs in Gott anschaute.
13) Allein der Herr sprach zu Abraham: Warum lacht Sara, und spricht: Wie soll ich, da ich so alt bin, noch ein Kind haben?
14) Sollte Gott irgendein Ding unmöglich sein?
Abraham, befestigt im Zustande der Gelassenheit und des Glaubens, ist Vater aller, welche nach ihm in diesen Zustand eingetreten sind. Nimmermehr zweifelt er. Daher nimmt er am Fehler Saras keinen Anteil, er hält dafür, wider alle Ursache zu hoffen (Röm.4, 18). Dies gerechte Lob erteilt ihm selbst der heilige Paulus. Der Herr beklagt sich bei ihm über die Zweifelsucht seines Weibes, ihn erinnernd, dass ja Gott nichts unmöglich sei. Solchergestalt gefällt es Ihm, Glauben und Überlassung zu üben, da Er die Dinge nur alsdann gewährt , wenn gar keine Hoffnung mehr vorhanden ist. Allein die noch nicht ganz aus sich selbst herausgezogenen Geschöpfe zweifeln wie Sara, weil sie die Dinge mit der Vernunft anschauen, anstatt dass die Seelen von einem lautern Glauben sie von Seiten Gottes betrachten sollten, dem nichts schwer, nichts unmöglich ist.
15) Sara leugnete und sprach: Ich habe nicht gelacht, denn sie fürchtete sich. Der Herr aber sprach: Es ist nicht also, du hast gelacht.
Diese in sich selbst noch bestehende und lebende Kreatur will sich, bei Bestrafung ihres Zweifels, rechtfertigen. Und da sie trachtet es zu tun, verfällt sie, ohne daran zu denken, in Lügen. Zwei Fehler begeht Sara: Sie log, und beschuldigte Gott selbst durch ihre Entschuldigung. Ist es nicht wahr, dass sie gelacht hat, so bürdet sie die Lüge dem Herrn selbst auf, welcher sie deswegen bestrafte. Allen solchen Menschen, die sich unaufhörlich entschuldigen, geht es also. Sie häufen Fehler auf Fehler in ihren Antworten und Zweifeln, und erfrechen sich, auf Gott selbst den Fehler zu werfen, Ihn der Grausamkeit beschuldigend und sich über Ihn beklagend, als verliesse Er sie und täte nichts zu ihrem Wohl. Eine Glaubensseele in ihrer Treue aber bleibt fest und beständig in allem, was die Vorsehung über sie verhängt, und zufolge dieser Treue zieht sie Gottes Wohlgefallen, begleitet von den grössten Gnaden, auf sich herab, so wie es Paulus in Rom.4,16 bekräftigt: Abraham wurde vermöge seines Glaubens gesegnet.
17) Der Herr sprach: Kann ich Abraham verbergen, was ich tun will?
18) Da er Vater eines sehr grossen und mächtigen Volkes werden soll, und in ihm gesegnet werden alle Völker der Erde.
Gott kann seinem im nackten Glauben gegründeten, und in Ihm ruhenden Diener nichts verheimlichen. Er kann nicht anders, als Er muss ihm seine Geheimnisse offenbaren. Und da er Gottes Geist besitzt (1 .Kor.2,11), weiss er auch, was in Gottes Herz vorgeht. Er unterscheidet sogar ohne Anstand das Verborgenste in den Gewissen, ihre Zustände vermöge eines geheimen Geruchs und göttlichen Geschmacks.
20) Das Geschrei von Sodom und Gomorra hat sich gemehrt, und ihre Sünden sind aufs höchste gestiegen.
21) Darum will ich hinabgehen, und sehen, ob sie das Geschrei, das zu mir kam, vollbracht; um zu wissen, ob es dem also sei, oder nicht.
Bewundern wir die Verfahrungs weise Gottes, die Sünder zu bestrafen. Er selbst will alles untersuchen, denn Er trachtet ja nach nichts anderem, als Gnade zu erweisen. Er gibt sogar seinen Freunden über sein Vorhaben Nachricht, auf dass sie, sofern es noch möglich ist, seinen Zorn abwenden und besänftigen. Allein um seine Geschöpfe zu begnadigen, kommt Er ihnen zuvor, und um sie zu belohnen, erforscht Er die Dinge nicht so genau, weil sich seine Barmherzigkeit weit über sein Gericht erhebt (Jak.2,13).
23) Abraham nahte sich ihm und sprach: Herr! Wirst du den Gerechten verderben mit dem Gottlosen?
24) Wenn fünfzig Gerechte in der Stadt wären, sollten sie auch mit umkommen? Und wirst du nicht den Ort verschonen um fünfzig Gerechter willen, wenn sie darin sind?
Zwei der Engel reisen nach Sodom, und der dritte, der Gott vorstellt, bleibt bei Abraham zurück, welcher allezeit mit Ihm, als mit dem Herrn redet. Hier mögen wir die inbrünstige und kräftige Weise bewundern, mit der Ihn Gottes Freunde für seine Feinde bitten. Als ihre Fürsprecher stellen sie sich vor Gott hin. Die stärksten, die zärtlichsten, wie auch die rührendsten Beweggründe, die sie nur auffinden können, schütten sie mit bekümmertem Herzen vor Gott aus. Sie stellen dem Herrn Gerechte vor Augen, auf dass Er ihrethalben den Missetätern verzeihen möge. Allein, was ist das, so wenig Gerechte unter so vielen Schuldigen? Ungeachtet dessen, wären sie in der Stadt anzutreffen gewesen, würden sie dieselbe doch erhalten haben. Die Diener des Allerhöchsten legen sogar Gott seine eigene Gerechtigkeit vor Augen. Sie stellen Ihm vor, dass Er ja zu keiner Zeit Unschuldige mit Bösewichtern vertilgt habe. Nein, spricht Abraham in Vers 25 zum Herrn, du bist nicht derjenige, der den Gerechten mit dem Gottlosen zugrunde richtet, noch der die Guten mit den Bösen auf gleiche Weise umkommen lässt.
27) Weil ich einmal begonnen, will ich reden mit meinem Herrn, obwohl ich Staub und Asche bin.
Die Demut desjenigen, welcher in tiefer Vernichtung, alles einzig und allein von Gottes Güte erwartend, bittet, ist auf Ihn so einflussreich, dass er von Ihm alles erlangt, wofür er seufzt. Deswegen verspricht Gott Abraham in Vers 32, dass wenn auch nur zehn Ge-rechte sich in der Stadt befänden, er sie nicht verderben wollte. Abraham, Gottes unergründliche Langmut bewundernd, getraut sich nicht mehr, seine Fürbitte fortzusetzen, indem er sicher hofft, Er werde Lot und seine Familie schonen.
33) Und der Herr ging hinweg, nachdem er aufgehört hatte mit Abraham zu reden. Und Abraham kehrte wieder an seinen Ort.
Zwei Dinge sind hier zu bemerken. Erstens, weil Gott seinen besten Freunden nichts abschlagen kann, und es aber durchaus verstockte, unbussfertige Sünder gibt, so lässt Er nicht zu, dass seine Lieblinge etwas anderes verlangen, als was Er ihnen geben und gestatten kann und will. Eben deswegen hörte hier Abrahams Gebet auf, das die Gerechtigkeit Gottes, der ihm ja sonst nichts versagt, keineswegs aufhielt, sich an dieser gottlosen Stadt zu rächen. Zweitens ist wohl zu beachten, dass die Seelen, welche in den unveränderlichen Zustand in Gott angekommen sind, nur so beten können, wie Er will, und wie Er selbst sie dazu anregt, ihnen nichts mehr am Herzen liegt als Gott allein. Anschaulich zeigt sich dieses in Abraham, welcher, vergessend allen eignen Vorteil und alles was Blut und Fleisch angeht, um alles und jedes Gott zu überlassen, nicht einmal nachfragt, was aus Lot, seinem Neffen, bei dem über die Stadt kommenden Strafgericht Gottes werden soll, so sehr war er von Gottes Güte und Gerechtigkeit versichert. Sein eigener Vorteil und derjenige von andern ist ihm gleich viel. Alles ist ihm Eines und das Nämliche in Gott geworden.
Nachdem Abraham dieses Gebet verrichtet hatte, kehrte er wieder an seinen Ort zurück, was die Ruhe in Gott ist, in welcher er vor dem Besuch der drei reisenden Engel sich befand.
19. Kapitel.
1) Gegen Abend kamen zwei Engel nach Sodom, da Lot am Tore der Stadt sass. Und als er sie sah, stand er auf, und ging ihnen entgegen, bückte sich nieder zur Erde und betete sie an.
Mitten in einer so verdorbenen Stadt, wie Sodom war, befindet sich dennoch eine Seele, welche in der Beschauung ruht, und von dem für die Gottlosen bestimmten Untergang errettet wird. Lot zeigt in seiner Ruhe (denn er sass) eine beschauliche Seele an. Und wie er als Abrahams Verwandter aus dem Geschlechte der Gott ergebenen Seelen herstammte, tut er auch das nämliche, was Abraham den Tag vorher getan hatte, freilich in einem weit geringeren Grad. Denn Lot sass noch am Tore der Stadt, welches eine werdende, und von dem Gelärme eigener Tätigkeit noch wenig entfernte Beschauung anzeigt. Abraham aber, an der Tür seiner Hütte sitzend, deutet die von allem Umgang mit den Geschöpfen befreite Ruhe in Gott an.
12) Die Engel sagten zu Lot: Hast du hier noch jemand bei dir? einen Eidam, oder Söhne, oder Töchter. Alle die dein sind, führe aus dieser Stadt.
Ein Anfänger in der Beschauung hat insbesonders noch allerlei Dinge, die ihn zufolge des Umgangs mit den Kreaturen gefesselt halten, von denen er nur mit Mühe loswerden kann. Das ist es, was die Engel nötigt, in ihn zu dringen und ihm so stark zuzusetzen. Allein blosse Worte sind nicht hinlänglich, weil solche Menschen, obwohl scheinbar ganz durchdrungen von Feuer und Inbrunst, nur langsam und zögernd das Vorhabende vollziehen, in welcher Vollziehung nicht wenig Schwierigkeiten zu besiegen sind. Daher muss Gott oder seine Engel solche Menschen bei der Hand ergreifen, um sie vor dem Fall und Untergang zu bewahren, wodurch sie ganz darniedergebeugt würden, wenn sie sich nicht flugs davon losmachten und ausgingen.
16) Da sie aber sahen, dass er allezeit zauderte, nahmen sie seine Hand, und die Hand seines Weibes und seiner zwei Töchter, weil der Herr seiner schonen wollte.
17) Und führten ihn hinaus, und Hessen ihn ausser der Stadt, und sprachen daselbst zu ihm: Errette deine Seele, schaue nicht hinter dich, und bleibe nicht in der ganzen Umgebung, sondern rette dich auf das Gebirge, damit du nicht mit umkommest.
Würde Gott nicht auf solche weise mit diesen Seelen verfahren, so könnten sie wegen ihrer Zaghaftigkeit, wegen ihrer Schwäche und Anhänglichkeit an das Irdische, niemals zum Ziel gelangen. Gott, der sie von allem Erschaffenen wegziehen, und sie zufolge seiner Vorsehung leiten will, gebietet ihnen, dass sie nicht umschauen, und sich nirgends aufhalten sollen. Solche Fehler begehen Menschen von diesem Zustande. Entweder sehen sie hinter sich durch Überlegung zurück, oder sie halten sich bei etwas auf, das weniger als Gott ist, indem sie Vorbehalte machen. Die Engel raten daher, allen Umgang mit den Geschöpfen zu meiden, und hinaufzusteigen auf das Gebirge, was die erhabenste Stufe der Beschauung ist.
18) Lot antwortete ihnen:
19) Aufs Gebirge kann ich nicht flüchten, es möchte das Übel mich ergreifen, dass ich stürbe.
20) Hier nahe ist eine Stadt, in die ich flüchten kann. Sie ist klein, und ich kann mich retten in ihr.
Unschlüssige Menschen, welche ihre Verlierung befürchten, verteidigen sich gegen sie, und möchten durch kluge Massregeln sich in Sicherheit setzen. In dieser Absicht schlagen sie eine Stadt vor, die sie als Zufluchtsort erwählen, d.h. eine Lebensart, in welcher sie sich selbst bewahren und führen können, da ihnen der Mut und die Kraft noch abgeht, gänzlich auf Gott zu trauen, und sich vollkommen seiner Vorsehung zu überlassen. Ja man will sogar unter dem scheinbaren Vorwand in Bezug der Kleinheit der Stadt sagen: Ich will lieber nur auf einem geringen, aber sichern Wege wandeln, als durch so erhabene und gefahrvolle Zustände gehen. Man strebt sogar dahin, Gott selbst zu bewegen, dass Er dies Vorhaben genehmige, zu Ihm sprechend: Ist dies nicht eine kleine Stadt, die wir zu unserer Sicherheit verlangen? Ist das nicht der Pfad der Demut, von der meine Seele lebt?
21) Der Engel antwortete ihm: Siehe, auch in diesem erhöre ich deine Bitte, dass ich die Stadt nicht umkehre, für die du geredet hast.
Gott erhört die Bitten dieser wankelmütigen Seelen, aber nur wegen ihrer Schwachheit. Er lässt ihnen sogar durch Wunder das zukommen, um was sie bitten. Von innigster Freude durchdrungen, denken sie, dass dies Verlangen Gott angenehm, für sie aber vorteilhaft sei, indem Er ja zu ihren Gunsten Wunder wirke. Allein es ist ganz das Gegenteil, denn nur ihrer Schwachheit zuliebe gewährt Er ihre Bitte.
26) Das Weib Lots schaute hinter sich und ward zu einer Salzsäule verwandelt.
Die noch nicht weit geförderte Seele geht in Überlegung ein, und schaut wider Gottes ausdrückliche Gebote hinter sich. Auf diesem Wege ist nichts so notwendig, als vorwärts zu gehen ohne Überlegung. Um dies zu bestätigen, stellt Gott ein Beispiel auf, und verwandelt dies schwache Weib in eine Salzsäule. Hieraus erkennen wir, dass das Salz, d.h. die eigene Weisheit, die eigene Klugheit und Vorsichtigkeit nutzlos sind auf einem Wege, wo nur Gelassenheit und Glaube die Führer sein sollen; und dass eine jede selbstgemachte Massregel zu nichts anderem dient, als uns auf dem Wege des Innern aufzuhalten, weit entfernt uns auf demselben zu fördern.
29) Als Gott die Städte dieses Landes umkehrte, gedachte er an Abraham, und erlöste Lot aus der Umkehrung der Städte, in denen er wohnte.
30) Also begab sich Lot mit seinen beiden Töchtern auf das Gebirge.
Gott befreit im Blick auf den wahrhaft inneren Menschen denjenigen, der nur ein Anfänger war, vom Umsturz der Stadt, die er sich zur Wohnung erwählte. Wegen seinem Gebet, oder vielmehr um Abrahams willen, erhielt er die Weisung, auf das Gebirge zu gehen, um da mit seinen zwei Töchtern in der Höhle, in der Einsamkeit der Beschauung, zu wohnen.
33) Sie gaben ihrem Vater Wein zu trinken diese Nacht.
Er glaubte sich in Sicherheit, sofern er seine zwei Töchter, nämlich das Stillschweigen und die Einsamkeit, bei sich habe. Allein er sieht nicht ein, dass weil er allzuviel auf sich vertraute, sie gerade Ursache von seinem Fall wurden. Gott liess dies deswegen geschehen, um ihm zu zeigen, dass es umsonst sei, sich auf seine eigene Behütung zu stützen (Ps.126,1), wenn Gott ihn selbst nicht bewahrt, und dass Er ihn dadurch zur vollkommenen Überlassung ansporne, in die Er ihn einführen will.
20. Kapitel.
1) Nachdem Abraham nach Gerar verreist war, In der Absicht, dort einige Zeit zu wohnen,
2) Sprach er von Sara, seinem Weibe: Sie ist meine Schwester. Da schickte Abimelech, König von Gerar, und nahm sie hinweg.
4) Abimelch aber hatte sie nicht berührt, und sprach: Herr! willst du auch ein unwissend und gerechtes Volk töten?
Abraham hat nicht gelogen, als er sagte, dass Sara seine Schwester sei, indem sie nach folgender Erklärung wirklich seine Schwester war. Sie war eine Tochter seines Vaters, nicht aber Tochter seiner Mutter. Sie war auch nicht unmittelbar eine Tochter von Tarah, Abrahams Vater, sondern von Aram, Abrahams Bruder. Mithin war Sara eine Enkelin von Tarah, und eine Nichte Abrahams. Daher konnte er mit Recht sagen, dass sie seine Schwester sei, weil sie die Tochter ihres Grossvaters war, und nach der Heiligen Schrift bedeutet das Wort Sohn oder Tochter oft Enkel oder Enkelin. Diesen Fehler mochte Abraham dem Scheine nach begangen haben, nämlich dass er so oft die Ehre und das Leben seiner Frau preisgab. Allein, ausser dass ein Mensch eines so grossen Glaubens nichts tut als das, wozu ihn Gottes besondere Verordnung auffordert, der ihn zu solcher Handlungsweise anregt, ist noch wohl zu beherzigen, dass Gott die Dinge so, wie sie sich zutrugen, zuliess, um der ganzen Welt sowohl Abrahams grossen Glauben, als die ganz besondere Beschützung Gottes gegen diejenigen, welche auf Ihn festes Vertrauen haben, darzulegen und zu offenbaren. Man wird dagegen einwenden, dass wenn Abrahams Glaube so gross, und Gottes Führung in seiner Beziehung so aussergewöhnlich gewesen, Gott ihm doch hätte zu erkennen geben sollen, dass Abimelech sein Weib nicht berühren würde, wenn er es auch nicht kundgemacht hätte. Hierauf ist leicht zu erwidern, dass Gott solchergestalt mit den Seelen, die Er durch den Glauben führt, nicht handelt. Er lenkt und leitet sie wie Er will, ohne sie in Kenntnis zu setzen, was ihnen widerfahren soll. Zudem tut Gott dieses, um ihren Glauben und ihre Überlassung umso mehr zu üben, je weniger Er ihnen sein Vorhaben entdeckt. Übrigens wollte Gott seinen Schutz an den sich Ihm vollkommen ergebenen Seelen so herrlich an den Tag legen, wie auch ihnen seine grosse Liebe so nachdrücklich und ausgezeichnet erweisen, dass dies in allen künftigen Zeiten den Glaubensseelen als ein Beispiel dienen, und ihr Vertrauen auf Gott aufmuntern soll.
5) Ich habe dies in der Einfalt meines Herzens und der Reinheit meiner Hände getan.
6) Und Gott sprach zu ihm: Ich weiss auch, dass du es mit unschuldigem Herzen getan, und darum habe ich dich behütet, gegen mich zu sündigen, und liess es dir nicht zu, sie zu berühren.
Nur zu gewiss ist es, dass viele Menschen sich bereden, wegen ihrer Unwissenheit nicht strafbar zu sein, und dennoch sind sie es wahrhaftig. Denn um nicht zu sündigen, werden zwei Sachen erfordert: Unwissenheit und Herzenseinfalt, wobei vor allem diese Einfalt notwendig ist. Deswegen sagt Gott zu Abimelech: Weil dein Herz einfältig war, liess ich nicht zu, dass du sündigtest. Eher würde Gott unaufhörlich Wunder wirken, als gestatten, dass eine Seele, welche in Einfalt sich Ihm naht, Ihn durch Unwissenheit zu beleidigen. Dies gilt nicht nur für Geistes- oder Gemütssünden, sondern sogar für materielle und körperliche Sünden, laut dem noch dabeistehenden Ausspruch des Herrn: Ich liess es dir nicht zu, sie zu berühren. Allein es geschieht gewöhnlich, dass diejenigen, welche aus Unwissenheit sündigen, wegen anderen Vergehen, die sie mit Überlegung begangen, ein verdorbenes Herz haben. Deswegen sündigen sie aus Abgang der Herzenseinfalt und aus grossem Verderben des Gemüts selbst in Dingen, die sie nicht als sündhaft anerkennen. Daran ist ihr inneres Verderben und ihre Verkehrtheit Ursache. Leicht ist aus Gesagtem zu schliessen, welch grossen Vorteil wir von der Aufrichtigkeit und Einfalt des Herzens ziehen können, was Gott so dringend von uns fordert. Wer einfach und einfältig ist, hat ein lauteres, gerades und aufrichtiges Herz. Hingegen diejenigen, die äusserlich gerecht scheinen, sündigen, weil sie aus Arglist und Doppelherzigkeit, als die Quelle aller Heuchelei, handeln.
9) Hernach rief Abimelech Abraham, und sagte zu ihm: Was hast du uns getan, was haben wir wider dich gesündigt, dass du über mich und mein Reich eine so grosse Schuld gebracht hast?
11) Abraham antwortete: Ich dachte bei mir, vielleicht ist keine Furcht Gottes an diesem Ort, und sie werden mich töten um meines Weibes willen.
12) Sonst aber ist sie auch wahrhaftig meine Schwester, die Tochter meines Vaters, aber nicht die Tochter meiner Mutter.
Aus dem Vorwurf, den Abimelech Abraham machte, erkennen wir die Unschuld und
Herzenseinfalt dieses Königs, wie auch seine Furcht, Gott zu missfallen, die den Herrn nötigte, ein zweifaches Wunder zu wirken, um sowohl Saras Ehre zu retten, als diesen Fürsten vom Verbrechen zu bewahren. Ich habe diese Stellen absichtlich angeführt, um die Treue Gottes gegen seine kleinen Geschöpfe darzutun, wenn sie nämlich von ganzem Herzen sich Ihm anvertrauen, und seiner Sorge überlassen wollen, und immer ein aufrichtiges Verlangen haben, Ihm zu gefallen, wie auch eine wahre Abneigung gegen die Sünde zeigen.
16) Zu Sara aber sagte er: Siehe, ich habe tausend Silberlinge deinem Bruder gegeben! Das sei dir zur Decke der Augen vor allen, die bei dir sind, und wo du hinkommen wirst, so gedenke, dass du ertappt wurdest.
Die Schönheit einer Weibsperson, wie keusch sie immer sein mag, kann ihr zum Fall gereichen, wenn in ihr nicht ein heiliges Schamgefühl vorherrschend ist, das sie antreibt, sich zu verbergen. Ein so heiliges Weib, wie Sara, hatte eine solche Zurechtweisung nötig, weil sie als Jungfrau und nicht als Verehelichte wollte angesehen werden. Eine solche Zurechtweisung bekam sie von einem Fürsten in einer Zeit, wo Gott sein Gesetz noch nicht schriftlich kundgemacht, wohl aber in den Menschenherzen eingegraben hatte. Wie äusserst nötig wären gleichlautende Ermahnungen für christliche Weiber, welche so zahlreich durch die Eitelkeit der Welt sich verführen lassen. Wie ernsthaft und unbeugsam sollen ebenfalls Seelenführer sein, wenn sie gegen Unehrbarkeit und schandvolle Blösse losziehen, woran die Kirche sich so sehr ärgert? Ein reines Herz genügt nicht, es wird noch dazu erfordert, dass die äussere Ehrbarkeit die Sünden verhindere, welche andere wegen allzu freiem Anschauen einer solchen schönen Person begehen möchten; wenn ihr Herz selbst auch weit vom Laster der Unzucht entfernt wäre. Die Augendecke oder der Schleier, welchen Abimelech der Sara schenkte, ist eine sehr ernsthafte Weisung für christliche Frauen, die immer mit verschleiertem Angesicht, besonders zur Kirche, gehen sollten, was Paulus ebenfalls den Korinthern angeraten (1.Kor.11,6). In dieser Hinsicht kann man nicht genugsam vorsichtig sein. Das Äussere ist ja sehr oft der Spiegel von einem lauteren oder verdorbenen Herzen.
Der Schleier enthält in sich noch einen ganz göttlichen, geheimnisvollen Sinn. Durch Gottes Fügung geschah es, dass Sara, das von Ihm dazumal am meisten begnadigte Weib, einen Schleier erhielt, um innere Seelen zwei Dinge dadurch zu lehren, nämlich wie sie Gottes Gaben unter dem Schleier der Verschwiegenheit und Einsamkeit bewahren sollen, und dann wie Gott sich des nackten Glaubens bedient, um die Gnaden und Gaben zu bedecken, welche Er solchen Seelen erweist; wie auch sie in Sicherheit zu erhalten, wenn Er erkennt, dass eben diese Gnaden sie der Gefahr aussetzen, durch Eitelkeit und geistlichen Stolz in die Schlinge des Teufels zu fallen. Daher sagte Abimelech zu Sara, ihr zu einem Schleier Geld darreichend: Sei eingedenk dass du ertappt wurdest. Von nun an bedrohte Sara keine Gefahr mehr, so wie auch eine Seele keine Gefahr mehr zu befürchten hat, sie eingeführt wurde in den nackten Glauben. Für die Seele ist er eine Bewahrung, weil er ihre Gnaden und Tugenden verbirgt, und sie vor eitlem Wohlgefallen an denselben beschützt, und folglich all ihren Einfluss zu ihrem Untergang abhält.
21. Kapitel.
1) Der Herr suchte Sara heim, wie er ihr verheissen hatte, und erfüllte sein Wort.
2) Und sie empfing, und gebar einen Sohn in ihrem Alter, um die Zeit, welche Gott ihr vorhergesagt.
Da liegt vor Augen die Erfüllung der Verheissungen Gottes, und zwar zur Zeit, die Er bestimmt, und nicht allezeit nach unseren Ansichten. Das eigentliche, wahre und innere Leben wird vom Glauben, durch Abraham vorgebildet, erzeugt; und von der Gelassenheit, durch Sara bezeichnet, geboren. Somit ist Abraham der Vater aller inneren Seelen, weil er nach Paulus der Vater aller derjenigen ist, welche glauben (Röm.4,11), und weil das innere, geheimnisreiche Leben seinen Ursprung vom Glauben hat.
3) Abraham nannte den Namen seines Sohnes, den ihm Sara geboren, Isaak.
4) Und beschnitt ihn am achten Tage, wie ihm Gott geboten.
7) ... Sara säugte ihn mit ihrer Milch.
Sobald das innere Kind geboren war, begann der Glaube dasselbe durch Wegschneidung, bevor Vertrauen und Gelassenheit es mit Milch ernährten, zu reinigen.
8) Das Kind wuchs und ward entwöhnt, und Abraham machte ein grosses Mahl am Tage, da es entwöhnt ward.
Wenn dieses werdende und aufkeimende Innere auf einige Zeit mit der süssen Milch des gefühlvollen Vertrauen ist ernährt worden, so wird es in Hinsicht auf den geschmackvollen Ausfluss, welcher die Wonne ihrer geistlichen Kindheit ausmachte, entwöhnt, um von derselben nichts mehr als die Wesenheit zu behalten. Sie leidet bei dieser Entwöhnung allerdings Schmerzen, allein der Glaube erfreut sich so sehr darüber, dass er sogar ein grosses Fest feiert, weil diese erste Entblössung das Wachstum des Kindes, wie auch das Aelterwerden im geistlichen Leben befördert.
9) Da Sara sah, dass der Sohn Agars, der Ägypterin, mit ihrem Sohne spielte, sprach sie zu Abraham:
10) Treibe diese Magd aus mit ihrem Sohne, denn der Sohn dieser Magd soll nicht Erbe sein mit meinem Sohn Isaak.
Wenn die Überlassung sieht, dass dieses noch ganz zarte Innere von der Süssigkeit und der Milch des geistlichen Lebens, das sich mit dem tätigen und vielfältigen Leben zu ergötzen sucht, noch unlängst ist entwöhnt worden, dann spricht sie zum Glauben: Treibe alles und jedes, was noch von besonderer Wirkungsweise und Mannigfaltigkeit übrigbleibt, hinaus, und mein Sohn soll durchaus keinen Umgang pflegen mit solchen, die sich an dieselben festhalten, und nicht vorwärtsschreiten wollen. Denn da sie Sklaven von ihren eignen Erfindungen sind, werden sie niemals Gott allein erben, welcher als Erbteil dem Freien aufbewahrt wird, der meines Sohnes ist, den ich geradehin zu Gott, vermöge meiner gänzlichen Übergabe führen werde, auf dass er in Ihm allein seinen ewigen Anteil finde.
11) Dies schien Abraham hart um seines Sohnes willen.
Abraham wünschte diesen vielverflochtenen Sohn in seinem Hause zu behalten, weil er auch ein Sohn des Glaubens ist. Allein er ist der Sohn eines Glaubens, der in Begriffen besteht, voll Eigenheit ist, und deswegen vermischt ist; und nicht eines Glaubens, der geistiger Art, unwahrnehmbar und in Gott verloren ist.
12) Aber Gott sprach zu ihm: Alles was Sara dir sagt, gehorche ihrer Stimme, denn es ist Isaak, von dem deine Nachkommenschaft ausgehen soll.
13) Aber auch den Sohn deiner Magd will ich zum grossen Volke machen.
Gott gibt dem Glauben zu verstehen, dass Er diesen noch im Natürlichen so sehr versunkenen Sohn verlassen, und alles blindlings tun soll, was ihm die Gelassenheit zu tun befehlen werde. Er macht ihm kund, dass dies die Richtschnur seines Hauses sein müsse, weil vom Sohne der Gelassenheit und des Glaubens seine Nachkommenschaft entspriessen soll.
Eben deswegen, wenn die Heilige Schrift von Ismael redet, trennt sie ihn von Abraham, sprechend, dass er Vater eines grossen Volks sein werde. Spricht sie aber von Isaak, so versichert sie, dass Abraham in ihm Vater einer unzählbaren Nation heissen werde, wodurch sie uns andeutet, dass durch den einzigen Sohn der blinden Gelassenheit der Glaube seine Nachkommenschaft begründen könne.
14) Abraham stand des Morgens auf, und nahm Brot und einen Schlauch Wasser, und legte es auf Agars Schultern, und gab ihr den Knaben und entliess sie. Und sie schied und irrte umher in der Wüste Beerseba.
Der Glaube begnügt sich damit dem vielfältigen, selbsttätigen Leben Vorrat zu verschaffen, denn es kann denselben nicht entbehren. Und dieser Vorrat besteht aus Brot und Wasser, aus Unterstützung und Nahrung, wie auch aus einigem Erguss empfindlicher Gnaden, um dadurch zum Gehen Kraft zu erhalten. Sobald aber das Wasser, als seine Stütze, welches die Süssigkeit der Gnade vorbildet, zu fliessen aufhört, verliert dies Leben allen Mut. Agar und ihr Sohn schieden und irrten in der Wüste umher, d.h. die in Mannigfaltigkeit Lebenden wandeln nie auf einem festen und geraden Weg wie diejenigen, welche in Einfalt und Gelassenheit vorwärts schreiten. Irrend gehen sie von Ort zu Ort, von Gegenstand zu Gegenstand, von Pfad zu Pfad, und plötzlich fallen sie bei Ermangelung des Wassers der empfindlichen Gnade in Mutlosigkeit; sie gehen nimmer vorwärts und stehen ganz still.
15) Als das Wasser im Schlauche ausgegangen war, legte sie den Knaben unter einen der Bäume, die da waren.
16) Und ging und setzte sich gegenüber von Ferne, einen Bogenschuss weit, sprechend: Ich kann den Knaben nicht sterben sehen. Sie erhob ihre Stimme und weinte.
Ihren Sohn lässt sie unter dem Baum, oh. sie setzt alle Hoffnung auf irdische Dinge. Und als sie sich hernach davon entfernt, weint sie über den vermeintlichen Verlust, und glaubt alles sei verloren, was sie Gutes gewirkt, sprechend: Soll ich dasselbe zugrunde gehen sehen, was ich so mühevoll errungen habe? Allein, wenn Gott solche Seelen durch Trübsale heimsucht, kehren sie zu Ihm wieder um, sie jammern und schreien zu Ihm, und setzen sich; was nichts anderes sagen will, als dass sie müde von ihrer Unruhe, von ihrem Seufzen und Jammern, sie ein wenig in innerer Stille weilen. Darauf lässt ihnen Gott neue Gnaden und Süssigkeiten zukommen, um sie zu unterstützen und sie auf sanfte Weise zu nötigen, auf ihrem Wege fortzuwandeln; sonst würden sie alles im Stiche lassen.
17) Gott erhörte die Stimme des Knaben.
19) Und öffnete zugleich Agar die Augen. Sie sah einen Wasserbrunnen, und ging hin, und füllte den Schlauch, und gab dem Knaben zu trinken.
20) Gott war mit ihm, und er wuchs, und wohnte in der Wüste, und als er herangewachsen, wurde er ein Bogenschütze.
Die Stimme des kindlichen Jammers hat diese Bedeutung, dass Gott sich des Guten erinnert, welches diese vielverflochtene Seele zu wirken getrachtet hat, und Gott tröstet sie aus Mitleid gegen ihre Schwachheit. Er macht, dass sie Wasser findet, denn sie tut alles durch eigene Wirksamkeit, daher sie auch nur irdische Wasser schöpft, das sie selbst holt, und ihren Vorrat tragen muss. Auf diese Weise handeln nur diejenigen, welche sich mit Übungen, mit Vorrat und vielerlei Gedanken beladen und anfüllen. Gott sieht ihre kleinen Sorgen gnädig an, und hält sich zu ihnen, und unterweist sie zum Kampf. Sowohl ihr Fleiss als ihre Sorgfalt nimmt grossen Anteil an allem und jedem, was sie tun. Sie leben von dem, was sie sich durch ihre Arbeit erwerben, oder im Streit erobern. So anschaulich zeigt sich das wirksame Leben nirgends wie hier.
33) Abraham aber pflanzte einen Hain zu Beerseba, und rief an diesem Ort den Namen des Herrn, des ewigen Gottes, an.
34) Und im Lande der Philister wohnte er lange Zeit als Fremdling.
Abraham, Vater der Gläubigen und Mann des grössten Glaubens, der jemals zu finden war, rief an allen Orten den Namen Gottes an. Denn da er sich in einem unablässigen Gebet befand, liess er allenthalben Kennzeichen seiner Anrufung, seines Gebets und seines Opfers zurück. Die Heilige Schrift nennt hier den Herrn, den ewigen Gott, um uns zu unterrichten, dass da Er immer Gott ist, wir Ihn als Gott in tiefster Selbsterniedrigung verehren, zu Ihm flehen und Ihn anrufen sollen. Solchergestalt muss unser Gebet und unser Gottesdienst ewig dauern. Darum spricht Jesus Christus selbst, dass man im Gebet ausharren und nicht nachlassen müsse (Luk.18,1); und Paulus will, dass man ohne Unterlass beten soll (1.Thess.5,17). Allein nur der Zustand des Glaubens kann ein unaufhörliches Gebet erzeugen.
Von den Glaubensseelen fordert Gott noch eine andere Sache, nämlich, dass sie wie Fremdlinge auf der Erde wohnen sollen, so zwar, dass sie sich durchaus bei nichts Erschaffenem, weder Körperlichem noch Geistlichem aufhalten, sondern geradezu zu Gott gehen sollen. Abraham bleibt Fremdling auf Erden auf solche Weise, dass er nirgends einen beständigen Aufenthalt hatte, damit er uns zum Vorbild der Entwerdung, worin uns der Glaube versetzt, diene. Nicht immer verlangt Gott diese äussere Lebensart von allen Glaubensseelen, wiewohl Er es von einigen gleichfalls verlangt, welche wahre Kinder Abrahams werden sollen. Allein in Hinsicht des inneren Lebens fordert Er es von allen, die durch den Glauben und die Gelassenheit geführt werden; sonst wäre ja ihr Zustand nicht ein wahrhafter, sondern ein eingebildeter Zustand. Die andern Seelen, welche auf dem Wege der Gaben und göttlichen Schenkungen, und nicht auf dem Pfade des blinden Glaubens wandeln, hausen sich bei ihnen selbst ein, und befinden sich dabei sehr ruhig und zufrieden. Die Glaubensseelen hingegen geniessen keine Ruhe, bis sie sich vollkommen selbst verlassen haben, ausgehend gleich andern Abrahamen aus ihrem Lande, aus dem Ort ihrer Verwandtschaft, um sich auf einem andern Grund und Boden, der Gott ist, durch gänzliche Selbstverleugnung und ausnahmslose Selbstverlierung in den Schöpfer, zu begeben; und unaufhaltsam, rastlos vorwärts zu gehen, bis sie an den Ort ihrer Urbestimmung, gemäss dem ihnen gemachten Versprechen, sobald der Glaube sich ihrer Herzen bemächtigt hat, angekommen sind. Denn vom Augenblick an, als er in ihnen siegreich geworden, lässt er sie in nichts mehr, weder in ihnen selbst, noch in etwas Erschaffenem Ruhe finden, und er, dieser Glaube nämlich, gibt ihnen zu verstehen, dass alles ausser ihnen verloren gehen müsse, und dass, wenn sie getreu dem Glauben nachleben, wie hart und widrig es ihnen immer vorkommen mag, sie unfehlbar in ihr Ziel und Ende gelangen werden.
22. Kapitel.
1) Und da dies geschehen, prüfte Gott Abraham, und sprach zu ihm:
2) Nimm deinen einzigen Sohn, den du so sehr lieb hast, Isaak, und ziehe ins Land des Gesichtes, und opfere ihn daselbst zum Brandopfer auf einem der Berge, den ich dir zeigen werde.
Gott versucht Abraham, um die letzte Prüfung an seinem Glauben vorzunehmen, und ihn so weit zu befördern, dass er in vollendeter Nacktheit, in gänzlicher Entledigung aller Stützpunkte (nicht nur jener, von welchen er schon früher durch das Auswandern aus seinem Lande befreit wurde, sondern auch derjenigen, auf die er sich in Gott selbst, in allen seinen Guthaben und Verheissungen verliess) vor aller Welt erscheint. In gar nichts schont ihn Gott. Darum, um den Zustand der Dinge recht hart und bitter, seinen Glauben aber sehr grossmütig zu machen, seine Liebe zu prüfen und zu reinigen (wie sie auch von allem Eigennutz, aller fremdartigen, wenn gleich durchaus rechtlichen Freundschaft zu entledigen) spricht Er zu ihm: Nimm deinen einzigen Sohn. Sehr sanft und lieblich ist dieser Ausdruck dein Sohn, ja dein einziger Sohn. Daraus entnehmen wir, wie überaus lieb er ihm sein musste. Er fährt fort, sprechend: Deinen Sohn, den du so zärtlich liebst; um ihm durch diese seine Liebe den schmerzvollsten Schlag zu geben. Er nennt ihn bei seinem Namen Isaak, wodurch Er ihm alles Angenehme von dem liebenswürdigen Opfer vor Augen legt, auf dass er umso lebhafter die Grösse seines Verlusts einsehe, und dieser ihm umso empfindlicher werde. Nachher sagt Er weiter: Komme, und opfere ihn mir auf einem entfernten Berge. Ist das nicht in der Absicht geschehen, damit der lange Weg stärker seinen Glauben prüfe? Isaak, für alle Zeiten das Vorbild des leidenden Lebens und der Beschauung, muss zugrundegehen. Der Glaube muss dies Leben opfern, er muss ihm den Todesstreich versetzen, auf dass in ihm gar nichts mehr übrigbleibe, was die gänzliche Versenkung in Gott verhindern könnte.
Allein weit entfernt, dass eine so harte Prüfung den Glauben dieses Patriarchen schwächte, gewinnt er vielmehr einen Zuwachs von neuer Kraft. Und wiewohl das so auffallende an ihn gemachte Gebot demjenigen ganz entgegengesetzt ist, was Gott an die ganze Menschheit ergehen liess, nämlich kein Menschenblut zu vergiessen, und es ihm nach der Vernunft und aus Furcht Abscheu erregen musste, einen Kindermord zu begehen, so verschlingt dennoch der Glaube alle diese Einwendungen. Abraham vertraut sich Gott an über Vernunft und Glaube, und macht es sich zur Pflicht, dasjenige auszuführen, was ihm befohlen worden ist. Er opfert also, zufolge dieses unvergleichlichen Glaubens (Hebr.11,17) seinen Sohn Isaak, wenn er schon für ihn die Verheissungen erhalten, und dieser sein einziger Sohn war. Er opfert ihn nach den an ihn von Gott gemachten Verheissungen ungeachtet, dass seine Nachkommen von Isaak herstammen sollen. Allein er dachte bei sich selbst, Gott könne ihn wohl wieder zum Leben erwecken, daher erhielt er ihn auch als ein geheimnisvolles Vorbild wieder zurück. Solchergestalt beschreibt Paulus die Grösse und Erhabenheit dieses Opfers wunderschön.
Gott prüft zuweilen die Grösse des Glaubens derjenigen, welche Ihm ganz ergeben sind, mit sonderbaren Aufforderungen. Das tätige Leben verliert den Mut wegen Kleinigkeiten, wegen Abgang des Wassers empfindlicher Gnaden wird es traurig, und hält sich auf. Der Glaube aber wird selbst wegen einem Verlust des liebenswürdigsten Gegentandes nicht erschüttert; sich selbst muss er schlachten, während die Tätigkeit wegen Verlust ihrer Früchte untröstlich ist. Der Unterschied dieser zwei Wege ist sehr wesentlich und er kann nicht besser erklärt werden, als durch diese zwei Schriftstellen, in denen man durch die Verschiedenheit dieses zweifachen Mutes den Unterschied der zwei Wege einsieht, so wie man es im Zusammenhang der ganzen Geschichte Abrahams, der Agar, des Isaaks und Ismaels bemerken kann.
3) Also stand Abraham des Nachts auf, gürtete seinen Esel, und nahm mit sich zwei Knechte, und seinen Sohn Isaak. Und als er das Holz zum Brandopfer gespalten, ging er an den Ort, den Gott ihm gesagt hatte.
Welche überraschende Fertigkeit Abrahams oder des Glaubens im Gehorchen! Er erwartet nicht den anbrechenden Tag, er verreist noch in der Nacht. Dies deutet, wie seinen Fleiss und Eifer, so auch die Dunkelheit seines von allen Lichtern und Zeugnissen entledigten Glaubens an. Eben dieser Glaube ordnet alles selbst. Er lässt sich wohl von einigen Knechten begleiten, aber helfen dürfen sie ihm nicht. Zum Opfer bereitet er das erforderliche Holz selbst, um sich ja unter keinem Vorwande dem Gehorsam zu entziehen, obschon es eine Sache betrifft, die der Vernunft zufolge in mancher Hinsicht verdächtig schien. 0 Glaubenstreue, o Glaubensgrossmut! Nicht ohne Grund bist du die Urquelle, die Urwurzel eines so grossen Volks, wie auch zahlloser Heiliger, welche umso wundervoller vor Gott erscheinen, je verborgener vor den Menschen sie waren!
4) Am dritten Tag erhob Abraham seine Augen, und sah den Ort von ferne.
0 bewundernswürdige Standhaftigkeit des blossen, und aller Überlegungen und Rücksichten befreiten Glaubens. Nicht wankend wirst du auf diesem so langen Wege! Die Gegenwart deines so liebenswürdigen Sohnes, von dem Abraham der unschuldige Mörder werden soll, macht dich nicht straucheln! Alle natürlichen und göttlichen Beweggründe sollten ihn am Fortwandeln auf diesem Wege nicht hindern, ihn nicht (aus Furcht betrogen zu werden, Fehlschritte zu tun, ein Verbrechen gegen Gott, und eine grausame Handlung gegen seinen geliebten Sohn zu begehen) mit Gewalt zurückreissen? Allein, wie weit ist der nackte Glaube von solchen Vernünfteleien entfernt! Solche Bedenklichkeiten sind nicht mehr in ihm zu finden. Er hat kein Auge mehr, um sich selbst anzuschauen. Gottes Gebot genügt ihm, und er befriedigt sich damit zu glauben, dass Er es befohlen, ohne selbst nachzuforschen, ob er es glaube oder nicht. Er hat nur Ohren um zu hören. 0 Glaube, du versetzest Berge, ja du tust noch viel grössere Dinge (Matth.21,21).
5) Er sprach zu seinen Knechten: Wartet hier mit dem Esel. Ich und der Knabe wollen dorthin eilen, und zu euch zurückkehren, wenn wir angebetet haben.
Seine Knechte führt er nicht mit sich auf den Berg, an den Ort, wo das Opfer dargebracht werden soll. Sie waren allzu unfähig, etwas so Erhabenes zu fassen, und würden sich noch darüber geärgert haben. Die Geheimnisse des Innern darf man denen, die Gott noch als Lohnknechte dienen, nicht entdecken. Wohl kann man die Wege des allerreinsten Glaubens solchen anvertrauen, welche als Freunde Gottes Ihm schon ohne Eigennutz dienen. Aber von den alleräussersten, grössten Überlassungen und Übergaben kann man nur zu den Kindern sprechen, die gleich Isaak würdig sind, die Opfer zu lernen, welche Gott zu ihrem Urheber haben, und die an ihnen selbst vollführt werden sollen. Es kann auch sein, dass Abraham deswegen seine Knechte zurückliess, weil er befürchtete, sie möchten ihn aus falschem Mitleid an der Ausführung des grossmütigen, aber dem Scheine nach verwegenen Vorhabens, hindern und abhalten.
6) Abraham nahm das Holz zum Brandopfer, und legte es auf seinen Sohn Isaak. Er selbst aber nahm das Feuer und Schwert in seine Hände, und beide gingen miteinander.
Was sollen wir hier am meisten bewundern, die Glaubenshärte, die erbarmungslos das arme Opfer beladet, oder die Grossmut der Seele, das Kreuz anzunehmen, welches ihr Opfer vollenden soll? Sehr lebhaft wird es durch das Holz vorgebildet, das man dem Schlachtopfer zu tragen aufbürdet. Glaube, Kreuz und Brandopfer gehen miteinander, und stimmen darin überein, das Opfer auf die Todesstätte zu führen.
Feuer und Messer müssen miteinander verbunden werden, um dies Opfer zu schlachten und in Staub und Asche zu verwandeln. 0 wunder-schönes Vorbild des Innern, von Christi Wort unterstützt! Gekommen bin ich, spricht Er, zu bringen das Feuer auf Erden, und was wollte ich anders, als dass es brenne? (Luk.12,49). Und weiter: Ich bin nicht gekommen den Frieden zu bringen, sondern das Schwert (Matth.10, 34). Töten muss das Messer, und brennen das Feuer; und dies ist der nackte Glaube, der diese beiden Verwüstungen in der Seele anrichtet.
7) Isaak sprach zu seinem Vater: Hier ist Feuer und Holz, wo ist aber das Schlachttier zum Brandopfer?
Diese Frage Isaaks deutet die Unwissenheit an, durch die der Glaube die Seele führt, bis dass sie an den Ort des Richtplatzes angekommen. Abrahams Antwort drückt die Überlassung an die göttliche Vorsicht aus, welche den Glauben begleitet; und Isaaks Gelehrigkeit, sich um nichts mehr zu erkundigen, bezeichnet die Treue der Seele, sich ganz blindlings vom Glauben und der Gelassenheit führen zu lassen. Allein, wenn die Seele beim bevorstehenden Tod und gewissen Untergang ihr Betragen ändern wollte, wäre es etwas Unbedeutendes und Zweckloses für die grossmütige Seele, für dies unschuldige Schlachtopfer, sich im Dunklen führen zu lassen.
8) Abraham antwortete: Gott wird sich ein Schlachtopfer ausersehen, mein Sohn!
9) Und als sie an den Ort kamen, den Gott ihm gezeigt hatte, baute er daselbst einen Altar, und legte das Holz darauf. Und als er seinen Sohn Isaak gebunden hatte, legte er ihn auf den Altar Ober die Lage des Holzes.
Das liebwerte Schlachtopfer muss sich durch die Glaubensbande an das Kreuz anheften lassen, ohne Anstand, ohne Klagen muss es den Hals unter das Messer beugen. Dies alles geht in einem grossen Stillschweigen, in tiefem Tode vor sich, welcher Tod der Natur nicht die geringste Erleichterung, ja sogar kein Seufzen, kein Klagen gestattet. Wahrlich, wenn auch Isaaks natürlicher Tod dazumal nicht erfolgte, ward doch sein mystischer Tod unfehlbar vollendet, da alle Hoffnung aus ihm verschwand, und alle Lebenslust in ihm erstorben war. Das Ersterben und Auslöschen des eignen Lebens, um inskünftig nur in Gott allein zu leben, war der gerechte Lohn dieses überaus grossen Opfers, das er aus ganzem Herzen angenommen. Daher war auch der Tod des Widders das Vorbild des geheimnisreichen Todes, den Isaak wahrhaft durchgegangen; da dies wirklich und wesentlich ein mystischer und tiefsinniger Tod war. Wir mögen ihn sowohl von seiten Isaaks auf Jesus Christus, als von seiten des Widders, der für Isaak starb, betrachten.
10) Er streckte seine Hand aus, und ergriff das Schwert, um seinen Sohn zu schlachten.
11) Und siehe, der Engel des Herrn rief vom Himmel und sprach: Abraham, Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich.
12) Der Engel sprach: Strecke deine Hand nicht aus Ober den Knaben, und tue ihm nichts, denn nun weiss ich, dass du Gott fürchtest, und hast auch deinen einzigen Sohn nicht verschont um meinetwillen.
Auch in Hinsicht des Glaubens war das Opfer vollkommen, denn Abraham hatte beim Aufheben des Armes einen aufrichtigen Willen, diesen so geliebten Sohn zu schlachten. Die Art und Weise, wie auch die Zeit, deren sich Gott bediente, um die Ausführung dieses so ausserordentlichen Vorhabens zu verhindern, sind anstaunungswürdig, woraus wir seine Leitung und Führung der Seelen auf solcher Stufe kennenlernen. Erstens erwartet Gott die äusserste Not, den letzten Augenblick, um die hilfreiche Hand zu bieten, weil Zeugnisse und Versicherungen nicht mehr für sie taugen, sondern allein der göttliche Augenblick, der bewirkt, dass die Dinge weder geschehen, noch dass man sie erkennt bis im Moment, in dem sie ausgeführt werden sollen, und früher nicht. Zweitens macht Er gerade dadurch, dass sie in vollkommenem Selbstverlust wandeln. Um sie von allem Wahrnehmbaren und Deutlichen frei zu machen, gibt Er ihnen die Dinge nur alsdann zu erkennen, wenn sie geschehen sollen.
Gott verfährt auch darum noch auf diese Weise mit solchen Seelen, um die Lauterkeit ihrer Liebe auf die Probe zu setzen. Diese Liebe aber ist furchtlos bei allem Verlust, auf dass sie Gottes Willen erfülle. Ja sie geht so weit, dass sie sich nicht scheut Dinge zu tun, die dem Anschein nach als Übeltaten können betrachtet werden. Aus Übermass der Gelassenheit und des Vertrauens in und auf Gottes Weisheit handelt sie so. Diese Eilfertigkeit des Herrn, den gelassenen und gläubigen Seelen in der äussersten Not zu Hilfe zu kommen, vermehrt ihren Glauben und ihre Gelassenheit. Und diese Gelassenheit und dieser Glaube haben zur Folge, dass die Vorsehung ihre Sorge für solche Menschen, die sich ihr so ganz hingeben, verdoppelt; auch sind dies die eigentlichen Seelen der Vorsehung.
13) Abraham erhob seine Augen, und sah rücklings einen Widder, der mit den Hörnern in den Hecken hing. Er nahm ihn und brachte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes Statt.
Es gewinnt oft den Anschein, als wollte Gott alles geopfert haben, obwohl Er sich in der Ausführung nur mit dem geringsten Teil befriedigt, so wie Er den Widder an Isaaks Statt annimmt.
15) Der Engel des Herrn rief Abraham zum zweitenmal vom Himmel, und sprach:
16) Ich habe bei mir selbst geschworen, spricht der Herr, dieweil du das getan und deines einzigen Sohnes nicht verschont hast um meinetwillen,
17) So will ich dich segnen, und deinen Samen mehren, wie die Sterne des Himmels, und wie der Sand, der am Ufer des Meeres ist. Dein Same soll besitzen die Tore seiner Feinde.
Gott säumt nicht, dieses so grossmütige Opfer seines Dieners zu belohnen. Wie dieser geheimnisvolle Tod, durch den wirklichen Tod und die wahrhafte Verzehrung des Opfers, nämlich des in Staub und Asche verwandelten Widders, der davon ein Bild war, vollendet wurde, so erweist Gott diesem, seinem treuen Freunde neue Begünstigungen, neue Gnaden, und zwar weit grössere, als die ersten waren. Bemerkenswert ist, dass seitdem die Rede vom Schlachten und Opfern gewesen, alle Verheissungen ein Ende nahmen, und die Heilige Schrift nichts mehr spricht, was auf sie Bezug haben könnte. Im Gegenteil wandeln diese heiligen Patriarchen nur im Tode, und zufolge dieser Aufopferung selbst scheinen alle ihnen gemachten Verheissungen eitel und unnütz zu werden, da sie wohl einsahen, dass alles in ihrer Hinsicht der Vernichtung und Zerstörung entgegengeht. Der nackte Glaube aber schaut nimmermehr auf die ehemaligen Güter und Gnaden, noch auf das, was ihm versprochen wurde. Erinnert er sich noch derselben, so gereicht ihm dies Andenken nur zur Vergrösserung seines Todes. Denn die Seele kann und mag diese Dinge nicht mehr in sich sehen, noch etwas für sich zurückbehalten. Allein, sobald das Opfer vollendet, und die Seele vernichtet ist, gibt ihr Gott alle Güter wieder, und zwar noch viel grössere, als sie früher hatte; aber auf eine weit vortrefflichere weise. Denn jetzt besitzt sie dieselben nicht mehr eigenheitsvoll, noch schaut sie dieselben als die ihrigen an, sondern in Gott und als Gott angehörig. wenn von Abraham gemeldet wird, dass sein Same die Tore seiner Feinde besitze, so bedeutet dies nichts anderes, als dass die Seele, welche ehedessen so viele Feinde hatte, die sie aufs grausamste verfolgten, jetzt vermöge ihrer Vernichtung sich so sehr über sie erhaben fühlt, dass sie dieselben unter ihrer Herrschaft und Gewalt hat, und sie wie unterwürfige Gefangene behandelt. Denn die Tore jenes Ortes, worin der Feind eingeschlossen ist, besitzen, heisst ihn gefangen halten, und über ihn Meister geworden sein. Auch seitdem Gott den Teufel solchen Seelen unterwürfig gemacht hat, die Ihm mit grosser Liebe ganz ergeben sind, fürchten sie ihn nimmermehr.
18) Alle Völker der Erde werden durch den, der aus dir entspriessen wird, gesegnet werden, weil du meiner Stimme gehorcht hast.
Damit werden die unbegreiflich grossen Wohltaten ausgedrückt, welche Gott in Ansehung dieser so vollkommenen Menschen andern erweist. Eine der höchsten Guttat ist diese, dass Er sich derselben bedient, um in den Herzen Jesus Christus zu gestalten. Denn eben durch diesen Jesus Christus werden alle heiligen Völker gesegnet werden. Deswegen spricht Gott nicht, wie Paulus an die Galater schreibt (3,16), als Er seine Verheissungen Abraham und seinem Sohne machte: Deinen Söhnen, als redete Er von vielen, sondern deinem Sohne, nur von einem einzigen, der Jesus Christus ist, sprechend.
23. Kapitel.
1) Sara aber lebte hundertundsiebenundzwanzig Jahre.
2) Und sie starb in der Stadt Kirjath-Arba, welches Hebron ist, und Abraham kam sie zu beklagen und zu beweinen.
Nachdem der Glaube und die Gelassenheit den geheimnisreichen Tod bewirkt, muss man auch noch der Gelassenheit verlustig werden. Sterben soll sie, nicht nach dem, was sich in ihr Wesentliches vorfindet (das vielmehr umso vollkommener wird, je mehr es in Gott verborgen liegt), sondern nach dem, was sie Wahrnehmbares, Leichtes und Fertiges, Akten hervorzubringen, besitzt. Denn da dies die Vernichtung noch verhindert, muss es weggehoben werden. Solchergestalt stirbt also die Überlegung, durch Sara vorgebildet, d.h. eine solche Seele verliert vermöge des sich beständigen Überlassens, alle Kraft, sich noch mehr zu überlassen, weil sie eingeht in Gott, in dem sie in vollkommener Gelassenheit verbleibt, und wo sie die Übergabe, welche ihr zu diesem göttlichen Eintritt bis dahin behilflich war, ruhig lässt. Es kostet freilich einige Tränen, wenn man sieht, dass man sich nicht mehr übergeben, überlassen kann. Denn man nimmt dies als das sicherste Kennzeichen seines Verlustes an. Ist man aber in der Gelassenheit und im Verlieren in Gott fest begründet, so verschwindet der Schmerz, und die Überlassung oder Übergabe ist viel reiner, als sie jemals war.
3) Abraham redete zu den Söhnen Heths:
4) Ich bin ein Ankömmling und Fremdling bei euch. Gebt mir ein Recht zu einem Begräbnis bei euch, damit ich meine Leiche begrabe.
5) Da antworteten die Söhne Heths, und sprachen:
6) Höre uns, o Herr! du bist wie ein Fürst Gottes bei uns, erwähle eine von unsern Grabstätten, welche dir gefällt.
Es gibt Gottesfürsten und Weltfürsten. Die Weltfürsten haben nur Wacht in ihren Staaten, und gewöhnlich sind sie noch Sklaven ihrer Untertanen, weil solche Fürsten ohne diese weder bestehen noch sich verteidigen, noch etwas unternehmen können. Gottesfürsten hingegen, als seine vollkommen freien Kinder, sind selbst am Orte ihrer Verbannung, unumschränkte, gewalthabende und mächtige Herren. Die ganze Welt beherrschen sie, werden aber von niemand beherrscht. Wie Fremdlinge wandeln sie unter den Menschen, und sind unabhängig von ihnen. Sie besitzen ein gewisses überraschendes Ansehen, eine Autorität und Würde, welche diejenigen, die sie sehen (ohne dies Geheimnis zu begreifen), nötigt, sie mit Ehrfurcht und Achtung anzuschauen und zu behandeln. Denn sie tragen den Charakter der Gottheit, gleichwie Fürsten Kennzeichen ihrer menschlichen Autorität tragen. Abraham, dessen sonderbar grosser Glaube bewirkte, dass er wie ein herumirrender Fremdling auf der Erde lebte, um auf kein anderes Vaterland, als auf den Himmel Anspruch zu machen; der das Erbteil in seiner Heimat verliess, auf dass Gott selbst sein Erbteil werde; dieser Abraham, sage ich, war ein allgewaltiger Fürst überall, wo er wohnte. Bei jedem Anlass, bei jeder Gelegenheit zeigt sich seine Unabhängigkeit. Er bereichert alle, und von niemandem empfängt er etwas, so wie er zu Sodoms König sprach: Von allem, was dein ist, nehme ich nichts, dass du nicht sagest: Ich habe Abraham reich gemacht (Kap.14, 23). 0 wie unaussprechlich reich ist derjenige, welcher allein Gott zu seinem Erbteil hat! Dies ist des Glaubens Eigenschaft, arm zu machen, um zu bereichern, alles wegzunehmen, um Gott allein als Reichtum zu besitzen. David hat diesen seligen Zustand des nackten Glaubens erfahren, als er sprach: Der Herr ist der Anteil meiner Erbschaft. Das Los ist mir gefallen aufs herrlichste, denn ein herrliches Erbe ist mir geworden (Ps.16,5-6).
24. Kapitel.
1) Abraham war alt und wohl betagt, und der Herr hatte ihn gesegnet in allem.
2) Und er sprach zum ältesten Knechte seines Hauses, der über alles gesetzt war, was er hatte:
3) Schwöre mir bei dem Herrn, dem Gott des Himmels und der Erde, dass du meinem Sohne kein Weib nehmest von den Töchtern der Kanaaniter, unter welchen ich wohne.
4) Sondern in mein Vaterland zu meiner Verwandtschaft ziehest, und daher ein Weib nehmest meinem Sohne Isaak.
Durch diese Schriftstellen wird die Beharrlichkeit des Glaubens angezeigt, und seit der Zeit, als er die Seele fest in Gott begründete, bringt er allerlei Segen und Glück über sie. Denn die mit Gott wesentlich vereinigte Seele wird in Ihm mit allen möglichen Gütern überhäuft, und wie der Glaube allein die Seele in Gott selbst einführen kann, so wird die Seele durch den nämlichen Glauben in allen Dingen gesegnet. Allein dieser weit ausgedehnte Segen wird ihr nur alsdann, wenn sie schon sehr alt ist, d.h. in ihrer Vollendung, zuteil.
Das Land der Kanaaniter ist das Bild der verdorbenen Welt. Niemals wird sich der Glaube mit dieser verbinden; er hat nur Freude mit gottesfürchtigen Menschen, obgleich sie sich noch auf dem Wege der eigenen Wirksamkeit befinden, Bündnisse zu machen; hoffend, dass da solche Menschen schon sündenfrei sind, er sie umso eher mit sich vereinigen könne. In dieser Absicht nur ruft er alle seine ältesten Knechte, die er hat, zusammen. Die Klugheit ist der älteste Knecht des Glaubens, welche der erste treue Hausgenosse ist, der dem Glauben auf seinen Pfaden dient, der ihm aber doch in der Folge sehr beschwerlich fallen würde, sofern er ihn nicht veränderte, wie es nachher gesagt wird. Dieser Knecht ist der älteste, und für den anfangenden, aufkeimenden Glauben der notwendigste, weil er ihn anspornt, vermöge heiliger Klugheit sich Gott zu übergeben. Denn die Klugheit, den üblen Zustand aller Dinge in ihren eignen Händen wohl sehend, macht, dass der Glaube dieselben durch vollkommene Übergabe Gottes Gewalt und Macht anheimstellt. Eben diese Klugheit ist es, welche nach Sprüche 9,10 die Weisheit der Heiligen ist. Darin muss die Anwendung einer wahren Klugheit bestehen. Indes, da der Glaube wahrnimmt, dass die ihm früher so nützliche Klugheit äusserst schädlich wird, wenn sie sich nach seiner gänzlichen Hingabe an Gott mit der menschlichen Vorsichtigkeit verbinden will, ruft er sie in der Person Eliesers herbei, und lässt ihn schwören, dass er das schon beförderte innere Leben niemals mit der Welt verbinden soll, was auch ohne die abscheulichste Vermischung, die je anzutreffen wäre, nicht geschehen könnte; sondern er solle in das Land der Kinder Gottes gehen, ob sie schon noch in der Mannigfaltigkeit wandeln, welches ja auch das Land des ursprünglichen Glaubens ist, um da seinen Sohn zu vermählen, welcher Sohn das innere, schon geheimnisreiche von Gelassenheit und Glauben geborene Leben ist.
5) Der Knecht antwortete: Wenn aber das Mägdlein mir nicht folgen will in das Land, soll ich dann deinen Sohn an den Ort zurückführen, daraus du gezogen bist?
Die vorsichtige Klugheit nimmt schon von ferne ihre Massregeln, und möchte, falls keine Seelen da anzutreffen wären, welche auf den inneren Wegen zu wandeln begehren (was die Vermählung bedeutet, welche der Glaube zu feiern verlangt), den im inneren Leben schon beförderten Menschen, unter Isaak vorgebildet, auf die Bahn der Mannigfaltigkeit zurückführen, lieber als ihn allein auf dem einen und einfachen Pfad einhergehen lassen; obwohl ihn Gott schon vor seiner Geburt in seinem Vater selbst aus derselben hinausgezogen hat. Denn der Glaube besitzt diese Eigenschaft, die Seele in der Zeit der Vielfachheit oder Selbstwirkung zu gewinnen, um sie in Einheit zurückzubringen. Und da er der Seele den Keim seines eignen Lebens mitteilt, so setzt er sie ausserstand, jemals wieder in ihren alten Ursprung zurückzukehren, es wäre denn, dass sie Gottes Ordnung in ihrer Hinsicht gewalttätig umstürzen, und wider seinen willen handeln würde.
6) Abraham antwortete ihm: Hüte dich wohl, meinen Sohn dahin zurückzuführen.
7) Der Herr, der Gott des Himmels, der mich aus dem Hause meines Vaters genommen, und aus dem Lande, darin ich geboren war, der zu mir sprach, mir schwur und sagte: Deinem Samen will ich dieses Land geben, der wird seinen Engel vor dir hersenden, dass du ein Weib daselbst meinem Sohne nehmest.
Der Glaube, welcher diese Seele nie verlässt, bis sie in Gott ist, allwo sie nach Verlust aller Dinge, in vollkommener Einheit alles wieder findet, spricht sehr nachdrücklich: Hüte dich wohl, o Klugheit ! meinen Sohn jemals in das Land der Vielfältigkeit zu führen, aus welchem Gott, zufolge seiner unendlichen Güte, uns herausgezogen hat! Ein solches Vertrauen habe ich, dass der Herr des Himmels und der Erde, der mich herausgezogen aus meines Vaters Haus, aus dem Weg und Umgang mit den Geschöpfen, in dem ich geboren war, und der geschworen, mir dieses Land der Ruhe in Gott zu geben, aber nicht nur mir, sondern allen denjenigen von meinen Kindern, welche auf dem gleichen Wege gehen werden, auf dem ich meinen Isaak, Musterbild der gelassenen und dem höchsten Willen Gottes geopferten Seelen, geführt habe; der Herr, sage ich, wird seinen Engel vor dir hersenden, und alle Dinge also anordnen, dass die Braut, die treue Gefährtin, die Er für meinen Sohn bestimmt, auf den gleichen Pfad sich begibt, wie er, und auch mit ihm das Land des Friedens und der Ruhe in Gott besitzt, das sie der Nachkommenschaft, die aus ihnen wird geboren werden, zurücklassen. Der eben hier bezeichnete Engel ist die Vorsehung, da beginnt das geistliche Bündnis.
8) Und wenn das Weib dir nicht folgen wollte, bist du los deines Eides; aber bringe meinen Sohn nicht wieder dahin zurück.
9) Der Knecht verpflichtete sich durch einen Eid das zu tun, was Abraham ihm geboten hatte.
Der Glaube sagt zur Klugheit, dass wenn dieses Mägdlein, die ich zu wählen hinsende, nicht kommen will, so spreche er sie frei von allem Eid, nur soll sie seinen Sohn nicht wieder dahin führen, sondern ihn in Ruhe und Vereinigung lassen, weil solche, zur göttlichen Ruhe Auserwählten, niemals unter keinem Vorwand, zur Mannigfaltigkeit zurückkehren dürfen. Dies stimmt auch mit dem überein, was anderswo gesagt wird: Wenn ihr meinen Bund haltet, so sollt ihr mir zum Eigentum sein aus allen Völkern, und ihr sollt mein priesterlich Königreich sein, und die heilige Nation, die mir besonders geweiht wird (2.Mose 19,5-6). Hierauf schwur die Klugheit dem Glauben, die gelassene Seele niemals von ihrer Bahn zurückzubringen.
10) Der Knecht nahm zehn Kamele von den Kamelen seines Herrn, und zog hin, und nahm von allen Gütern seines Herrn mit sich, und reiste, und kam nach Mesopotamien zur Stadt Nahors.
Zehn Kamele beladet er, welche die zehn Gebote des Gesetzes vorstellen, die Mose übergeben werden sollen, und welche die echten Mystiker inwendig auf eine weit vollkommenere Art, als es äusserlich nach dem blossen Ausdruck des Buchstabens geschieht, beobachten. Er beladet sie mit allen Gütern seines Herrn, d.h. mit überaus vielen Gnaden, die er sich auf diesem Weg erworben; so zwar, dass Liebe, Glaube und Vertrauen mit allen andern Tugenden ebensoviele Reichtümer waren, um damit die Strenge des Gesetzes zu versüssen und zu bedecken. Nebstdem überbringt man noch diesem Mädchen, zu dessen Auswahl der Knecht gesandt wurde, von allen Gütern des Hauses, welches ihm anerboten wird, auf dass man es, zufolge der Entdeckung aller Vorteile dieses so einfachen, aber ebenso reichen Weges, leichterdings auf denselben hinziehen und sein Wandeln mit Freude auf demselben erzwecken könne. Mesopotamien ist das Land der Furcht Gottes, zugleich aber auch der Vielfältigkeit. Von daher werden die gelehrigen und lenksamen Seelen genommen, um sie in das Land des Friedens und der Vereinigung einzuführen.
11) Und da er die Kamele sich lagern gelassen ausser der Stadt vor einem Wasserbrunnen zur Abendzeit, da die Weiber herauszukommen pflegen, um Wasser zu schöpfen, sprach er:
12) Herr, du Gott meines Herrn Abrahams, komm mir doch heute entgegen, und tue Gnade an meinem Herrn Abraham.
Die Ankunft desjenigen, welcher ausgeschickt war, um dieses Mägdlein (Bild der Seele) aus dem Zustande der Mannigfaltigkeit herauszuziehen, ereignet sich des Abends. Dies deutet an, dass sich das Mägdlein in einer halbangefangenen Ruhe, oder nahe bei der Ruhe befindet, da es am Ende des Tages seiner Selbstwirksamkeit ist. Denn Gott sendet zur gehörigen Zeit jemand, um auf die einfache Bahn hinzuweisen. Der Gesandte sucht diese Seele beim Wasserbrunnen, d.h. selbst bei Verrichtung des inneren Gebets, worin sie aus all ihren Kräften sich bemüht, gleich allen jungen und zarten Seelen, Gnadenwasser zu schöpfen. Er lässt die Kamele ausser der Stadt lagern, um anzuzeigen, dass die vom leidsamen Glauben herkommenden Gnaden nicht im Tumult, sondern in der Ruhe ausgeteilt werden. Darnach sich zu Gott wendend, verrichtet er sein Gebet; in welchem dieser so sehr Gott ergebene Knecht kein Wort von sich redet. Er beschwört Gott nur bei Abraham, seinem Meister, und zu dessen Vorteil, weil er wohl weiss, dass der Glaube alles erhalten kann.
13) Siehe, ich stehe bei dem Wasserbrunnen, und die Töchter der Einwohner dieser Stadt werden herauskommen, um Wasser zu schöpfen.
14) Das Mägdlein nun, zu dem ich sagen werde: Neige deinen Krug, dass ich trinke; und sie mir antwortet: Trinke, und auch deine Kamele will ich tränken, die ist’s, die du deinem Knechte Isaak bestimmt hast; und daran will ich erkennen, dass du Gnade an meinem Herrn getan.
Er bittet Gott, dass Er ihm doch die zur Ruhe bestimmte Seele unter so vielen andern, welche den gleichen Weg verfolgen, zu erkennen geben möchte. Ganz sonderbar aber und geheimnisvoll ist die Übereinstimmung seines Gebets. Er sieht wohl ein, dass alles, was die Seele aus dem Land der Mannigfaltigkeit und Selbstwirkung heraustreibt, um sie in Gottes Einheit einzuführen, nur die Liebe sei. Er sieht wohl ein, dass diese Liebe mit der gelassenen Seele muss vereinigt werden, und dass nur sie allein es vermag, dieser Seele ihren Bestand in der ausgeläuterten, reinen Liebe, obwohl in grosser Glaubensdunkelheit, zu geben. Daher sucht Elieser für Isaak nichts anderes als die Liebe, aber keine mittelmässige, sondern eine überfliessende Liebe auf, eine Liebe, die fähig und geeignet ist, die in Abraham eingeschlossene Herde Jesu Christi zu tränken. Dies ist so geheimnisreich, dass ein grosser Band zu dessen Erklärung erfordert würde. Wie grossmütig ist nicht diese Liebe! Sie tut mehr, als die Menschen von ihr verlangen. Sie findet hinlänglich Wasser, um allen davon nach ihren besondern Bedürfnissen auszuteilen. Sehr hinreissend ist diese Schriftstelle, die uns so lebhaft vor das Auge hinmalt, wie sich alles so vortrefflich auf die innere Führung bezieht. Das Weib Isaaks musste Mutter, wie auch Säugamme vom Volke des Glaubens werden. Aus dieser Ursache wird erfordert, dass sie die Liebe sei, d.h. dass sie uns von derselben in ihrer eignen Person und in ihrem Betragen eine vortreffliche Abbildung gebe und zurück-lasse.
15) Kaum hatte er die Worte bei sich vollendet, und siehe, da kam Rebekka heraus, die Tochter Bethuels, des Sohnes der Milka, des Weibes Nahors, des Bruders Abrahams, und hatte einen Krug auf ihrer Achsel.
16) Ein Mägdlein wunderschön, eine Jungfrau von keinem Manne noch erkannt, und sie stieg hinab zum Brunnen, und füllte den Krug und kam herauf.
0 wie eilfertig ist doch Gott, Gebete, die vom Glauben herkommen und nach Gerechtigkeit seufzen, zu erhören! Alsogleich kam das Mägdlein, als Elieser sein Gebet verrichtet hatte.
Sehr schön war sie, denn was ist wohl schöner als die reine Liebe, die sich allen so angenehm macht? Sie war eine Jungfrau, weil die göttliche Liebe immer rein und unbefleckt ist; und, ihren Ursprung aus Gott selbst hernehmend, mitten unter den Geschöpfen, ohne durch ihren Umgang sich zu verunreinigen, erhält sie sich allezeit keusch und unschuldig. Zum Brunnen stieg sie hinab, und füllte ihren Krug. Immer ist die reine Liebe von der Demut begleitet, welche sich durchs Ausleeren wieder anfüllt. Sie ist wie ein Brunnen, je mehr er sein Wasser ausströmt, umso viel mehr fliessen ihm aus der Quelle, aus Gott selbst, neue Wasser zu. Daher sind diese zwei Tugenden, vorgestellt unter diesem sinnigen Bild, einer zur Gelassenheit und göttlichen Vereinigung bestimmten Seele durchaus notwendig, weil eine wahre, treuvolle Liebe für andere allezeit reich und angefüllt (für sich aber ganz arm, ohne im geringsten etwas für sich zu behalten) sein muss. Und die vollkommene Demut besteht darin, dass sie sich unablässig von den ihr mitgeteilten Gnadenwasser ausleere, und sie Gott ebenso rein und lauter, wie sie dieselben empfangen hat, wieder zurückgebe.
Das heilige Wort sagt, dass Rebekka zurückkam, dadurch andeutend, dass obgleich die Liebe gegen jedermann wohltätig ist, sie doch gar nichts aufhält. Und wenn sie sich schon schnell entfernt, so lässt sie doch Spuren von dem, was sie an und für sich ist, zurück, indem sie auf der Stelle das von ihr verlangte Gute erweist, und zwar noch mehr als man begehrt.
17) Der Knecht lief ihr entgegen und sprach: Gib mir ein wenig Wasser aus deinem Kruge zu trinken.
18) Und sie antwortete: Trink, mein Herr! Und eilends liess sie den Krug hernieder auf ihre Hand, und gab ihm zu trinken.
19) ... Sie fügte hinzu: Auch deinen Kamelen will ich Wasser schöpfen.
20) Und sie goss den Krug aus in die Tränke, lief zum Brunnen, um Wasser zu schöpfen, und schöpfte, und gab allen Kamelen.
Wer bewundert nicht sowohl die Gnade, als die Eilfertigkeit, mit der sie alle diese Dinge verrichtet? Sogar allen Kamelen will sie Wasser geben, weil die Liebe es ist, welche das durch die Kamele vorgebildete Gesetz tränkt und belebt. Sie übergeht kein einziges, allen gibt sie vollauf von ihrem Wasser zu trinken, weil ohne sie das Gesetz leer wäre. Sobald sie ihren Krug ausgegossen, geht sie neuerdings hin, ihn bei ihrer Quelle aufzufüllen, wo sie alle Güter herholt und schöpft. Bei blossen Worten bleibt die Liebe nicht stehen, sie handelt, indem sie wirklich allen Kamelen Wasser darreicht, wie sie es anerboten.
21) Und der Knecht sah ihr staunend zu und schwieg, um zu sehen, ob der Herr seine Reise gesegnet oder nicht.
Sehr naiv sagt die Heilige Schrift, dass er sie beschaute, weil er vom Hause des Glaubens herkam, in welchem sich selbst alle Dienstboten der Beschauung überliessen. Im Stillschweigen beschaute er sie, was uns das Stillesein und die Ruhe der Beschauung vor Augen
stellt, und er beschaute sie also stillschweigend, um zu wissen, o der Herr seine Reise gesegnet habe oder nicht. Keine Frage tut er an das Mägdlein; er bedient sich nicht der Mannigfaltigkeit des Gesprächs, um über seinen Zweifel erhellt zu werden. Er bedient sich nur der Ruhe, durch welche ihm mehr Licht aufgeht als durch alle Sorgen und Bekümmernisse. Auch stand er in seinem Innern an nichts an, bevor er mit ihr gesprochen.
22) Da nun die Kamele getrunken, zog der Mann goldene Ohrgehänge hervor, zwei Sekel schwer, und zwei Armbän der, zehn Sekel schwer.
Er macht sie seiner Reichtümer teilhaftig, um ihr mehr in der Tat, als nur in blossen Worten, den Weg und das Land, wohin er sie führen möchte, bekannt zu machen. Allein, was sind das für Geschenke, die er ihr darreicht? Ohrengehänge, um ihr dadurch zu verstehen zu geben, dass sie nichts anderes mehr zu tun habe, als anzuhören und still zu schweigen; und dass man in dem Lande, in welches er sie einführen will, sich eben mit diesem Anhören und Stillschweigen beschäftige. Er reicht ihr auch an ihre Hände Armbänder dar, auf dass sie erkenne, dass Glaube, Stillschweigen und gute Werke innigst mit der Liebe müssen vereinigt sein. Aus allem dem wird ihr Unterricht zuteil, wie sie hören, wie sie handeln und wie sie schweigen soll. Dieses Unterpfand nimmt sie als Zeichen ihrer Bereitwilligkeit, sich auf diesen Pfad zu begeben, wenn der Gehorsam es ihr gestattet, an. Die Ohrgehänge sind von Gold, um die Reinheit und Lauterkeit, mit der wir Gott anhören sollen, anzudeuten. Jedes wiegt zwar nur einen Sekel, auf dass wir einsehen, wie wir unsere ganze Hörkraft allein Gott und seinem heiligen Willen widmen sollen. Die Armbänder aber wiegen mehrere Sekel an Gold, weil Tugenden und gute Werke vermehrt werden müssen. Das innere, tiefe Aufmerken gebührt Gott allein, die Tugendübungen aber sollen sich auf alle ausdehnen.
23) Und er sprach zu ihr: Wessen Tochter bist du, sage mir, ist im Hause deines Vaters Raum um zu bleiben?
24) Sie antwortete: Ich bin Bethuels Tochter, des Sohnes der Milka, den sie Nahor geboren.
25) Und setzte hinzu und sprach: Auch Stroh und Heu ist sehr viel bei uns, und ein geräumiger Platz, zu bleiben.
Die Klugheit übereilt sich in nichts, und mahnt den Knecht, sich bei dem Mägdlein zu erkundigen, wer sie sei; auch sagt sie es ihm. Er fragt sie ferner, ob er bei ihrem Vater Herberge aufschlagen könne. Die reine Liebe, niemals dürftig und leer, versichert ihm, dass bei ihrem Vater (der hier Gott versinnbildlicht) ein solcher Überfluss anzutreffen sei, dass er alle sättigen, und so unendlich grosse Räumlichkeit zu finden, dass alle, welche zu ihr hineilen, beherbergt und wohl aufgenommen werden.
26) Dieser Mann neigte sich tief, und betete den Herrn an,
27) Und sprach: Gepriesen sei der Herr, der Gott meines Herrn Abraham, der seine Barmherzigkeit und Treue meinem Herrn nicht entzogen hat, und mich den rechten Weg geführt hat in das Haus des Bruders meines Herrn!
Die Klugheit betet Gott an, und ist sehr erstaunt, wie der Glaube immer von der Wahrheit begleitet wird, auch wie Gott bewirkt, dass ihm alles glücklich vonstatten geht. Denn nichts führt und leitet den Menschen auf so geradem Wege, wie eben dieser Glaube. Der Knecht sieht voll Bewunderung, dass weil er blindlings dem Glauben gefolgt, er durch einen rechten Weg an den bestimmten Ort ist geführt worden, und er dort weit mehr gefunden, als er je hätte erwarten dürfen. Dies fordert ihn auf, der Wahrheit des Glaubenspfades Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, und kundzumachen, wie sicher, schlicht und gerade er sei. Er weiss nicht, was er mehr bewundern soll, Gottes Vorsehung, die zu rechter Zeit für alles sorgt, oder die Glaubensgrossmut, die ohne Versicherung alles auf dunkler Bahn unternimmt. Gleichwohl sieht er, wie Gott diesen heldenmütigen Glauben mit so vielen Wohltaten segnet. Er wirft sich ganz in dieses Glaubensmeer und betet Gott auf allen seinen Wegen an.
29) Rebekka hatte einen Bruder mit Namen Laban. Dieser ging eilends hinaus zu dem Manne, wo der Brunnen war. 31) Und sprach zu ihm: Komm herein du Gesegneter des Herrn! Warum stehst du draussen? Ich habe das Haus bereitet und Platz für die Kamele!
Als Laban die seiner Schwester gemachten Geschenke, als Zeugnisse vom Glaubenswege, gesehen, geht er hinaus, sucht denjenigen auf, der diesen Weg lehrt, um bei ihm anzuhalten, dass er doch bei ihm einkehre. Das gleiche widerfährt gutwilligen Seelen, die Kenntnis von diesen Wegen haben. Sie wünschen diese in Besitz zu nehmen, und sich auf ihnen führen zu lassen. Mit grösster Freude erkennen sie diese an, beteuernd, dass sie das Haus ihres Herzens zu ihrem Empfang sehr gut vorbereitet haben.
33) Man setzte ihm Essen vor. Er aber sprach: Ich esse nicht, bevor ich meine Worte geredet habe.
Eilends will man ihm zu essen geben, aber der von diesen Wegen unterrichtete Knecht sagt: Ich werde nichts essen, bis ich mit euch über meine Geschäfte gesprochen, denn so verlangt es der Herr. 0 getreuer Knecht! Du vergissest deinen eignen Vorteil, deine Bedürfnisse; und denkst an nichts, als an Ausführung des göttlichen Auftrags!
34) Da sprach er: Ich bin der Knecht Abrahams.
35) Der Herr segnete meinen Herrn sehr, und hat ihn reich und mächtig gemacht.
36) Und Sara sein Weib hat meinem Herrn einen Sohn geboren in seinem Alter, und er gab ihm alles, was sein ist.
Wenn er sich auslässt über die Reichtümer seines Meisters, über die ihm von Gott erwiesenen Gnaden, so tut er es nur in der Absicht, um die Herrlichkeit dieses Weges, und den Segen Gottes über ihn zu erheben, da er anschaulich zeigt, wie sehr dieser Pfad allen andern weit vorzuziehen sei. Denn obschon die Klugheit das Benehmen des Glaubens nicht immer billigt, so wird sie dennoch genötigt, ihn in seinem guten Erfolg zu bewundern. Er macht seinen Ursprung kund, und bekräftigt, dass diesem Glauben nichts verborgen sei, weil er der Klugheit das, was sie besitzt, gegeben und sie in die Wahrheit hineindringen liess. Er fügt noch hinzu, dass das die Überlassung, Mutter und Säugamme des einen und gleichen Weges sei.
Dieser Gesandte offenbart der Familie durch eine vollständige Erzählung, was Abraham zu ihm gesprochen, und was ihm beim Brunnen widerfahren, alle Geheimnisse des Glaubens, um sie dadurch anzuhalten, sich demselben gänzlich zu ergeben.
50) Laban und Bethuel antworteten: Die Sache ist von dem Herrn gekommen, wir können mit dir nichts reden, ausser was ihm gefällt.
51) Siehe, da ist Rebekka vor dir, nimm sie und reise, und sie werde das Weib des Sohnes deines Herrn, wie der Herr geredet hat.
Der Gnaden Wirksamkeit ist im Munde einer inneren Seele so kraftvoll, dass man ihr nichts abschlagen, auch nichts erwidern kann. Und man ist verbunden zu bekennen, dass alles von Gott herkomme, dem zu widerstehen es schwer hält. Diese Verwandten werden mithin vermöge eines sanften Zwanges genötigt, ihre Zustimmung zu
25. Kapitel.
1) Abraham nahm ein anderes Weib, mit Namen Ketura, die ihm sechs Söhne gebar.
5) Allein er gab Isaak alles, was er besass.
6) Und den Söhnen der andern Weiber gab er Geschenke, und liess sie wegziehen von seinem Sohne Isaak, da er noch lebte, in die Gegend gegen Morgen.
Noch andere Kinder hatte Abraham, aber sie bekamen keinen Anteil an seiner Hinterlassenschaft. Der Glaube hat zwar viele Kinder, denen er einige Güter zukommen lässt, aber nur Isaak allein, Sohn des nackten Glaubens und der blinden Überlassung, ist Erbe aller seiner Güter. Die Kinder der anderen Wege werden in Knechte eingeteilt, und besitzen nicht die gleiche Wohnung mit diesem Sohn. Isaak bekommt seinen Anteil als einziger Sohn, und Gott allein ist sein Erbteil, weil Gott der Eigentümer des Glaubens wie der Gelassenheit ist, aus denen er geboren wurde. Keine Seele wird jemals zum Genüsse Gottes gelangen, ausser sie sei von jeder Stütze, von allem Eigennutz entledigt.
8) Abraham nahm ab und starb in einem guten Alter.
9) Und es begruben ihn Isaak und Ismael, seine Söhne, in der doppelten Höhle, die auf dem Acker Ephrons liegt.
10) Dahin wurde er begraben, wo Sara, sein Weib war.
Nachdem Abraham, Idee des Glaubens, seinen Sohn, welchen er vermöge der Überlassung und des blossen Glaubens in Gott allein eingeführt, mit der Liebe vereinigt hatte, nimmt er ab, er fällt in Ohnmacht; so stirbt selbst der Glaube. Da dieser Erzvater, seiner Wesenheit nach in seinem Sohn, und durch ihn in alle seine Abkömmlinge hinübergegangen war, bleibt jede Einsicht des Glaubens, jede Anwendung dieses Lichtes für die in Gott allein angekommene Seele wie tot und begraben; weil alle, auch die notwendigsten und heiligsten Mittel aufhören, sobald man in das letzte Ziel und Ende gelangt ist. Darnach hat eine solche Seele nichts mehr vor sich, als der reinen Liebe zu geniessen, aber in Gott selbst, das sie mit bewundernswürdiger Lauterkeit und Einfalt tut. Dieser Genuss geht dem apostolischen Leben, das eins und vielfältig ist, voran. Denn wie Gott überall in allem wirkt und handelt, ohne doch aus sich selbst, und aus seiner Einheit herauszugehen, ebenso handeln und wirken auch diese Seelen auswärts, ohne dass sie Gottes Einheit verlassen. Der Glaube und die Überlassung bleiben an dem gleichen Ort, nämlich in Gott, in den man sich verloren.
Isaak und seine Braut halten sich nach ihres Vaters Tod an ebendemselben Orte auf, da für eine solche Seele keine zweckmässigere Wohnung, als diese, zu finden ist, auch wenn sie den ganzen Erdboden durchreisen würde. Denn durchliefe sie auch die ganze Welt, so bliebe sie dennoch an ihrem Platz, so wie im Vers 11 beigefügt wird, dass Gott nach Abrahams Tod Isaak segnete, welcher bei dem Brunnen des Lebenden und Sehenden wohnte.
21) Isaak bat den Herrn für sein Weib, weil sie unfruchtbar war; und er erhörte ihn, und liess Rebekka empfangen.
Diese mit Gott allein wieder vereinigte Liebe befindet sich in so vollkommener Ruhe, dass sie nicht mehr daran dachte, äusserlich Früchte hervorzubringen. Aber durch die Gelegenheiten, welche ihr die Vorsehung dazu verschafft, wird sie vom sanften Schlaf aufgeweckt, in welchem sie in Gott alle Güter geniesst. Isaak, ihr Bräutigam, betet, und alsogleich erhört ihn Gott, ihm zwei Kinder schenkend, von denen zwei ganz verschiedene Völker abstammten. Im Himmel gehen Engel zugrunde, in der Gesellschaft Jesu Christi selbst stürzt ein Apostel ins ewige Verderben, und die reine Liebe scheint hier einen Verworfenen zu empfangen und zu gebären.
Allein alles trägt zur Ehre Gottes und zur Wohlfahrt der Auserwählten bei. Denn so wie ein heiliges Volk in den Eingeweiden der reinen Liebe empfangen wird, empfängt sie gleichfalls ein verdorbenes, verkehrtes Geschlecht, um jenes im Guten zu üben, und ihm Leiden zu verursachen. Vermöge der Empfängnis und Geburt des Stammes des Auserwählten, wird zugleich Verfolgung und Kreuz empfangen und geboren. Diese so heilige Nation wurde vor ihrem Erscheinen am Sonnen-licht verfolgt, und vor ihrer Geburt litt sie harte Angriffe. Die Vorerwählten treffen an allen Orten das Kreuz an, Gott lässt sie es überall finden, es wird mit ihnen geboren, es wächst unter ihren Schritten, und auf demselben müssen sie den letzten Atemzug tun.
22) Allein die zwei Kinder, mit denen sie schwanger ging, stiessen sich in ihrem Leibe. Da sprach sie: Sollte es mir also ergehen, was brauchte ich zu empfangen? Und sie ging den Herrn zu befragen.
Die durch Erfahrung der Wege Gottes noch nicht genugsam befestigte Seele, betrübt sich beim Anblick der zu entstehenden Verfolgungen; und ihr Schmerzensgefühl nötigt sie, den Herrn um Rat zu fragen. Es ist die fromme, löbliche Gewohnheit der Heiligen, dass sie in ihren Zweifeln und Mühsalen ihre Zuflucht bei Gott nehmen, weil ihr ganzes Vertrauen auf Ihn begründet ist. Das Beispiel aller Patriarchen in dieser Hinsicht gereicht den Christen zur Schande, da die meisten aus ihnen entweder bei der Welt oder bei der Leidenschaft Rat einholen.
23) Gott antwortete ihr: Zwei Völker sind in deinem Leibe, und zwei Nationen werden sich scheiden aus deinem Schosse, und ein Volk wird dem andern überlegen sein, und der Ältere wird dem Jüngeren dienen.
Gott tröstet sie und gibt ihr zu erkennen, wie notwendig es sei, dass dies also geschehe; und dass, nachdem Er den Gottlosen erlaubt, die Auserwählten zu prüfen und zu quälen, Er sie endlich diesen da unterwürfig macht. Und so werden die Vorerwählten, welche wegen ihren Demütigungen die Kleinsten schienen, Meister über ihre Feinde werden.
24) Da die Zeit herankam, dass sie gebären sollte, siehe da waren Zwillinge in ihrem Leibe.
Zwei Kinder befinden sich also in dem einen und dem gleichen Leibe, der Verfolger und der Verfolgte, und zufolge der Verwechslung der Herr und der Knecht, wer immer verfolgt, ist Sklave seiner Leidenschaften, währenddem der Verfolgte grosse Freiheit und bewundernswürdigen Frieden geniesst. Gute und Böse sind freilich wohl bei der Erschaffung aus dem gleichen Schoss der göttlichen Allmacht hervorgegangen, und doch widerstehen die Bösen Gott und den Guten, den Gerechten. Die Sünde nur verursacht diese Unterscheidung.
25) Derjenige, der zuerst herauskam, war rötlich, und ganz rauh wie ein Pelz, und sein Name ward Esau genannt. Und der andere kam sogleich nach, und hielt die Ferse seines Bruders in der Hand, und darum nannte sie ihn Jakob.
Der Verfolger kommt zuerst hervor, dessen Anblick ebenso wild und roh war, als sein Gemüt werden sollte. Und da er unmenschlich und grausam sein sollte, trägt er schon selbst an seinem Leibe die Merkmale seiner unbändigen Gemütsart.
27) Und sie wuchsen, und Esau ward kundig der Jagd und ein Ackermann; Jakob aber war ein stiller Mann, und wohnte in Zelten.
Esau übt seine Grausamkeit an den Tieren aus, die er auf der Jagd erlegt. Der sanftmütige und einfältige Jakob hingegen verkostet die Ruhe, die Stille der Einsamkeit; und hierin Jesus Christus zum voraus nachahmend, übt er sich in der Einsamkeit und im inneren Gebet, bevor er sich auf äussere Geschäfte verlegt. Zur Ruhe und Abgeschiedenheit zieht ihn die Gnade, bis der göttliche Beruf ihn nötigt, äusserlich werktätig zu sein.
28) Isaak liebte Esau, weil er von seinem Weidwerk ass, und Rebekka liebte Jakob.
Isaak liebte Esau mit gewissem Eigennutz. Sehr selten ist es, dass man aus purer Gnade, ohne einige Rücksicht auf sich selbst handelt. Die grössten Heiligen fehlen bei ihren Freundschaftswahlen, die niemals vollkommen sind, insofern sich nur der geringste Eigen-nutz einmischt. Die reine Liebe aber liebt Jakob, weil er nach Gottes Herz war. Und da aller Eigennutz ausgeschlossen wurde, ward sie von der Gerechtigkeit begleitet, und von der Billigkeit unterstützt.
30) Eines Tages sprach Esau zu Jakob: Gib mir von dem Gericht, dem roten da, denn ich bin müde. Daher nennt man seinen Namen Edom.
31) Und Jakob sprach zu ihm: Verkaufe mir deine Erstgeburt.
33) Esau schwur ihm, und verkaufte die Erstgeburt.
Gottes Handlungsweise ist ganz bewundernswürdig, denn er macht, dass seine auch empörtesten Geschöpfe zu seinen Ratschlüssen dienen müssen. Alles trägt sich solchergestalt zu, als wäre vorher nicht daran gedacht worden. Die Vorsehung leitet alles so einfach, als wären es ganz natürliche Zufälle. Gott lässt zu, dass Esau sich selbst des Rechts entledigt, das er über seinen jüngeren Bruder besass, und dass er ihm dieses Vorrecht einer kleinen Sinnlichkeit wegen, für das essen einer Schüssel Linsen, verkaufte. Dies alles, wie unverständlich und unbedachtsam es immer scheinen mag, dient zu Gottes Ratschluss, der unserer Freiheit niemals Zwang antut, sondern alle Dinge zur rechten Zeit ausführt.
26. Kapitel.
1) Mittlerweile kam ein Hunger ins Land ausser jener Unfruchtbarkeit, die in den Tagen Abrahams war, und Isaak zog zu Abimelech, dem König der Philister, nach Gerar.
2) Und der Herr erschien ihm und sprach: Ziehe nicht nach Ägypten, sondern bleibe in dem Lande, das ich dir sage.
3) Sei ein Fremdling darin, so will ich mit dir sein, und dich segnen; denn dir und deinem Samen will ich alle diese Länder geben, und will den Schwur erfüllen, den ich Abraham, deinem Vater, geschworen.
4) Und will deinen Samen mehren wie die Sterne des Himmels, und will deinen Nachkommen alle diese Länder geben, und in deinem Samen sollen gesegnet werden alle Völker der Erde.
Auf welche Gnadenstufe eine Seele immer gelangen mag, erfährt sie doch öfters Mangel, Entbehrungen, die eine Art Hunger bedeuten. Allein es kommt eine Zeit, in der sie nicht mehr beschwerlich fallen. Denn obgleich der Hunger auf Erden oder im empfindlichen Teil sich befindet, so hindert er doch nicht, dass man alles besitzt, um jedem Bedürfnis abzuhelfen, was aber nur dann stattfindet, wenn die Seele willenlos ist. Denn diese Entbehrungszeit verursacht ihr kein Leiden mehr, weil Gottes Wille sie allein vollkommen sättigt.
Es gibt nebenbei noch einen andern Hunger, der in gänzlicher Beraubung, in vollkommener Entbehrung aller, auch der dem Scheine nach notwendigsten Dingen besteht. Hier aber ist keine Rede davon, zumal nicht in Hinsicht von Isaak, es wäre denn, dass man diesen Hunger als Zustand, der folgt, ansehe. Dann verbannt nämlich Gott die Seele aus ihr selbst, und verbirgt sie vollkommen in sich. In diesem Fall war es die letzte Hungersnot, welche Isaak nötigte den Ort zu verlassen, den er auf Gottes Befehl bewohnte. Allein wohin geht er dann? In ein fremdes Land, weil er einige Zeit sich selbst wie fremd war. Er wohnt da wie ein Pilger oder Reisender, indem er sich in diesem Lande nicht zufolge eines begründeten Zustandes aufhält, wie derselbe an dem Ort, den er inskünftig in Besitz nehmen soll, sein wird.
Gott verbietet ihm nach Ägypten zu ziehen. Diese Schriftstelle ist für uns sehr lehrreich. In der Zeit der Entbehrung und des Mangels, sogar in der grössten Hungersnot, soll man sich auf nichts stützen, noch sich vor den durch Mannigfaltigkeit und eigenen Anstrengungen verursachten Mühsalen bewahren, sondern an dem Ort, wohin uns Gott geführt, in grosser Geduld verbleiben, bis dass Er selbst uns davon entfernt. Indes versichert Gott, dass Er bei der Ihm ganz ergebenen Seele, wo sie sich immer befindet, und in welcher Gemütsstimmung sie auch sein mag, bleiben wolle. Ist diese so kräftige, ja allzu grosse Versicherung von seiten Gottes nicht sehr trostreich für eine betrübte Seele? Er fährt fort ihr zu versichern, dass Er ihr das verheissene Land, welches der immerdauernde Zustand der Seele in Gott ist, Umgestaltung genannt, geben werde.
Nicht nur Isaak, sondern allen denjenigen, welche wie er sich in allem ohne Ausnahme Gottes Willen opfern und hingeben, wird Er das versprochene Land schenken. Ja Er verspricht ihm sogar, dass er sehr viele Nachkömmlinge haben werde, die seinem Beispiel gemäss auf der gleichen Bahn wandeln werden. Wenn es heisst: In deinem Samen sollen gesegnet werden alle Völker der Erde, so wird darunter Jesus Christus verstanden, in dem alle Gnaden, und jeder Segen eingeschlossen ist.
6) Also blieb Isaak zu Gerar.
7) Und wenn die Männer des Orts nach seinem Weibe fragten, antwortete er: Sie ist meine Schwester.
Isaaks Antwort ist die gleiche wie von seinem Vater, bei ähnlicher Gelegenheit sprechend, dass Rebekka seine Schwester sei; was er deswegen tat, um sein Leben zu erretten. Obschon dies dem Scheine nach eine Lüge ist, so ist es doch keine; weil in der hebräischen Sprache Bruder einen Verwandten bedeutet, und man gewohnt war, die Verwandten des nächsten Grades, Brüder und Schwestern zu nennen; so wie Rebekka wirklich als Geschwisterkind zu Isaak sehr nahe mit ihm verwandt war. Nennt man nicht im Evangelium selbst die Verwandten von Jesus Christus seine Brüder? Diese scheinbar ganz menschliche Verfahrungsweise schliesst grosse Geheimnisse in sich ein. Bisweilen ist es den inneren Seelen gegeben, sie zu durchschauen; und weit entfernt, dass solches die Majestät des göttlichen Worts verdunkeln sollte, dient es vielmehr dazu, dass wir dasselbe mit noch grösserem Glauben verehren und hochschätzen.
8) Abimelech, König der Philister, schaute durchs Fenster, und sah Isaak scherzen mit Rebekka, seinem Weibe.
9) Da rief er ihn zu sich und sprach: Offenbar ist sie dein Weib, warum lögest du, dass sie deine Schwester sei?
Dies liebenswürdige Betragen Abimelechs, so günstig über Isaak zu urteilen, verdammt geradezu die Vermessenheit derjenigen, welche alsogleich alles, alles am Nächsten tadeln, und sich an den unschuldigsten, mit gewisser heiliger Freiheit verübten Handlungen ärgern.
10) ... und er gebot allem Volke, und sprach:
11) Wer dieses Mannes Weib berührt, soll des Todes sterben.
Wer bewundert hier Gottes besonderen Schutz nicht, den er jenen Menschen gewährt, die sich Ihm ganz und gar ergeben? Besorgt Er nicht alle ihre Bedürfnisse? Seiner Anordnung zufolge wendet man die möglichsten Vorsichtsmassnahmen zu ihrem Besten an, auf dass sie sicher seien; selbst aus ihren Fehlern weiss Er zu ihrem Vorteil Gutes zu ziehen. War Isaaks Weib nach dem königlichen Verbot nicht weit sicherer, als sie es vorher war?
12) Isaak säte in diesem Lande, und bekam in diesem Jahre hundertfältig, denn der Herr segnete ihn.
14) Das erregte den Neid der Philister gegen ihn.
Hiemit wird das Vorwärtsschreiten des apostolischen Lebens bezeichnet. Nachdem die Seele lange Zeit Ruhe in Gott allein genossen, geht sie hin, und streut ihren Samen aus, von dem die Früchte zwar nicht alsogleich sichtbar werden, aber in der Folge hundertfältigen Nutzen bringen.
Dies erregt die Missgunst der gewöhnlichen Seelen, die keinen so glücklichen Erfolg von ihrer Arbeit und Mühewaltung ernten; und das deswegen, weil sie nur für sich allein arbeiten und wirken, oder wenigstens sehr grossen Eigennutz mit ihren heiligsten Handlungen vermischen, und daher nur geringen Segen, nur wenig Gedeihen im Vergleich zu den uneigennützigen Seelen empfangen. Da, wo man nur für Gott und wegen Gott arbeitet und handelt, ist es Gott selbst, der arbeitet und wirkt; und wenn Er selbst arbeitet und wirkt, sollte Er wohl den Segen nicht über sein Werk, über seine Arbeit ausgiessen?
15) Sie verstopften alle Brunnen, welche die Knechte seines Vaters Abraham gegraben zu seiner Zeit, und füllten sie mit Erde.
Die von der Eigenheit befangenen Menschen verfolgen die apostolischen Seelen, und verstopfen die Brunnen, welche der durch ihren Vater vorgebildete Glaube gegraben hatte. Sie trachten die durch den lautersten Glauben gegrabene Quelle jener Wasser, welche diese heiligen Arbeiten hie und da ausgiessen, zu verderben; indem sie dieselben falscher Lehre beschuldigen. Da sie die Sittlichkeit der apostolischen Seelen nicht angreifen können, fallen sie über ihren Glauben her, und bestreben sich, ihn mit Erde zu bedecken, d.h. mit solchen Dingen, die sie boshafter Weise erfinden, und welche sie ihren gottseligen und tiefgegründeten Reden und Gesprächen beifügen.
17) Isaak zog von dannen, und kam zum Bache Gerars, und wohnte daselbst.
18) Er grub die Brunnen wieder auf, welche die Knechte seines Vaters Abraham gegraben, und die Philister nach seinem Tode einst verstopft hatten, und nannte sie mit demselben Namen, der ihnen vorher sein Vater gegeben.
Die Diener Gottes werden oft genötigt sich zu entfernen, und andere Brunnen zu graben, welche immer voll von dem Wasser sind, das der Glaube gefunden; und die auch allezeit bereitwillig sind, diejenigen damit zu tränken, welche das Glück haben, ihre geistlichen Kinder zu sein. Sehr wohl verstehen sie diese Wasser einem jeden nach seinen Bedürfnissen auszuteilen. Hier ist gleichfalls Isaaks Treue zu bemerken, der von keiner Neuerung etwas wissen will, der von dem, was der Glaube als Grundwahrheit angenommen, nichts ändert, nicht einmal die Namen.
19) Sie gruben in der Tiefe des Stromes, und sie fanden quillendes Wasser.
20) Aber da ward Zank zwischen den Hirten von Gerar, und den Hirten Isaaks, und jene sprachen: Unser ist das Wasser. Daher nannte er diesen Brunnen Ungerechtigkeit.
Es gibt nur allzu viele Leute, welche sich die Werke, welche man für Gott tut, zueignen, und sich davon die Ehre anmassen, gleich diesen Hirten, welche nicht wussten, dass an diesem Orte quillendes, lebendiges Wasser sei, bis es Isaak entdeckte. Nach mühsamer Auffindung desselben machten sie es ihm alsbald streitig, und behaupteten: Unser ist das Wasser. Isaak dagegen, als vollkommenes Muster aller Tugenden, zankt nicht mit ihnen; sondern weicht von ihnen friedlich, überlässt ihnen den Brunnen, wodurch er die Vorschrift des Evangeliums vor dem Evangelium selbst ausübte. Die vollkommene Liebe offenbart und zeigt sich durch Ablösung von allem dem, was uns teuer und nützlich ist. Und wer immer den Frieden nicht den Gütern vorzieht, wird die reine Liebe für und wegen den Gütern verlieren.
22) Nachdem er von dannen gezogen, grub er einen andern Brunnen, über welchen sie nicht zankten. Darum nannte er seinen Namen RAUM, und sprach: Nun hat uns Gott Raum gemacht, dass wir wachsen an Gütern im Lande.
Zweimal zieht er sich wegen der gleichen Ursache zurück, und nimmt jenes Wasser in Besitz, das ihm niemand streitig machte. Stille und ruhige Wasser bedurfte er, und wie seine Seele inwendig in weiten Raum versetzt wurde, so war es nötig, dass auch von aussen nichts behaart ist und ich glatt.
12) Wenn nun mein Vater mich betastete, und es merkte, so fürchte ich, dass er meine, ich habe seiner spotten wollen, und ich würde über mich einen Fluch bringen statt des Segens.
13) Und seine Mutter sprach zu ihm: Auf mir sei der Fluch, mein Sohn, gehorche nur meiner Stimme, und gehe, und hole, was ich gesagt.
Jakobs Furcht kam von seiner Aufrichtigkeit her. Innere und unschuldige Seelen befürchten die geringste Verstellung mehr als den Tod, indes setzt sie der Gehorsam wieder in Sicherheit. Überdies begnügt sich eine innere und wahrhaft gelassene Seele, wie Jakob eine war, mit dem Hersagen ihrer Beweggründe, und dann gibt sie sich ganz gelassen hin, ohne Furcht, ohne Nachgrübeln. So betragen sich alle Gott ergebenen Menschen, die voll Glauben sind. Daher fügt es die Vorsehung, dass ihnen alles, selbst ihre Fehler und Torheiten, glückt. Dieser besondere Fall Jakobs aber fasste in sich lauter tiefe Geheimnisse.
15) Rebekka zog Jakob die köstlichsten Kleider Esaus an.
16) Und tat die Felle der Böcke um seine Hände, und bedeckte die Blösse des Halses.
21) Isaak sprach: Tritt her, mein Sohn, dass ich dich betaste und sehe, ob du mein Sohn Esau seiest oder nicht.
22) Jakob trat zu seinem Vater, und Isaak betastete ihn und sprach: Die Stimme ist wohl Jakobs Stimme, aber die Hände sind Esaus Hände.
23) Und er erkannte ihn nicht.
Die inneren Seelen verbirgt Gott unter Esaus Haut, d.h. unter dem Anschein des gewöhnlichsten Lebens. Nichts Äusseres, keine besonderen Kleidungen unterscheiden sie. Man erkennt sie allein an der Sprache, an dem Wort. Die Geschöpfe reden als Geschöpfe, aber die Gott gewordenen Seelen sprechen nur Gottes Worte (1.Petr.4, 11), alle haben die eine und die gleiche Sprache. Alle mögen Esaus Haut und Kleider haben, allein nur die vergöttlichten Seelen können Jakobs Stimme besitzen. Es ist diesen Seelen unmöglich, eine andere Sprache zu reden, als diejenige, welche sie Gott lehrt. Sie wissen mit jedermann zu leben, stimmen zu allem sehr leicht bei, was man nach Gottes Willen verlangt, aber ihre Sprache können sie nicht ändern, sie ist und bleibt immer dieselbe. O heiliger Erzvater Isaak!
Weisst du denn nicht, dass nur die Stimme allein ihn erkenntlich macht? Aber vielleicht hast du Gottes Ratschluss, als du Jakobs Stimme hörtest, eingesehen, und liessest der Sache nach Gottes Leitung ihren Gang? — Immerhin halten wir uns an die Heilige Schrift, die da sagt, dass du ihn nicht erkannt, denn also liess es Gott zur Erfüllung seiner Absichten zu.
28) Isaak segnete ihn also und sprach:
29) Du sollst Herr über deine Brüder sein, und die Kinder deiner Mutter sollen sich vor dir bücken. Verflucht soll sein, der dir flucht, und gesegnet, wer dich segnet.
Er gibt ihm Macht und Gewalt über seine Brüder und über die Kinder seiner Mutter. Sehet also, wie sehr das beschauliche Leben über das tätige, wirksame erhaben ist, und wie es diesem nach dem Zeugnis, welches Jesus Christus selbst Maria Magdalena gegeben, vorzuziehen sei, sprechend: Maria hat den besten Teil erwählt, der ihr nicht wird genommen werden.
Hier wird gleichfalls auf sehr ernstliche Weise bemerkt, wie empfindlich Gott das Verachten und Verschreien der inneren Wege, und die Verfolgungen der beschaulichen Seelen sei, was alles von Menschen, die sich selbst lieben und verehren herrührt. Diese Verfolger der inneren Seelen bedroht er mit seinem Fluche, so wie Er diejenigen mit reichlichem Segen überhäufen wird, die sie achten und ihnen nachfolgen; und das deswegen, weil keine Seelen anzutreffen sind, deren Liebe mehr geläutert ist, und auch keine zu finden, die von Gott mehr geliebt werden, als solche. Daher nennt Er sie sogar ferner Menschen nach seinem Herzen (Sach.2,8), weil sie sich Ihm so vollkommen überlassen, dass Er unumschränkt über sie herrschen kann.
31) Esau brachte seinem Vater das Essen von der Jagd, das er bereitet hatte, und sprach: Stehe auf mein Vater! und iss von dem Wildbret deines Sohnes, auf dass deine Seele mich segne.
32) Und Isaak sprach zu ihm: Wer bist du denn? Und er antwortete: Ich bin dein erstgeborener Sohn Esau.
33) Da erschrak Isaak über die Massen, und verwunderte sich mehr als man glauben kann, und sprach: Wer ist denn der, welcher das Wildbret mir eben gebracht, das er gefangen; und ich ass von allem, ehe denn du kamst. Ich segnete ihn und er wird gesegnet bleiben.
Isaaks Erstaunen war sehr gross. Die Propheten haben nicht allezeit den prophetischen Geist, und ihre natürlichen Handlungen benutzt Gott zur Ausführung seiner Geheimnisse. Und dennoch ist es glaubwürdig, dass er damals das Wundervolle des darunter verborgenen Geheimnisses erkannte, weswegen er so beharrlich an seiner Tat festhielt, und darauf bestand, Esau, Bild des tätigen Lebens, dem Jakob, Bild des beschaulichen Lebens, unterwürfig zu machen.
34) Als Esau die Worte seines Vaters hörte, heulte er mit grossem Geschrei, und ward überaus betrübt, und sprach: Segne auch mich, mein Vater!
35) Isaak erwiderte: Dein Bruder ist gekommen mit List, und nahm hinweg deinen Segen.
Isaak bereut diesen Irrtum gar nicht, so wenig Rebekka über diesen scheinbaren Fehler Reue haben konnte, denn die in Gott verborgenen Seelen sehen nichts ausser Gott. Daher können sie auch nichts dem Geschöpfe zurechnen, sondern sich über alles erhebend, benutzen sie alles auf göttliche Weise. Eines der sichersten Zeichen, dass eine Seele recht Gott ergeben sei, ist die so seltene Unbeweglichkeit des Geistes, selbst in Dingen, welche die grössten Verwirrungen verursachen.
36) Mit Recht heisst sein Name Jakob, denn nun hat er mich zum zweitenmal untergetreten.
37) Isaak antwortete: Ich habe ihn zum Herrn über dich gesetzt, und alle deine Brüder habe ich ihm unterworfen.
Der Name Jakob bedeutet untertreten, den er deswegen erhielt, weil er bei der Geburt die Ferse seines Bruders fasste. Esau will sich mit dieser Anspielung beklagen, dass sein Bruder ihn mit List berückt habe. Wohl wahr ist es, dass Jakob Herr und Meister wird, allein mit Recht geschieht es, aus vielen Gründen gebührt ihm diese Oberherrschaft. Die vielen Klagen Esaus vermögen nicht Isaaks Ausspruch und Handlungsweise zu ändern, vielmehr bekräftigt er aufs neue, dass das tätige, wirksame Leben dem beschaulichen unterworfen sein müsse. Denn wiewohl das tätige Leben notwendig ist, und seine eigenen Früchte trägt, so schaut es doch immerhin das Beschauliche als seine Vollkommenheit, als sein Ziel und Ende an, indem ja alle guten Werke nach nichts anderem, als nach Gottes Genuss, was der Erbteil der Beschauung ist, streben. Daher steht geschrieben, dass der Ältere dem Jüngeren untertänig sei (Kap.25,23), weil das wirksame Leben das erste ist, welches man übt; aber es ist dem beschaulichen Leben, welches auf dasselbe folgt, so weit untergeordnet, als die Mittel dem Zwecke, für den sie bestimmt sind.
41) Also hasste Esau immerdar Jakob um des Segens willen, womit ihn sein Vater gesegnet, und sprach in seinem Herzen: Es wird der Todestag über meinen Vater kommen, und dann will ich meinen Bruder Jakob erwürgen.
42) Da wurde dies Rebekka berichtet, sie sandte hin, und rief Jakob, ihren Sohn, und sprach:
43) Mein Sohn! Gehorche meiner Stimme, und mache dich auf, und fliehe zu Laban, meinem Bruder in Haran.
Das Vorrecht, welches die beschaulichen Seelen über die wirksamen, selbsttätigen geniessen, erregt in diesen Eifersucht. Daher stiften sie wider dieselben Verfolgung an. Das ist ein wahres Kennzeichen, dass sie sich bei ihren frommen Werken selbst suchen und nicht allein Gottes Ehre.
Hier beweist aber die reine Liebe, wie himmlisch-klug sie sei, da sie die zwei Brüder ihrer verschiedenen Wege halber voneinander entfernt, welche Wege zwar wohl mit und nebeneinander bestehen können, wenn sie in einer und der gleichen Person nach der von Gott in ihr zum Heile vieler festgesetzten Unterordnung vereinigt sind; keineswegs aber in verschiedenen Seelen, die nicht auf dem gleichen Wege wandeln, weil die vielfältige Verflechtung tätiger Menschen die Einfalt und Ruhe der beschaulichen Seelen nicht ertragen kann.
46) Rebekka sprach zu Isaak: Es verdriesst mich mein Leben um der Töchter Heths willen. Wenn Jakob ein Weib nähme aus dem Volke dieses Landes, möchte ich nimmer leben.
Es ereignet sich oft, dass das tätige Leben mit dem menschlichen und sinnlichen Leben Bündnis schliesst. Aus Abgang der Erkenntnis, das innere Gebet mit der Wirksamkeit zu verbinden, handelt man gewöhnlich sehr menschlich und natürlich, weswegen solche ganz in die Natur versunkene Menschen zuweilen gefährlicher werden, als öffentlich anerkannte Sünder. Nun aber beklagt sich die reine Liebe, als Mutter des beschaulichen und tätigen Lebens, über die
Verbindung der Natur mit der Wirksamkeit, welche Verbindung ihr so grosse Leiden verursacht, und die Liebe in der Seele, welche dieselbe besitzt, so schwächt, dass die arme Betrogene unvermerkt das Leben verliert. Daher spricht die reine Liebe: Es verdriesst mich zu leben, als wenn sie sagte: Es ist nun an dem, dass ich in dieser Seele der unseligen Vermischung wegen zugrunde gehe.
Wenn solches der reinen Liebe so sehr missfällt, so bezeigt sie noch ungleich grösseres Missfallen an der Vereinigung des menschlichen mit dem beschaulichen Leben. Denn die schlimme, bösartige Natur verderbt selbst die ausgesuchtesten geistigen Dinge; und wie weit ihre Ansteckung geht, wenn sie sich mit dem geistlichen Leben vermischt, kann man nicht glauben. Diese schlimme Natur ist ganz anders, als in den früher genannten Seelen, und umso gefährlicher, je mehr sie sich unter den schönsten Scheingründen versteckt. Dies veranlasst die Liebe, folgendes zu sprechen: Wem Jakob (die beschauliche Seele) sich mit der Natur verbindet, um Fleisches- und Geistes-Frucht, also unreine Früchte hervorzubringen, so will ich nimmermehr leben. Es ist nur allzu wahr, dass wenn geistliche Menschen sinnlich oder fleischlich werden, sie das Leben der Liebe auf eine weit grausamere Art auslöschen, als die grössten Sünder und unvollkommenen Seelen. Aus dieser Ursache warnt uns Paulus mit folgenden Worten: Gebet acht, dass nachdem ihr im Geist angefangen, ihr nicht im Fleische endet (Gal.3,3).
28. Kapitel.
1) Darum rief Isaak Jakob und segnete ihn und gebot ihm, und sprach: Nimm kein Weib vom Geschlechte Kanaans.
2) Sondern ziehe hin und reise nach Mesopotamien in Syrien ins Haus Bethueis, des Vaters deiner Mutter, und nimm dir da ein Weib von den Töchtern Labans, des Bruders deiner Mutter.
3) Und Gott, der Allmächtige, segne dich, und lasse dich wachsen, und mehre dich, auf dass du das Haupt vieler Völker werdest.
Nachdem Isaak seinen Sohn, Muster der wahren, inneren und Gott ergebenen Seelen, gesegnet hatte, verbietet er ihm, sich mit dem menschlichen und fleischlich gesinnten Leben, das mit seiner Gnade unvereinbar wäre, zu verbinden. Hingegen gebietet er ihm, aus sich selbst auszugehen, was durch das Auswandern aus dem Orte, den er bewohnt, bezeichnet wird, und sich mit einer Tochter aus der Familie seiner Mutter zu vermählen; als wenn er sagen wollte: Weit entfernt, dich mit der menschlichen Liebe zu verbinden, erwähle dir keine andere Braut, als diejenige, welche ein Band mit der reinen Liebe haben wird. Von neuem musst du dich mit ihr verbinden, denn wiewohl sie dich geboren hat, körntest du sie doch wieder verlieren, wenn du ihr Bündnis nicht bewahrst. Man muss sich nur mit der reinen Liebe, und nicht mit der natürlichen, der menschlichen oder sinnlichen Liebe vereinigen. Handelst du auf solche Weise, so werden dir tausend Segen zuströmen, und eine so göttliche Vermählung wird eine ebenso reine als sehr zahlreiche Nachkommenschaft zur Folge haben.
In den letzten Jahrhunderten wird Jakob Vater mehrerer Völker sein, wie er es schon in den früheren Zeiten in Hinsicht von allen den tiefen Beschauern, den Ausgezeichnetsten unter den übrigen Menschen gewesen war. Allein er wird alsdann die Vaterstelle auf eine weit vollkommenere Art vertreten, wenn der göttliche Geist auf dem ganzen Erdboden wird ausgegossen und die Welt durch ihn erneuert werden. 0 Gott! Sende doch bald diesen Geist des Innern auf die ganze Erde herab, und sie wird von neuem erschaffen. Dieser gleiche Geist ruhe auf den Wassern deiner gewöhnlichen Gnade, und eine sehr reiche Fruchtbarkeit wird er ihnen mitteilen. Wenn der Geist des Innern, der lauter Liebe und Gebet ist, unsre Seelenkräfte und ihre Wirkungen nicht belebt, so sind sie an und in sich selbst unfruchtbar und nutzlos für andere. Handeln wir aber zufolge dieses Lebensgeistes, so sind unsre Werke wahrhaft Gottes würdig, und das Wohlgefallen, das Er hat, sie anzuschauen, zieht seinen Segen über dieselben herab, durch welchen sie uns selbst heiligen, und zur Heiligung vieler anderer beitragen.
11) Und da er an einen Ort kam, wo er nach Untergang der Sonne ruhen wollte, nahm er einen von den Steinen, die da lagen, und legte ihn unter sein Haupt, und schlief an dem Orte.
Die Gott liebende und mit Ihm vereinigte Seele findet nichts, das sie hindern könnte, in Gott zu ruhen. Ihr Laufen unterbricht ihre Ruhe keineswegs, wie auch diese Ruhe ihrem Fortwandeln keine Hindernisse setzt. Mitten auf dem Wege bleibt Jakob und schlägt da sein Nachtlager auf. Er nimmt einen von den vorhandenen Steinen, der ihm als Kopfkissen dienen musste, er wählt einen aus ihnen aus, auf dass er sein Haupt darauf stütze; und dieser Stein ist das Vorbild von Jesus Christus, seiner einzigen Stütze. Sanft und wohl ruht er auf dieser Erde, weil es die Erde der Ruhe und der Beschauung ist, die seinen geistlichen Nachkommen, d.h. allen beschaulichen Seelen, verheissen wurde, welche lieber auf dieser obschon harten Erde ruhen wollen, als auf einer fremden.
Solchergestalt waren die Kinder eines so heiligen Vaters immer beschaffen, sprechend durch Davids Mund: Wie sollen wir des Herrn Lied in einem fremden Land singen? (Ps.136,4). Wie könnten wir wohl auf dem Wege der Mannigfaltigkeit ruhen, wir, zur Einheit und zur Ruhe der Beschauung Geborene?
Jakob schläft ein, und wird nach Sonnenuntergang verzückt. Das Übermass, welches die Seele ins göttliche Licht versenkt, tritt nur nach Auslöschung des natürlichen Lichtes ein. So muss das Selbsterworbene dem Eingegossenen weichen.
12) Er sah im Traume eine Leiter, die da stand auf der Erde, und mit der Spitze berührte sie den Himmel, und die Engel Gottes stiegen auf und nieder auf derselben.
13) Er sah zugleich den Herrn, der zuoberst auf der Leiter sich anlehnte, und sprach: Ich bin der Herr, der Gott Abrahams, deines Vaters, und der Gott Isaaks. Das Land, auf dem du schläfst, will ich dir und deinem Samen geben.
Jakob, in einem mystischen Schlafe ruhend, sah eine Leiter, die von der Erde der Ruhe bis an den Himmel reichte, auf deren Spitze Gott sich lehnte. Diese Leiter, welche mit ihrem Fuss sich auf die Erde der Ruhe stützte, und mit dem andern Ende Gott selbst als Ruhepunkt diente, zeigt die Stufen an, auf denen man hinaufsteigen muss, um von der Ruhe der Beschauung bis zur Ruhe in Gott allein hinaufzugehen. Gross ist dieser Zwischenraum immerhin. Diese, obgleich ganz engelgleichen Seelen, steigen hinauf und hinab, weil für sie auch die anderwärts gehenden Stufen selbst zu Stufen des Hinabsteigens werden, entweder weil es ihnen so vorkommt, oder es sich wirklich so verhält. Einer solchen Seele aber ist wegen dem vortrefflichen Gebrauch, den sie davon zu machen weiss, alles gleich; da sie alles und jedes, was sie betrifft, Gott überlässt. Die Spitze dieser Leiter befindet sich im Himmel, d.h. in Gott selbst; weil geschrieben steht, dass Gott auf der Leiter Spitze sich stütze. Dies bedeutet, dass genannte Stufen, welche die Werkzeuge oder Mittel des Hinauf- oder Herabsteigens vorstellen, und auf verschiedene Weise zu Gott führen, verschwinden, sobald man in Gott angekommen ist; gleichwie eine Leiter dem Menschen zu nichts mehr dient, wenn er auf derselben an den gewünschten Ort sich erhoben hat.
Der Herr lehnte sich auf die Leiter. Gott, der ja die ganze Welt mit seinem mächtigen Arm unterstützt und erhält, wie kann Er sich wohl auf etwas lehnen oder stützen? Ganz gewiss, weil Er eine wonnevolle Ruhe in den Seelen findet, welche zufolge ihrer vollkommenen Vernichtung und Verlierung aller Mittel zum Ziele ihres Ursprungs in Gott angekommen sind. Wie sollte Gott in einer Seele, die nur in Ihm allein Ruhe geniesst, nicht mit Wohlgefallen ruhen? Er ruht also wirklich in sich selbst, weil eine solche Seele ausser Ihm nichts mehr besitzt.
Diese geheimnisvolle Leiter, auf deren Höhepunkt Gott sich stützte, lehrt uns ferner, dass da die Seelen vermöge der Erschaffung von Gott ausgegangen sind, und durch diese hinunterführenden Stufen auf die Erde ein unreines Leben angenommen haben, es durchaus erfordert wird, um wieder in Gott zurückzukehren, dass sie gerade wieder auf denselben Mitteln oder Stufen hinaufsteigen, auf denen sie heruntergestiegen sind. Dieser Gedanke hat ohne Zweifel viele Mystiker veranlasst zu sagen, dass wenn eine Seele zufolge einer vollkommenen Vereinigung wieder in Gott einkehren wolle, sie wieder zur Reinigkeit ihrer Schöpfung gelangen müsse, worunter die Verlierung aller Unlauterkeit und Eigenheit verstanden wird. Vortrefflich wird das von dieser Leiter ausgedrückt, auf welcher man, um in Gott einzugehen, auf eben derselben Stufe sein muss, von welcher aus man abirrte, um sich von Ihm zu entfernen oder aus Ihm herabzusteigen, was ja ganz natürlich und begreiflich ist.
Aus diesem Grunde verhiess Gott, dass diese Erde der Ruhe nicht nur den ersten Mystikern, sondern auch allen ihren Nachkömmlingen zuteil werde, und dass alle Menschen, welche auf dem einen und gleichen Pfade wandeln, und wie Jakob in der Beschauung ruhen, die ganze Leiter hinaufsteigen und in Gott ankommen können. Darum sprach der Herr zu Jakob: Sie werden die Erde besitzen, auf welcher du ruhst, weil das der Ort war, wo die Leiter gestellt wurde, sonst wäre ja die Verheissung nach dem Buchstaben genommen von geringer Bedeutung gewesen, da sie nur auf einem kleinen Erdenraum stehen konnte.
14) Deine Nachkommenschaft soll werden wie der Staub der Erde, und sollst dich ausbreiten gegen Morgen und Abend, gegen Mitternacht und Mittag, und in dir und in deinem Samen sollen gesegnet werden alle Völker der Erde.
Gott der Herr verspricht ihm, dass dies innere Volk zahlreich sein werde, dass es dem Erdenstaub gleichen soll. Das Wort Erdenstaub kann als Menge oder aber als Eigenschaft dieses Volkes verstanden werden. Unter Anzahl oder Menge gibt ihm Gott zu verstehen, dass es so vermehrt werde, dass es überall anzutreffen sei, und unter allen Nationen sich befinden werde. Vollkommen ist dies in Erfüllung gegangen, und wird immer in Erfüllung gehen; denn es ist kein Ort, wo nicht innere Seelen sich aufhalten. Unter der Beschaffenheit dieses Volkes aber erkennen wir, wie tief diese Seelen in den Staub ihres Nichts vernichtigt sind. Darum spricht die Schrift keineswegs, dass sie gleich dem Staube oder noch zahlreicher vermehrt werden sollen (was ja nur die ausserordentliche Menge ausdrücken würde), sondern es heisst: Wie der Staub, wodurch sehr deutlich ihre tiefste Vernichtung bezeichnet wird.
15) Ich will dein Hüter sein, wohin du auch ziehest, und ich will dich in dieses Land wieder zurückbringen, und nicht von dir lassen, bis ich alles getan, was ich geredet.
Gott versichert ihm, Er selbst wolle ihn bewahren, und wieder zurückführen, wodurch Er ihm zeigt, dass Er allein die Ihm ergebenen Seelen auf all ihren Wegen leite, bis Er sie in Ihn selbst, als in den Ort ihres Ursprungs, eingeführt habe.
16) Da Jakob erwachte, sprach er: Wahrhaftig, der Herr ist an diesem Ort, und ich wusste es nicht.
Da er von seinem mystischen Schlafe aufgeweckt wurde, sprach er, dass Gott daselbst gewesen, und er es nicht gewusst habe; nicht dass ihm unbekannt war, dass Gott überall gegenwärtig sei, sondern deswegen, weil Seelen von dieser Stufe im Frieden und in der Vereinigung so tief versunken, wie auch vom Glauben in solche Nacktheit eingeführt sind, dass sie Gott besitzen, ohne daran zu denken, dass sie Ihn besitzen, ja ohne irgendeine Erkenntnis davon zu haben, ausser in einigen Augenblicken, da Gott sich von ihnen ein wenig erblicken lässt, welches wie in einem Aufwachen von einem tiefen Schlaf geschieht. Glaube und Gelassenheit machen diese Seelen blind, so wie das allzugrosse Sonnenlicht blendet, dergestalt, dass sie von Gott nichts unterscheiden können. Dies verhält sich gleich einem Menschen, der der Luft ausgesetzt ist, und sie atmet, ohne daran zu denken, dass er davon lebe und sie einatme, weil er es ohne Überlegung tut. Solche ganz von Gott durchdrungene Seelen denken auch nicht an ihren hohen Gnadenzustand, weil ihnen Gott das, was sie sind, verborgen hält. Darum heisst dieser Weg der mystische, d.h. der geheimnisvolle und unwahrnehmbare Weg.
17) Und er erschrak und sprach: Wie furchtbar ist dieser Ort. Hier ist nichts anderes denn Gottes Haus und die Pforte des Himmels.
Die Heilige Schrift spricht, dass er von Schrecken überfallen wurde und ausrief: Wie furchtbar ist dieser Ort! Hier wurde ihm die Erkenntnis von den ausserordentlichen grossen Leiden mitgeteilt, welche die auserwählten Seelen, um zur Pforte des Himmels zu gelangen, ertragen müssen. Denn was wäre sonst so schreckliches, so furchtbares bei dieser Pforte anzutreffen? Hätte er sich nicht vielmehr verwundern und freuen sollen, als er den Thron der Herrlichkeit entdeckte? Er aber ruft im Gegenteil aus: Wie furchtbar und schrecklich ist dieser Ort! Eben dieser ist selbst das Haus Gottes und die Himmelspforte. Sollte er nicht vielmehr nach gewöhnlicher Art sagen: 0 wie wünschenswert ist doch dieser Ort! wie bewundernswürdig und wonnevoll ist er, als Gottes Haus, als Himmelspforte! Allein er empfing in diesem Augenblick über all das ein grösseres Verständnis, als ihm erlaubt war darüber zu sprechen, als ihm vergönnt war sich auszudrücken. Alles erkannte er, was es zu leiden gibt, auf welchen seltsamen Wegen Gott die Seelen leitet, um sie bis zur Himmelspforte fortzuführen, aber mehr darüber sprechen konnte er nicht, weil es solche Geheimnisse sind, über welche zu reden dem Menschen nicht erlaubt ist (2.Kor.12,14). 18) Also stand Jakob des Morgens auf, und nahm den Stein, den er unter sein Haupt gelegt, und richtete ihn zu einem Zeichen auf, und goss Oel darauf.
20) Und gelobte ein Gelübde, sprechend: So Gott mit mir ist, und mich behütet auf dem Wege, worauf ich wandle, und mir Brot zu essen gibt und Kleider anzuziehen;
21) Und so ich wieder in meines Vaters Haus komme, dann soll der Herr mein Gott sein.
22) Und dieser Stein, den ich als Zeichen aufgerichtet, soll Haus Gottes genannt werden.
Dieses Denkmal sollte der Nachwelt als Erinnerung von dem, was Jakob an diesem Orte widerfahren ist, und was er da kennengelernt hat, dienen.
Die vorher erhaltene Kenntnis über diesen so dunklen Weg hat das eigentümliche, dass sie furchtsam und unschlüssig macht. Überdies kann der Weg des Glaubens und der Gelassenheit sich weder bei Erscheinungen, noch bei Worten oder Gnadenbezeugungen, noch bei was es immer sein mag, das Versicherung gibt, aufhalten. Denn eine solche Versicherung würde den Lauf hemmen. Daher ist Jakob wie für sich, so auch für uns gut unterrichtet, sich weder bei dem was er gesehen, noch bei demjenigen selbst, was Gott zu ihm gesprochen, zu verweilen, sondern grossmütig alle Dinge zu überschreiten, um sich bei gar nichts als beim göttlichen Augenblick der Vorsehung aufzuhalten, welcher die einzige Versicherung, ohne die Versicherung für gelassene Seelen ist. Vermöge dessen spricht er bei sich selbst: Wenn der Herr mit mir ist, und wenn Er mich zufolge seiner Vorsehung so führt, dass Er mich auf einem so gefahrvollen und schwierigen Weg vor Sünde bewahrt, so will ich Ihn alsdann als meinen Gott anerkennen. Wiewohl ich mich aber ganz blindlings seiner Vorsehung überlasse, und auf dem ganzen Wege keine andere Leitung und Führung als die seinige verlange, so kann ich doch noch keine gänzliche Versicherung und Erfahrung haben, dass Er mein Gott sei, bis ich mich im Frieden im Hause meines Vaters befinde, d.h. in der Ruhe meines Ursprungs, weil die Dunkelheit dieses Weges mich noch immer in Unsicherheit festhalten würde.
Wie kann man aber einen Stein Haus Gottes nennen? Darum, weil der Stein als Zeichen der mystischen Ruhe zu betrachten ist, in der alles verborgen liegt. Eine Seele also, welche alle mystischen Wüsteneien durchgegangen, und in Gott wahrhaft angelangt ist, was freilich ein sehr seltenes Glück ist, ruft für sich und andere aus, dass der mystische Weg wirklich Gottes Wohnung sei.
29. Kapitel.
9) Jakob redete mit den Hirten, als Rahel mit den Schafen ihres Vaters kam; denn sie weidete die Herde selbst.
10) Da nun Jakob sie sah, die Tochter des Bruders seiner Mutter, und die Schafe Labans, des Bruders seiner Mutter, wälzte er den Stein weg, womit der Brunnen verschlossen war.
11) Und tränkte die Herde.
Hier reichte Jakob Wasser zum Dienste der Rahel dar, hingegen dort schöpfte Rebekka Wasser für Isaaks Knechte und Kamele. Ein tiefes Geheimnis liegt in diesem Unterschied verborgen. Weder Jakob noch Rahel waren in der Zeit des Darreichens der Wasser zur geistlichen Vermählung genugsam vorbereitet. Rahel hatte noch keine Kenntnis, keinen Anfang vom geistlichen Leben, deswegen musste Jakob die Wasser selbst fliessen machen, weil ihm wegen seinen Vätern die Verheissung gemacht worden ist. Überdies sollte Rahel unfruchtbar sein. Obgleich sie zur Geburt von zwei ziemlich zahlreichen Stämmen das ihrige beitrug, sollte doch die Quelle des lebendigen Wassers, Jesus Christus, nicht von ihr entspringen, sondern von Jakob, welcher in dieser Hinsicht als Vorbild der Gnaden des Heils und der Vollkommenheit, welche vermittelst des Erlösers der Welt mitgeteilt werden sollten, die Wasser schöpft und zu trinken gibt. Rebekka aber, die eine Quelle war, aus der das lebendige Wasser, Jesus Christus, hervorfliessen sollte, konnte in der Person Eliesers und in Ansehung Isaaks die Völker tränken. Jakob verwaltete bei Rahel das Amt eines Hirten, weil er in Jesus Christus ist, oder vielmehr weil Jesus Christus in ihm der eigentliche wahre Hirte ist, welcher seine Herde mit dem Wasser aus dem Felsen tränken soll (1 .Kor.10,4).
11) Jakob küsste Rahel und weinte laut, weil er seine Tränen nicht zurückhalten konnte.
Er küsste sie zum Zeichen der zu vollendenden Vereinigung, durch welchen Kuss er sie als Gehilfin auf der betretenen Bahn und im Glaubensleben annimmt. Er vergiesst Tränen wegen der gehabten Ahnung, dass obwohl sie sehr schön und sehr tugendhaft war, sie doch niemals das Vorrecht haben werde, in den Seelen Jesus Christus zu erzeugen, und zwar deswegen, weil die allzu natürliche Liebe Jakobs zu ihr, sie an der Erzeugung Jesu Christi in den Seelen verhindert; woraus wir sehen können, wie eine weit grössere Reinigkeit und vollkommenere Entblössung für das apostolische Leben erfordert wird, als für jedes andere Leben, wie heilig und tugendreich es auch immer sein mag.
20) Jakob diente Laban um Rahel sieben Jahre; und sie dünkten ihm wenige Tage zu sein bei der Grösse seiner Liebe.
Die natürliche Liebe Jakobs für Rahel war eine Schwachheit, welche Gott in diesem heiligen Patriarchen zuliess. Daher wurden auch die sieben Jahre, während denen er für sie in der Hoffnung diente, mit ihr sich verehelichen zu können, nicht angerechnet, und sie ihm nur wenige Tage zu sein dünkten. Allein solche Schwachheiten in so starken Seelen dienen selbst zu Gottes Absichten und Ratschlüssen, sind auch kräftige Hilfsmittel zu ihrer Vernichtung, auf dass sie dadurch tauglich werden, das Kreuz zu tragen und zum apostolischen Leben, in das man nur zufolge des durch Lea vorgestellten Kreuzes eintreten kann, vorbereitet werden. Die durch Rahel bezeichneten Süssigkeiten der Beschauung sind niemals vermögend, dieses zum Heil der Seelen göttlich fruchtbare Leben zu erzeugen, das Kreuz muss es mitteilen. Gebet und Kreuz seien innig miteinander zum Tragen der Gnadenfrüchte verbunden. Das Kreuz giesse aus in den Busen des Gebets Jesu Blut, auf dass es fruchtbringend werde, und das Gebet verbreite Gottes Geist über unsere Kreuze, den es vom Himmel auf sich herabzieht, um diese zu heiligen.
21) Nachher sprach er zu Laban: Gib mir mein Weib, denn die Zeit ist erfüllt, dass ich zu ihr gehe,
22) Laban machte Hochzeit.
23) Abends führte er Lea, seine Tochter, in Jakobs Kammer.
Gott, so reich an Güte, hintergeht uns auf so angenehme Weise. Zuerst macht Er, dass wir die inneren Süssigkeiten lieben; und nachher, wenn wir gedenken, uns in ihnen festzuhalten und zufrieden mit ihnen zu leben, richtet Er an ihrer Stelle das Kreuz auf. Die innigen, mit Rahel vorgebildeten Tröstungen, haben etwas so Angenehmes an sich, dass sich die Seele aus Untreue und Schwachheit ganz leidenschaftlich an sie fesselt. Indes lässt Gott sie dieselben eine Zeitlang lieben, und überhäuft sie sogar mit denselben; aber nur deswegen, um sie zum Tragen des zubereiteten Kreuzes geschickt und fähig zu machen.
24) Morgens erkannte Jakob, dass es Lea war.
25) Und er sprach zu seinem Schwiegervater: Was hast du doch tun wollen? Hab ich dir nicht um Rahel gedient? Warum hast du mich betrogen?
Am Tage, d.h. solange der erleuchtete Zustand dauert, liebt man Rahel. Nachts, wenn die Dunkelheit des Glaubens gekommen, besitzt man Lea. Der Glaube liebt Lea wegen ihrer Fruchtbarkeit, die Natur liebt Rahel wegen ihrer Schönheit. Lea hat Triefaugen, allein sie ist so angenehm in der Nachtruhe wie Rahel, weil sie sogar für diese genommen wurde. Hässlich ist das Kreuz, wenn man es mit Überlegung betrachtet; allein die Seele, welche es gedankenlos in der Ruhe der Vereinigung besitzt, findet im Kreuz ebenso viele Freuden und Wonne als mitten in den grössten Süssigkeiten. Die Eigenliebe also, welche Gott nur für 5üssigkeiten diente, in der Hoffnung, sie immer geniessen zu körnen, beklagt sich sehr bei Gott, da sie nichts als Uli der willen und Kreuz antrifft. Wie doch, spricht sie, ist das die versprochene Belohnung für so viele und langdauernde Dienstleistungen? Ich glaubte, du würdest mich dafür mit geistlichen Vergnügen überhäufen, und statt derselben sendest du mir jetzt nur Trübsale und Bitterkeit zu. Woher mag wohl diese unvermutete Veränderung kommen?
26) Laban antwortete ihm: Es ist nicht gebräuchlich in unserem Ort, die jüngeren Töchter zur Heirat zu geben vor den ältern.
27) Lasse die Woche der Vermählung herumgehen, so will ich dir auch jene geben um den Dienst, den du sieben Jahre bei mir noch dienen sollst.
28) Und er war es zufrieden, und als die Woche herum war, nahm er Rahel zum Weibe.
Gott, voll Erbarmen und Mitleid für diese Seelen, tröstet sie mit folgenden Worten: Leide nur während einigen Tagen die Trübsale, die ich dir zuschicke. Hernach will ich dir die Süssigkeiten, die du nur äusserlich und für einige Augenblicke genössest, in wirklicher und inniger Besitzung mitteilen. Allein die Schmerzen müssen dieser Freude vorangehen, denn das Kreuz hat bei mir das Recht der Erstgeburt, daher muss es den inneren und dauerhaften Freuden vorangehen. Denn jeder Genuss in diesem Leben ist sehr unbedeutend, und nur wegen deiner Schwachheit lasse ich dir denselben zukommen. Wenn du aber von dieser ewigen versprochenen Süssigkeit verkostet hast, musst du mir noch sieben Jahre dienen, um mit einiger Arbeit ein Gut zu bezahlen, das man nicht hoch genug schätzen kann.
30) Jakob kam endlich zur gewünschten Vermählung, und liebte Rahel mehr als Lea, um welche er noch sieben andere Jahre bei ihm diente.
Seelen, welche auf den Wegen der Wahrheit noch nicht sehr befördert sind, ziehen die Liebe zur Süssigkeit der Liebe zum Kreuz vor, was sie an ihrem Fortgang sehr hindert. Dies alles liess Gott an Jakob zu unserem Unterricht also geschehen, da nach den Worten des grossen Apostels in der Heiligen Schrift nichts enthalten ist, was nicht zu unserer Unterweisung dient (Röm.15,4).
31) Da aber der Herr sah, dass er Lea verachtete, machte er sie fruchtbar, und ihre Schwester blieb unfruchtbar.
32) Und sie empfing und gebar einen Sohn, und nannte seinen Namen Ruben und sprach: Der Herr hat mein Elend angesehen, nun wird mein Mann mich lieben.
Das so unangenehme und so wenig geliebte Kreuz ist immerhin fruchtbar, weswegen eine erleuchtete Seele es allem übrigen vorzieht. Die Süssigkeit hingegen, welche nur scheinbares Vergnügen hervorbringt, ist wahrhaft unfruchtbar, währenddem das in sich Bitterkeit fassende Kreuz unerklärbare Vorteile geniesst.
Das durch Lea vorgestellte Kreuz drückt grosse Freude aus, Mutter zu sein, in der Hoffnung, dass ihr Mann, welcher die mit diesem Kreuz vermählte Seele ist, seine Fruchtbarkeit sehend, ihm alle schuldige Ehrerbietung erweisen werde. Dessen ungeachtet wird das Kreuz doch nicht stolz, wohl erkennend, dass alles von Gott herkommt, der ihm einen solchen Vorteil verschafft hat, auf dass er es aus seiner natürlichen Schmach erhebe, zufolge dessen es Ihm alle Ehre und Verherrlichung erweist. Die Früchte des Kreuzes sollen urteilen, welche Ehre es wert sei; der rohe Sinn kann sie nicht verkosten, wohl aber der Geist, der die Früchte vermöge des Glaubens entdeckt.
33) Sie empfing wieder.
34) Sie empfing zum drittenmal, und da sie mit einem Sohne niedergekommen war, sprach sie: Nun wird mein Mann sich mehr mit mir vereinigen, da ich ihm drei Söhne geboren habe, und darum nannte sie seinen Namen Levi.
Es ist etwas ganz Sonderbares mit dem Kreuz, das so viele und so grosse Vorteile in sich schliesst, und doch nur mit grosser Mühe geliebt wird. Sieh, es gebiert den priesterlichen Stamm Levi, und alles, was das erhabenste ist, und dennoch hat es nicht geringe Mühe, sich beliebt zu machen. Bei der ersten Geburt masst es sich nichts anderes an, als dass es nicht mehr so verächtlich scheine. Bei der zweiten hofft es, sich liebenswürdig zu machen, aber bei der dritten Geburt, da Levi, das königliche Priestertum, zur Welt gekommen, glaubt es, ein solches Verlangen nach ihm zu erwecken, dass die weiser gewordene mit dem Kreuz beschenkte Seele sich mit ihm zu vereinigen wünschen werde.
36) Und sie empfing zum vierten Mal, und gebar einen Sohn und sprach: Nun will ich den Herrn preisen, und darum nannte sie ihn Juda, und sie hielt inne zu gebären.
Das vierte Mal tut sie nichts mehr, als den Herrn zu preisen, wodurch sie Jesus Christus in Juda, aus dem Er entspringen sollte, ankündigte. Wie man in Jesus Christus das Ziel und die Vollendung aller und jeder Begierde findet, so hört sie auch auf, Kinder zu gebären, nachdem sie Juda zur Welt gebracht.
Das Kreuz, entzückt über eine so edle Erzeugung, die aus ihm hervorgegangen, erschwingt sich so über alles Erschaffene, dass es nimmermehr von Jakob redet, noch verlangt ihn zu besitzen wie vorher, sondern sich beim Anblick einer so anstaunungswürdigen Geburt im kühneren Aufflug ausruft: 0 dieses Mal will ich preisen den Herrn, da ich nichts mehr auf Erden habe, das meine Sehnsucht, meine Begierde aufhalten könnte ! Nichts Grösseres vermochte das Kreuz hervorzubringen, als das Heil der Welt, das es wahrhaftig geboren, da der Friede zufolge des von Jesus Christus am Kreuz vergossenen Blutes zwischen dem, was im Himmel und zwischen dem, was auf Erden ist, hergestellt wurde (Kol.1,20).
30. Kapitel.
1) Als Rahel sah, dass sie unfruchtbar war, beneidete sie ihre Schwester, und sprach zu ihrem Manne: Gib mir Kinder oder ich sterbe.
2) Und Jakob ward zornig und antwortete: Bin ich wie Gott, der dich der Leibesfrucht beraubt hat?
Sogar die geistliche Süssigkeit möchte die Vorrechte des Kreuzes geniessen, daher, überdrüssig ihrer Unfruchtbarkeit, sagt sie zu der von ihr angefüllten Seele: Mache doch, dass aus mir einige Frucht hervorkomme, sonst muss ich sterben, warum soll das Kreuz allein alle Vorteile ernten? Sie möchte entweder ihr Dasein ganz verlieren, oder an der Fruchtbarkeit des Kreuzes Anteil nehmen. Die Seele, die so geringe Dauerhaftigkeit dieses süssen und geschmackvollen Pfades erkennend, erzürnt sich und gibt ihr zu verstehen, dass sie Gott allein fruchtbar machen könne. Kreuz und Trost sind Prüfungen, welche die eine und gleiche Person auf verschiedene Weise üben, so wie diese zwei Frauen, die uns ein treues Bild von solchen Prüfungen geben, die ihren Mann Jakob übten. Wollen wir in diesen Prüfungen ausharren, so müssen wir sie gleichmütig von Gottes Hand annehmen, und sie nur in Ihm anschauen.
3) Rahel aber sprach: Ich habe meine Magd Bilha, gehe zu ihr, dass sie auf meine Knie gebäre, und ich aus ihr Kinder habe.
4) Und sie gab ihm Bilha zur Ehe.
5) Und da Jakob sie genommen, empfing sie und kam nieder mit einem Sohne.
Rahel sehend, dass sie wegen ihrer Unfruchtbarkeit nicht gebären kann, nimmt Zuflucht zu ihrer Magd. Auf gleiche Weise handelt eine in Süssigkeit der Beschauung lebende Seele. Wenn sie nämlich wahrnimmt, dass sie ohne Tätigkeit ihre Tage zubringt, sucht sie die Hilfe bei einer Magd, um durch sie einiges hervorzubringen. Sie verrichtet das eine oder andere leibliche Werk der Barmherzigkeit, auf dass sie sich wegen ihrer Unfruchtbarkeit damit trösten, und eine natürliche Stütze sich verschaffen könne.
14) Ruben ging aufs Feld zur Zeit der Weizenernte, und fand Alraunen, und brachte sie seiner Mutter. Und Rahel sprach: Gib mir die Alraunen deines Sohnes.
15) Lea antwortete: Dünkt es dir zu wenig, dass du mir meinen Mann genommen, willst du auch die Alraunen meines Sohnes nehmen? Und Rahel erwiderte: So mag er diese Nacht bei dir schlafen für die Alraunen deines Sohnes.
Das ganze erleuchtete Leben, wenn es mit dem darauf folgenden Glaubensleben verglichen wird, ist noch ein unverständiges, ein mit Schwachheiten angefülltes Leben. Rahel ist so kindisch, dass sie die Wollust, Alraunen zu sehen und zu riechen (für das Auge zwar schöne Pflanzen und von ausnehmend gutem Geruche), dem wirklichen Besitze des Mannes vorzieht. Weichliche und sinnlichen Gelüsten ganz ergebene Seelen gleichen ihr hierin ganz genau; sie ziehen das Süsse dem Wesentlichen vor, welches Wesentliche und Gründliche die Besitzung Gottes in Ihm selbst über alle Gaben erhaben in sich fasst.
16) Da nun Jakob des Abends vom Felde kam, ging Lea ihm entgegen und sprach: Zu mir sollst du gehen, denn ich habe dich erkauft für die Alraunen meines Sohnes.
17) Und er erhörte ihr Gebet, und sie empfing und gebar ihren fünften Sohn.
Die durch das Kreuz stark und grossmütig gewordenen Seelen geben gern alles Süsse, alles Äussere für die wirkliche und wahrhafte Besitzung ihres Bräutigams hin, so wie Lea es tat. Da segnete Gott eine so gerechte Wahl mit neuer Fruchtbarkeit und schenkte ihr noch zwei Söhne und eine Tochter. Dieses bedeutet zugleich, wie die Seele, welche für und wegen Gott alles verlassen hat, freudenvoll zu Ihm hineilt, sprechend: Ich verdiene deine Besitznahme, welche ich mir durch den freiwilligen Verlust aller Gaben erworben habe.
22) Der Herr gedachte auch an Rahel, und erhörte sie und machte sie fruchtbar.
23) Sie empfing und gebar einen Sohn und sprach: Gott hat hinweggenommen meine Schmach.
Der unendlich gütige, alles belohnende Gott handelt mit diesen schwachen Seelen nach ihrer Schwachheit. Er erbarmte sich der Rahel und machte sie zur Mutter. Dies lehrt uns, wie solche Seelen, mit empfindlichen Gaben und Gnaden begünstigt, am Ende ihrer Laufbahn noch zu einer gewissen Reife gelangen, und einige Frucht hervorbringen. Aber ihre Frucht ist niemals weder an Güte noch an Menge mit derjenigen zu vergleichen, welche auf dem harten und qualvollen Kreuzweg gegangene Seelen hervorbringen. Sie erfreuen sich über die Massen wegen einer solchen Frucht, und sprechen: Gott hat uns unsere Niedrigkeit, unsere Schmach weggenommen.
25) Als aber Joseph geboren war, sprach Jakob zu seinem Schwiegervater: Entlasse mich, dass ich heimziehe in mein Vaterland, an meinen Ort.
Sobald die Bahn der Lichter und Süssigkeit fruchttragend geworden, und von aussen gewisse Zeichen von Schönheit hervorgebracht, ist die Seele voll Freuden über das Erscheinen so schöner Früchte, weil sie etwas von der Schönheit ihrer Mutter beibehalten. Deswegen will sie sich mit rechtem Ernst von diesem Pfand wegbegeben, um diese Früchte auf den Weg der Gelassenheit zu führen. Darum dringt Jakob in Laban, ihn doch zu entlassen, als befürchte er, dass seine Kinder durch einen längeren Aufenthalt etwas Fremdartiges in diesem Lande annehmen könnten, woraus eine sehr arge Vermischung entspringen würde.
31. Kapitel.
3) Der Herr selbst sagte zu Jakob: Kehre wieder heim ins Land deiner Väter und zu deinen Verwandten, ich will immer mit dir sein.
Gott sorgte ganz besonders für Jakob, ganz väterlich nahm Er sich seiner an, ihn haltend am alles leitenden Stab seiner Vorsehung. Er selbst befiehlt ihm, heimzukehren in das Land seiner Väter, und zwar aus Furcht, er möchte der Versuchung wegen seinen grossen Reichtümern auf anderen Wegen zu wandeln, ausgesetzt werden. Zum zweitenmal wiederholt Er ihm die Verheissung, dass Er bei ihm in allen Mühseligkeiten sein wolle, bis dass Er ihn zu seinem Ursprung, zum Ort der Ruhe in Gott geführt habe. Solange man sich noch auf dem Wege befindet, ist immer Verwirrung, Abwechslung und Veränderlichkeit zu befürchten.
8) Die verschiedenfarbigen Lämmer waren Jakobs Lohn.
Die Schafe Jakobs waren verschiedenartig gefärbt. Daraus können wir lernen, dass solange die Seele zufolge eines ewig währenden Zustandes nicht in Gott angelangt ist, sie sich bald in dem, bald in einem andern Zustand befindet. Bald geniesst sie Frieden, bald lebt sie in Unruhe, in Gemütsbewegung. Nur der Zustand einer Seele in Gott bleibt unveränderlich, bewegungslos, weil sie zur Lauterkeit und Einfachheit ihres Ursprungs angekommen ist.
13) Ich bin der Gott, der dir zu Bethel erschienen, wo du den Stein gesalbt und das Gelübde gelobt hast. So mache dich eilends auf, und ziehe aus diesem Lande, und kehre in das Land deiner Geburt zurück.
Erinnere dich, spricht der Herr, an den Stein, wo du mir ein Gelübde gelobtest, und ich dir meine Leitung und Führung versprach. Dahin will ich dich wieder zurückführen, denn eben da ist der Ort deines Ursprungs, wohin ich dich begleiten will, um dich in mich zu verlieren und zu bewirken, dass du in die Quelle, aus der du hervorgegangen bist, wieder zurückfliessest.
18) Jakob nahm alles, was er in Mesopotamien erworben, und zog fort.
19) Und während Laban gegangen war, seine Schafe zu scheren, stahl Rahel die Hausgötzen ihres Vaters.
Jakob nimmt alles das Seinige mit und lässt nichts zurück. Aus Rahels Diebstahl aber erkennt man leicht, wie weit die Seelen, die sich durch Einleuchtungen leiten lassen, von der vollkommenen Entwerdung derjenigen entfernt sind, welche das Kreuz als Führer erwählt haben. Jene dort besitzen immer einige Hausgötzen oder Anhänglichkeiten, die sie mitnehmen, die andern hingegen haben nichts dergleichen. Lea trägt nur ihre Kinder mit sich fort, und Gott genügt ihr in allem und für alles.
22) Am dritten Tage ward Laban berichtet, dass Jakob geflohen.
23) Und alsogleich jagte er ihm nach sieben Tage lang, und erreichte ihn am Gebirge Gilead.
24) Aber Gott erschien ihm im Traum, und sprach: Hüte dich, dass du mit Jakob etwas Unfreundliches redest.
Wer ist es, der Gottes Sorgfalt in Bezug der Ihm ergebenen Seelen nicht bewundert? Bei den unbedeutendsten Ereignissen kommt Er ihnen liebevoll zuvor, da Er sogar Offenbarungen und Wunder anwendet, um sie gegen böse Behandlungen ihrer Verfolger zu beschützen, so wie wir es hier zufolge der sonderbarsten Weise, mit welcher Gott Jakob und seine ganze Familie von Labans Zorn befreite, deutlich einsehen.
37) Jakob sprach zu Laban:
38) Deine Schafe und deine Ziegen haben geworfen, und die Widder deiner Herde habe ich nicht gegessen.
39) Und das von Tieren Geraubte habe ich dir nicht gezeigt, habe allen Schaden gebüsst; und was gestohlen wurde, hast du von mir gefordert.
40) Tag und Nacht verzehrte mich Hitze und Frost, und der Schlaf floh von meinen Augen.
41) Also habe ich zwanzig Jahre in deinem Hause gedient.
Das sind die Eigenschaften eines guten Hirten, welcher der Herde in keiner Hinsicht schadet, und dem Feinde keine Beute lässt; der sich der Gefahr für seine Schafe aussetzt, und sein Leben für sie hingibt, der für alles sorgt, was ihnen zum Vorteil gereicht, und allen ihnen etwa zugefügten Schaden allein trägt. Schwerlich wird in der ganzen Heiligen Schrift ein besser bezeichnetes Bildnis von Jesus Christus, dem einen wahren Hirten, gefunden werden, als dieses in Jakob dargestellt; noch ein Bild von den Eigenschaften, welche alle guten Hirten haben, anzutreffen sein. Niemand aber schmeichle sich, alle diese grossen Pflichten pünktlich erfüllen zu können, wenn er nicht vermöge eines tiefen Innern, wie Jakob, stark und mächtig in Gott geworden ist.
32. Kapitel.
1) Jakob zog fort auf seinen Wegen und Engel Gottes begegneten ihm.
Dieser von den Engeln herkommende Trost ist eine Vorbereitung für die Seele auf schwere Kämpfe, die sie vor dem Eintritt in Gott bestehen soll. Nimmermehr soll sie die Verfolgungen der Kreaturen befürchten, sondern Gott selbst. Als Vorboten eines ganz besonderen Kampfes mit Gott, muss die Seele vorher irdischen Feinden begegnen. Diesen besonderen Kampf ahnt die Seele nicht zum voraus, er ist ihr ganz unbekannt. Vor einem sichtbaren Kampf, der nur scheinbar ist, fürchtet man sich, keineswegs aber vor einem wirklichen Streit, der uns verborgen ist.
6) Esau, dein Bruder, eilt dir mit vierhundert Mann entgegen.
7) Jakob fürchtete sich sehr, und es bangte ihm.
Ein eingebildetes Übel kann uns oft beunruhigen, währenddem man fest und standhaft in wirklichen und eigentlichen Kämpfen ausharrt. So hat Jakob sehr grosse Furcht über sein Zusammentreffen mit Esau, da ihm doch nichts Böses widerfahren wird, indem ist er wegen vielen andern von Gott ihm zubereiteten Kämpfen nicht erschrocken, wiewohl er aus ihnen sehr glücklich zufolge eines besondern Beistandes hervorgehen soll.
9) Jakob betete solchergestalt zu Gott: Gott meines Vaters Abraham, und Gott meines Vaters Isaak, Herr, der du zu mir gesagt: Kehre zurück in dein Land, und an den Ort, da du geboren, und ich will Gutes an dir tun.
10) Zu gering bin ich aller Gnade und aller Treue, die du erfüllt an deinem Knechte. Mit einem Stabe bin ich über diesen Jordan gezogen, nun kehre ich zurück mit zwei Heeren.
Die Weise Jakobs, mit der er sich in seiner Drangsal zu Gott wendet, zeigt uns, welch grossen Nutzen die Leiden und Trübsale uns bringen. Sie erinnert gleichfalls an Gottes Wohltaten, nicht nur um einigen Trost dadurch zu erhalten, sondern auch um das Vertrauen zu mehren oder zu verdoppeln. Jakob stellt Gott alle seine Verheissungen wieder vor, ohne das geringste Klagewort hervorzubringen. Er legt Ihm einzig alle erwiesenen Guttaten vor, dass sie nicht fruchtlos werden.
Er bittet um seinen Beistand auf eine so zärtliche und kräftige Art, dass die im Text angeführten Wörter mehr ausdrücken als alles, was man davon sagen kann. Bestürzung und Schmerz, in denen er versunken ist, bezeichnen sehr genau eine Seele, welche auf dem Wege des Glaubens und der Gelassenheit wieder in Gott, als ihren Ursprung zurückkehrt. Denn eben in diesem Zustande ist sie voll Zweifel und Qualen, Todesschrecken überfallen sie, unvermeidlich erscheint ihr das Hinscheiden. Aber welchen Tod mag sie wohl befürchten? Keinen andern, als den durch die Sünde verursachten. Sie weiss sehr gut, dass sie über diesen Feind öfters gesiegt, ihn beherrscht und mit Füssen getreten. Da sie aber nun sieht, dass es darum zu tun ist, in seine Hände zu fallen, bezweifelt sie gar nicht, dass er sich an ihr rächen werde, und seiner Grausamkeit versichert, hält sie sich als für ganz gewiss verloren. Die arme, von allen Seiten bedrängte Seele stellt Gott vor, dass Er sie auf diese Bahn hingeführt, wozu sie ihre Einwilligung nur deswegen gegeben, um Ihm blindlings zu gehorsamen, und sich Ihm vollkommen zu ergeben.
Danach bittet sie Ihn um seinen Schutz. Sie macht Ihm ferner Vorstellungen, wie auch ihre Väter auf dem gleichen Wege gewandelt, und Er sich eben deswegen als ihr Gott ausgesprochen habe. Sie demütigt sich vor Ihm und erinnert Ihn an seine Wahrheit.
11) Errette mich aus der Hand meines Bruders, denn ich fürchte ihn sehr, er möchte etwa kommen und schlagen die Mutter mit den Kindern.
12) Versprochen hast du mir, mich mit den Gütern zu überhäufen, und meinen Samen zu vermehren, wie des Meeres Sand, den man nicht zählen kann vor Menge.
Welch schöner Ausdruck: Schlagen die Mutter mit den Kindern.
Die Sünde schlägt die Mutter, welche die zufolge der Gnade erworbene Gerechtigkeit ist, wie auch die Kinder, die Tugenden nämlich, und die guten Werke. Nun aber sieht die vor Angst beklemmte Seele, dass sie in kurzem das eine und andere verlieren werde. Alle übrigen Güter vergisst sie, nun denkt sie an ihre eigene bald zu verabscheidende Gerechtigkeit. Freiwillig sogar verlässt sie alle Reichtümer, alle Güter, d.h. sie willigt in den Verlust jeden Geschmacks und aller himmlischen Begünstigungen. Es ist billig, dass ihr all dieses zufolge der ihr unvermeidlich scheinenden Sünde geraubt werde, aber in den Verlust der eignen Gerechtigkeit und ihren Früchten (der göttlichen Tugenden), kann und weiss sie nicht einzuwilligen. 0 arme, bekümmerte Seele! grösser ist deine Furcht als das Übel jemals sein wird. Du hast ja gar nichts zu befürchten, weil Gott, der dich behütet, den dich bedrohenden Fall verhindert und abwendet.
13) Jakob brachte daselbst diese Nacht zu und sonderte von dem, was er hatte, Geschenke für Esau, seinen Bruder.
23) Nachdem er alles, was er hatte, hinübergebracht,
24) Blieb er allein an dem Orte. Und siehe, ein Mann rang mit ihm, bis die Morgenröte anbrach.
25) Und da der Mann sah, dass er ihn nicht übermochte, berührte er die Sehne seiner Hüfte, die alsbald verdorrrte.
Jakob, wie gemeldet, setzt alle seine Güter der Gefahr aus, er aber bleibt allein. 0 armer Mann! du glaubst nur einen Feind bestreiten zu müssen, den du leicht mit Geschenken befriedigen kannst. Schon der Verfolgung deines Schwiegervaters (Bild des Geschöpfes) bist zu entkommen, nun gedenkst du nach deinen Gedanken, andere Feinde ebenso abzuweisen. Allein es ist dir verborgen, dass du mit Gott selbst einen Kampf zu bestehen hast, und Er dich sogar selbst angreifen wird. Wie er aber der heftigste Kampf ist, so ist er auch der letzte Kampf. Mit Gott selbst streiten und das Gewicht seiner Kraft ertragen, ist etwas, das nur die Erfahrung lehrt. In einem solchen Krieg kostet es immer etwas, wie es Jakob die Sehne gekostet, weswegen er hinkend geworden.
26) Dieser Mann sprach zu ihm: Lass mich, denn die Morgenröte bricht an. Und er antwortete: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!
27) Da sprach er: Welches ist dein Name? Er antwortete: Jakob.
28) Der Mann sprach ferner: Bis jetzt hast du Jakob geheissen, von nun an sollst du Israel heissen. Denn da du über Gott vermochtest, wieviel mehr wirst du gegen Menschen vermögen.
Nachdem man diesen allerletzten Kampf überstanden, muss die Namensänderung vor sich gehen. Man empfängt gleich Abraham und Sara einen neuen Namen. Diese Namensänderung steht klar sowohl im Alten wie im Neuen Testament aufgezeichnet (Joh.1,42). Hier verliert die Seele ihre eigene Gerechtigkeit, ihre eigene Stärke, um mit Gottes Kraft überkleidet zu werden. Der ihm gegebene Name Israel bedeutet auch STARK GEGEN GOTT, als wenn es hiesse: stark wie Gott, ja selbst stark von Gottes Kraft. In dieser Nacht sollen alle Kinder Jakobs und sein Volk, nämlich das geistliche Volk Gottes, das mit Gottes Kraft selbst bekleidete Volk, Israel genannt werden. Gleichfalls steht im 2. Mose 14,14 von diesem Volke: Der Herr wird für dich streiten, und im Stillschweigen wirst du verbleiben, d.h. Er selbst streitet in ihnen und sie haben nichts zu tun, als in Ruhe zu harren, wie auch in 1.Sam.17,45 steht: Du kommst zu mir mit Schwert, Speer und Schild. Ich aber komme zu dir im Namen des Herrn der Heerscharen. Eine solche mit Gottes Kraft bekleidete Seele fürchtet also weder Menschen noch Teufel mehr, denn nach bestandenem Kampfe mit Gott selbst, was hat sie noch zu befürchten?
31) Sobald Jakob diesen Ort verlassen, den er Pniel nannte, sah er die Sonne aufgehen, er aber blieb hinkend am Fusse«
Nach diesen fürchterlichen Kämpfen geht die Sonne auf. Die nun so ganz vernichtigte und fliessend gewordene, die zerschmolzene und in Nichts umgewandelte Seele, wie sie es früher nicht war, versteht jetzt viel vollkommener, wahrhaftiger, was Gott, die Sonne aller Wesen sei, sogar da sie Ihn weniger begreifen kann. Das Übermass ihrer Versunkenheit in Gott macht ihr Gott noch unbegreiflicher, Ihn viel besser erkennend, als sie Ihn früher erkannt hatte. Menschen, die so glücklich waren, den göttlichen Kampf mit Treue zu bestehen, mögen wohl vor der Welt schwächer scheinen, als man sie vorher glaubte. In der Tat aber waren sie niemals so stark, weil sie zufolge der Verlierung ihrer eigenen Kräfte in Gottes Kraft eingegangen sind; gleich wie Jakob, obschon er hinkend geworden, den Namen Israel, stark wider Gott, trägt, und dessen Sinne vollkommen entspricht.
33. Kapitel.
10) Jakob spricht zu seinem Bruder Esau: Heute schaute ich dein Angesicht, wie wenn ich das Angesicht Gottes geschaut hätte. Sei mir gnädig.
11) Empfange das Geschenk, das ich dir gebracht, und das Gott mir beschert hat, der alles gibt.
Wenn der Mensch mit einem neuen Namen benannt, und die Seele sehr vorwärts geschritten, so schaut sie alle Dinge in Gott, und Gott in allen Dingen. Die Sünde (aus Furcht ihrer Schwachheit von ihr überwältigt zu werden), die ihr früher so grossen Schrecken verursachte, vermag es nun nimmer. Selbst die Hölle in ihrem ganzen Umfange könnte sie nicht mehr erschrecken, weil sie nichts mehr sieht, das von Gott unterschieden ist, in dem keine Sündenschuld, sondern vollkommene Heiligkeit sich befindet. Diese so einfache als offenherzige Weise, sich auszudrücken, ist ganz geeignet für die Seele von solcher Stufe, dass sie nicht anders handeln könnte, wenn sie auch wollte. Niemand halte solches für unmöglich, wenn er es nicht begreift. Dass das sich so verhält, ist notwendig, weil eine in Gott aufgenommene Seele die Dinge nicht anders mehr sehen kann, als wie Gott sie sieht, ohne Furcht und Unruhe, ohne Schrecken, ohne Bosheit und Fehler; teilnehmend an den göttlichen Eigenschaften, je nach dem Mass, als sie in Gottes Einheit eingegangen ist.
Jakob gibt zugleich Esau zu erkennen, dass alles, was er ihm schenkt, von Gott herkomme, weil Er es ist, der alle Dinge beschert. Die in der göttlichen Wahrheit begründeten Seelen besitzen diese Eigenschaft, sich nichts, alles aber Gott zuzueignen.
34. Kapitel.
1) Währenddessen sprach Gott zu Jakob: Mache dich auf und ziehe gegen Bethel, und wohne daselbst, und baue einen Altar dem Herrn, der dir erschien, da du flohest vor Esau, deinem Bruder.
Gott befiehlt der Seele nach so vielen Mühsalen und bestandenen Kämpfen auf dem Wege, an den Ort ihres Ursprungs zu gehen, wohin Er sie zufolge seiner wunderbaren Vorsehung mit so grosser Güte führte, um dort einen Altar aufzurichten. Allein, bevor der obere Teil der Seele in Gott aufgenommen wird, muss sie zur ursprünglichen Reinheit gelangt, ja von aller Eigenheit zu dieser Zeit, und fehler- und fleckenlos im niederen Teil, vorgebildet durch Jakobs Familie, geworden sein.
2) Da Jakob alle Seelen seines Hauses versammelt hatte, sprach er zu ihnen: Entfernet weit von euch die fremden Götter, so unter euch sind, und reiniget euch, und wechselt eure Kleider.
Der Wiedergeburt, der Erneuerung zufolge muss alles Äussere rein sein, verändert muss man haben die Kleider, alles muss durchaus anders geworden sein. Jakob selbst bereitet sich zum Empfang eines so grossen Guts auf keine Weise vor; denn es ist einzig Gottes Sache, der ihn auf diesem Wege leitete und ihn in den Ursprung zurückführte; aber dem niederen Teil gebietet er, alles Fremdartige und Eigene zu verlassen, auf dass nichts mehr die so glückliche Verlierung in Gott verhindern könne.
Indes lasst uns die Bemerkung machen, dass in einer so heiligen Familie, wie diejenige von Jakob ist, noch Götzen gefunden werden, und vermutlich waren selbst unter den Knechten einige Abgöttische. Welcher Ort ist wohl so heilig, welche Seele so lauter, wo nicht einige Unreinigkeit sich damit vermischt?
3) Machet euch auf, und wir wollen gen Bethel ziehen, und einen Altar dort bauen dem Gott, der in meiner Trübsal mich erhört, und auf meiner Reise mich geleitet hat.
7) Er baute daselbst einen Altar, und nannte den Namen des Ortes Haus Gottes, weil ihm daselbst Gott erschien, da er vor seinem Bruder Esau floh.
Die Seele erhält alsdann Aufklärung über die Treue ihres Gottes, und sie sieht ein, wie Er sie geführt hat. Erlöst, befreit wird sie. dann von den wahren Trübsalen, von den wirklichen Geistesqualen, wie auch von jeder Unruhe, obgleich inskünftig noch grosse Leiden und Kreuz ihrer warten. Allein dieses Kreuz wird sie wie Jesus Christus und mit Jesus Christus in vollkommener Sicherheit tragen.
Eine solche Seele hat das eigentümliche, Gott am gleichen Ort und auf die gleiche Weise dasjenige wieder zu erstatten, was sie von Ihm empfangen. Dadurch bringt sie das reine Opfer dar, welches Er gnädig annimmt.
9) Gott erscheint Jakob zum zweiten Mal.
10) Und sprach zu ihm: Bis dahin hast du Jakob geheissen, aber von nun an soll dein Name Israel sein.
13) Gott schied von ihm.
Gott segnet nochmals Jakob und bekräftigt seinen neuen Namen. In diesen Zustand wird die Seele lange Zeit eingeführt, bevor sie in demselben bestätigt wird. Lange vorher besitzt man vorübergehende Gemütsstimmungen oder Neigungen zu einem Stande, bis er endlich gegeben wird. Die Bestätigung aber in dem Zustande folgt lange nachher, was eine weit erhabenere Gnade ist. Hier erhält Jakob die Bejahung von Gott vermöge einer ausdrücklichen Wiederholung: Dein Name soll Israel heissen.
Das beigefügte Wort, Gott schied oder verschwand vor Jakobs Augen, deutet an, wie Gott nach Erhöhung der Fasslichkeit des Geschöpfs, um es bis zu Ihm hinauf zu erheben, sich gleichfalls bis zu demselben herablasse, ohne doch aufzuhören, das zu sein, was Er ist. Dies geschieht aber nur, um es zu ergreifen, es zu erheben und in sich selbst zu verlieren, da Er den Geistesaugen umso viel mehr entschwindet, je mehr Er ihn in sich verbirgt.
16) Und er zog fort von da, und kam zur Frühlingszeit in das Land, das gen Ephrata führt. Da gebar Rahel.
18) Als ihr vor Schmerzen die Seele ausging, und der Tod schon herankam, nannte sie den Namen ihres Sohnes Benoni, d.h. Sohn meines Schmerzes. Der Vater aber nannte ihn Benjamin, d.h. Sohn meiner Rechten.
19) Also starb Rahel, und ward begraben am Wege, der nach Ephrata führt, das ist Bethlehem.
Die Seele, deren Begründung in Gott bestätigt ist, wird von allen, auch den kleinsten noch übrig gebliebenen, sowohl natürlichen als geistlichen Gefühlen geschieden. Gott gibt sie dem Tode preis, wie Er es mit Rahel getan. Die Heilige Schrift tut keine Meldung, dass Jakob sie beweinte, weil er schon dazumal sehr in Gottes Wille begründet, sich über einen solchen Verlust nicht betrüben konnte, welchen Verlust er, in Gott betrachtend, als sehr vorteilhaft für ihn ansah. Denn das ist eine Erleuchtung von obigem Zustande, die uns augenscheinlich zeigt, dass Gott alles zu unserem Nutzen tut, und dass alles zu unserer grössten Wohlfahrt beiträgt. Einer solchen Seele also, von allem beraubt, was ihr in der Natur das Liebste war, bleibt nichts mehr übrig als allein Gott und das Kreuz. Das Kreuz aber ist ihr nicht mehr beschwerlich; sie erkannte seinen Wert allzuwohl, um es nicht hochzuschätzen. Sie ist in Gott allzustark geworden, um dasselbe nicht leicht tragen zu können. Dessen ungeachtet ist eine geheime Liebe für die Früchte Rahels immer noch da, weil sie so lieblich und süss sind, hingegen die vom Kreuz immer etwas Herbes an sich haben. Die Früchte der Süssigkeit und Vereinigung enthalten ihre eigentümliche Schönheit in sich selbst. Die Früchte des Kreuzes hingegen sind im ersten Augenblick herb, werden aber in der Folge süss und anstaunungswürdig, denn ihr Ende ist kein anderes als die Hervorbringung Jesu Christi selbst.
36. Kapitel.
6) Esau nahm seine Weiber und seine Söhne und seine Töchter, und alle Seelen seines Hauses, und seine Habe und sein Vieh, und alles, was er erwerben konnte im Lande Kanaan, und zog in ein anderes Land, und schied von Jakob, seinem Bruder.
15) Esaus Söhne waren Fürsten, der Fürst Theman, der Fürst Omar.
Wer staunt nicht vor Verwunderung die Leitung Gottes durch seine weise Vorsehung an? Das Kind des Zorns trennt sich freiwillig vom Auserwählten Gottes; das Volk des Fleisches entfernt sich vom Geschlechte des Geistes, und der tätige, selbstwirkende Weg unterscheidet sich vom beschaulichen. Esau begibt sich in ein anderes Land, und lässt die auserlesene Nation in friedlichem Besitz der Gegend der Ruhe.
Esau wurde gleich anfangs gross auf Erden, überall redete man von ihm. Israel dagegen bleibt klein in den Augen der Menschen, gross aber in Gottes Augen. Er besitzt zwar nur das Kreuz, das ihm bis ins Grab folgt, allein durch dieses wird er auch in Jesus Christus triumphieren.1. Mose 37,3-20
37. Kapitel.
3) Israel liebte Joseph mehr, denn alle seine Söhne, weil er in seinem Alter ihn gezeugt hatte, und er machte ihm einen bunten Rock.
4) Da nun seine Brüder sahen, dass ihn der Vater mehr liebte denn alle seine Söhne, hassten sie ihn, und konnten nicht freundlich mit ihm reden.
Josephs Lebensgeschichte ist ein lebendiger Ausdruck einer auserwählten Seele. Die vielen in der Heiligen Schrift angeführten Ereignisse geben auf ausgezeichnete Weise die verschiedenen Zustände zu erkennen, durch welche eine der auserlesensten Seelen gehen muss, um zu der für sie bestimmten Vollkommenheit zu gelangen. Vorerst lässt sie Gott einen Zustand von geistlicher Kindheit durchgehen, in welchem ihr nur Süssigkeiten und Liebkosungen zuteil werden. Es hat den Anschein, als beschäftige sich Gott nur damit, sie zu schmücken, sie zu zieren, und vernachlässige die andern. Dieses Verfahren zieht die Eifersucht vieler Seelen nach sich, wenn sie sehen, wie alle Gnaden und Gaben dieser da geschenkt werden. Aber wie teuer kommen sie ihr zu stehen:
9) Joseph sah noch einen andern Traum, und erzählte ihn seinen Brüdern und sprach: Ich sah im Traume, und siehe: Sonne und Mond und elf Sterne neigten sich zur Erde vor mir.
Gott selbst machte ihm etwas von seiner zukünftigen Erhöhung durch Träume und Gesichte bekannt; und diese einfältige und unschuldige Seele sagt es ihren geistlichen, aber noch von der Einfalt weit entfernten Brüdern. Daher messen sie auch das, was vom Heiligen Geist kommt, dem Hochmut und Träumereien bei.
17) Joseph ging seinen Brüdern nach, und fand sie in Dotham.
18) Als sie ihn von ferne sahen, fassten sie den Entschluss, bevor er noch nahe war, ihn zu töten.
19) Und sprachen untereinander: Siehe, da kommt der Träumer!
20) So kommt, lasst uns ihn töten, nach diesem wird man sehen, was seine Träume ihm nützen.
Unter den neidischen Brüdern befinden sich solche, die vom Weg der Wahrheit abgewichen sind und alles bös deuten. Sie geben vor, ein in ihrer Einbildung sich befindendes Laster bestrafen zu wollen, indem sie einem Schuldlosen gedenken das Leben zu rauben. Auf diese Art sind solche Eiferer beschaffen, welche, um die inneren Wege zu vertilgen, diejenigen mit erdichteten Lastern beschuldigen, welche die inneren Wege lehren und behaupten. Sie haben die Absicht, wenn auch nicht dem Leibe nach, so doch der Ehre und dem Geiste nach, ihnen das Leben zu nehmen.
21) Da aber Ruben das hörte, suchte er ihn aus ihren Händen zu retten, und sprach:
22) Tötet ihn nicht und vergiesset nicht Blut, sondern werfet ihn in diese Grube hier in der Wüste, und bewahrt rein eure Hände.
Kaum verschwanden die Süssigkeiten der geistlichen Kindheit, so stehen schon die grössten Kreuze da. Den furchtbarsten Verfolgungen wird man preisgegeben. Joseph befindet sich wie ein Schaf unter Wölfen; allein Gott, immer wachsam über die sich Ihm vollkommen ergebenen Seelen, findet einen Erretter, der sie aus der Macht ihrer Feinde entreisst.
23) Als nun Joseph zu seinen Brüdern kam, zogen sie ihm gleich den langen, bunten Rock aus.
24) Und warfen ihn in eine alte Grube, in der kein Wasser war.
26) Judas sagte zu seinen Brüdern: Was hilft es uns, unsern Bruder zu töten und sein Blut zu verhehlen?
27) Besser ist es, ihn an die Ismaeliten zu verkaufen, damit wir unsere Hände nicht beflecken; denn er ist unser Bruder, unser Fleisch. Und seine Brüder gehorchten seinen Worten.
Dies arme Lamm lässt sich entblössen. Die gleiche Bewandtnis hat es mit einer Seele, die zu einem grossen Innern bestimmt ist. Die erste Entblössung geht in ihr zufolge der Beraubung der empfindlichen Gnaden und Gaben vor sich, vorgebildet am bunten Rock. Sieht die Seele, dass man ihr diese Dinge abnimmt, so haltet sie schon dafür, dass sie von dieser ersten Entblössung zur letzten gekommen sei, und bald des Lebens verlustig gehe. Dies würde zwar wohl stattfinden, wenn Gott ihren Feinden Gewalt und Macht dazu gäbe.
Diese von der Gelassenheit geführte Seele lässt mit sich alles machen, ohne ein Wort zu sprechen, ohne den geringsten Laut einer Klage hervorzubringen. Gleichwohl forscht sie überall nach, woher ihr wohl Hilfe kommen werde, gleich David, der in diesem Zustande sprach: Meine Augen habe ich zu den Bergen erhoben, um zu schauen, woher mir Hilfe kommen möchte (Ps.120,1-2). Nachher fährt er ganz von Wahrheit angefüllt fort: Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Keine andere Hilfe für die Seele gibt es, als der Löwe vom Stamme Jude, welcher die Seele vom bevorstehenden Tode befreit, um sie tausend und abertausend Tode erdulden zu machen. 0 mein Gott, ist es darum, dass du deine liebsten Freunde befreist? Ihren Tod verzögerst du ja nur, auf dass du sie unendlich vielmal dem Tode auslieferst. Eben diese Leiden machen die verfolgten Menschen in ihren Trübsalen freimütig, wenn sie sehen, dass der Tod sie täglich auf grausame, empfindliche Weise behandelt. Und da sie meinen, der Tod werde sie an dem, was das Süsseste und Angenehmste an ihm ist, nämlich am Verlust des zeitlichen Lebens teilnehmen lassen, entfernt er sich wieder von ihnen. Dies ist ein immerwährendes Spiel des Todes, sich solchen Seelen zu vergegenwärtigen, und dann sich vor ihnen wieder zu verbergen. Paulus spricht das im Namen aller aus mit folgenden Worten:
Unaufhörlich werden wir während unserem ganzen Leben um Jesu willen dem Tode preisgegeben (2.Kor.4,11).
28) Als die ismaelitischen Kaufleute vorüberzogen, nahmen sie Joseph aus der Grube, und verkauften ihn an die Ismaeliter um zwanzig Silberlinge, und diese führten ihn nach Ägypten.
Joseph wird von seinem Erretter selbst verkauft, aus einem Freien wird er ein Sklave. Frei war er in der süssen und ruhigen Liebe Gottes, in welcher er lebte, nun aber ist er Sklave, und zwar ein verkaufter Sklave. Wem wird er dann verkauft? Der Sünde. Ja der Sünde verkauft: Welch eine Veränderung ist dies, der Sünde verkauft sein, auf dass sie ihre Tyrannei an ihm ausübe, aber nicht, dass er der Sünde unterworfen werde. Dem Zustand der Sünde verkauft und Sklave der Sünde geworden zu sein, ist sehr vom Zustande der Unterwerfung unter die Sünde verschieden, wie es Paulus selbst erklärt: Ich aber bin unter die Sünde verkauft (Röm.7,14); und nachher: Ich bin Sklave des Gesetzes der Sünde, das in meinen Gliedern herrscht. Hierin erkennen wir den Unterschied, den er von diesen zwei Zuständen gibt.
29) Da nun Ruben wieder zur Grube kam, und den Knaben nicht fand,
30) Zerriss er seine Kleider, und ging zu seinen Brüdern, und sprach: Der Knabe ist nicht mehr da, und ich, wo soll ich hin?
Immer trifft man einen oder den andern allzu natürlichen Freund an, der uns aus der Führung der Vorsehung herausziehen möchte; aus Mildherzigkeit wünschte man uns aus der Grube, d.h. aus der Gelassenheit und der Selbstverlierung, durch die uns Gott leitet, herauszuziehen. Allein Gott ist so vorsichtig, dass uns niemand seinen Händen entreissen kann.
31) Nachher nahmen sie seinen Rock, und tauchten ihn in das Blut eines Ziegenbocks, den sie geschlachtet.
32) Sie sandten ihn zu seinem Vater.
33) Er erkannte ihn und sprach: Es ist der Rock meines Sohnes, ein böses Tier hat ihn zerrissen, ein Tier hat Joseph gefressen.
Wer uns immer nach göttlicher Verordnung der empfindlichen Gnaden und Gaben beraubt, taucht diese ins Blut. Denn alle diese Süssigkeiten und Wohltaten Gottes werden in scheinbare Grausamkeit umgeändert; aber in eine Grausamkeit, die nur oberflächlich ist und nichts Wesentliches an sich hat, als die Gestalt. Für eine solche Seele wird alles Blut und Blutbad, alles wird ihr zum Kreuz. Dies trägt sich aber nur äusserlich zu, denn in ihrem Innern geniesst sie Friede zufolge der Gelassenheit.
Die geistlich gesinnten Menschen, wenn sie vernehmen, was man über die scheinbare Niederlage dieser Seelen sagt, halten sie für verloren, und sprechen wie Jakob: Diese armen, inneren Seelen sind betrogen worden, grausame Tiere haben sie zerrissen. Die Leichtgläubigkeit befindet sich sogar bei den heiligsten Seelen, welche der Verleumdung Gehör geben und alsogleich meinen, dass der Teufel diese einfältigen Leute verschlungen habe.
34) Nachdem Jakob seine Kleider zerrissen, zog er ein Trauerkleid an, und beweinte seinen Sohn lange Zeit.
36) Indessen verkauften die Midianiter Joseph in Ägypten an Potiphar, einen Verschnittenen Pharaos, dem Obersten der Leibwache.
Die Heiligen betrüben sich, sie weinen, sie verrichten Busswerke zugunsten dieser gelassenen Seelen, um Gottes Barmherzigkeit für sie zu erbitten. Jakob hatte die ihm so teure und liebe Rahel nicht beweint, wegen Joseph aber ist er sehr niedergeschlagen. Der Grund1. Mose 39,1-13 ist der, dass weil er die Sachen in Gott anschaute, er den Tod Rahels als für ihn nützlich und notwendig erkannte. Denn er sah hierin nur den Tod eines liebenswürdigen Leibes, dessen Leben er aber nicht anders als im Willen Gottes besitzen wollte. Hier hingegen bei Joseph betrachtet er die Niederlage einer geistlichen Seele, die er unter Satans Joch verloren glaubt, wiewohl sie wirklich heiliger ist, als sie jemals gewesen war. Nur was äusserlich sehr traurig und blutig gewesen war, sah Jakob, aber die Lebensfülle und die Ruhe seines Sohnes kannte er nicht.
Joseph wird noch zum zweitenmal verkauft. Hat es nicht den Anschein, als wäre er zur Sklaverei und zum Kreuz geboren? Allein wie eine wahrhaft edle Seele ihre Freiheit in eisernen Fesseln findet, ebenso ist eine Gott ergebene Seele niemals freier, als wenn es scheint, sie liege in Sklaverei begraben.
39. Kapitel.
1) Joseph aber ward nach Ägypten geführt, und Potiphar, ein Verschnittener Pharaos, der Oberste der Leibwache, ein ägyptischer Mann, kaufte ihn aus der Hand der Ismaeliter, welche ihn dahin gebracht hatten.
2) Der Herr war mit ihm, dem alles gelang.
Ist eine solche Verfahrensweise nicht der Rechten Gottes würdig, so grosse, so ausgezeichnete Seelen unter dem niedrigsten, dem verächtlichsten äussern Leben zu bewahren? Gott war jederzeit mit Joseph, wie Er sich ja niemals von seinen zärtlich geliebten, Ihm ganz ergebenen Seelen entfernt. Auch sind sie niemals besser dran, als wenn jedermann um sie in grösster Bekümmernis ist, weil Gott sie alsdann in seinen besondern Schutz aufnimmt, den sie so fühlbar erfahren, dass sie mit dem königlichen Propheten ausrufen: Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? (Ps.26,1).
13) Sein Meister wusste wohl, dass der Herr mit ihm war und alles segnete, was er tat.
Gott tötet und macht lebendig. (Mit der gleichen Hand, mit der Er schlägt, unterstützt Er zugleich. Er versetzt tödliche Wunden, allein Er bestreicht die Spitze des verwundeten Teils mit Balsam, so dass man nicht sagen kann, welches das empfindlichste ist, der Schmerz oder die Freude. Denn es ist ein Schmerz voller Wonne, und eine Wonne voller Schmerzen. 0 Gott: Warum tötest du nicht immer auf ähnliche Weise?
6) Joseph aber war sehr schön von Angesicht und äusserst liebenswürdig.
7) Darum warf nach einiger Zeit das Weib seines Herrn ihre Augen auf Joseph, und sprach: Schlafe bei mir!
8) Allein Joseph verabscheute diese schändliche Tat und sprach:
9) Wie sollte ich ein solches Verbrechen begehen, und wider meinen Gott sündigen?
0 Herr, du verdoppelst deine Schläge, und vermengst sie mit grosser Bitterkeit! Zuweilen vermehrst du den Schmerz der Wunde und vergiftest sie. Warum tötest du nicht sofort? Darf man dich nicht grausam nennen, weil du das Leben nur deswegen bewahrst, auf dass du das Vergnügen haben könnest, mehr als einmal zu töten? Doch wer getraut sich Klagetöne gegen dich auszustossen, wenn nicht diejenigen, die dich nicht kennen? Selbst solchen Menschen kommst du liebenswürdig vor, die nichts als deine vielfältige Strenge erfahren, und nichts mehr von der Süssigkeit deiner Liebe fühlen.
12) Seine Meisterin ergriff ihn beim Mantel und sprach zu ihm: Schlafe bei mir! und er liess seinen Mantel in ihrer Hand, floh und lief hinaus.
Welch schmerzhafter Schlag ist dies! Er hat Tod oder Sünde zur Folge. Es scheint, o Gott! du habest dem Joseph nur deswegen Frist gestattet, auf dass du ihm nachher empfindlichere Schläge versetzen körnest: Das sind freilich deine Musterstreiche. Joseph wird der Sünde unterworfen, und doch triumphiert er über die Sünde. Dies sind deine auf heilsame Weise vergifteten Pfeile, die tödlich verwunden, und doch nicht töten. Schade, dass man zufolge der Flucht die Sünde vermeiden muss! 0 Joseph, du wirst zwar wohl der Wirklichkeit, keineswegs aber dem Scheine der Sünde ausweichen! Als Sünder wirst du angesehen werden.
13) Als nun das Weib sah, dass der Mantel in ihren Händen und sie verachtet sei,
14) Rief sie den Leuten des Hauses und sprach: Sehet, da hat er einen Hebräer herein gebracht, uns zu beschimpfen. Er kam zu mir herein, um bei mir zu liegen, und da ich
schrie,
15) Und er meine Stimme hörte, liess er den Mantel zurück, den ich fasste, und floh hinaus.
Obgleich unschuldig, musst du doch als ein Verbrecher angesehen werden. Eines Vergehens wirst du beschuldigt, das du nicht begangen, und als Schuldiger wird dich jedermann anschauen, und deswegen sogar bestraft werden. Dies ist eine Stufe, zu welcher hinauf Gott viele Seelen führt, wodurch ihr Tod befördert und vollendet wird, weil das äussere mit dem inneren Kreuz vereinigt, bestehend in grosser Pein der Entblössung, der Verlassung und der Schmach, welche diese Seelen leiden, ihren mystischen Tod eher vollendet. Es gibt noch andere Menschen, die grosse und starke, innere und äussere Kreuze zu tragen haben, womit Gott sich begnügt, zumal solche nicht zur Leitung anderer bestimmt sind.
19) Als solches der Herr hörte, und den Worten seines Weibes zu leicht traute, ward er sehr zornig.
20) Und liess Joseph in den Kerker werfen, wo die Gefangenen des Königs lagen, und er ward allda gefangen.
Joseph bleibt nicht da stehen, denn selbst diejenigen, denen er Wohltaten erwiesen, müssen der Verleumdung Glauben beimessen. Mehrere Jahre muss er von allen verlassen im Kerker zubringen und als strafbar gehalten werden. Aber, o Joseph! du bist Gefangener und unschuldig, nichts hast du noch von deiner eigenen Gerechtigkeit verloren. Du bist glücklicher als unschuldig Gefangener als David, der schuldige, strafbare König (2.Sam.11). 0 welch schöner Vergleich wäre da zwischen diesen zwei Menschen anzustellen, um Gottes Führung gegen die Ihm ergebenen Seelen anzumerken! Er wird aber zu seiner Zeit beschreiben lassen, was Ihm wohlgefällig ist. Die einen bleiben unschuldig, und werden als Schuldige bestraft, andere hingegen tragen mit der Pein zugleich auch die Schuld. Joseph fällt immer in tiefere Sklaverei, je unschuldiger er ist. David, obschon niedergeschlagen, bestraft und schuldig, hört nicht auf zu regieren.
21) Aber der Herr war mit Joseph, und erbarmte sich seiner, und liess ihn Gnade finden in den Augen des Obersten des Gefängnisses.
22) Und dieser gab in seine Hand alle Gefangenen, die in der Haft gehalten wurden, und alles, was geschah, das geschah unter ihm.
23) Und er wusste um nichts, weil er ihm alles anvertraut hatte. Denn der Herr war mit ihm, und liess alle seine Werke gelingen.
Gottes Güte zeichnet sich darin aus, dass sie das Allerbitterste mit sehr fühlbarer Süssigkeit vermischt. Solange unser Herr die Seele nicht verlässt, und sie seiner Hilfe und Gegenwart versichert bleibt, wird ihr das Herbste süss und angenehm. Zieht sich Gott aber zurück, und verliert sie seine bei allen Trübsalen tröstende Gegenwart, dann hat ihr Schmerz den höchsten Grad erreicht.
Eine unschuldige Seele beherrscht die ganze Welt, und niemals ist sie ihr unterworfen. Joseph, der Gefangene, wird in seinen Fesseln der Oberaufseher der andern Gefangenen. Ebenso unterlassen die treuen Diener Jesu Christi mitten in all ihren Drangsalen keineswegs andern zu Hilfe zu kommen, und wenn sie selbst auf ihrer Bahn voll Betrübnis sind, so möchten sie doch jedermann auf dieselbe hinführen, und sie darauf wandeln machen. Die Wirkung der auf dieser Bahn eingeschlossenen Wahrheit ist die, eine gänzliche Gewissheit für andere zu besitzen, obgleich man keine Versicherung für sich hat.
40. Kapitel.
1-5) Da zwei Verschnittene, der Oberschenke und der Oberbäcker des Königs von Ägypten im Kerker waren, hatten beide einen Traum in einer Nacht, jeglicher nach der Deutung, die für ihn passte.
8) Darauf sprachen sie zu Joseph: Wir hatten einen Traum, und ist niemand, der ihn auslege. Und Joseph erwiderte ihnen: Kommt die Auslegung nicht von Gott? Erzählt, was ihr gesehen!
Gott verleiht oft Sündern aus Rücksicht auf diejenigen, die der Leitung seiner Vorsehung so sehr ergeben sind, ganz ausserordentliche Lichter, um sie anzuregen, diese seinen treuen Dienern zu offenbaren, dass sie dadurch von den Wegen, auf denen Er die Seelen führen will, Unterricht erhalten, und sie als arme Irrgegangene aus der Gefangenschaft der Sünde herausgehen. Josephs Antwort ist wahrlich eine würdige Antwort eines treuen, gelassenen Dieners, welcher, sich nichts anmassend, alles Gott zueignet. Dies macht die Seele auf heilige Weise kühn, und neigt sie, alles zu unternehmen, sich nur stützend auf göttliche Kraft, von welcher man seinen Ursprung entnommen, gleichwie Joseph von Israel sein Dasein empfangen. Indes ereignet es sich, dass wenig beförderte Seelen diese Handlungsweise oft dem Hochmut und der Vermessenheit zuschreiben.
12) Siehe, das ist die Auslegung des Traumes: Drei Reben sind noch drei Tage.
13) Nach diesen wird Pharao deines Dienstes wieder gedenken, und dich an deine vorige Stelle wieder setzen.
14) Ich bitte dich aber, gedenke meiner, wenn es dir wohl geht.
18) Zum andern sprach er ebenfalls: Siehe, das ist die Deutung deines Traumes: Drei Körbe sind noch drei Tage.
19) Nach diesen wird Pharao deinen Kopf nehmen.
Gottes Wort ist oft ein Wort des Lebens und ein Wort des Todes. Den einen schenkt es die Freiheit, sie herausreissend aus der Sündensklaverei; andern verursacht es auf schuldlose Weise als Folge seiner bösen Anwendung den Tod. Nicht Josephs Wort war Ursache am Tode des Oberbäckers, sondern seine Sünde, die er begangen, denn er kündigte ihm ja nur seinen nahen Tod an, aber umsonst, weil er sich gar keine Mühe gab, die Sünde zu meiden. Zufolge des Beistandes der göttlichen Gnade und der Busse körnen wir wohl durch unsere Bemühung das Böse meiden, aber das Leben selbst empfangen wir nur von Gott allein. Daher macht Joseph den Oberschenke darauf aufmerksam, dass wenn er Gnade erhalten habe, er seiner eingedenk sein soll, und sich des ihm verkündigten göttlichen Worts erinnern, das durch die Eigenheit nur zu oft in Vergessenheit kommt, welches Gotteswort ein Samen ist, der im Erdreich verborgen, doch zu seiner Zeit fruchttragend wird.
21) Pharao setzt den Oberschenke wieder an seine Stelle, auf dass er fort fahre, ihm den Becher zu reichen.
22) Und den andern liess er ans Kreuz heften, damit sich die Wahrheit des Deuters erprobe.
23) Und es ging wohl dem Obersten der Schenken, und er vergass seines Auslegers.
Gott offenbart hier seine Treue durch Erfüllung des von seinen Dienern ausgesprochenen Worts, welches, wenn auch seine Vollziehung auf einige Tage verschoben wird, doch zu jeder Zeit als wahrhaftig sich den Menschen zeigt. Wenn man aber voll Eigenheit ist, so vergisst man leicht denjenigen, der das Wort hervorgebracht, ausser Gott erwecke selbst die Erinnerung daran, einer besonderen Vorsicht zufolge. Diese Vergessenheit lässt Er auch mit Vergnügen zu, um die Verdienste seiner Diener durch Verlängerung ihrer Leiden zu vermehren, wie auch umso viel mehr ihren Glauben und ihre Gelassenheit zu üben, je mehr er sich stellt, als ob er sie vergessen hätte.
41. Kapitel.
1) Nach zwei Jahren sah Pharao einen Traum.
9) Da erinnerte sich endlich der Oberschenke des Josephs, und sprach zum König: Ich bekenne mein Vergehen.
10) Als ich mit dem Oberbäcker im Kerker war,
11) Hatten wir einen Traum in der gleichen Nacht,
12) Und ein hebräischer Jüngling, der mit uns eingekerkert war,
13) Sagte uns alles, was uns seither widerfahren ist.
Das Erwachen, das Andenken Gottes sind vortreffliche Mittel, um eine Seele aus dem Kerker, aus der Gefangenschaft und dem Schatten des Todes herauszuziehen. Nachdem sie einige Hoffnung gehabt, aus ihrem armen und verlassenen Zustande herauszukommen, muss sie doch mehrere Jahre in gänzlicher Verlassenheit und in allgemeiner Vergessenheit zubringen. Sie hofft immer mehr, von diesem Elend erlöst zu werden. Sie gedenkt sogar, dass sie solchergestalt wie die ewig Toten bleiben werde (Ps.87,6), an die man sich nicht mehr erinnert. Somit trachtet sie diesen Zustand ganz gelassen zu ertragen, und sich damit zufrieden zu stellen, in der sie sich in Gottes Wille erblickt. So denkt sie niemals an das Herausgehen aus solchem Zustand.
14) Sogleich ward Joseph auf des Königs Befehl aus dem Kerker geführt.
Sie schoren ihn und taten ihm andere Kleider an, und brachten ihn vor den König.
Die Seele auf obige Weise in der Vergessenheit des Todes versenkt, erstaunt sehr, wenn ihr das Gefängnis geöffnet wird, wenn man sich ihr naht, sie vom Todeszustande entkleidet, ihr allmählich die Merkmale der Dienstbarkeit abnimmt, und sie mit dem Rock des Lebens und der Freiheit bedeckt. Noch einige Zeit ist die Seele wie schlaftrunken, sie weiss selbst nicht, ob sie schläft oder wacht, ob es Träumerei oder Wirklichkeit sei, bis sie plötzlich wahrnimmt, dass sie aus diesem dunkeln, sehr finstern Orte herausgezogen, und an einen hellen Tag des wahrhaften Lichts ausgesetzt wird. Dann erkennt sie die Wahrheit ihrer Veränderung, zumal durch das Erscheinen vor dem König, zu dem sie herbeigeführt wird. Von diesem Augenblick an befindet sie sich in dem erstandenen Leben. Sie ist aber in dem Zustande der Auferstehung noch nicht fest gegründet, der gar grössere Vorteile in sich fasst. Gott bedient sich des einen und nämlichen Worts, das in der Erde der Vergessenheit verborgen lag, um eine1. Mose 41,15-20 solche Seele aus dem Tode und der ewigen Vergessenheit herauszuziehen, so wie Gottes Sohn zufolge seines Worts den Lazarus aus dem Grabe hervorrief.
15) Pharao sprach zu ihm: Ich habe Träume gehabt, und finde niemand, der mir sie auslegt. Man hat mir gesagt, du habest eine besondere Gabe, sie auszulegen.
16) Joseph antwortete ihm: Nicht ich, sondern Gott wird dem König eine günstige Auslegung geben.
Niemand war in ganz Ägypten zu finden, der Pharaos Träume auslegen konnte, weil das was in Gottes Herz vorgeht, nur Gottes Geist bekannt ist (1.Kor.2,11). Josephs Antwort gibt deutlich zu erkennen, dass es einzig die Enteignung und der Verlust aller Begierde, etwas sein zu wollen, sei, was eine solche Seele antreibt, sich nichts anzumassen; ja sie vielmehr überzeugt, dass sie nur ein schwaches Werkzeug sei, und Gott alles ohne sie tun könne. Dies bezeugt sie offen und freimütig, wie es einer so hohen Wahrheit würdig ist. Gott kann ja wirklich alles, was Er durch sie tut, auch ohne sie tun. Bedient Er sich aber ihrer, so muss sie alle Ehre, allen Ruhm nur Ihm zukommen lassen. Deswegen muntert die Wahrheit schon vorher das Geschöpf auf, von allem die Ehre Gott zu geben, und keine Wohltat ausser Ihm anzuschauen.
17) Pharao erzählte ihm, was geschehen: Es war mir, als stände ich am Ufer des Flusses.
18) Und sieben Kühe stiegen aus dem Strome, überaus schön und fett von Fleisch, und weideten auf dem Grünen im Sumpfe.
Das Ufer des Flusses deutet die Wasser sowohl der Taufe als der Busse an, aus welchen eine Seele schön und ganz fett herausgeht. Die sieben Jahre bedeuten die gewöhnliche Zeit, welche die Seele mit Erwerbung der Tugenden zubringt. In diesem Zustande scheinen sie sehr schön und fehlerlos, weil ihnen Gott so viele Gnaden verleiht, dass sie während solcher Zeit eine sehr wohl begrünte Weide benutzen, auf welcher sie stark, fett, schön und sehr liebenswürdig werden.
19) Hernach stiegen sieben andere Kühe, so hässlich und mager herauf, wie ich sie niemals im Lande Ägypten gesehen.
20) Und die letztem verschlangen die vorigen.
Diese so angenehmen, so sanften und reichlich mit ruhigen und stillen Wassern befeuchteten Jahre sind verschwunden, und voll Erstaunen, ohne an etwas zu denken, sieht sie diese von den folgenden Jahren aufgezehrt, aber durch eine solche Fruchtlosigkeit und Hungersnot, dass ohne gesammelten Vorrat ganz sicher ein allgemeines Sterben erfolgen müsste. Es ist zu bemerken, dass die Heilige Schrift nicht sagt, die mageren Kühe haben die fetten getötet, sondern gefressen. Dadurch wird angedeutet, dass zur Zeit dieser so furchtbaren Dürre alle Gnaden und Tugenden von den andern Jahren darin eingeschlossen waren, obschon äusserlich nichts davon zum Vorschein kommt; gleichwie die fetten Kühe in den mageren enthalten waren, wiewohl es von aussen nicht bemerkbar war.
21) Man merkte doch nicht, dass sie gesättigt waren, denn sie waren mager und ungestalt wie vorhin.
Die mageren Kühe, ob sie gleich die fetten aufgefressen, blieben doch so abscheulich und ungestalt, wie sie vorhin gewesen. O welch grosses Geheimnis, das den nicht göttlich erleuchteten Menschen verborgen, den Kleinen aber geoffenbart ist. Es ist selbst denen verborgen, in denen es wirklich vor sich geht oder bewirkt wird. Hässlichkeit und Ungestaltheit erscheinen äusserlich, und alle Schönheit der Königstochter bleibt während sieben ganzen Jahren inwendig in ihr verborgen. Nur Fehler von allen Seiten kommen zum Vorschein, gnadenleer scheint alles, wie Kühe ohne Fleisch. Indes ist es gewiss, dass sie niemals eine so grosse Schönheit besass; allein sie bleibt im schrecklichen Bauche der Trockenheit vergraben bis am Tage ihrer Offenbarung. Die Schönheit der ersten Jahre hat zur Folge, dass diese hier so hässlich scheinen, dass Pharao, Bild der Welt, versichert, solche niemals in seinem ganzen Reich gesehen zu haben.
25) Joseph antwortete: Gott verkündet Pharao, was er tun will.
26) Die sieben schönen Kühe bedeuten die sieben sehr fruchtbaren Jahre, die kommen sollen.
27) Die sieben dürren und mageren Kühe sind sieben Jahre kommenden Hungers.
30) Die Unfruchtbarkeit wird so gross werden, dass man allen Überfluss vergessen wird, der vorher gewesen.
Hoch begnadigte Seelen fällen alsogleich ihr Urteil gemäss ihrer gemachten Erfahrung über das, was von Gott herkommt, so wie Joseph dem König plötzlich versichert, dass sein Traum göttlich sei. Es ist etwas Gewöhnliches in der Zeit des Überflusses, dass man jeden Gedanken an Hungersnot und die daraus entspringende Unfruchtbarkeit von sich entfernt. Eben das gleiche widerfährt auch solchen in der Prüfung sich befindenden Seelen, die alles Gute, das sie genossen haben, vergessen. Es bleibt ihnen nichts mehr davon übrig, weil Gott solchergestalt jede Spur auslöscht, dass es scheint, alles sei nur Täuschung, und niemals seien sie Gott ergeben gewesen. Indes hingen sie Ihm nie so an, wie jetzt. Sogar die Beichtväter wissen nicht, woran sie mit ihnen sind. Nur Erfahrung und Erleuchtung gleich derjenigen von Joseph kann das Geheimnis entdecken, weil diese Hungersnot die ganze Erde aufzehren muss, und nichts mehr übrig lässt, da die grosse Notdurft den grossen Überfluss aufreibt. Denn würde noch etwas zurückbleiben, so fände kein gänzlicher Verlust statt, und dies Geheimnis ginge nicht in Erfüllung.
Du musst dich also, o Seele: darauf gefasst machen, alles ohne Ausnahme, was du besitzest, zu verlieren, und die Grösse deines Verlusts sollst du messen an der Grösse deines Besitztums. Je schöner und liebenswürdiger du warst, je mehr dich die Völker bewunderten, desto hässlicher und ungestalteter musst du werden, desto ein grösserer Gegenstand des Abscheus und der Verachtung wirst du ihnen sein. 0 Führung meines Gottes: Damit die Seele in ihren Ursprung zurückgebracht werde, muss sie alle deine Gaben verlieren. Du hast sie ihr verliehen, um dadurch zu bewirken, dass sie aus der Sünde herausgehe, und in ihr Herz einkehre, aus dem sie sich verirrt hatte. Dann nimmst du ihr dieselben hinweg, um zu machen, dass sie aus diesem nämlichen Herzen herausgehe, und sich in dich verliere. Deine Gaben verjagen die Sünde, und füllen die Seele mit deinen Gnaden an; und du jagst aus derselben deine Gaben, um sie mit dir selbst anzufüllen. 0 allzu wenig erkannte Wahrheit:
33) Nun sehe sich der König um nach einem weisen und tätigen Mann, und setze ihn über das Land Ägypten.
34) Und dieser setze Aufseher über alle Gegenden, und sammle den fünften Teil der Früchte in den sieben Jahren der Fruchtbarkeit, die kommen werden.
Der erleuchtete Seelenführer, welcher voraussieht, was sich ereignen soll, verpflichtet die Seele, einen so grossen Vorrat zu sammeln, als ihr möglich ist. Denn je mehr sie von den ersten ihr im Überfluss geschenkten Gnaden Vorteil ziehen wird, desto besser wird es für sie sein. Ich gebe zu, dass ihr Verlust ebenfalls grösser sein wird, allein ob sie gleich alles verliert, insofern es von ihr herkommt und ihr angehört, findet sie dennoch alles in Gott wieder, in welchem es in seinen heiligen Vorratshäusern aufbewahrt wird. Darum ist es sehr wichtig, sich einen geschickten und erfahrenen Führer zu wählen, dem man die Leitung aller Dinge anvertraut.
37) Der Rat gefiel Pharao und allen seinen Beamten.
38) Und er sprach zu ihnen: Sollten wir wohl einen solchen Mann finden, der voll des Geistes Gottes ist?
39) Darum sprach er zu Joseph: Weil Gott dir alles kundgetan, was du geredet hast, sollte ich einen Mann finden, der weiser denn du, oder auch nur gleich wäre?
Bei der Wahl eines Führers muss man immer denjenigen vorziehen, welcher am meisten Gottes Geist besitzt. Pharao dient uns hierin als Beispiel. Weit entfernt (wie es einige machen), über die ihm zur eigenen Wohlfahrt gegebenen Weisungen zu spotten, und keinen Gebrauch davon zu machen, auserwählt er gerade denjenigen als Leiter eines so wichtigen Geschäfts, welcher ihm diesen Rat gegeben hatte, und lässt von Punkt zu Punkt alles ausführen, was er anordnete.
41) Pharao sprach wiederum zu Joseph: Siehe, ich setze dich über das ganze Land Ägypten.
42) Und er nahm den Ring von seiner Hand, und tat ihn an Josephs Hand, und bekleidete ihn mit einem Kleide von Byssus, und legte ihm eine goldene Kette um seinen Hals.
Die Gewalt, welche der König an Joseph über ganz Ägypten erteilt, zeigt an die Macht der Führung. Nun ist Joseph in den Zustand der Auferstehung eingesetzt, und darin bestätigt. Die Freiheit wird ihm nicht nur wieder gegeben, sondern er erhält dieselbe mit weit grösseren Vorteilen wieder zurück, als er sie vor seiner Gefangenschaft bei seinem Vater hatte. Gott gibt den auferstandenen und erneuerten Seelen alle die Gnaden, welche er ihr vor ihrer Vernichtung erwiesen, wieder zurück, und zu denselben fügt Er noch unendlich viele andere hinzu, welche zu erlangen sie niemals hätte hoffen dürfen.
43) Er liess ihn auf seinem zweiten Wagen fahren, und durch einen Herold vor ihm herrufen, dass alle vor ihm ihre Knie beugten, und wüssten, dass er der Vorgesetzte vom ganzen Lande Ägypten wäre.
Wer hätte vor zwei Jahren Joseph sagen dürfen, da er an nichts anderes dachte, als seine Lebenszeit in einem dunklen Gefängnis zu enden, dass er Statthalter in ganz Ägypten werden sollte? Wer getraute sich der so ergebenen und gelassenen, der mit Finsternis und Todesschatten bedeckten Seele zu sagen, dass ein so grosses Übel ein ebenso grosses Glück und Heil hervorbringen sollte? Sie würde es nicht haben glauben können, und doch ist es wirklich vollkommen so geschehen.
45) Er änderte auch seinen Namen, und nannte ihn in ägyptischer Sprache Heiland der Welt, und gab ihm zum Weibe Asnath, die Tochter Potipheras, des Priesters zu On.
Sehen wir hier also die auferstandene Seele: Sehen wir, wie sie in ihrer Auferstehung bestätigt, und mit Gnaden überströmt wird: Nun ist sie angekommen zur Reinheit ihres Ursprungs. Jetzt ist die Zeit da, dass sie einen neuen Namen erhält, wie alle ihre Väter. Von nun an heissest du nimmermehr Joseph, sondern Heiland von Ägypten. Immer nach der Auferstehung, und wenn die Seele in ihren Ursprung zurückgekehrt ist, ereignet es sich, dass ihr der neue Name gegeben wird, d.h. dass die vollkommene Erneuerung vor sich geht, worauf die Hochzeit des Lammes gefeiert wird.
45) Hernach bereiste Joseph ganz Ägyptenland.
46) Er war dreissig Jahre alt, da er vor Pharao, dem Könige stand.
50) Ehe der Hunger kam, wurden zwei Söhne geboren, welche ihm Asnath, sein Weib, gebar.
51) Er nannte den Namen des Erstgebornen Manasse, und sprach: Gott hat mich vergessen lassen alle meine Mühsale und das Haus meines Vaters.
Es geschieht auch immer zu dieser Zeit, dass das apostolische Leben beginnt, in das man nicht eigenmächtig, sondern laut göttlicher Verordnung eintreten soll, was dadurch so schön vorgebildet wird, dass Joseph auf diese Erneuerung hin ganz Ägyptenland durchreiste. Man muss erneuert sein, bevor man wirkt. Jesus Christus, unser göttliches Muster, brachte dreissig Jahre im verborgenen Leben zu, bevor Er öffentlich auftrat, und das tat Er nicht früher, als bis Er die Versuchungen in der Wüste erfahren. Der Zusammenhang der göttlichen Vorbilder mit ihrer alten Realität oder Wahrheit wird jeden, der ihn durchschaut, in die höchste Freude versenken.
Nach solcher Erneuerung aber beginnt man Jesu Christo Kinder zu erzeugen. Joseph vergisst hier alle seine überstandenen Mühsale, so wie er alle empfangenen Gnaden zur Zeit der Armut vergass. Ein jeder handelt auf gleiche Weise, der sich in diesen Zuständen befindet.
52) Den Namen des zweiten nannte er Ephraim, und sagte: Gott hat mich wachsen lassen im Lande meiner Armut.
Joseph, von den inneren Wegen sehr gut unterrichtet, sieht wohl ein, dass alle seine Güter und Reichtümer aus der erlittenen Armut entsprossen. Denn eben zu dieser Zeit ereignet es sich, dass der Same im Erdboden verborgen bleibt (Joh.12,24-25), dass er in Fäulnis übergeht, dann aufkeimt und viele Früchte trägt.
42. Kapitel.
21) Josephs Brüder sprachen zueinander: Wir haben verschuldet, was wir leiden, denn wir haben uns an unserem Bruder versündigt. Wir sahen seine Seelenangst, als er uns bat, und wir hörten nicht. Darum kommt diese Trübsal über uns.
22) Ruben sagte zu ihnen: Habe ich es euch nicht gesagt: Sündiget nicht an dem Knaben, und ihr hörtet mich nicht? Sehet, nun wird sein Blut gefordert:
Gott lässt immer, früher oder später, die Bösen ihre Bestrafung fühlen, welche sie sich wegen der Verfolgung der Guten zuziehen, was ihnen sehr nützlich ist, indem sie dadurch wieder zu ihrer Besinnung kommen.
23) Als sie so miteinander sprachen, wussten sie nicht, dass Joseph sie verstand, weil er durch einen Dolmetscher mit ihnen redete.
24) Allein, da er seine Tränen nicht mehr zurückhalten konnte, wandte er sich ein wenig von ihnen ab und weinte.
Ein so gutes und Gott ganz ergebenes Herz kann man nicht genug bewundern. Es mag nicht zusehen, wie seine grössten Beleidiger und Verfolger das geringste leiden, ohne nicht darüber betrübt zu werden, und zwar noch mehr, als sie es selbst sind.
43. Kapitel.
8) Juda spricht zu seinem Vater:
9) Ich übernehme den Knaben, von meiner Hand magst du ihn fordern. Wenn ich ihn nicht zurückbringe, und dir zurückstelle, willige ich ein, dass du mir dieses Vergehen nie verzeihst.
Solange nur Ruben den Benjamin von Jakob verlangt, will er ihn nicht entlassen, weil er sich wohl hütete, ihn der menschlichen Führung anzuvertrauen. Sobald aber Gott durch den Mund Judas, den er als Vater für seinen Sohn erwählte, sich erklärt, gibt ihn Jakob ohne Anstand mit, ihn so der Leitung der Vorsehung überlassend. Die Kinder der Menschen oder der Welt handeln ganz anders. Blindlings vertrauen sie sich andern Menschen an, wie einem Advokaten, einem Arzte, einem Freunde und einem Kutscher, und sie würden sich wie verloren halten, wenn sie sich in vollem Vertrauen Gott überlassen müssten.
32) Man trug die Speisen auf, für Joseph besonders, und für die Ägypter, die mit ihm assen, besonders; denn die Ägypter dürfen nicht mit den Hebräern essen, und sie halten ein solches Mahl für unrein.
Heilige, voll des Geistes Gottes, besitzen eine bewundernswürdige Geschicklichkeit, sich nach der Gemütsbeschaffenheit eines jeden zu fügen, um bei den Menschen in gleichgültigen Dingen nicht anzustossen. Joseph findet ein Mittel, die Ägypter nicht verächtlich von sich zu weisen, und dennoch seine Brüder in seiner Gesellschaft vor ihrem Angesicht zu bewirten, da er alle besonders auf verschiedenen Tischen und doch im gleichen Speisesaal bedienen liess, und auf solche Art die einen und die andern ehrend. Dadurch hatte er das Vergnügen, mit seinen Brüdern und den ägyptischen Herren zu essen; und was noch mehr ist als alles dies, er konnte hiedurch in Gottes Willen eingehen. Dies alles aber ist sehr geheimnisvoll. Josephs Brüder befanden sich nicht auf der gleichen Höhe des inneren Lebens wie er, um mit ihm am gleichen Tische zu sitzen. Er lässt ihnen nur auf seiner Tafel schon aufgetragene Speise zukommen, auf dass sie seiner Gnadenfülle und der Salbung seines Geistes teilhaftig werden. Benjamin aber, aufs innigste mit ihm sowohl dem Geiste als dem Geblüt nach vereinigt, empfing den besten Teil davon.
44. Kapitel.
18) Juda sprach zu Joseph:
32) Lass mich vielmehr dein Sklave sein, den für diesen bin ich Bürge geworden, und habe versprochen und gesagt: Bringe ich ihn nicht wieder zurück, so sollst du mir dies nimmer verzeihen.
34) Denn ohne den Knaben kann ich zu meinem Vater nicht zurückkehren.
Judas Mut, sich für seinen Bruder hinzugeben, bezeichnet schon im voraus, dass derjenige, der sich für alle Menschen opfern sollte, aus ihm geboren werde, und da er sich als Bürge für einen einzigen Menschen stellte, wurde er ein Vorbild von demjenigen, welcher als Lösegeld für alle bestimmt war. Was mag er wohl auch damit ausdrücken, dass er nicht zu seinem Vater heimkehren werde, ohne dass das Kind bei ihm sei; wenn nicht das, dass Christus, von der Zunft Jude, zu seinem Vater nicht zurückkehren will, ohne mit sich zu führen die menschliche Natur, die Er aus ihrer Gefangenschaft befreite, und sein geliebtes, noch zu erlösendes Volk?
45. Kapitel.
4) Joseph redete mit Sanftmut zu seinen Brüdern, und sprach zu ihnen: Ich bin Joseph, euer Bruder, den ihr verkauf t habt nach Ägypten.
5) Fürchtet euch nicht, und lasset euch nicht schwer fallen, dass ihr mich in dieses Land verkauft habt, denn zu eurem Heil hat mich Gott vor euch nach Ägypten gesandt.
Eine Seele in diesem Rang misst die ihr gemachten Verfolgungen nicht ihren Verfolgern bei, sondern alles in Gott als besondere Anordnung der Vorsehung betrachtend, richtet sie alles auf Gott hin. Joseph war sehr getreu, auf diese Weise in allem zu handeln, Daher kommt es, dass man seine Feinde ebenso sehr als seine Freunde liebt. Denn man hält sich nicht beim Anschauen des Bösen auf, das sie tun, sondern beim Guten, das daraus entspringt. In diesem Sinne geschieht es, dass das von Jesus Christus uns gegebene Gebot, unsere Feinde zu lieben, denjenigen, welche vom lebendigen Glauben durchdrungen sind, und den rechten Geschmack seiner Liebe haben, so leicht ist, dass sie dies Gebot nicht ausser Acht setzen körnten, selbst dann nicht, wenn es nicht gegeben wäre.
8) Nicht durch euren Rat bin ich hieher gesandt, sondern durch Gottes Willen, der mich zum Vater Pharaos gemacht hat, und zum Herrn seines ganzen Hauses, und zum Fürsten im ganzen Lande Ägypten.
Joseph bekennt gleichzeitig, dass dies alles nicht in den Absichten seiner Brüder, da sie ihn verfolgten, gelegen war, sondern in Gottes Wille, welcher alle Dinge nach seinen ewigen Ratschlüssen auszuführen weiss.
Nebstdem gibt er ihnen einige Kenntnis über Gottes Absichten mit ihm und über dessen undurchdringliche Führung mit seinen Auserwählten, welche Er nur erniedrigt, um sie wieder zu erhöhen; und zugleich über die Wahrheit seiner Träume, deren Erfüllung sie nun selbst einsehen.
13) Verkündet meinem Vater alle meine Herrlichkeit, was ihr gesehen habt in Ägypten, und eilt und führt ihn herab zu mir.
Nicht Grossprecherei trieb Joseph an, dies zu sagen, sondern die Überzeugung, dass sein Vater die Geheimnisse des mystischen Lebens kenne. Er gibt ihm gleichfalls Beweisgründe von der Wahrheit seines Zustandes vermöge der Gnaden, die er über alle ausgiesst, und durch die Gaben, welche er ihm überschickt.
23) Er sandte auch Gold und Kleider seinem Vater, und tat zehn Esel hinzu, die von allen Schätzen Ägyptens trugen.
Die zehn mit allen Reichtümern Ägyptens beladenen Esel sind, wie ich schon oben im 24. Kapitel in Hinsicht der zehn Kamele gesagt, die zehn Gebote Gottes; allein zufolge einer ausgezeichneten Vollbringung derselben, welche in Gott selbst ausgeübt wird, sehr erhöht und bereichert, was aber nur die tiefsten, inneren Seelen erkennen.
24) Also entliess er seine Brüder, und da sie hinzogen, sprach er zu ihnen: Zankt euch nicht auf dem Wege.
Dieser liebevolle Rat ist allen so notwendig, dass wirklich nur die Einigkeit mit dem Nächsten verbunden mit dem Vertrauen auf Gott es vermag, alle Langeweile und allen Verdruss auf einer so langdauernden Reise, wie das Innere ist, fernzuhalten, und alles glücklich zum Ziele zu führen.
26) Da Jakob hörte, dass Joseph, sein Sohn lebe, und in ganz Ägyptenland herrsche, war es, als erwachte er aus einem schweren Schlaf, und er konnte ihnen nicht glauben.
Obgleich Jakob zufolge eigener Erfahrung unterrichtet war von dem mystischen Weg, ihren Umwälzungen und dem glücklichen Ausgang, durch die Gott belebt, nachdem Er getötet hat (1.Sam.2,6), dünkt es ihn dennoch, er träume, so erstaunt war er über eine so ausserordentliche Führung. Ungeachtet wir von den seltsamen Wegen gehört haben, auf denen uns Gott wandeln lässt, hindert es doch nicht, uns in Erstaunen und Misstrauen zu setzen, wenn wir es erfahren müssen.
27) Da er die Wagen sah und alles, was er sandte, da lebte sein Geist wieder auf.
28) Und er sprach: Genug ist's mir, dass mein Sohn Joseph lebt, ich will hinziehen und ihn sehen, bevor ich sterbe.
Sieht man aber die Früchte dieses Zustandes, so verschwindet aller Zweifel dagegen, und man muss sagen: Wahrlich, diese Seele lebt in Gott und das genügt.
46. Kapitel.
3) Gott sprach zu Jakob: Ich bin der überaus Starke, der Gott deines Vaters. Fürchte dich nicht, ziehe hinab nach Ägypten, denn ich will dich dort zum Haupte eines grossen Volkes machen.
Da Jakob wegen einem so aussergewöhnlichen Ereignis Anstand nahm, gibt ihm Gott durch die Erinnerung an seine Allmacht neue Versicherung. Er macht ihm kund, dass dies ein Streich seiner Hand sei, und als Gott seines Vaters, den Er vom schlagfertigen Messer befreite, gebiete Er ihm selbst, nach Ägypten zu ziehen.
Ich bin der überaus Starke, der Gott deines Vaters. Diese Worte sind so sinnreich, so ausdrucksvoll, um die Macht und Treue Gottes an dem, was Er zugunsten der gelassenen Seelen tut, zu erkennen zu geben, dass ich mich nicht enthalten konnte, sie zu wiederholen. Wer mag wohl Furcht haben, sich seinen Händen zu überlassen, da Er sich selbst der sehr starke Gott der Ihm vollkommen ergebenen Seelen nennt? Befindet sich für sie nicht alles in Sicherheit, obwohl inmitten der grössten Verzweiflung?
24) Ich will mit dir hinabziehen, und dich von dannen wieder hinaufführen, wenn du zurückkehrst; und Joseph soll mit seinen Händen deine Augen schliessen.
Obige Verheissung bezieht sich nicht nur auf Jakob, sondern auf alle diejenigen, welche gleich ihm sehr bereitwillig sind, aus Liebe Gottes bis nach Ägypten zu gehen, d.h. das Land des Friedens zu verlassen, und gemäss dem göttlichen Willen in die Gegend der Verwirrung und Verdorbenheit zu wandeln, wenn es notwendig ist und Gott gebietet. Es ist so einleuchtend, dass Gott in der Person Jakobs zu den gelassenen Seelen spricht (und nicht eigentlich zu Jakob), dass da Er ihm versprochen, ihn aus Ägypten zurückzuführen, Er ihm auch gleichzeitig die Versicherung gab, dass er daselbst sterben und Joseph ihm die Augen zuschliessen werde. Wenn auch Gott sich Ihm ergebene Seelen in das ägyptische Land der Prüfung und Versuchung hineingeführt hat, so ermangelt Er doch niemals, sie wieder in die Gegend der Ruhe zurückzubringen.
29) Nachdem Jakob angekommen war, bestieg Joseph seinen Wagen, und zog seinem Vater entgegen an denselben Ort, und da er ihn sah, fiel er ihm um den Hals, und ihn umarmend weinte er.
Josephs Auferstehung wäre nicht vollkommen gewesen, hätte ihn Gott nicht wieder seinem Vater gegeben, d.h. hätte ihn Gott nicht in seinen Ursprung zurückgeführt. Dies trägt sich aber, wie schon gemeldet, nach der Auferstehung zu, allwo die Seele sich mit Gott in eben derselben Reinheit vereinigt befindet, in welcher Reinheit sie von Gott ausgegangen ist.
48. Kapitel.
14) Jakob streckte seine Hand aus, und legte sie auf das Haupt Ephraims, des jungem Bruders; die Linke aber auf das Haupt Manasses, der älter war, überkreuzend die Hände,
17) Joseph nahm die Hand seines Vaters, und bemühte sich, sie von Ephraims Haupt wegzubringen auf Manasses Haupt.
18) Sprechend zu Jakob: Mein Vater, nicht also ziemt es sich, denn dieser ist der Erstgeborene. Lege deine Rechte auf sein Haupt.
Die Verwechslung der Hände Israels geschah nicht ohne Bedeutung, der Kleinheit gab er das Recht der Erstgeburt. Denn je mehr wir uns Gott nähern, desto kleiner müssen wir werden; und je grösser wir in uns und vor der Welt sind, desto geringer sind wir vor Gott. Daher versichert uns Jakob im prophetischen Geiste, dass der Kleine dem Grossen vorgezogen werde, wie es Jesus Christus selbst so oft kundtat und lehrte.
19) Jakob aber weigerte sich und sprach: Ich weiss es mein Sohn! ich weiss es. Dieser wird auch zu Völkern werden, und wird sich mehren, aber sein jüngerer Bruder wird grösser sein denn er.
21) Nachher sprach er zu Joseph, seinem Sohn: Siehe, ich sterbe, und Gott wird mit euch sein, und euch zurückführen in das Land eurer Väter.
22) Ich gebe dir einen Teil meines Vermögens vor deinen Brüdern.
Die Wiederholung Jakobs: Ich weiss es, mein Sohn! ich weiss es, gibt deutlich zu erkennen, mit welchem Bewusstsein er dieses tat, uns versichernd, dass das kindliche Volk, welches im einfältigen Zustande lebt, weit grösser als das andere sein werde. Jakob gibt zugleich noch Joseph die Bestätigung von seinem Zustande, in dem er begründet war, und verspricht ihm, dass Gott immer mit ihm sein werde, was die Bekräftigung in der Gnade andeutet. Auch wegen den so vielen ausgestandenen Verfolgungen und Leiden gibt er ihm einen Teil mehr von seinen Gütern, als seinen Brüdern, wodurch er anzeigt, wie sehr ihn Gott den andern vorziehe.
49. Kapitel.
1) Jakob rief seine Söhne zusammen, und sagte: Kommt alle hieher, auf dass ich euch verkünde, was euch begegnen wird am Ende der Tage.
Jakob tut kund seinen Söhnen, was in Ansehung des Reichs des Innern und der Ankunft Jesu Christi geschehen soll.
4) Ruben, du bist zerronnen wie Wasser.
8) Juda, dich werden deine Brüder loben. Deine Hand wird sein auf dem Nacken deiner Feinde, vor dir werden sich bücken die Söhne deines Vaters.
Zu Ruben sprach er, dass alle seine vom Menschen herkommende Kraft gleich dem Wasser zerfliessen werde. Dem Juda aber, in welchem Jesus Christus, das wahrhafte Haupt aller inneren Seelen, eingeschlossen war, versichert er, dass seine Brüder, die frommen, aber nicht innerlich frommen Menschen, ihn in der Folge loben, weil er über seine Feinde in und mit dem alles vernichtenden Erlöser triumphieren werde. Denn die wahrhaft innnerlich frommen Seelen besitzen keine eigene Kraft, ihre ganze Stärke besteht einzig in Gott. Der Ausdruck die Söhne deines Vaters, zufolge dessen es scheint, dass er ihn von seinen Brüdern unterscheide, zeigt an, dass er von keiner andern Seele rede, als von solchen, welche gänzlich dem höchsten Willen Gottes ergeben und die wahrhaften Kinder Israels sind (Joh.4, 23), welche Gott mit einer seiner würdigen Verehrung anbeten, denn nur diese Anbeter sind es, die in Geist und Wahrheit anbeten.
9) Ein junger Löwe ist Juda, zum Rauben der Beute erhebst du dich, mein Sohn! Du ruhest, du lagerst dich dem Löwen, der Löwin gleich. Wer reizt ihn auf?
Das Wort Löwe bedeutet seine Stärke. Er nennt ihn aber kleiner Löwe, um uns anschaulich zu machen, dass seine Kraft in seinem Vater (in Jesus Christus) und in seiner Natur bestand. Sein Vater ist sein Sohn, und sein Sohn ist sein Vater. Er ist der unüberwindliche Löwe.
Zum Rauben der Beute hast du dich wohl erhoben, denn du schliessest in dir nichts Geringeres als das Blut eines Gottes ein, der das Weltall, Himmel und Erde erobern soll.
Allein um uns anzuzeigen, dass er von den inneren, überall siegreichen Seelen rede, welche die Beute an sich reissen, gibt er darüber diese Erklärung: Mein Sohn, der du ruhest im innerlich tiefen Schlafe, du hast dich in Gott gleich einem Löwen und einer Löwin gelagert, welche wegen ihrer Klugheit und Stärke nichts befürchten, denn der Löwe ruht sicher in seiner Stärke, wie die Seele sicher in Gott Ruhe geniesst, der ihre Kraft ist. Deswegen fährt er fort: Wer weckt ihn auf? als spräche er: Wer wird so kühn sein, dahin zu gehen, wo die Seele ist? Vermöchte die ganze Hölle wohl die Ruhe einer Seele zu stören, welche in Gott einen beharrlichen Zustand erhalten hat?
Das Lagern oder Liegen kann noch von der Ruhe des in den Eingeweiden Marias eingefleischten Wortes verstanden werden, das sich lagerte in ihren jugendlichen Lenden, wie der Löwe in der Höhle.
10) Das Zepter wird nicht von Juda genommen, noch der Fürst von seiner
Nachkommenschaft, bis da komme der, so gesandt soll werden, auf den die Völker harren.
Das Zepter wird immer in seinem Hause verbleiben, weil er in diesem Zustande Herr über die ganze Welt geworden, da sein Königreich einzig Gott ist. Zufolge des Standes der Vereinigung und Einfalt besitzt er in sich wegen dem inneren Frieden, der ihn zum Herrn seiner Leidenschaften macht, ein Königreich. Allein wenn derjenige, der gesandt werden soll, kommen wird (das sich bei der mystischen Fleischwerdung ereignet, allwo das Wort im Zustande der Umgestaltung sich mitgeteilt), alsdann wird dies Reich weggenommen, weil Jesus Christus alles in der ganz entwordenen Seele in Besitz nimmt, und also alle Selbstbesitzung samt allen Königreichen mit sich vereinigt. Daher ist Er auch die Erwartung der Nationen und aller zur Teilnahme an diesem Glück berufenen Seelen.
11) Sein Kleid wäscht er im Wein, im Blut der Trauben seinen Mantel.
Dieser Wein ist das Blut Christi selbst, weil solche Seelen keine eigene Reinheit, noch sich selbst zueignende Verdienste mehr haben, sondern alles in Jesus Christus besitzen. Daher erwarten sie auch nichts von sich selbst, noch von ihrer Anstrengung, sondern, wie immer mit allerlei Elend bedeckt, finden sie alles im Traubenblut Jesu Christi, der in der Kelter gelegen, und sich seinen Freunden im Wein mitgeteilt, abgewaschen. Für diese im Blute des Lammes weiss gewordenen Seelen hat man also nichts mehr zu befürchten.
12) Seine Augen sind schöner denn Wein, seine Zähne weisser denn Milch.
Seine Augen, schöner denn Wein, bezeichnen die Kraft seiner Liebe, welche das Elend der Menschen anschaut, um ihnen zu Hilfe zu kommen. Sie deuten zugleich die mit der Liebe vereinigten Erkenntnisse an, die in Gottes Liebe sich verloren hat. Die Lauterkeit seiner Handlungen, unter den Zähnen vorgebildet, ist unaussprechlich erhaben, weil sie alle in Unschuld gewirkt worden sind.
22) Ein wachsender Sohn ist Joseph, er wird sich immer mehren. Schön und lieblich ist sein Angesicht.
24) Sein Bogen ruhte auf dem Starken, seiner Arme und Hände Fesseln lösten sich durch Jakobs mächtigen Gott. So ging der Hirt hervor, der Grundstein Israels.
Die gelassene, obgleich mit Schwachheit umgebene Seele harrt in ihrer Kraft, denn sie hat den Bogen ihrer Kraft in den überaus Starken, in ihren Gott hingelegt. Sobald aber die Jahre ihrer Prüfungen und ihrer Gefangenschaft vorüber sind, binden Gottes Hände, der Allgewaltige Jakobs, ihre Arme und Hände los, und machen sie zu grossen Dingen geschickt.
Unter dem so ging der Hirt Israels hervor, können zwei Sachen verstanden werden. Vorerst, dass der Hirt nach Losmachung seiner Hände aus dieser Gefangenschaft hervorgeht. Denn wenn die Seele zufolge der Auferstehung und der Wiedererneuerung in Freiheit gesetzt ist, wird sie zur Leitung anderer fähig. Dann zweitens, dass aus dem mächtigen Jakob, d.h. aus Gott der Führer, oder Jesus Christus, der wahre Hirte des innern Volkes hervorgeht.
Unter dem Grundstein Israels ist das Fundament zu verstehen, welches gleichfalls Jesus Christus, als Grundstein vom geistigen Gebäude ist, das Wert und Dauerhaftigkeit nur von Ihm bekommt, auf dem es als auf dem festen Stein, dem lebendigen Felsen, und nicht auf Sand eigner Erfindungen begründet wird. Eine andere Erklärung ist folgende, dass, weil Israel der Vater aller Gott ergebenen Seelen ist, die ganze Nachkommenschaft auf ihn, als auf dem Felsen gegründet ist.
25) Der Gott deines Vaters wird dein Helfer sein. Der Allmächtige wird dich segnen, mit Segen des Abgrundes von unten, mit Segen der Brüste und Eingeweiden.
Der Gott deines Vaters, der Gott Israels und aller wahrhaft gelassenen Seelen, der Allmächtige, dem nichts schwer vorkommt, wird dich mit Segnungen des Himmels von oben überströmen. Dies will sagen, dass solche Seelen nicht nur mit Gaben und Gnaden vom Himmel beschenkt werden, die man im Zustande des Leidens vom Licht und der Liebe empfängt, wo alles zuverlässig von oben kommt, davon sie versichert sind, sondern sie werden auch mit den Segen des Abgrundes von unten, d.h. mit Versuchungen und Armseligkeiten, die das Leibding des Abgrundes sind, gesegnet werden. Darunter wird ebenfalls die innere Hölle begriffen, durch welche diese besonders auserwählten Seelen (wenigstens einige davon) gehen, und welche mit all ihren Folgen und höllischen Ausdünstungen (in jeder Beziehung abscheulich und schrecklich) nichts als einen grossen, ja einen noch weit grösseren Segen als der erste war, denjenigen zurücklässt, die nach Gottes Absichten guten Gebrauch davon zu machen wissen.
Der letzte Segen zerfällt in zweierlei Arten. Die eine in den Segen der Brüste, deren Milch die Leichtigkeit vorstellt, den geistlichen Kindern auf diesem Wege zu helfen, und sie mit der geistigen Milch der Beschauung zu nähren; die andern in den Eingeweiden, worunter man die Erzeugung der Kinder in Jesu Christo versteht. Denn eine andere Gnade ist die geistige Erzeugung, und eine andere das Ernähren und Auferziehen. Einer erzeugt in Jesu Christo, aber ernährt nicht, ein anderer ernährt, aber er erzeugt nicht. Beides zusammen hingegen macht das vollkommene apostolische Leben aus, deswegen ist dieser alles umfassende Segen nur für Joseph, der sich in obigem Zustand befindet, aufbewahrt.
26) Die Segen deines Vaters sind unterstützt durch diejenigen, die er von seinen Vätern empfangen, bis da er kommt über Josephs Haupt, über den Scheitel desjenigen, der ist wie der Nazaräer unter seinen Brüdern.
Die von Jakob dem Joseph erteilten Segen sind durch die Segen, welche Jakob von seinen Vätern empfangen, unterstützt; weil dieselben zufolge des Glaubens und der Gelassenheit, von woher er entsprossen, bestärkt werden, und dieser es ist, was seine Segen unterstützen muss. Er versichert ebenfalls mit diesen Worten, dass seine Vorfahren auf dem gleichen Weg gewandelt, und sie mit dem Beispiel ihres Lebens einen so ausserordentlichen Segen unterstützen, bis dass das Verlangen der Seelen, welche wie Berge und Hügel wegen ihrer ausgezeichneten Heiligkeit erschienen, erfüllt, d.h. in Einheit gebracht worden, worin alle Begierde ihr Ziel erreicht.
Allein der eigentlichste Sinn ist dieser, dass das Beispiel seiner Vorfahren die gelassenen Seelen auf einem so seltenen Pfad unterstützen soll, bis Jesus Christus gekommen ist (auf das Verlangen der Heiligen), um ihr Prediger und Vorbild zu werden; und bis die Seele vermöge der in ihr vorgehenden mystischen Menschwerdung in Ihm allein, ohne irgendein Mittel (und wenn es auch das heiligste wäre) bestehe.
Dieser Segen wird über Josephs Haupt ausgegossen, weil, ungeachtet Joseph im geheimnisreichen Leben sehr erhaben, doch Jesus Christus unendlich erhabener ist. Denn nichts übertrifft Ihn, alles steht unter Ihm, als dem Anfang und dem Ende des ganzen Weges.
50. Kapitel.
16) Dein Vater gebot uns, ehe er starb,
17) Dass wir dieses mit seinen Worten sagen: Ich bitte, vergiss doch die Missetat deiner Brüder, die sie an dir verübten; und auch wir bitten, dass du vergebest den Knechten deines Vaters diese Missetat.
19) Joseph antwortete ihnen: Fürchtet nicht, können wir Gottes Willen widerstehen?
20) Ihr sannt Böses gegen mich, Gott wandte es aber zum Guten, so dass er mich erhob, wie ihr nun sehet, und mehrere Völker rettete.
Die hebräischen Brüder befürchteten Rachsucht, denn sie kannten die Grossmut solcher Menschen nicht, in denen Gott allein herrscht; noch die Vergessenheit der ihnen zugefügten Unbilden. Deswegen massen sie sich die Eigenschaft als Diener Gottes, des Vaters Josephs an, um ihn dadurch zu bewegen, ihnen zu verzeihen, wohl wissend, dass nichts so sehr auf einen so heiligen Mann wirkt, als die Erinnerung an Gott, zumal unter der liebreichen Eigenschaft eines Vaters.
Allein Joseph, begründet im Zustande des göttlichen Willens, der die höchste Vollkommenheit in sich fasst, redet zu ihnen wie ein in den Wegen Gottes gut unterrichteter Mensch, und spricht: Alles ist nach Gottes Willen geschehen, dem nichts zu widerstehen vermag. Er fährt fort: Befürchtet nichts, können wir diesem göttlichen Willen widerstehen, der alles auf unfehlbare Weise ausführt, der sich selbst des bösartigen Willens der Menschen bedient, um seinen Zweck zu erreichen, der Böses in Gutes verwandelt, und die Seele gerade durch das erhebt, was sie erniedrigen sollte? Selbst die Sünde, die uns nach ihrer Beschaffenheit und Natur so schädlich ist, gereicht uns in Gottes Hand zum Nutzen, weil Er alles zu unserem Besten umzuändern versteht (Röm.8,28).
0 göttlicher Wille, von dem alles seinen Ursprung hernimmt, und in dem alles als in seinem Ziel und Ende zur Vollendung gelangt, warum besitzest du nicht viele, ganz deinen Befehlen ergebene und unterwürfige Seelen?
1. Kapitel.
6) Unterdessen stand ein neuer König auf in Ägypten, der nichts wusste von Joseph.
9) Und er sprach zu seinem Volke: Siehe! das Volk der Söhne Israels ist gross und stärker als wir geworden.
Gott war damit nicht zufrieden, durch verschiedene Menschen besondere Beispiele seiner Führung, unter welcher Er die Ihm ergebenen Seelen hält, aufzustellen, sondern Er will uns ein ganzes, ein in den gleichen Zuständen vereinigtes Volk als Beispiel geben, auf dass sein auserwähltes Volk aus einem allgemeinen und mehr in die Augen fallenden Vorbild lerne, wie alle, ja alle ohne Ausnahme durch diese Zustände gehen müssen.
Niemand ist davon ausgenommen, und es ist sogar notwendig, dass alle diejenigen, welche zum inneren Leben berufen sind (welche eigentlich das auserwählte Volk ausmachen), durch Gefangenschaft und Umwälzungen gehen. Gibt es wohl etwas Glücklicheres auf der Erde als jenes Volk, solange Joseph lebte? Das Ausgesuchteste im Reich war für dasselbe bestimmt. Aber suche es jetzt in der Gefangenschaft, wie es von allen andern Gefangenen am übelsten behandelt wird: Alle auf diesem Pfade zu führenden Menschen werden anfangs des geistlichen Lebens in unaussprechliche, ja unendliche Freuden versenkt. Denn auf Erden sind keine himmlischähnliche Ergötzungen anzutreffen, wie sie diese Seelen da geniessen. Allein, wenn Gott sich der Treue dieses Volkes nach so vielen erwiesenen Wohltaten vergewissert hat, lässt Er es die harte Gefangenschaft fühlen. Niemand darf davon befreit sein, indem ja Jesus Christus selbst, der Erste unter den Vorerwählten und das Haupt der gelassenen Menschen, aus den unbegreiflichen Freuden des Schosses seines Vaters herausgehen wollte, um der erste Gefangene aller Menschen zu werden.
Alle müssen hiedurch gehen. Die heiligen Patriarchen sind von dem das Vorbild gewesen, was an Jesus Christus in Erfüllung gehen sollte. Die Heiligen des neuen Bundes sind ebenso viele Abbildungen von Ihm, denn der Heiland ist das göttliche Muster und Original aller.
Allein, warum müssen alle dadurch gehen? Etwa um immer unglücklich zu bleiben? Keineswegs, es geschieht darum, um die Abraham, Isaak und Jakob verheissene Erde zu geniessen, die nichts anderes als die Besitzung Gottes ist. 0, was sollten wir doch nicht tun, um Ihn zu besitzen, und welche Leiden können Ihn wohl erwerben? 2. Mose 1,13-16
Gott bedient sich des Pharaos, um die Seele in die Gefangenschaft einzuführen, aber Er tut es nicht allein, Oberaufseher helfen ihm noch dazu. Menschen, Teufel und Natur sind die Ägypter, denen man unterworfen wird. Sie mühen das arme Volk mit vieler Arbeit ab, glaubend, dass sie durch darniederdrückende Arbeiten dasselbe am Wachstum hindern werden, wenn sie es quälen.
So handelt man auch jetzt noch. Man glaubt, das Innere Leben durch die Verfolgung und Verspottung auszulöschen, aber gerade dadurch vermehrt es sich. Je mehr jene Menschen, die das Irrere lehren, verschrieen, verfolgt und verleumdet werden, desto mehr Seelen sammeln sich, um sich mit ihnen zu vereinigen, und auf dem gleichen Wege mit ihnen zu wandeln, welcher selbst durch die Verfolgung begründet wird, und Wachstum erhält, gleichwie der Kirche zufolge des Märtyrerbluts Festigkeit und Ausdehnung zuteil wurde. Sogar die Teufel verbinden sich durch Versuchungen mit den Verfolgern und Spöttern, was anfangs wegen der Schwachheit der unter der Last darniedergebeugten Natur das Allerschmerzhafteste ist. Aber je mehr die Seele von allen Seiten mit Schwachheit und Elend beladen ist, desto mehr erhebt sie sich gleich einem Palmbaum, und desto mehr nimmt sie zu.
13) Die Ägypter hassten die Israeliten und quälten sie, Spott mit ihnen treibend;
14) Und verbitterten ihnen das Leben mit harter Arbeit in Ton und Ziegeln, und allem Dienste, womit sie durch Feldarbeit sie drückten.
Das Erdulden der Verfolgung kommt deswegen dem Volk so hart und beschwerlich vor, weil es so vertraulich mit Gott Umgang gepflogen, und auf so edle Weise zu seiner Tafel berufen wurde, und nun sich genötigt sieht, auf der Erde und für die Erde zu arbeiten. Sein ganzes Wirken ist irdisch. Es scheint, als sei die Natur selbst ganz irdisch geworden. Alsdann treiben seine Feinde Spott mit ihm, da sie es mit einem Werk beschäftigt sehen, das seiner Geburt, wie seiner Erziehung und Hoffnung so sehr zuwider ist. Spott und Hass der Weltkinder peinigten immer jene Menschen, welche dem Gebet obliegen. Allein es naht bald ein Tag heran, an dem sie ihre Torheit und die Weisheit rechtschaffener innerer Seelen einsehen werden.
16) Der König Ägyptens gebot den Wehmuttern, sprechend: Wenn ihr den Hebräerinnen helfet, und die Zeit der Geburt kommt, und es ein Männlein ist, so tötet es. Ist es aber ein Weiblein, so erhaltet es.
Es ist sonderbar, wie der Hass, den man gegen innere Menschen trägt, sich nicht nur auf diese erstreckt, sondern auch auf ihre Erzeugnisse, um ihr Dasein zu vernichten, und sie in ihrer Geburt zu ersticken. Wieviele, ja sogar Erleuchtete befleissigen sich, Anfänger von diesem Wege abzuführen? Wiewohl sie wie Könige der Erde, und als Väter der Seelen von Gott angestellt sind, hören doch ihre Widersacher nicht auf, ihnen entgegen zu arbeiten, sogar glaubend, dadurch etwas Grosses auszurichten (Joh.16,2). Sei es, dass sie die geheiligte und ganz sichere Gelassenheit nicht billigen, verdammen sie dieselbe doch wenigstens nicht, und lassen sie die Seelen, welche sie auf glückliche Weise zu verkosten anfangen, in sie eintreten, aus Furcht, den Vorwurf von Jesus Christus zu vernehmen: Ihr wollt nicht in das Reich eintreten, und lasst die andern nicht in dasselbe eingehen (Luk.11,52). Die Knäblein zeigen die starken Seelen an, welche die Eigenschaft haben, sich der undurchdringlichen Führung Gottes zu ergeben. Die Mädchen sind die Vorbilder der schwachen und furchtsamen Personen, die allzuvoll von Eigenliebe und Eigennutz sind, um sich Gott auf einem so kreuzvollen Pfade zu überlassen. Man gibt wohl zu, dass diese da leben, denn man lebt gern mit ihnen. Aber die andern verurteilt man zum Tode, weil die Eigenliebe und Sehnsucht die Grossmut der reinen Liebe nicht leiden mag. 17) Die Wehemütter aber fürchteten Gott, und taten nicht, was der ägyptische König ihnen geboten hatte, sondern sie erhielten die Knäblein beim Leben.
Es ereignet sich oft, dass die gleichen Menschen, die man gebraucht, um die begnadigten Seelen von ihrem Weg abzulenken, insofern sie Furcht und Liebe besitzen, sich auf beseligende Weise gewinnen lassen. Und da sie solchen Seelen das himmlische Leben bewahren, empfangen sie es selbst wegen ihrem einfältigen Herzen, und als Belohnung ihrer Lenksamkeit. Also weit entfernt, diesen unschuldiger Schafen das Leben zu rauben, beginnen sie sogar vereint mit ihnen auf dem gleichen Weg zu laufen, und Gott vergilt es ihnen mit solcher Gnaden, dass sie täglich wachsen.
20) Darum tat Gott den Wehemüttern Gutes.
21) Und weil sie Gott fürchteten, so baute er ihnen Häuser:
Durch den sonderbaren Ausdruck, dass Gott ihnen Häuser baut können wir sehen, wie Er selbst an ihrem geistlichen Bau zufolge der Hinführung auf den leidenden Weg arbeite, was die Belohnung für das Gute ist, das man auf dem tätigen Wege getan, welche allen derjenigen zukommt, die ganz geneigt sind, sich darauf leiten zu lassen, wenn Gottes Geist sie dazu beruft.
22) Da gebot Pharao seinem ganzen Volke, und sprach: Werfet alle hebräischen Knäblein, die geboren werden, in den Fluss, die Mädchen aber erhaltet.
Die Verfolgung wäre allzu gelind, wenn sie da stehen bliebe. Pharao, der Fürst dieser Welt, muss alle Erfindungen anwenden, um das von Gott so sehr geliebte Volk zu vertilgen. Er befiehlt also den Seinigen (den Gottlosen nämlich und den Teufeln), alle neugeborenen Knäblein zu töten, diesen Geistesweg bei seiner Geburt in den darauf wandelnden Seelen zu ersticken, um zu bewirken, dass sie entweder der Gnade, infolge grosser Versuchungen, absterben; oder ihre betretenen Wege, zufolge beigebrachten Misstrauens und Schreckens darauf unterzugehen, verlassen; oder endlich dem bürgerlichen Leben durch Verlust der Ehre entsagen; was nur zu vielfältig sich ereignet. Entweder wirft man diese armen Gottergebenen in den Fluss, worin unvermeidlicher Tod zu gewärtigen ist, oder man setzt sie den grössten Gefahren aus. Die Mädchen aber, welches Leute vom tätigen Wege sind, o diese berührt man nicht einmal. Sie wandeln sicher auf ihrem Weg, weder Verfolgung, noch Versuchung, noch Verleumdung fallen sie an; im Gegenteil bestrebt man sich, sie über die Trümmer, über den gänzlichen Untergang der obgenannten Seelen zu erheben. Nehmt euch wohl in acht, spricht man, diese an sich selbst so starken (aber in der Wahrheit sehr schwache) Seelen anzugreifen, bewahrt sie für uns auf.
2. Kapitel.
1) Einige Zeit nachher heiratete ein Mann vom Hause Levi ein Weib seines Stammes.
2) Diese empfing und gebar einen Sohn, und weil sie sah, dass er schön war, verbarg sie ihn drei Monate lang.
Es war ja billig und recht, dass derjenige, welcher Lenker und Führer vom Volke der Vorsehung sein soll, zugleich auch ein Kind der Vorsehung war. Dieses, der Wellen Wut überlassene Kind, soll Israels Hirte werden. Gott, der alles nach seiner Weisheit und Güte leitet, begabte es mit grosser Anmut, welche die Mutter gänzlich abhielt, dasselbe der Todesstrafe auszusetzen. Sie verbirgt es so gut sie konnte, und zwar zu einer Zeit, in welcher der Tod mehrerer Unschuldiger Moses Geburt begleitete, der das auffallenste Vorbild von Jesus Christus ist. Es war auch eine Vorbedeutung des Martyriums so vieler kleinen Heiligen (Herodes Kindermord), das auf die Geburt des Weltheilandes erfolgen sollte.
3) Wie sie sah, dass sie ihn nicht länger verbergen konnte, nahm sie ein Körblein von Rohr, und verklebte es mit Harz und Pech, und legte das Kindlein darin, und setzte es ins Geröhr am Ufer des Flusses.
4) Und seine Schwester stand von ferne, der Sache Ausgang zu sehen.
Da die Mutter als ein wohl unterrichtetes Weib einsah, wie sie der Gewalt nachgeben müsse, wollte sie sich lieber Gott allein als dem menschlichen Mitleid anvertrauen. Belehrt von Gott wusste sie, dass alle Kinder der Vorsehung der Willkür, dem Wasser überlassen werden müssen, und dass es gerade in der äussersten Gefahr geschieht, wohin sie die Gelassenheit bringt, dass Gott mit grossem Vergnügen zufolge unerhörter Wunder der Vorsehung seine Güte kundbar macht.
Das arme, schuldlose Kind wird also auf solche Weise ausgesetzt, und seine Schwester steht als Zuschauerin der Vorsehung von ferne. Was hat sie aber anders zu erwarten, als zu sehen, wie die Wellen es bald mit sich forttragen werden? Oder durfte man wohl etwas anderes hoffen für dieses unschuldige, verlassene Geschöpfchen, als den Tod und das Wassergrab? Sein Sterben schien so unvermeidlich, dass man es ganz lebendig in den Sarg legte, aus dem nur Gott es herausziehen konnte.
Es war notwendig, dass ein so grosser Anführer die Lehrzeit von seiner frühesten Jugend an durch eigene Erfahrung mache. Gott lässt ihn wirklich von seiner Wiege an durch dieselbe gehen, und die Wiege selbst wird sein Grab. Man kann freilich nicht sagen, ob die Wiege sein Sarg, oder ob der Sarg seine Wiege sei. Allein Gott, der die Wunder seiner Vorsehung nur in der grössten Not offenbart, gibt ihm das Leben in der Todesgefahr zurück.
5) Gleichzeitig kam die Tochter Pharaos herab, sich zu baden im Flusse, und ihre Jungfrauen gingen am Ufer des Stromes. Und da sie das Körblein im Rohre sah, sandte sie eine von ihren Mägden; und da sie es geholt,
6) Tat sie auf, und sah darin ein weinendes Kindlein, und sie erbarmte sich seiner, und sprach: Das ist eines von den Kindern der Hebräer.
Die Tochter desjenigen, der so ungerecht die hebräischen Kinder zum Tode verurteilte, wird Mutter von diesem jungen Hebräer, und schenkt einem ganzen Volk in ihm und durch ihn Leben und Geburt, das man ganz und gar auszurotten trachtete.
7) Da sprach des Knäbleins Schwester zu ihr: Willst du, dass ich hingehe, und dir ein hebräisches Weib rufe, welches säuge das Knäblein?
8) Und sie antwortete: Gehe hin! Und die Jungfrau ging hin, und rief ihre Mutter.
9) Und es redete mit dieser die Tochter Pharaos, und sprach: Nimm dieses Kindlein, und säuge es mir; ich will dir deinen Lohn geben. Und das Weib nahm das Knäblein, und säugte es, und da es gross war, brachte sie es zur Tochter Pharaos.
10) Und diese nahm es an Sohnes Statt an, und nannte seinen Namen Mose, denn sie sprach: Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen.
Da aber der Hilfe, die von der Vorsehung her kommt, niemals etwas abgeht, um alle Dinge zu ihrem Ziel und jeden Menschen nach seinem bestimmten Beruf zu leiten, führt sie dem Kinde seine eigene Mutter als Säugamme zu. Denn das wäre etwas Unbedeutendes als Kind der Vorsehung geboren werden, und sein Leben in Gelassenheit beginnen, wenn man darin nicht fortführe, und nicht auf eine seinem Berufe nach würdige Weise lebte (Eph.4,1).
Die Mutter gibt Mose nicht eher zurück, als bis er erwachsen war, weil er auf seinem Weg so bestärkt sein musste, dass ihn weder die Pracht des Hofes, noch die Verdorbenheit der Welt davon abwendig machen konnte. Von aussen glich er einem Ägypter, und wurde als Sohn der Fürstentochter gehalten; im Herzen aber und in Wahrheit ist er ein Hebräer. Wieviele Menschen sieht man nicht, welche wie in der Welt so auch gemeinhin zu leben scheinen, und die doch in ihrem Innern Gnadenschätze bewahren? Urteile man ja nicht nach dem äusseren Schein. Gottes Urteile sind von den unsrigen unendlich weit entfernt; und nach der tiefsinnigen Lehre des Paulus ist nicht derjenige ein wahrer Jude, welcher es nur von aussen ist; auch ist die wahre Beschneidung nicht diejenige, die man nur am Fleische sieht, sondern wer es im Verborgenen ist, und die am Herzen vor sich gegangen, welche Beschneidung im Geiste geschieht und nicht nach dem Buchstaben; auch kommt das Lob des Juden von Gott und nicht von Menschen her (Röm.2,28-29).
Zugleich bildet hier Mose Jesus Christus vor, welcher äusserlich nur als blosser Mensch erscheint, inwendig aber der wahrhafte Gott, und unter dem äusseren Ansehen eines Sünders der Heilige der Heiligen war. Voll von unaussprechlichen Geheimnissen sind obige hinreissende Vorbilder. Zum Beispiel, wer sieht nicht unter dem Schatten der Geschichte des mit so vieler Vorsicht aus der grausamen Verfolgung Pharaos befreiten Kindes Mose, das evangelische Licht vom Kinde Jesu, welches durch so grosse Wunder von der boshaften Wut und dem Gemetzel Herodes erhalten wurde?
11) Nachdem Mose erwachsen war, ging er aus zu seinen Brüdern, und er sah ihr Elend und einen ägyptischen Mann, der einen aus seinen hebräischen Brüdern übel behandelte.
12) Er sah sich um ringsher, und da er sah, dass kein Mensch da war, erschlug er den Ägypter, und verbarg ihn im Sande.
13) Am andern Tag traf er zwei Hebräer an, die sich zankten, und sprach zu dem, der Unrecht tat: Warum schlägst du deinen Nächsten?
14) Welcher ihm antwortete: Wer hat dich zum Fürsten und Richter gesetzt über uns? Willst du mich auch erschlagen, wie du gestern den Ägypter erschlagen? Da fürchtete sich Mose, und sprach: Wie ist die Sache offenbar geworden?
Nichts ist imstande, eine Seele von solchem Charakter abzuhalten, die gerechte Sache der Herde Jesu Christi zu verteidigen, sollte sie auch ihr Leben dabei verlieren. Sie verachtet hohe Würden, ja das Leben selbst, wenn es darum zu tun ist, sich für die Partei der Kinder Gottes auszusprechen. Solange sich keine Gelegenheit darbot, sich frei auszusprechen, lebt dieser treue Freund Gottes gleich andern gemeinhin; wird aber sein offenes Bekenntnis erfordert, o dann handelt und spricht er auf die freimütigste Weise. Treue beobachten ist hier eine Hauptsache, nämlich sich so lange still und zurückgezogen zu halten, bis die Wahrheit angegriffen wird. Geschieht das, alsdann muss man alles wagen zu ihrer Verteidigung.
Kaum verliess Mose seine Mutter, kaum trat er ins öffentliche Leben über, so verwaltete er schon das Amt eines Hirten. Da ihn Gott zum Führer anderer auserwählt hatte, beförderte Er ihn sogar in der Wiege auf dem Wege des Innern, und machte ihn bei seiner Ernährerin des Apostelamts fähig. Er entreisst der Unterjochung des Feindes ein Schaf, und durch diesen scheinbaren Totschlag übt er eine Handlung der Gerechtigkeit aus, weil er auf solche Weise Gottes Willen tat, vernichtend seinen Feind, dessen ganze verworfene Nation er einmal vertilgen sollte. Frage man ja nicht, wer ihn als Hirte aufgestellt habe? Gott hat ihn selbst als solchen eingesetzt, auf dass er das Vorbild und der Nachfolger Jesu Christi, des wahren Hirten, und des Hirten aller Hirten werde. Seine Brüder sollten freilich dadurch erkennen, dass Gott sie durch seine Hand befreien werde, allein sie begriffen es noch nicht, wie es Stephanus meldet. (Apg.7,25).
15) Pharao hörte alle diese Sachen, und trachtete Mose zu töten. Mose aber verbarg sich, und floh in das Land Midian, und als er dort angekommen war, setzte er sich bei einem Brunnen.
Auf die Verteidigung der Wahrheit folgt immer Verfolgung, welche ihre erklärten Feinde anstiften. Mose durfte davon nicht ausgenommen bleiben; auch war er wirklich genötigt, davonzufliehen, und am Schicksal der inneren und treuen Seelen teilzunehmen, d.h. um der Gerechtigkeit willen bis zur unausweichlichen Flucht verfolgt zu werden. Allein warum flieht er nach Gottes Ratschluss? um das Amt eines Hirten zu versehen.
16) Nun hatte der Priester in Midian sieben Töchter, die kamen und schöpften Wasser, sie füllten die Rinnen, und wollten ihres Vaters Herden tränken.
17) Aber die Hirten kamen, und trieben sie weg. Da machte sich Mose auf, und half den Mädchen, und tränkte ihre Schafe.
Wir haben gesehen, wie alle diejenigen, welche Gott zu diesem göttlichen Beruf und Amt auserwählt hatte, damit anfingen die Herden zu tränken. Mose aber, welcher nicht nur ein besonderer Hirte war, sondern der allgemeine Hirte von der ganzen und so grossen Herde, tränkt sie nicht nur, sondern er verteidigt sie zugleich. Auf solche Art sollen die wahrhaften Hirten der Schafe Jesu Christi beschaffen sein. Wasser sollen sie ihnen darreichen und es ihnen auch bewahren, sie nämlich gegen solche verteidigen, welche aus Missgunst sie am Trinken verhindern möchten.
18) Als sie nun zu Reghuel, ihrem Vater kamen, sprach er zu . ihnen: Warum seid ihr früher gekommen, denn sonst?
19) Und sie antworteten: Ein ägyptischer Mann rettete uns aus der Hand der Hirten, und schöpfte uns auch Wasser, und gab den Schafen zu trinken.
Gott sendet oft gelassenen Seelen solche Moses, welche ihnen Wasser geben, und sie von Unterdrückung befreien, in der sie unwürdige und unwissende Hirten halten, und sie hindern Quellwasser zu trinken. Wo immer solche zur Gelassenheit berufene Seelen sich befinden, und unter welcher Gewalttätigkeit sie auch seufzen mögen, wird Gott nicht unterlassen, insofern sie treulich harren, ihnen einen Hirten zu senden, der es wohl versteht, sie auf den Wegen des Herrn zu führen. Dies geschieht aber durch solche Leitungen der Vorsehung, die ebenso wunderbar als unfehlbar sind. Die Töchter Jethros kehren frühzeitig wieder zu ihrem Vater, d.h. in ihren Ursprung zurück, weil sie einen guten Hirten gefunden haben, welcher zufolge des ihnen darreichenden und lauteren Wassers macht, dass sie in ihrem Innern sehr vorwärts schreiten.
21) Mose schwur, dass er bei ihm wohnen wolle, und er nahm Zippora, seine Tochter, zum Weibe.
Wie die Vorsehung gegen Reghuel gross gewesen, da sie ihm Pose zuführte, um seine Herden zu weiden und zu tränken, so war sie gleich merkwürdig für Mose, welche ihm im gleichen Hause eine getreue Gehilfin an die Hand gab, die seines Berufes sich erkundigend, und auf den gleichen Wegen wie er wandelnd, zur geistigen Fortpflanzung das ihrige beitragen sollte. Überdies verschaffte Reghuel dem Pose einen sichern Aufenthalt bei ihm, samt den erforderlichen Lebensmitteln während der Zeit, welche er von seinem Volk entfernt zubringen musste.
22) Sie gebar ihm den andern Sohn, den er Elieser nannte, und er sprach: Der Gott meines Vaters, mein Helfer, errettete mich aus der Hand Pharaos.
Alles Gott und seiner Vorsehung zueignen, ja sogar die Kinder und alle unsere Werke und Erzeugnisse, ist das Zeichen einer von Gott durch den lebendigen Glauben erleuchteten Seele, und die wahre schuldige Dankbarkeit für seinen Beistand.
23) Nach langer Zeit aber starb der König von Ägypten, und die Söhne Israels seufzten Ober der Arbeit, und schrien, und ihr Geschrei stieg auf zu Gott von ihrer Arbeit.
24) Und er hörte ihr Seufzen, und gedachte des Bundes, den er mit Abraham, Isaak und Jakob geschlossen.
25) Und der Herr sah auf die Söhne Israels, und hatte Erbarmen mit ihnen wegen ihren Mühsalen.
Während Gott Mose, den Hirten Israels, auf solche Weise führte, liess Er die Herde in immer härterer Dienstbarkeit schmachten. Pharao starb, aber dessen ungeachtet musste das arme Volk gleichviel arbeiten. Sie schrien zu Gott, und Er hatte Erbarmen mit ihnen. Er erinnerte sich des Bundes, den Er mit Seelen von Glauben, von reiner, lauterer Selbstopferung und vollkommener Gelassenheit geschlossen hatte. Abraham war der Vater des Glaubens, Isaak bezeichnete das reine Opfer und Jakob die wahre Gelassenheit. Alle inneren Seelen haben zu wandern auf dem Wege des nackten Glaubens, des reinen Opfers und der vollkommenen Gelassenheit, wollen sie zur Reinheit ihrer Erschaffung gelangen.
Der nackte Glaube ist ein Glaube ohne irgendein Zeugnis, ein Glaube ohne Stützpunkt, weder für die Vernunft noch für den Verstand.
Das reine Opfer ist ein gänzliches Aufopfern alles dessen, was uns angehört und in uns ist. Es ist ein vollkommenes Verzichtleisten auf unsere Selbstheit, sowohl der Natur als der Gnadenordnung nach.
Die vollkommene Gelassenheit ist eine gänzliche Übergabe, eine rücksichtslose Hinlassung in Gottes Hände, auf dass Er an uns und durch uns in allem seinen Willen sowohl äusserlich als innerlich ohne Ausnahme für Zeit und Ewigkeit vollziehe.
Gott erinnert sich dieser Wege, welche die reinsten und notwendigsten sind, damit die Seele in Ihn aufgenommen werde. Befreien will Er sein innig geliebtes Volk aus der Gefangenschaft derjenigen, welche es unterdrücken, und ihm Hindernisse setzen, dem Herrn freihin und auf lautere Weise zu dienen.
3. Kapitel.
1) Mose hütete die Schafe Jethros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian; und da er die Herde tiefer in die Wüste trieb, kam er zum Berge Gottes Horeb.
Da nun Pose an nichts anderes mehr dachte, als die Schafherde, welche ihm Gott als einem besondern Hirten im Hause seines Schwiegervaters anvertraut hatte, zu weiden; wurde er zu einer innigen Vereinigung mit Gott erhoben, indem er zufolge einer tiefen Verlierung in Ihn sich mehr dem Berge näherte.
2) Der Herr erschien ihm in einer Feuerflamme mitten aus einem Dornbusch.. Er sah, dass der Dornbusch brannte und nicht verzehrt wurde.
Gott redete mit ihm im Busche einer Feuerflamme. Gott war in der Flamme und die Flamme war im Busch. Diese Flamme ist Sinnbild der Liebe Gottes zu den inneren Seelen, ungeachtet ihrer Schwachheiten. Einen grossen Teil seiner Liebe wollte Er diesem Hirten geben, welchen Er zum Leiter und Führer einer sehr beträchtlichen Herde erwählte, weil ja die erste Eigenschaft eines Hirten die Liebe sein soll, durch die er sein Leben für seine Schafe dargibt.
Mit Dornen ist diese Flamme umgeben, weil die Seelenführer vieles zu leiden haben. Man kann sich die mannigfaltigen und schweren Leiden, die ihnen bereitet sind, und die Dornen der zu duldenden Verfolgungen nicht vorstellen.
Der Busch brennt und wird doch nicht verzehrt, welches ein wahres Bild von der reinen Liebe der Hirten ist, welche Liebe nur gleichmütig sein soll, und sich durch nichts schwächen lassen darf. Wirklich zeigte es sich hernach, wie sehr der heilige Hirte von derselben erfüllt und entzündet war; als er sah, wie es an dem war, dass sein Volk wegen begangenen Sünden von Gott sollte gezüchtigt werden. Er hielt Gottes gerechten Zorn durch ein von heftiger, reiner Liebe eingegebenes Gebet auf, sprechend: 0 Herr, entweder verzeihe ihnen dieses Vergehen, oder wenn nicht, lösche mich aus deinem Buche, das du geschrieben (2.Mose 32,32).
4) Als aber der Herr sah, dass Mose hinging, um zu betrachten, was das wäre, rief er ihm aus dem Dornbusch zu und sprach: Mose, Mose.! Und er antwortete: Hier bin ich!
5) Gott aber sprach: Nahe nicht herzu, löse deine Schuhe von deinen Füssen, denn der Ort, wo du stehst, ist heiliges Land!
Dies will soviel sagen, als spräche der Herr zu ihm: Nahe nicht zu einer so reinen, so uneigennützigen Liebe, zu einer so ausgedehnten und gegen alle so gleichgesinnten Liebe, bevor du von jeder besonderen Zuneigung entledigt bist. Dies wäre die letzte Entwerdung, die ich noch von dir begehre, nämlich, dass deine durch die Füsse vorgebildeten Zuneigungen vollkommen entblösst seien, damit du eine gerechte Gleichheit für das gesamte Volk hegen, und es nach Gerechtigkeit und Heiligkeit richten könnest; denn das Land der reinen Liebe ist ganz heilig.
6) Er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.
7) Ich habe die Trübsal meines Volkes in Ägypten gesehen, und gehört ihr Geschrei über die Härte derjenigen, die über ihre Arbeiter gesetzt sind.
8)Und weil ich kenne ihre Leiden, bin ich herabgekommen, sie zu erretten aus der Hand der Ägypter, und sie wegzuführen aus diesem Land in ein gutes und geräumiges Land, in ein Land, wo Bache von Milch und Honig fliessen.
Gott erinnert Mose wiederum an den nackten Glauben, an das reine Opfer, und an die vollkommene Gelassenheit, hinzufügend, dass Er der Vater dieses Volkes des Glaubens, des Opfers und der Gelassenheit sei. Er sagt zu ihm ebenfalls: Ich bin der Gott deines Vaters, um ihm dadurch begreiflich zu machen, dass er selbst aus diesem einen Born und Ursprung hervorgegangen.
Nebst diesem sagt Er Mose, dass Er die Seelen aus der Gefangenschaft erlösen wolle, in welche sie durch die Vielfältigkeit der Werke geraten sind, womit man sie überhäuft habe, und dass Er willens sei, sie in das verheissene Land des Friedens und der Ruhe in Gott einzuführen. Er macht kund, dass die Bedrängnisse seines Volkes (mit äusseren Werken zu Boden gedrückt) und sein Verlangen nach Freiheit, bis zu Ihm hinaufgestiegen sei, weswegen Er es gerade durch seine Vermittlung frei machen wolle.
10) Komm, ich will dich zu Pharao senden, dass du mein Volk, die Söhne Israels, aus Ägypten wegführest.
11) Und Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zu Pharao gehe, und die Söhne Israels aus Ägypten wegführe?
12) Gott antwortete ihm: Ich will mit dir sein.
Mose, anschauend seine Niedrigkeit, entschuldigt sich, indem er seine Unfähigkeit wohl einsah, ein so grosses Volk auf diesem so schweren Pfad, wie der Pfad der blinden Gelassenheit ist, zu führen. Was ihm aber am unausführbarsten vorkam, war das Herausziehen dieses Volkes aus der Plagerei der Meister dieser Werke, und das Bewirken der Auswanderung eben dieses Volkes aus Pharaos Tyrannei. Es hält immerdar sehr schwer, die Menschen aus Übungen und Methoden herauszuheben, um sie dann in die Glaubenswüste zu führen. Deswegen sichert ihm Gott zu, dass Er mit ihm sein werde, und das grosse Werk selbst ausführen wolle. Das untrügliche Zeichen seiner göttlichen Sendung sei die ganz besondere Kraft, die Er seiner Rede verleihen werde.
13) Mose sprach zu Gott: Siehe! ich soll zu den Söhnen Israels gehen, und ihnen sagen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. Wenn sie nun zu mir sagen werden: Welches ist sein Name? Was soll ich ihnen sagen?
Man hält es nicht für hinlänglich, den Kindern Israels nur zu sagen, dass der Gott des Glaubens, des Opfers und der Gelassenheit ihm die Sendung anvertraut habe. Er möchte wissen, wie dieser so mächtige Gott sich nenne, der Gewalt habe, ein solch zahlloses Volk auf einem so ausserordentlichen Weg zu führen. Gott, der den treuen Hirten in allen Dingen unterrichten will, fasst diese scheinbar-schimpfliche Frage nicht als Beleidigung auf. Was antwortet Er ihm also?
14) Gott sprach zu Mose: ICH BIN, DER ICH BIN. Also sollst du sagen zu den Söhnen Israels: DER DA IST, hat mich gesandt.
Ich bin, der ich bin. Ich bin das Sein alles Seins, das Wesen, von dem jedes Ding, das den Namen Wesen trägt, herkommt. Ich bin derjenige, der allein etwas ist, und nichts ist ausser mir. Wer immer sich als etwas aus und durch sich selbst nennen oder glauben oder anerkennen darf, ist noch nicht fähig unter mein Volk aufgenommen zu werden. Ich muss ein Wahrheitsvolk haben, das so vernichtet ist, dass es in Wahrheit anerkennt, es sei nichts, wie ich in Wahrheit alles bin. Sage also nur dies den Söhnen Israels: Derjenige, der ist, hat mich zu euch gesandt, auf dass sie sich an ihre Nichtigkeit und an meine Allheit erinnern, und es ihnen nicht so beschwerlich falle, sich meiner Leitung zu überlassen, sich ihrer Erfindungen zu entäussern, und aus dem Land von menschlicher Gewerbsamkeit herauszugehen, uni dem Weg der Gelassenheit zu folgen, der sicher zu mir hinführen wird.
15) Gott sprach wiederum zu Mose: Dies sollst du den Söhnen Israels sagen: Der Herr, der Gott eurer Vater, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name in Ewigkeit, und so soll man mich nennen von Geschlecht zu Geschlecht.
Du sollst ihnen sagen, dass der Gott, welcher ihre Väter geführt hatte, die immer auf dem Wege der Gelassenheit gewandelt, dich gesandt, um ihr sichtbarer Führer zu sein, ja dass ich es sei, der alles tun werde, weil ich bin, der ich bin, und ohne den nichts besteht. Ewig wird mir dieser Name bleiben, und mich inskünftig allen Geschlechtern zu erkennen geben. Es ist gerade, als wenn Gott sagte: Derjenige, der allein ist, und alles Wesen ist, bedarf keines Namens, um Ihn von andern Namen zu unterscheiden, da kein Wesen ausser Ihm ist. Sein Wesen ist sein Name, und sein Name ist sein Wesen, und gleichwie sein Wesen alles in sich fasst, so drückt auch sein Name alles aus. Die Geschöpfe, die eigentlich in ihrem Grunde blosse Nichts sind, bedeckt mit ein wenig abhängigem Wesen, welches Gott ihnen leiht, bedürfen der Namen, um sie zu unterscheiden. Allein derjenige, der in sich alle Dinge verschlingt, hat keines andern Namens nötig, als der des Wesens. Denn alles, was auf gewisse Weise besteht, ist Er entweder selbst, oder es hält sich zufolge der wesentlichen Wurzel seines Ursprungs fest an Ihn, ausser welchem es nichts ist. Dieser unaussprechliche Name dient mithin Gott, um Ihn seinem Volke bekannt zu machen. Er dient ihm gleichzeitig dazu, dieses Volk, d.h. seine lieben Kinder (die es wohl verstehen, Gott alles, sich aber nichts zuzuschreiben), von denjenigen zu unterscheiden, welche ganz anders handeln. Wer also immer sich etwas anmasst, beraubt Gott seines Namens. Daher versichert Gott Mose, dass dies Volk seiner Stimme auf diesen einzigen Namen hin gehorsam sein werde.
18) Du sollst samt den Ältesten Israels zum König von Ägypten gehen, und zu ihm sagen: Der Herr der Hebräer hat uns gerufen, wir wollen drei Tagereisen in die Wüste ziehen, um zu opfern dem Herrn, unserm Gott.
In die Wüste zu wandern begehren sie, auf dass sie da ihrem Gott opfern. Denn bevor man zum reinen, lautern Opfer gelangt, muss man durch die Wüstenei des nackten Glaubens gehen. Lang ist der Weg durch die Wüste, und doch verlangt man gleich anfangs desselben diese Opfereinrichtung, allein nur nach sehr langer Zeit gelangt man dazu, und wenige sind's, die bis dahin kommen.
19) Aber ich weiss, dass der König von Ägypten euch nicht ziehen lassen wird, ausser durch starke Hand.
20) Und ich werde meine Hand ausstrecken, und Ägypten schlagen mit allerlei starken Wundern, die ich mitten unter ihnen tun werde, dann wird er euch ziehen lassen.
Indes wusste Gott wohl, dass Pharao sein Volk nicht ziehen lassen werde, ausser durch starke Hand, und dennoch schickt Er Gesandte an den Hof Pharaos, es kundzumachen, um uns dadurch zu belehren, wie man zuerst alle gelinden Wege einschlagen, und sich der ausserordentlichen Mittel nur im äussersten Fall bedienen soll, wenn alle menschliche Kraftanwendung unnütz und umsonst geworden ist.
21) Ihr sollt nicht leer ausziehen.
22) Sondern Ägypten berauben.
Gott begnügt sich mit der Rückgabe der Freiheit an solche Seelen nicht, Er bereichert sie noch dazu mit den weggenommenen Schätzen derjenigen, welche diesen lautern Pfad nicht betreten wollen, in Wahrheit bekräftigend, was Er durch seinen Sohn Jesus Christus gesagt hatte, dass dem, der schon hat, gegeben werden soll; jenem aber, der nicht hat, soll auch das, was er hat, genommen werden (Luk. 19,26).
4. Kapitel.
1) Mose antwortete und sprach zu Gott: Sie werden mir nicht glauben, und meine Stimme nicht hören.
2) Gott sagte zu ihm: Was hast du in der Hand? Er antwortete: Einen Stock.
8) Der Herr fügte noch hinzu: Wirf ihn auf die Erde! Mose warf ihn hin, und er ward zur Schlange.
Moses Misstrauen und Widerstreben zeigt uns augenscheinlich, dass man in sehr weit vorgerückten Zuständen gegen Gott treulos und widerspenstig sein könne. Sich mehr auf Zeugnisse stützen als auf Gottes Wort, ist ein grosses Vergehen für beförderte Seelen, welche, wäre Gott nicht so unendlich gütig, auf immer verworfen zu werden verdienten. Abraham, ein Mann von bewundernswürdigem Glauben, geht einzig auf Gottes Wort hin, einen Kindermord zu begehen. Mose hingegen fürchtet sich, nach mehreren Befehlen des Herrn, eine gute Tat zu unternehmen. Selbst Wunder gewähren ihm keine Versicherung, weil obgleich geförderte Menschen infolge von Untreue Wunder begehren können, ihnen der doch schon mächtige Glaube niemals gestattet, sich dabei aufzuhalten.
10) Danach sprach Mose: Ich bitte Herr: Ich bin kein Mann der Rede, weder seit gestern noch seit vorgestern, noch seitdem du zu deinem Knechte redest; denn ich bin schwer von Mund und schwer von Zunge.
Herr! Ich kann nicht reden, meine Stimme ist eine Stimme des Stillschweigens, ja seit du mit mir geredet, habe ich noch mehr Mühe zum Reden. Denn das Eigentümliche des göttlichen Wortes ist dieses, dass es unser Wort in sich verschlingt, so wie es ein Prophet bestätigt. Sobald der Herr in sein Heiligtum kommt, muss alles Fleisch stille sein vor seinem Angesicht (Sach.2,13). Spricht Gott zu einer Seele, so soll in ihr alles schweigen, um Ihn anzuhören. Allein, sofern alles vor dem gegenwärtigen Gott schweigen muss, sobald Er redet, so muss auch alles für Ihn sprechen, wenn Er es gebietet.
11) Der Herr antwortete ihm: Wer hat des Menschen Mund gemacht? Oder wer macht taub und stumm, sehend und blind? Nicht wahr, Ich?
Nicht wahr, Gott bindet die Zunge und löst sie wieder? Je unwissender jemand ist, je weniger Fertigkeit hat er, sich mit eigener Kraftanstrengung deutlich auszudrücken, und desto geschickter ist er in Gottes Hand, der nach Belieben mit einem solchen schalten kann. Deswegen versichert Gott Mose, nachdem Er ihm zu erkennen gegeben, dass es nicht von der Naturgabe abhänge, mit Leichtigkeit über geistliche Dinge zu sprechen, sondern von Gottes Macht, dass Er selbst durch ihn reden wolle.
12) Gehe nun hin, ich will in deinem Munde sein, und will dich lehren, was du sagen sollst.
Jede von Gott gesandte apostolische Seele geniesst dieses Vorrecht, dass Gott durch ihren Mund spricht, und sie das lehrt, was sie sagen soll; denn da sie sich Ihm in jeder Hinsicht übergeben hat, verlässt Er sie niemals in der Not. Paulus spricht hier für alle sehr fasslich mit folgenden Worten: Wollt ihr die Wahrheit Jesu Christi erfahren, der durch meinen Mund redet (2.Kor.13,3).
13) Mose sprach: Herr, ich bitte dich, sende denjenigen, den du senden sollst.
Mose begehrte dies aus Achtung vor dem Messias, den er als den wahrhaften Erlöser nicht nur von diesem Volke, sondern von der ganzen Welt ansah. Allein auch die gerechtesten und heiligsten Begierden muss eine gelassene und vernichtigte Seele aus sich verbannen, da sie nichts wollen darf als Gottes Willen, der die Dinge zu rechter Zeit ausführt. So offenbart sich das Kennzeichen der Vernichtigung Mose an seinem Unvermögen, etwas zu wollen oder zu verlangen. Und wer immer aus diesem gänzlichen Tode aller Begierden herausgehen würde, der missfiele Gott sehr.
14) Der Herr ward zornig über Mose und sprach zu ihm: Ich weiss, dass Aaron, dein Bruder, vom Stamme Levi, beredsam ist. Siehe, er wird dir entgegenkommen, und sich von Herzen freuen, wenn er dich sehen wird.
15) Rede mit ihm, und lege meine Worte in seinen Mund; und ich will in deinem Munde sein und seinem Munde, und will euch sagen, was ihr tun sollt.
16) Er soll für dich zum Volke reden, und soll dein Mund sein. Du aber sollst ihn leiten in dem, was Gott angeht.
Gott erzürnte sich über alle Fragen und Reden des Mose nicht, wiewohl sie ungerecht zu sein schienen. Aber über dieses Begehren erzürnte Er sich, denn jene Fragen tat er mit Einfalt und auf ganz besondere Weise an Gott; hingegen konnte Mose nichts verlangen, ohne aus seinem Zustande herauszutreten. Deswegen hört Gott hier auf, ferner selbst seine Sprache zu sein, und infolge dieser Untreue gibt Er ihm einen menschlichen Mund. 0, wie äusserst wichtig ist es, niemals aus irgendeinem Vorwand von guten Begierden aus der blinden Überlassung in Gottes Macht herauszugehen: Der Anblick der Untreue des Hirten hält aber Gott nicht ab, den Schafen zu ihrem Wohl alles Nötige zukommen zu lassen.
Ungeachtet des begangenen Fehlers von Mose versichert ihm Gott doch, dass er im Munde seines Bruders und in dem seinigen sein wolle, ja dass Mose selbst der Hirt seines Bruders sein werde.
Aaron sei gesetzt zwischen Mose und dem Volke, Mose aber zwischen Gott und Aaron.
22) Siehe: was der Herr spricht: Israel ist mein erstgeborener Sohn.
Israel wird der erstgeborene Sohn Gottes genannt, um uns zu lehren, dass die inneren Seelen vorzugsweise Erben des Himmels sein sollen, wovon die andern deswegen nicht ausgeschlossen sind, weil ja mehrere Wege zum himmlischen Vaterland hinführen. Allein der innere Weg ist verherrlichender für Gott und vorteilhafter für die Seelen.
25) Zippora sprach zu Mose: Du bist ein Blutbräutigam.
26) Und sie liess ab von ihm, nachdem sie gesagt hatte: Du bist mir ein Blutbräutigam um der Beschneidung willen.
Zippora, wohl wissend, dass die von Gott bewirkten Vereinigungen unter den Seelen nur Kreuz zum Endzweck haben, nennt Mose einen Blutbräutigam. Sie erkannte, dass sie sich mit einem so heiligen Mann nicht vereinigen könne, ohne Teil an seinen Leiden zu nehmen. Daher entfernte sie sich wegen der Beschneidung, dem ersten aller Kreuze, von ihm, das doch nur der Anfang der andern Kreuze war, was ihr schon infolge der Losreissung und Abtötung Furcht beibrachte. Wenige Seelen gibt es, die einander treue Gefährten auf dem Blut- und Kreuzgang bleiben.
31) Das Volk glaubte. Und da sie hörten, dass der Herr die Söhne Israels heimgesucht und ihr Elend angesehen, da bückten sie sich und beteten an.
Niemand glaubt so leichtweg wie das innere Volk, da sein ganzer Weg ja nur auf dem Glauben beruht. Eben aus diesem Grunde machten Mose und Aaron ohne Mühe den Israeliten die Ratschlüsse Gottes bekannt, und führten sie hin auf gemeldetem Pfad. So geht es aber nicht mit Leuten, die nach dem Licht der Vernunft und nach Zeugnissen wandeln. Sie geben sich nicht alsogleich gefangen, sondern weichen nur der Gewalt.
5. Kapitel.
2) Pharao antwortete Mose und Aaron: Wer ist der Herr, dass ich seine Stimme hören soll, und Israel ziehen lasse? Ich kenne den Herrn nicht und lasse Israel nicht ziehen.
Pharao hatte wohl recht zu sagen, dass er den Herrn nicht kenne. Nicht die Stolzen kennen Ihn, sondern die Demütigen, die Ihm in Herzenseinfalt dienen. Die Art zu reden: Wer ist der Herr, ich kenne ihn nicht? zeigt Übermut an, der tausend Höllen verdient. Aberwitzige, weltkluge und sittenlose Leute sprechen jetzt noch auf solche Weise, wenn man sie über Dinge warnt, die ihre Seligkeit betreffen. 0 sie wollen durchaus Gott nicht gehorchen, der durch den Mund seiner Diener zu ihnen redet, weil sie Ihn nicht kennen.
8) Und das Mass der Ziegel, die sie sonst machten, sollt ihr ihnen auflegen, und nichts daran mindern. Denn sie sind massig, und darum schreien sie: Wir wollen ziehen und unserm Gott opfern.
Diese Klage gegen innere Seelen, sie seien müssig, ist gar nicht neu. Lehrer von geringer Erfahrung, und alle Menschen, welche die geheimnisvolle Ruhe nicht kennen, sprechen zueinander, wenn sie eine der Beschauung oder zum stillschweigenden Gebet ergebene Seele sehen (eine Seele, die nichts anderes als sich mit einfachem Herzen Gott aufzuopfern wünscht): Lasst uns solche mit Übungen beladen, auf dass sie dadurch recht müde und matt werde, denn ihr ganzer Gottesdienst ist lauter Müssiggang. Allein, Gott versteht es allzuwohl, solche Seelen, die Er für seine Ruhe auserwählt hat, und um sie in die Heimlichkeit seines Angesichts vor dem Schrecken der Menschen zu verbergen (Ps.30,21), ihren Händen zu entziehen.
9) Man überlade sie mit Arbeit, und lasse sie solche vollbringen, dass sie an lügenhafte Worte sich nicht kehren.
Mit äusseren Werken wollen wir sie überhäufen, die wir ihnen auflegen, auf dass sie sich nicht mehr weder bei falscher Einbildung, noch bei inneren Worten, die ja nur Lügenworte und Trügerei sind, verweilen und aufhalten. 0 verwegene Menschen: Ihr erfrecht euch, gleich Pharao, Diener und Mägde Gottes der Verblendung und der Träumerei zu beschuldigen? Befürchtet ihr denn nicht, dass euch Gott wie Pharao strafen werde?
14) Und die Vorsteher der Söhne Israels wurden von den Treibern Pharaos geschlagen, die da sprachen: Warum vollendet ihr das Mass Ziegeln nicht, weder gestern noch heute, wie ehedem?
Um solche arme Seelen ganz darniederzubeugen, fügt man den Drohungen rohe Behandlung, ja sogar Schläge hinzu. Sie aber setzen bei all diesem Verfahren auf Gott allein ihr Vertrauen. Mit unausführbaren Arbeiten überladet man sie, und wenn sie dieselbe nicht vollenden, klagt man sie des Ungehorsams an. Tröstet euch, innige Freunde Gottes: Je grösser eure Teilnahme am göttlichen Leben sein wird, desto mehr müsst ihr den Widersprüchen der Menschen ausgesetzt werden
15) Die Aufseher kamen und schrien zu Pharao, sprechend: Warum tust du also an deinen Knechten?
16) Man gibt uns kein Stroh, und fordert doch die Ziegel. Siehe, deine Knechte werden mit Schlägen misshandelt, und ungerecht handelt man wider dein Volk.
Die armen mit Arbeit von den Vorstehern überladenen Seelen schreien, dass ihnen diese wenigstens so zahlreiche Übungen unerträglich seien. Sie beklagen sich nebstdem, dass man sie wohl mit Methoden überhäufen, ihnen aber nicht die Fertigkeit geben könne, solche auszuüben, welche Fertigkeit ihnen zweifelsohne von denjenigen selbst weggenommen wurde, der sie ihnen früher verschaffte. Ja man lasse ihnen gar keine Ruhe, und verfahre strenger mit ihnen als mit andern.
17) Pharao erwiderte ihnen: Der Müssiggang richtet euch zugrunde, denn darum sagt ihr: Wir wollen hinziehen und opfern dem Herrn.
18) So gehet hin und arbeitet. Stroh soll euch nicht gegeben werden, doch müsst ihr die gewöhnliche Zahl Ziegeln liefern.
Die Antwort lautet, dass das deswegen geschehe, weil ihr Irreres müssig sei, und sie nur ruhig im Opferungsgeist vor Gott bleiben möchten; also, ohne sie anzuhören fahre man fort, sie mit Bussübungen und Arbeiten vom tätigen Leben, was sie doch nicht mehr aushalten können, zu überladen.
20) Und da sie von Pharao hinausgingen, begegneten sie Mose und Aaron, die gegenüber standen,
21) Und sprachen zu ihnen: Der Herr sehe und richte zwischen uns, dass ihr uns verhasst gemacht habt vor Pharao und seinen Knechten, und ihm das Schwert gegeben, uns zu töten.
Sie gehen hin und suchen auf diejenigen, welche sie vermöge der Gnade anleiteten, auf den Pfad der Opferung sich zu begeben, zu ihnen voller Bestürzung sprechend: Ihr habt euch bemüht, uns auf einen Weg des Todes zu führen. Denn die Menschen, die uns früher mit gewisser Gutmütigkeit führten, verfahren jetzt mit aller Strenge gegen uns, und eure Bekanntschaft ist für uns wie ein Todesschwert gewesen.
Diese geistlichen Väter wenden sich mit inständigen Bitten für das betrübte Volk zu Gott, und beeilen sich, es aus den Händen der Tyrannen zu ziehen.
22) Mose ging wieder zum Herrn, und sprach: Herr, warum tust du so übel an deinem Volke? Warum hast du mich gesandt?
23) Denn seit ich zu Pharao gegangen, zu reden in deinem Namen, tut er sehr übel an deinem Volke, und du hast es nicht errettet.
Diese kleine Rede von Mose an Gott ist ein Gebet, entquollen einem zarten Herzen und von einem wahrhaften Hirten, der sich bei Gott selbst beklagt, weil Er das arme Volk nicht so geschwind, als er es vermutete, von der Tyrannei befreit. 0 göttliche Verheissungen, wie weit entfernt ist doch gewöhnlich eure Erfüllung von der Mutmassung der Menschen: Der Augenblick der Vorsehung, der den Schleier vor euch lüftet, zeigt aus dem Verlauf so viele und ganz andere Dinge, als man einer eingebildeten Hoffnung zufolge erwartete. Mit kurzen Worten versprachst du die Befreiung dieses Volkes, und es schien sogar den heiligen Vollziehern dieses grossen Werkes, dass du es ohne Zögern ausführen werdest. Allein, wieviele Wunder, wieviele ausserordentliche Züge der Vorsehung werden zu dieser Befreiung erfordert? Und aus allen durch so grosse Wunder aus Ägyptenland Befreiten, werden nur zwei Seelen in das verheissene Land eintreten: Wer vermag die tiefen Gerichte Gottes zu durchschauen? Ach, wie gut, ach, wie schön ist es, dass sie dem Geschöpf so lange verborgen bleiben, bis sie in den für sie von Gott bestimmten Augenblicken und Stunden aus dem Schoss des Schöpfers hervorgehen:
6. Kapitel.
1) Der Herr sprach zu Mose: Nun wirst du sehen, was ich Pharao tun werde.
Gott antwortet Klose mit unendlicher Güte, die sich nach der Schwachheit des redlich handelnden Geschöpfes richtet. Hat es nicht den Anschein, als wollte sich der Herr vor Mose entschuldigen? Nun wirst du sehen, sagt Er, was ich tun werde. 0 Einfalt, du bist wohl die Gott angenehme Sprache, die nicht so viel Ihm missfällige Dinge und Erfindungen aufsucht!
2) Gott sprach ferner zu Mose: Ich bin der Herr.
3) Und erschien Abraham, Isaak und Jakob als der allmächtige Gott, aber meinen Namen JEHOVA habe ich ihnen nicht geoffenbart.
4) Und ich habe einen Bund mit ihnen geschlossen, dass ich ihnen das Land Kanaan gebe, das Land ihrer Wanderschaft, in welchem sie Fremdlinge waren.
Ich bin wohl Abraham im nackten Glauben, Isaak im reinen Opfer und Jakob in vollkommener Gelassenheit als der allmächtige Gott erschienen, und habe ihnen meine Allmacht auf all den Wegen, auf welchen ich sie geführt habe, kundgemacht. Allein, den grössten meiner Namen offenbarte ich ihnen noch nicht, das ist der Name Jehova, welcher der höchste, allgewaltige, unumschränkte Gott bedeutet, und gleichzeitig bemerkt, dass Ich der bin, der ich bin. - Denn da ich dich als Gesetzgeber nicht nur für das gewöhnliche Volk Israels, sondern noch weit mehr für mein inneres Volk erwählt habe, so war es notwendig, dass du von meinem Allessein und vom Nichtsein des Geschöpf es ausgedehntere Kenntnis habest, auf dass du sowohl durch deine Erfahrung als durch meine Einsprechung die zur Vernichtigung bestimmten Seelen unterweisen könnest. Diese tiefe Erkenntnis, lieber Mose, war für dich aufbewahrt, als für einen grossen Fürsten des inneren Volkes und meiner geliebten Vernichtigten; aufbewahrt war sie für dich als dem wahrnehmbarsten und vollkommensten Ebenbilde Jesu Christi, meines einzigen Sohnes, des Oberhaupts und Erstgebornen aller derjenigen, welche durch ihre mystische Vernichtigung meinen furchtbaren Namen Jehova hoch ehren, und die infolge des Geständnisses und der Anerkennung ihres Nichts auf vollkommene Weise die Unumschränktheit meines Wesens anbeten. Daher wirst du auch weit grössere Wirkungen meiner Macht sehen, als deine Väter jemals gesehen haben. Denn durch dich will ich mit unerhörten Wundern dasjenige, was ich denselben nur verheissen habe, in Erfüllung bringen.
6) Sage den Söhnen Israels: Ich bin der Herr, und will euch herausführen aus dem Kerker der Ägypter, und euch befreien aus der Dienstbarkeit, und retten mit geschwungenen Armen und grossen Gerichten.
Nichts rührt Gottes Herz so sehr, als seine geliebten, Ihm ergebenen Seelen, unter dem Joch der Dienstbarkeit schmachtend und gefangen zu sehen. Daher spricht Er, dass Er sie mit seinen ausgestreckten Armen befreien wolle. Der Ausdruck, sein Arm, bedeutet, dass Er ihn mit aussergewöhnlicher Kraft anwenden werde.
7) Ich will euch annehmen zu meinem Volke, und will euer Gott sein, und ihr sollt wissen, dass ich der Herr, euer Gott, bin.
Der Herr gibt die Versicherung, dass Er gerade diese Ihm ganz ergebenen Seelen zu einem Ihm besonders gewidmeten Volke annehme, und Er auf eine ausgezeichnete Weise ihr Gott sein wolle. Er bezeugt ihnen ferner, dass sie aus Erfahrung erkennen werden, dass Er der Herr, ihr Gott, sei. Denn da kein Volk zu finden ist, das sich Gott ohne Ausnahme, ohne Vorbehalt hingibt und überlässt, wie dieses, so ergibt sich ebenfalls Gott diesen seinen Freunden auf solche Weise, wie Er es keinem andern Volke tut. Denn Gott lässt sich mit einer solchen liebevollen Hingabe bald besiegen, übergibt sich einem jeden schon in diesem Leben auf ausgezeichnete Weise, der sich Ihm vollkommen überlässt.
9) Mose erzählte alles dieses den Söhnen Israels, aber sie hörten ihn nicht vor Angst des Herzens, und vor überaus harter Arbeit.
Viele gehorchen Gott auf einem Weg, der voll Süssigkeit und von Wundern geschmückt ist. Andere hingegen haben Mühe, Gott ergeben zu sein, wenn nichts als Kreuz und Arbeit darauf zum Vorschein kommt. Diese Untreue begehen oft die Anfänger.
12) Mose antwortete vor dem Herrn: Siehe! die Söhne Israels hören mich nicht, wie wird mich Pharao hören?
Moses Entschuldigung scheint gerecht zu sein, wenn er spricht: Wenn die Kinder in Gegenwart ihres Vaters des Kreuzes wegen ungehorsam sind, um wieviel mehr werden es gottlose und feindselige Menschen sein, wenn man gegen ihren Eigennutz etwas befiehlt?
7. Kapitel.
1) Der Herr sprach zu Mose: Siehe, ich habe dich zum Gott über Pharao gesetzt, und Aaron, dein Bruder, soll dein Prophet sein.
Die vernichtigten Seelen sind wie Götter der Fürsten selbst, weil nach Verschwindung alles Kreatürlichen in ihnen, notwendigerweise nur noch Gott in ihnen bestehen muss. Die Dolmetscher solcher dergestalt vernichtigten Menschen sind ihre Propheten, die nichts als Gottes Worte reden, zum Wohl anderer solche Reden vortragen, welche die infolge gänzlicher Selbstvernichtigung zu Gott gewordenen Seelen aussprechen.
12) Als die Zauberer ein jeglicher seinen Stab hinwarf, wurden sie gleichfalls zu Schlangen. Aber der Stab Aarons verschlang ihre Stäbe.
Gewisse Menschen von bösen und irrigen Grundsätzen wollen die geistigen, inneren Seelen nachahmen, und tun was sie tun. Allein Gottes Geist verschlingt alles, er unterscheidet das Wahre vom Falschen, und die Wahrheit verschlingt alsbald die Lüge.
8. Kapitel.
1) Aaron streckte seine Hand aus, in welcher er den Stab hielt; und er schlug den Staub der Erde, und es wurden Mücken an Menschen und Vieh in ganz Ägypten.
18) Als die Zauberer dies nicht tun konnten,
19) Sprachen sie zu Pharao: Das ist der Finger Gottes, der hier handelt. Aber Pharaos Herz blieb hart.
Alle Wunder, die Gott zugunsten der inneren Seelen tut, dienenzu nichts anderem, als das Herz ihrer Feinde zu verhärten. Zuweilen wird selbst den Boshaftesten das Geständnis abgenötigt, dass es Gottes Finger sei, der solche Wunder wirke, während das Herz anderer in Verstockung bleibt.
23) Ich will einen Unterschied setzen zwischen meinem Volke und deinem Volke.
Gott trennt sein Volk von denjenigen, die Ihm nicht angehören wollen, und zur Zeit, in welcher diejenigen, welche es verfolgen, schmerzhafte Stiche ihrer Eitelkeit und Bosheit leiden, verbleiben seligen Seelen vergnügt in der Wohnung des Friedens.
10. Kapitel.
22) Mose streckte seine Hand aus gen Himmel, und es ward eine greuliche Finsternis drei Tage lang in ganz Ägypten.
23) Wo aber die Kinder Israel wohnten, war Licht.
Umgeändert wird der Tag der Bösen in schauervolle Finsternis, wenn Gott die Macht seines Gerichts offenbart, um sie in seine Wahrheit zu versetzen, die ihnen vermöge einer gerechten Erfahrung zu verstehen gibt, dass all ihre vermeinte Erleuchtung nur Finsternis sei (Matth.6,23), und je aufgeklärter sie vor sich selbst und vor den Menschen erschienen, desto unwissender sie vor Gott waren (1.Kor. 3,19). Allein die Gerechten, die sich mit Gott durch den Glauben allein vereinigten, sind immer in einem wahrhaften Lichte, welches statt abzunehmen oder sich zu verdunkeln, bis zum vollen Tag heranwächst (Ps.1,6). Er getraut sich, die tiefen Wahrheiten auszudrücken, welche Gott den Glaubensseelen entdeckt; und wie sehr sie auf göttliche Weise erleuchtet sind, selbst zur Zeit, da sie wähnen, alle Erleuchtung verloren zu haben? Nur die, welche davon einiges erfahren, mögen richtig darüber urteilen. Was aus Gott geschöpft wird, ist immerhin Wahrheit, was man aber zufolge des Sinnes oder des Vernünftelns vom Geschöpf hernimmt, ist sehr oft irrig, da der Mensch an und für sich selbst nichts als Eitelkeit und Lüge ist (Ps.38,6 & 61,10). Das untrüglichste Mittel also, in die Wahrheit einzutreten und darin zu verbleiben, in ihr zu wachsen, zu sterben und ewig zu verharren, ist das einzige Vertrauen auf Gott in allen Dingen, und sie für das halten, wofür sie Gott ansieht.
11. Kapitel.
1) Alle Erstgeborenen im Lande der Ägypter sollen sterben.
Die Erstgeborenen Ägyptens sind das Bild der Sünder, die gewöhnlich nur Sünde zur Welt bringen, und die Erstgeborenen der Kinder Gottes sind die inneren Seelen. Die Sünder wollen das Innere zerstören, und Gott demütigt aus Achtung zum Innern die Sünder und tötet die Sünde.
Die Engel, Diener des rächenden Gottes, bewirken durch seine Macht den Tod der Erstgeborenen der Welt, welche die Menschen so hoch achten, und auf sie eitel vertrauen. Allein seine so vielgeliebten, inneren Freunde befinden sich unter seinem Schutze in Sicherheit; und wieviel Er absichtlich zulässt, dass sie von sinnlichen Menschen übel behandelt werden (auf dass ihre Liebe geläutert, ihre Kronen aber vermehrt werden), so schlägt Er sie doch nicht in seinem Grimme, sondern sucht sie nur heim in seiner Barmherzigkeit. Denn diese Kinder Gottes sind es, die weit mehr unter dem Schatten der Flügel des Herrn erwarten, als die Kinder der Menschen.
12. Kapitel.
3) Ein jeglicher nehme ein Lamm für seine Familie und sein Gesinde.
5) Das Lamm soll ohne Fehler sein.
Innere Menschen können nur durch Gottes Zeichen unterschieden werden, und das Zeichen Gottes ist das Blut des Lammes, mit dem sie bezeichnet sind. Denn da sie kein eigenes Verdienst mehr haben, besitzen sie alles in Jesu Christo, und in seinem Blute und durch sein Blut werden sie bewahrt und erhalten. Deswegen hoffen sie wider alle Hoffnung selbst (Röm.4,18), weil das Verzweifeln an ihnen selbst zur Folge hat, dass sie auf glückliche Weise in vollkommenes Vertrauen auf Gott sich vertiefen.
Das Lamm ist ohne Makel, weil in Jesu Christo nie keine Sünde war, und es seine Gerechtigkeit ist, die unsere Ungerechtigkeit bedeckt.
7) Sie sollen von seinem Blute nehmen, und es an die bei den Pfosten und an die Türschwellen ihrer Hauser streichen, in welchen sie essen.
8) Und sollen das Fleisch essen in derselben Nacht, gebraten am Feuer, und ungesäuert Brot mit wildem Lattich.
Es genügt nicht, dass wir mit dem Blute des Lammes abgewaschen und bezeichnet sind, sein Volk muss auch sein Fleisch essen. Denn durch dasselbe wird es wachsen und fruchtbringend werden, durch dies Fleisch wird es gestärkt, um die lange und furchtbare Wüste des nackten Glaubens zu durchwandern, welche, obgleich voll Freiheit und von tausend himmlischen Süssigkeiten begleitet, die die Seele auf dieser harten Pilgerfahrt unterstützen, doch viel schwieriger zu ertragen ist, als die erste Gefangenschaft. Denn die Eigenliebe will lieber mit Arbeit überladen werden und Ziegel machen (Arbeit von geringem Wert), als frei sein und angestellt werden den Himmel zu erobern (d.h. das versprochene Land und Gott selbst), und des Vergnügens entbehren, das eigene Werk zu sehen.
Der bittere, wilde Lattich deutet die Abtötung an, in der eine Glaubensseele sehr geübt sein muss. Denn sie tritt nicht eher in die Wüste des nackten Glaubens ein, als bis sie durch alle möglichen Abtötungen nach ihren Kräften und ihrer Berufung gegangen ist. Das ungesäuerte Brot, ohne vorhergegangene lange Zubereitung gewirkt, bezeichnet die für den einfachen Zustand angemessene Nahrung, die ohne irgendeine Vorbereitung, aber auch frei von allem Verderben der Eigenliebe ist, weil die Kreatur nur einen sehr kleinen Anteil daran hat.
Ausserdem war das Fleisch am Feuer gekocht und gebraten, was die Vollendung der göttlichen Liebe in Jesu Christo, die lauter Feuer ist, vorstellt. Diese Liebe ist das Feuer der reinen Liebe, wovon wir beim Genuss dieses makellosen Lammes ganz entzündet werden sollen.
9) Seinen Kopf mit den Füssen samt dem Eingeweide sollt ihr essen.
10) Und soll nichts davon übrigbleiben bis zum Morgen. Was aber übrigbleibt, sollt ihr mit Feuer verbrennen.
Gleichwie der Genuss des jüdischen Opferlammes das Vorbild des Opfers Jesu war (denn welcher Christ sieht nicht in diesem zu essenden, gebratenen Lamme den Schatten von Jesus Christus, welcher sich zur Zeit seines Leidens in seinem Sakrament als Speise darreicht), so war er ebenfalls die wahrnehmbare Vergegenwärtigung des reinen Opfers, wodurch die Seele in der Glaubenswüste in Gott vollendet werden soll.
Dieses Opfer fordert aber, dass man durchaus nichts zurückbehalte. Es soll ganz und daher ein Brandopfer sein, das nicht das geringste Ding mehr bestehen lässt. Es folgt notwendig, dass alles aufgezehrt und verschlungen werde, ja nicht nur das Fleisch und alles Äussere hinsichtlich des Geschöpfs; nicht nur die seelischen Vermögen, durch den Kopf vorgestellt und die Zuneigungen durch die Füsse bezeichnet; sondern auch was das Irrigste im Seelengrunde ist, ihr Mittelpunkt selbst und die oberste Geistesspitze; alles, ja alles soll vernichtet werden auf solche Weise, dass kein Ding weder innerlich noch äusserlich mehr übrigbleibt; und dies Allerinnerste wird durch die Eingeweide angedeutet.
Aber wenn das so notwendige und so sehr anempfohlene Opfer von jedermann als das vollkommenste anerkannt wird, ach wie sehr wird in der Ausübung dagegen gestritten: 0 wie schwer ist es: Ach wieviel kostet es die Seele, bevor sie sich dazu verstehen, sich dazu hingeben kann? Und übrigens, wo ist eine solche anzutreffen, die sich nichts vorbehält? Indes können alle diese halben Opfer nicht als Brandopfer geachtet werden, welches Brandopfer sich Gott im besonderen vorbehält, auf dass es ganz vorzüglich seiner Verherrlichung gewidmet werde; und in dieser Hinsicht heisst es reines, lauteres Opfer. Es ist wahrhaft recht beweinenswürdig, dass so viele ausgezeichnete Seelen, die so viele Dinge schlachteten und ganz hinopferten, doch beinahe alle Eingeweide, wenigstens zum Teil, für sich selbst zurückbehalten. 0 wenn sie wüssten, welche Ehre Gott aus diesem reinen Opfer entnimmt, und welcher Vorteil ihnen selbst daraus zufliesst, wie grossmütig, ja ganz schrankenlos würde ihre Gelassenheit sein? Aber sie wollen das nicht verstehen, wiewohl Gott selbst ihr Herz dazu aufmuntert, und die Gelehrtesten in diesen Geheimnissen ihnen darüber in gewisser Beziehung Aufschluss geben, weil man als Verlust ansieht, was Gewinn ist, und als Gewinn, was Verlust ist. Wegen Gott selbst alles verlieren, heisst alles gewinnen, ja Gott selbst hinsichtlich unserer verlieren, inwiefern Er uns angehören kann; auf dass Er in uns eine unumschränkte Verherrlichung nehmen möge, und wir auf keine Weise etwas von unserem Eigenen dazumischen. 0 dies ist die höchste Seligkeit, und das erhabenste Zeugnis der reinen Liebe:
Dies ist der Zustand und die Gemütsstimmung vom reinen Opfer. Alle anderen Opfer sind nur Opfer, an denen der Mensch einigen Anteil für sich haben will; sie alle suchen in etwas einen eigenen Vorteil, und die Geschöpfe möchten ihre Rechnung dabei finden. Aber das reine, lautere Opfer ist allein Gottes Opfer, allein für Gott vorbehalten. Das göttliche Opfer ist es, das Opfer Jesu Christi, wahres Muster aller andern, in welchem Er eine allseitige Vernichtung fordert. 0 vollkommenstes Schlachtopfer, in deiner gänzlichen Darbringung sind alle reinen Opfer inbegriffen: Und wie das deinige das Urbild von allen diesen ist, so ist es auch ihre Kraft, ihr Geist und ihre vollendete Vollkommenheit.11) Ihr sollt es aber also essen: Eure Lenden sollt ihr umgürten, und Schuhe an euren Füssen haben, und Stäbe in euren Händen halten, und eilig es essen, denn es ist Ostern, d.h. der Vorübergang des Herrn.
Die umgürteten Lenden bezeichnen die Lauterkeit des Gehorsams gegen den Willen Gottes, welcher der Gürtel ist, der uns auf glückliche Weise bindet. Ohne solchen Gehorsam ist alle Reinheit nichts als Unlauterkeit, und die äussere Reinheit des Fleisches ist nur das Sinnbild der inneren Reinheit, nämlich die des Geistes. Die innere Reinheit aber besteht in Übereinstimmung mit Gottes Wille, und je ausgezeichneter diese Gleichförmigkeit ist, desto reiner ist der Geist. Der Wille des Geschöpfs wird zuerst mit dem Willen seines Schöpfers gleichförmig gemacht, nachher wird der Wille einförmig, auch wird er in eben diesen göttlichen Willen umgestaltet. Und dann geschieht es, dass aller eigene Wille so tot, vernichtet und in Gottes Wille übergegangen ist, dass er seinen Namen ändert, und inskünftig nicht anders mehr als Gotteswille genannt wird.
Die Schuhe an den Füssen werden hier als Zeichen der Pilgerschaft, und keineswegs als Zuneigungen genommen. Denn wenn Mose seine Schuhe ausziehen musste, um sich dem brennenden Dornbusch zu nahen, wie weit notwendiger war es, sich von seinen sinnlichen Neigungen zu reinigen, um das Lamm zu essen? Hier aber stellen sowohl die Schuhe an den Füssen, als auch der Stab die Pilgerschaft vor. Das Lamm isst man in Eile zum Zeichen des bevorstehenden Vorübergangs. Nun ist es aber ausser Zweifel, dass die Vollendung des reinen Opfers, welches in der Vernichtigung besteht, die nächste Bereitung zum Übergange der Seele in Gott sei, und dass die Seele vom Augenblick an, wo sie die nach Gottes Absichten entsprechende Vernichtigung erreicht hat, in Ihn hinübergeht, und Er selbst die Fülle dieser unermesslichen Leere wird.
Jede andere Leere, wie diejenige der Seelenkräfte, wird mit Gnaden angefüllt, welche mit der Fähigkeit der Seele und dem Umfang ihres Leerseins gleichförmig sind. Die Vernichtigung aber kann nur mit Gott allein angefüllt werden.
Wunderbar ist die Ordnung bei dem verschiedenen Leersein und seiner Ausfüllung.
Zuerst leert Gott die Seele von jeder Sünde aus, und nach dem Mass, wie Er sie von jeder Sünde entleert, füllt Er sie mit Gaben und Gnaden an.
Nachher entleert Er die Seele selbst von seinen Gaben und Gnaden, wenigstens auf wahrnehmbare Weise (denn sie besitzt dieselben nur noch unbemerkbar, gleichsam als hätte sie dieselbe nicht mehr auf so wirkliche Art), um sie mit seiner Gottheit zu bereichern. Diese Gnadenleere dient dazu, von der Seele eine gewisse eingeschränkte Eigenschaft und eine natürliche Verschrobenheit wegzuheben, als welche sie untüchtig machte für ihre Erweiterung und Vergrösserung. Denn man muss wissen, dass alle, auch die seltesten Gnaden Gottes, immer der Fähigkeit des Geschöpfes angemessen sind, und von ihm auf seine Weise unter einer harten und verschrobenen, der Durchgreifung des göttlichen Lebens entgegengesetzten Eigenschaft, aufgenommen werden.
Die Sünde wohnte in so beschränkten und verschrobenen Menschen; wenn Gott aber zu ihm infolge seiner Gnade kommt, so jagt Er die Sünde auf eine ebenso sanfte als ruhige Weise hinaus. Nachher, nach Massgabe der Ausleerung des Gefässes von eigner böser Flüssigkeit, füllt es Gott mit der Salbung seiner Gnade an, worauf grosse Freude, selbst während den strengsten Bussübungen folgt. Allein, wenn die Seele von ihrem innersten Rost soll gereinigt, und ihr die in ihrem Grunde infolge der ansteckenden Sünde übrig gebliebenen Fette sollen weggenommen werden, so mag der Rost und die Fette sich wohl mit der Gnade vertragen, aber mit Gott sind sie unvereinbar. Deswegen ist es allerdings notwendig, dass eine solche Seele ins Feuer, aber in ein sehr feines und alles verzehrendes Feuer geworfen werde, durch das sie äusserst schmerzhafte Wirkungen fühlen muss. Das Feuer brennt heftig, und es scheint die Seele eher zu verunreinigen als zu reinigen, wodurch man leicht getäuscht werden kann, indem die Schönheit dieses Werkes nur bei seiner Vollendung sichtbar wird, gleichwie man dasjenige nicht erkennen kann, was der Künstler aus dem Metall, das noch vom Feuer im Ofen ganz durchdrungen und von Unreinigkeit und Erde bedeckt ist, verfertigen will. Somit muss das Feuer auf diese Weise allen und jeden Rost entweder in dieser oder in der andern Welt aus der Seele wegbrennen, auf dass nichts Unlauteres mehr darin zurückbleibe.
Gott entnimmt ihr alles, womit sie angefüllt ist, zufolge dieses Feuers, wie vortrefflich es auch immer sein mag. Daher kommt es, dass sie nichts mehr als Schmerzen ohne Erleichterung findet, je nachdem das Feuer den Rost in der Seele wegbrennt und verzehrt, und er nimmt ihr auch eine finstere, begrenzte Eigenschaft weg, welche die Eigenheit ist, die solche Seele in Eis verwandelt und festmacht, und sie verhindert, sich in Gott zu ergiessen. Und gerade dies ist die Ursache ihrer so grossen Schmerzen, da sie am empfindlichsten und lebendigsten Teil ihrer Selbheit, nämlich in ihrem eigenheitsvollen Grunde angegriffen wird. Je zarter und feiner die Eigenheit wird, desto schwerer hält es, sie auszureuten. Sobald sie aber ganz aufgelöst und verschlungen ist, so fällt die von der Selbstbeschränkung und von sich ganz befreite Seele der Vernichtung anheim.
Darauf wird sie so beugsam und geschmeidig, dass sie, statt der harten und gezwungenen
Eigenschaft, hervorgebracht durch die Eigenheit (eigentlich die Eigenheit selbst), eine leichte und zur unendlichen Ausdehnung fähige Stimmung (Disposition) angenommen hat. Eine solche Seele ist alsdann zu ihrer ursprünglichen Reinigkeit zurückgekehrt. Denn Gott schuf sie anfänglich so beugsam und geschmeidig, dass sie fähig wurde, durch Gott und in Gott selbst ausgedehnt und erweitert werden zu können. Als aber die Sünde sie in die Eigenheit stürzte, wurde sie zu gleicher Zeit hart und widerstehend und untüchtig gemacht für ihre Erweiterung, bis Gott als ihr Wiederhersteller bewirkte, dass sie die ihr ursprünglich anerschaffene Reinigkeit zurückerhielt.
Ist die treue Seele zur gänzlichen Verlierung aller Eigenheit und Beschränktheit gekommen, so wird sie dann der Vereinigung, oder vielmehr der innigsten Einheit und der Versenkung in Gott befähigt. Da aber Gott allezeit bis ins Unendliche sich mitteilen kann, so kann Er gleichfalls täglich die Seele immer mehr erweitern, und sich ihr immer mehr hingeben.
Es verhält sich allerdings so, dass, sobald alle und jede Eigenheit von der Seele entfernt und sie eben dadurch vernichtigt ist, sie augenblicklich mit Gott angefüllt wird. Denn Gott lässt keinen leeren Raum in ihr übrig; und gleichwie Er das Leere der Seelenkräfte mit seinen Gaben anfüllt, so füllt Er auch die wesentliche, wahrhafte Leere mit sich selbst an. Eine teilweise Ausleerung mag wohl durch irgendeine erschaffene Gabe angefüllt werden, keineswegs aber eine vollkommene Leere, die einzig mit dem unerschaffenen All kann angefüllt werden.
Da eine solche Befähigung täglich vermöge der Wirkung Gottes selbst zunimmt, der sie anfüllt, so wie Er sie erweitert; und sie erweitert, so wie Er sie anfüllt, so findet kein leerer Augenblick in einer so beschaffenen Seele statt. Gleichfalls ist es wahr, dass sie in ihrer Vernichtigung, d.h. in ihrem Leersein, allezeit vorwärtsschreiten kann, und somit an Fülle wachsen. Das geschieht aber nicht ihrerseits, denn dazu vermag sie gar nichts beizutragen, wohl aber von seiten Gottes, der unablässig in ihr wirkt.
So war die heiligste Jungfrau vom Augenblick ihrer Empfängnis an beschaffen. Sie war frei von aller Eigenheit, und empfing mit einer geschmeidigen und ausgedehnten Seele, die fähig war, es immer noch mehr zu werden. Von derselben Zeit an war sie voll von Gott. Dennoch wuchs sie an solcher Fülle nur nach dem Mass, als sie in ausgedehnter Leere zunahm, so dass, als der Engel sie voll nannte (Luk.1,28), sie zugleich voll und auf eine unendliche Weise zugleich leer war, und dieses Leersein, in seiner weitesten Ausdehnung, zu welcher kein blosses Geschöpf jemals gelangen kann, wurde die un-mittelbare Gemüts Stimmung zur Fleischwerdung des Worts in ihr. Daher sagt sie sehr wohl, dass Gott die Niedrigkeit seiner Magd angesehen (Luk.1,48), d.h. dass Gott nach der Anschauung der tiefsten Tiefe des Nichts von Maria, welches auf unendliche Weise das Leersein der allerheiligsten Geschöpfe weit überstieg, dieser unermesslichen Leere zufolge gleichsam gezwungen wurde, sich in sie herabzustürzen, um sich selbst anzufüllen; und wie keine göttliche Fülle im Geschöpf dieser gleich kommen soll, so gab es auch niemals eine so ausgedehnte und tief begründete Leere, wie diejenige, welche ihr als Gemütsstimmung und als Disposition diente. Will Gott kommen, diesen leeren Raum mit sich selbst anzufüllen, so muss Ihm alles den Platz räumen. Daher sagt die heilige Jungfrau nicht, dass sie wegen irgendeiner Tugend zur Mutter des Gott-Worts erwählt worden, sondern nur deswegen, weil Er ihre grosse Leere angesehen. Alle Seelen also, welche zum apostolischen Zustand, zum Zustand der Ausgeburt des Wortes nach ihrer Vernichtung gelangen sollen, müssen infolge des göttlichen Ratschlusses mehr oder weniger sich in dieser Leere befinden. So ist es erforderlich, dass alle Heiligen in ihrem verherrlichten Stande mehr oder weniger, je nach der Stufe ihrer Erhebung in Gott, sich in der einen und nämlichen Leere befinden.
Clan wird mir den Einwurf machen, dass die heilige Jungfrau die Verluste, die Schwachheiten und dergleichen Proben, durch die Gott andere Seelen zu ihrer Vernichtung führt, nicht bestanden habe. Dies mag einerseits wahr sein, da die Zustände in solchen Seelen dazu bestimmt sind, sie nach dem Masse zu erweitern, als sie den Verlust ihrer eigentümlichen und beengten, in Adam angenommenen Eigenschaft zur Folge haben. Allein die göttliche Maria wurde von Anbeginn ihrer Empfängnis vermöge der erhabensten und ursprünglichen Gnade von jeder Eigenheit durchaus frei erschaffen, obgleich sie noch nicht in den vollkommenen Zustand der Vernichtung versetzt wurde. Denn die Vernichtung konnte noch bis ans Ende ihres Lebens, je nachdem sie reichlicher von Gott erfüllt, oder vielmehr in Gott vertieft werden konnte, wachsen; da die Leere des Geschöpfs um ebenso viel grösser sein muss, als Gottes Fülle überströmender ist. Diejenigen aber, welche in Adam Eigenheiten angenommen, sei es dass sie allein mit der aus Adam ererbten Eigenheit behaftet seien, oder dass sie ihre Eigenheit infolge anderer begangenen Sünden vergrössert haben, so sage ich, dass alle, ohne irgendeine Ausnahme, in den Reinigungsort gehen, und aller Gnaden, Gaben und Tugenden (wie oben gemeldet) verlustig gehen müssen, auf dass sie vermöge ihrer angemessenen gänzlichen Selbstverlierung und vollkommenen Vernichtung in Gott eingehen, und zur ursprünglichen Lauterkeit gelangen mögen.
Diejenigen, welche viel Eigenheit haben, und in denen das Grundverderben tief eingewurzelt ist, wie auch alle, die von Gott zu einer grösseren Ausdehnung und Vernichtung bestimmt sind, leiden furchtbare Schmerzen. Es verhält sich dabei wie mit einer Sache, die umso schwieriger erweitert wird, je stärker der Widerstand ist, oder je grösser ihr Umfang werden soll; gleich dem Golde, das man durch unzählige Schläge in dünne Blätter auseinandertreiben kann.
Diese Zerschmelzung ist anfänglich, da die Seele noch sehr hart ist, von äusserst schmerzreicher Wirkung. Es scheint ihr, man wolle sie zerreissen und ausdehnen, weil es auf diese Weise schneller vonstatten geht.
Es ist allerdings bemerkenswert, dass die Treue in diesem Zustand nicht im Zurückbehalten und Aufbewahren der Gnaden Gottes besteht, sondern darin, dass man sich von ihnen laut göttlichem Willen ohne Widerstreben entblössen lasse. Auf dieser Stufe ist die Treue leidend, infolge derer man sich vollends Gottes Wirkung überlässt. Zurzeit, da man sich mit Tugenden schmückte, und mit himmlischen Gaben bereicherte, wurde eine selbstwirkende Treue erfordert, um danach aus all seinen Kräften zu streben. Allein auf gegebenes Zeichen hin muss man die Entblössung der göttlichen Wirkung ganz unterworfen ertragen.
Freilich kommt es dem Geschöpfe so beschwerlich vor, sich derselben zu unterziehen, dass niemand ist, der sich ihr nicht widersetzt, und sich gegen sie aus allen Kräften verteidigt. Wiewohl man von dieser Wahrheit überzeugt ist, so häuft man doch Fehler auf Fehler in ihrer Ausübung, selbst gegen alle Vorstellung. Indes je mehr die Seele widersteht, desto länger dauern ihre Peinlichkeiten, so zwar, dass mehrere aus Mangel der Treue in diesem Leben nicht zur Vernichtung gelangen. Daher müssen Seelen selbst von ausgezeichneter Heiligkeit das Fegfeuer durchwandeln, um jenseits das Werk zu beendigen, woran sie in diesem Leben nicht allseitig Hand anlegen wollten. Ausser diesen gibt es noch andere, die ihre Tage mit Aufbauen und Niederreissen zubringen, weil sie keine Leere in ihnen leiden können, und sogleich mit eigner Bemühung die Leere anfüllen, was Gottes Sache wäre. Nie erwirbt man sich die Vollkommenheit, weil man allezeit darum besorgt ist, die Vollkommenheit zu erwerben, und nichts verlieren möchte. Selbst Weltweise erkannten, dass die Zeugung einer Sache die Zerstörung einer andern sei. Ebenso kann keine Seele das göttliche Leben in sich aufnehmen, ausser sie habe ihr eigentümliches Leben verloren. Aber beinahe niemand ergibt sich dieser Führung. Diejenigen, die darin Erfahrung haben, werden mich wohl verstehen.
15) Sieben Tage sollt ihr ungesäuertes Brot essen. Am ersten Tag soll kein Sauerteig mehr in euren Häusern sein. Wer etwas Gesäuertes isst vom ersten Tage bis zum siebten Tage, diese Seele soll ausgerottet werden aus Israel.
Obige sieben Tage deuten sieben Jahre, oder eine ziemlich lange Zeit, welche die Seele gewöhnlich mit allmählicher Verlierung aller eigenen Erfindungen zubringt, bevor sie in die Wüste des nackten Glaubens eingeht. Jene, welche in der Zeit der Entblössung ihre eigentümliche Handlungsweise beibehalten, werden gewöhnlich aus Israel ausgerottet, d.h. sie gelangen niemals dahin, dass sie unter das innere, vollkommen gereinigte Volk können gezählt werden.
23) Der Herr wird vorübergehen und schlagen die Ägypter, und wenn er das Blut sieht an der Oberschwelle und an den beiden Pfosten, so wird er vor der Türe des Hauses vorübergehen, und den Verderber nicht in eure Häuser kommen lassen, dass er schade.
wegen den treuen, Gott ergebenen Menschen, welche mit dem Siegel und dem Blute Jesu bezeichnet sind, hat man nichts zu befürchten. Ihr ganzes Vertrauen setzen sie auf sein Blut, und nach Verlust aller eigenen Güter halten sie sich für sehr glücklich, an ihrer Selbstheit gänzlich verzweifeln zu müssen. Gerade dadurch befinden sie sich in grösserer Sicherheit, als wenn sie alle Dinge besässen, denn sie tragen das Merkmal des Blutes, und dieses Blut macht ihr ganzer Verdienst aus. Dieser Ursache wegen ruft gemäss der Offenbarung (Kap.7,2-3) ein Engel allen denen zu, welchen Gott Befehl gegeben, zu schlagen, dass sie seine Diener nicht berühren sollen, welche dies Siegel an der Stirne haben.
24) Halte diese Vorschrift als eine Satzung für dich und deine Söhne bis in Ewigkeit.
26) Und wenn eure Kinder zu euch sagen: Was ist das für ein Gottesdienst?
27) So sagt ihnen: Es ist das Opfer des Vorübergangs des Herrn, da er vor den Häusern der Söhne Israels vorüberging, und die Ägypter schlug, und unsere Häuser verschonte. Da neigte sich das Volk und betete an.
Du und deine Kinder haltet diese Satzung unverbrüchlich; was mag dies wohl anderes heissen, als dass sie wenig verstanden werde, ausser von gelassenen Seelen, wiewohl diese Satzung die gerechteste von der Welt ist und ewig muss beobachtet werden. Sprechen aber deine Kinder zu dir: „Welche Weise, Gott zu verherrlichen, mag wohl dies sein, da man allen Verdienst, allen eigenen Vorteil verliert, um allein mit denjenigen von Jesus Christus überkleidet zu werden, worauf unsere ganze Hoffnung beruhen soll?“ Darauf antwortest du: „Es ist das reine Opfer des Herrn, das Er sich allein vorbehalten hat, und das Kennzeichen des Übergangs der Seele in Gott als Folge der Verlierung aller Eigenheit.“ Alsdann wird das wahrhaft innere Volk sich neigen, d.h. sich unterwerfen, und das so gerechte Gesetz anbeten, das dem Geschöpfe alles nimmt, um es Gott zu geben.
40) Die Söhne Israels hielten sich vierhundertunddreissig Jahre in Ägypten auf.
41) Als sie herum waren, zog an demselben Tag das ganze Heer des Herrn aus Ägyptenland.
Sobald die Zeit der Gefangenschaft zurückgelegt war, musste man am gleichen Tage aus diesem Lande wegziehen, um den Weg der Wüste zu betreten.
43) Der Herr sprach zu Mose und Aaron: Das ist der Gottesdienst des Passah. Kein Fremdling soll davon essen.
Das Passah ist der Zustand der Seele bei dem geistlichen Ueber-9ang, und ist so beschaffen, dass niemand, der nicht Gott ergeben ist, davon essen kann. Eine so herbe und schwere Speise, und ein so äusserst entblösster Zustand, kann für Fremdlinge, die nicht auf dem gleichen Wege wandeln, weder geschmackvoll noch nahrhaft sein. Daher darf man sich nicht verwundern, wenn sie ihn weder verkosten noch verstehen können. Für das auserwählte Volk aber ist es eine sehr angenehme Speise.
44) Jeder gekaufte Knecht soll beschnitten werden und dann soll er essen.
45) Abkömmlinge und Mietlinge sollen nicht davon essen.
46) Die ganze Gemeinde Israel halte das Passah.
47) Wenn aber ein Fremdling in eure Gemeinde treten wollte, so soll vorher alles, was er Männliches hat, be schnitten werden, und dann mag er es feiern.
Wer infolge des Gebets auserwählter Seelen erkauft worden ist, und den Gott um der auserwählten Seelen willen ihnen ähnlich gemacht hat, darf davon essen. Aber der Mietling, welcher in irgendeiner Sache seinen eigenen Vorteil sucht, soll davon ausgeschlossen werden gleich demjenigen, der noch irdische Geschäfte treibt und Gewinn erwartet. Eine so reine Speise ist nicht für solche.
Die ganze Gemeinde der gelassenen Kinder soll dies Opfer feiern. Will aber ein Fremdling sich zu ihnen gesellen, d.h. in eben denselben Zustand eingehen, der schneide vorher alles weg, was er noch von seiner früheren Geschäftigkeit zurückbehalten, und dann kann er sich mit diesen Gottergebenen vereinigen, und selbst seine Kinder werden durch diese Wegschneidung mit ihm in die Verbindung dieses Zustandes eingehen, und von der gleichen Speise des Übergangs des Herrn essen.
49) Einerlei Gesetz sollen die Eingeborenen des Landes und die Fremdlinge, die sich bei euch aufhalten, haben.
Das gleiche Gesetz soll sowohl für denjenigen, welcher in diesem Wege geboren wurde (d.h. der infolge seltenen Glücks von seiner Kindheit an sich auf denselben begeben hat), als auch für denjenigen, der seit mehreren Jahren einen anderen Weg eingeschlagen, aber endlich glücklicherweise sich auf denselben begeben hat, gelten. Die geheimnisreiche Vernichtung ist der durchaus erforderliche Übergang für beide.
13. Kapitel.
13) Du sollst alle Erstgeburt deiner Kinder mit Geld lösen.
Unsere Erzeugnisse gehören alle Gott an. Er hat sich dieselben erworben infolge der Erschaffung und der Erlösung, ohne die uns ja nichts übrigbleibt, als das Nichtsein und der Tod. Der Wert, um den die Erstgeborenen erkauft wurden, drückt sehr gut die Abhängigkeit all unserer Werke von Gott aus, und die beständige Huldigung und
Ehrbezeugung, die wir Ihm dafür zu erweisen schuldig sind, welche eine gänzliche Enteignung ist, wodurch wir Erkenntnis erhalten, dass wir in Ihm allein leben, uns in Ihm bewegen und sind (Apg.17,28).
17) Der Herr führte sie nicht auf dem Wege nach dem Lande der Philister, welches der nächste war; denn er gedachte, es möchte das Volk gereuen, weggegangen zu sein, wenn es Krieg gegen sich entstehen sehe, und wieder zurückkehren nach Ägypten.
Die durch die Glaubenswüste wandern, leiden nicht sonderlich grosse Versuchungen von den Teufeln, weil sie sowohl ganz andere Dinge auszustehen haben, als auch, weil sie dadurch gereizt würden, die alten Beschäftigungen wieder hervorzunehmen, und rückwärts zu gehen, wenn sie anfangs dieses Weges durch eine grosse Selbstverlierung geleitet, von Versuchungen angefallen würden, da sie, nur vor kurzer Zeit genannte Beschäftigungen verlassend, auf obigem Weg noch nicht hinlänglich bestärkt wären.
18) Sondern er liess sie einen langen Umweg durch die Wüste machen, die beim Roten Meere ist. Die Söhne Israels zogen bewaffnet aus dem Lande Ägypten.
Diejenigen, welche in der Wüste sehr vorgedrungen sind, erschrecken nicht mehr ob dem Kampfe, weil nicht mehr sie, sondern der Herr in ihnen streitet. Im vielfachen Kampfe auf dem leidenden Lichtswege widersteht man vermöge des Beistandes der lichtreichen Gnade mit Kraft und Gewalt; nicht aber im nackten Glauben, weil die noch schwächliche Seele in der begonnenen Nacktheit sonst zu den Übungen des leidenden Pfades von Licht, von wahrnehmbarer und geschmackvoller Liebe zurückkehren könnte, worauf sie sich vielleicht von einer heftigen Gemütsbewegung, welche Sünde veranlassen möchte, besiegen lassen würde. Der weise Anführer leitet also sein Volk durch die Glaubenswüste beim Roten Meer, die eine weit andere Prüfung als nur Kampf ist. Dieser Weg ist wohl mühevoller und von längerer Dauer, aber dafür sicherer.
21) Der Herr zog vor ihnen her, sie zu geleiten, des Tages in einer Wolkensäule, und des Nachts in einer Feuersäule, damit er ihr Führer auf der Reise sei zu jeder Zeit.
22) Niemals wich die Wolkensäule bei Tag und die Feuersäule bei Nacht von dem Volke.
Seitdem die Seele in die Wüste des nackten Glaubens eingetreten, und sie sich infolge einer gänzlichen Gelassenheit zu Gott hinführen liess, nimmt Er selbst ihre Leitung mit so besonderer Sorgfalt auf sich, dass Er sie unablässig ins verheissene Land einführt, sofern sie nicht durch Untreue aus gemeldeter Gelassenheit ausgeht. Des Tages ist der Herr gleich einer Wolke, damit das allzustarke Licht ihr nicht beschwerlich falle, noch sie aufhalte. Denn sie belustigt sich leicht an deutlichen Lichtern, daher verbirgt ihr Gott dieselben, auf dass nichts sie hindere am Fortwandeln. Die gleiche Wolke dient ihr gleichzeitig als Erfrischung, damit die Sonnenhitze sie nicht beschwere, indem die empfindliche Liebe sie auf ihrem Pfade schwerfällig und faul macht, gleichwie der heisse Sommer den Leib schwächt. Dies alles nimmt Gott hinweg, und umhüllt es mit heiliger Glaubensfinsternis, wie der heilige Dionysius sagt, unter deren Schatten man wie unter einer Wolke angenehmer die Wüste durchwandern kann. Da aber in der Wüste die Nacht ebenso oft wiederkehrt als der Tag, und sie auf die schaudervollste Weise erscheint, so zerteilt der die Tageshitze mässigende Gott gleichfalls ein wenig die Finsternis der Nacht. Wegen dieser weisen Anordnung können die Seelen in der so furchtbaren Wüste ausharren. Den wahrhaft gelassenen Menschen wird diese Führung niemals abgehen.
14. Kapitel.
10) Da Pharao nahe kam, erhoben die Söhne Israels ihre Augen, und sahen die Ägypter hinter sich, und fürchteten sich sehr und schrien zu dem Herrn, und sprachen zu Mose:
11) Waren etwa keine Gräber in Ägypten, dass du uns wegführtest, um in der Wüste zu sterben? Warum wolltest du also tun, uns aus Ägypten zu führen?
Die ersten Prüfungen der Seelen in der Glaubenswüste kommen mehr von etwas Wirklichem her. Es ist freilich wahr, dass sie vor dem Durchgang durchs Rote Meer von ihren Feinden lebhaft und mit ausserordentlicher Kraft, und in sehr betrübter Lage verfolgt werden, dass deswegen unter ihnen nur sehr wenige Gott ergebene Menschen sind, die den früheren Weg nicht wieder zurückwünschen. Einerseits sehen sie grosse Gefahr, in Feindeshände zu fallen, auf der andern Seite befürchten sie, von den Wogen des Roten Meeres verschlungen zu werden. In dieser grössten Bedrängnis muss ihnen der Tod unvermeidlich vorschweben. Ach, sprachen sie, war unsere erste Dienstbarkeit nicht sanfter als ein solcher Tod? Und wenn wir in der Wüste ankommen nur um zu sterben, wäre der Tod auf dem andern Wege nicht ebenso gut, als auf diesem da?
12) Es ist viel besser, den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben.
13) Mose antwortete dem Volke: Fürchtet euch nicht, stehet fest und schauet die Grosstaten des Herrn, die er heute tun wird. Denn die Ägypter, die ihr jetzt sehet, werdet ihr hinfort nicht mehr sehen ewiglich.
Nein, o meine geliebten Seelen! Fürchtet euch nicht. Ich gestehe zwar, dass ihr dem Tode scheinbar nicht entgehen und euch selber demselben nicht entreissen könnt. Denn alle eigene Stärke wurde euch genommen, und Hilfe findet ihr keine bei Geschöpfen. Aber Gott allein wird es wohl verstehen, euch den Weg mitten durch das schaudervolle Meer zu bahnen. Hütet euch nur vor dem, aus eurer Gelassenheit herauszugehen. Die aufs höchste gestiegene Bangigkeit einer allseitig verfolgten Seele erlaubt ihr nicht, sich der Grosstaten zu entsinnen, welche der Herr für sie gewirkt hat. Für sie ist alles in Dunkelheit gehüllt, sie hat nur den bevorstehenden Tod vor Augen. In solchem Falle ist ein Mose höchstes Bedürfnis, der der Seele bei dem so gefährlichen Durchgang Hilfe leistet. Die Todesängste erscheinen unaussprechbar gross, alles ist bemalt mit Todesschatten und Todesbildern.
0 Treue! wie erforderlich bist du bei einem solchen Durchgang! Seid mutvoll, teure Seelen! Nach dem Durchgang durchs Rote Meer sehet ihr die Feinde nicht mehr, wie an seinem Ufer. Ich beschwöre euch aber, folget Moses Rat in dieser dringenden Not. Wandelt dem wahren Führer nach auf diesem Weg, d.h. harret unbeweglich wie Felsen, gleichsam als ginge euch die Sache nichts an; und stehet auf eurer Hut, dass ihr euch ja unter keinem Vorwand inwendig reget, und nicht im geringsten eure innere Stelle verlasst.
14) Der Herr wird für euch streiten, ihr aber sollt im Stillschweigen harren.
Es ist des Herrn Sache, für euch zu streiten, und eure Sache ist es, in Ruhe zu harren. Viele Menschen machen an dieser Stelle Schiffbruch, infolge ihres Stillstandes. Aus Mangel an Mut, das Rote Meer zu durchwallen, und immerhin bereitwillig zu sein, Gottes Befehle zu befolgen, halten sie sich da auf, und kommen nimmer weiter. Mit welcher Geduld und Liebe muss der Führer solche Seelen behandeln, wenn er ihre Klagen anhört, welche die Furcht vor der Verlierung ihnen erpresst?
15) Der Herr sprach zu Mose: Was schreist du zu mir? Sage den Söhnen Israels, dass sie aufbrechen.
Niemals lässt Gott seine Macht und Güte herrlicher hervorleuchten, als in höchster Not. Bei diesem furchtbaren Durchzug wird Mut und Überlassung erfordert. Und dieses so tiefe Meer, alle andern in sich verschlingend, trifft man ausgetrocknet für die wahrhaft gelassenen Menschen an, welche da das Leben finden, wo andern der Tod zuteil wird. Auf diesem Wege unaufhaltsam fortwandeln, und mit ernstem Mut alle auftretenden Gefahren besiegen, das ist unsere Pflicht.
16) Du aber erhebe deinen Stab, und strecke deine Hand aus über das Meer, und teile es voneinander, auf dass die Söhne Israels mitten im Meere auf dem Trockenen gehen.
Die Zerteilung wird allerdings erfordert, um trockenen Fusses durchgehen zu körnen. Der Geist muss geschieden werden von der Sinnlichkeit, und hier ist es, wo ihre Scheidung stattfindet, nach welcher die Seele in blinder Gelassenheit einhergeht, und auf beseligende Weise das Meer überschreitet. Die Klippe, woran alle andern Schiffbruch leiden, ist für sie gerade ein Sicherheitshafen.
19) Darauf erhob sich der Engel des Herrn, der vor dem Lager Israels herzog, und ging hinter sie. Und mit ihm ging auch die Wolkensäule von vorne weg, und stand nun von hinten,
20) Zwischen dem Lager der Ägypter und dem Lager Israels, und die Wolke war finster, und erleuchtete die Nacht, so dass sie nicht zu einander kommen konnten die ganze Nacht.
Man kann nicht genug die Glaubensgrösse anstaunen, durch welche Gott verlangt, dass solche Seelen beim Eingang ins Rote Meer wandeln» und wie sehr er von jedem Stützpunkte entblösst sein soll. Ist wohl diesen armen, gelassenen und in der Wüste umherirrenden Seelen ein anderer Beistand übrig geblieben, als nur Gottes Führung, der Tag und Nacht vor ihnen herging? Aber auch noch diese Stütze muss vor ihren Augen weggehoben werden, und wenn dies geschehen, verlierer sie augenblicklich alles Wahrnehmbare von Gottes Hilfe. Eine solche Gemütsstimmung wird erfordert, um ins tiefe Meer ohne Versicherung und ohne Unterstützung, und nur mit der Selbstverlierung einzugehen. Allein obgleich es ihnen scheint, nichts Erkennbares von Gott besitzen, so ist es doch gewiss, dass sie nie Gottes Beistand mehr genossen als jetzt.
Gott steht zwischen ihnen und ihren Feinden, um ihr besonderer und zuverlässiger Verteidiger zu sein. Dies will sagen, dass Gott dem Satan alsdann jede Gewalt über solche Seelen wegnimmt, und dass alle folgenden Prüfungen nicht mehr diesen Feinden, sondern entweder der Natur oder Gott selbst zuzuschreiben sind, was an seinem Orte deutlich erwiesen wird.
21) Da Mose seine Hand ausstreckte über das Meer, öffnete es der Herr durch einen starken, brennenden Wind, der die ganze Nacht wehte, und machte es trocken, und es teilte sich das Wasser.
22) Da gingen die Söhne Israels mitten durch das trockene Meer, denn das Wasser stand wie eine Mauer zu ihrer Rechten und Linken.
Nachdem der Heilige Geist kraft seiner Hitze die Scheidung des geistigen und tierischen Teils hervorgebracht, dienen gerade die Wasser, die jedermann sonst ersticken, als eine Mauer und ein Bollwerk für sein auserwähltes Volk. Und durch die gleichen Wasser, die nach ihrer Natur den Tod verursachen, wird es allseitig bewahrt, und vor allen möglichen Angriffen beschirmt. Allein, man muss das eine erwägen, dass Mose wohl die Hand ausstrecken kann, um das Zeichen zur Trennung beider Teile zu geben: aber kein Hinzutun von Menschen bewirkt eine solche Trennung, da dies allein dem Heiligen Geist vorbehalten ist, dessen brennender Hauch die Wasser in der Glaubenswüste und während der dunkelsten Nacht austrocknet. Durch die Hitze dieses verzehrenden Windes wird das Meer trocken, weil die Scheidung des Geistes von der Sinnlichkeit und selbst des Geistes von der Seele nicht eher stattfinden kann, als bis die Seele durchaus erschöpft, ganz entkräftet, und zufolge der Verlierung von ihren inneren, wahrnehmbaren Handlungen und von allem, was sie in denselben Geschmackhaftes und in ihren Kräften Starkes hatte, ausgetrocknet ist. Diese allgemeine Versiegung verursacht, dass alles in den Mittelpunkt zurückfliesst, wo alles im geheimnisreichen Abgrunde verborgen wird
23) Als die Ägypter ihnen nachjagten, gingen sie hinter ihnen und alle Reisige Pharaos, seine Wagen und seine Reiter mitten ins Meer. 27) Als die Ägypter davonfliehen wollten, kamen ihnen die Wasser entgegen, und der Herr umfing sie mitten in den Fluten.
Es körnte geschehen, dass noch in sich selbst lebende Seelen glauben möchten, trockenen Fusses das Rote Meer durchqueren zu können. Allein, sie würden darin gefangen und von den Fluten verschlungen werden. Das Zeichen seines Durchgangs wird daran erkannt, wenn der Anführer seinen Arm ausstreckt, um Befehl zum Übergang zu geben oder um die göttliche Berufung zu bestätigen; und wenn der Herr die Seele so ausgetrocknet hat, dass Er in ihr alles in Nichts umgewandelt; oder auch daran, wenn Er selbst bei Ermangelung eines Führers sie mit seiner unumschränkten flacht durch dasselbe leitet, indem die Seele vollends mit allem übereinstimmt, was Er aus und mit ihr machen will, es mag ihr geoffenbart sein oder nicht.
15. Kapitel.
1) Lasset uns singen dem Herrn, denn glorreich ward er verherrlicht, Rosse und Reiter warf er ins Meer.
Nach dem Durchgang durchs Rote Meer geschieht es in Wahrheit, dass die Seele instand gesetzt wird, dem Herrn ein Danklied zu singen, ein neues Lied, ein Lied der Lauterkeit, das in Gegenwart des Lammes gesungen wird, schreiend mit heller Stimme: Unserm Gott, sitzend auf dem Throne, und dem Lamme, gebührt die Ehre unserer Erlösung! (Offb.5,13). Jetzt erst erkennen diese treuen und gelassenen Seelen das Glück ihrer Befreiung, denn bis dahin war ihr Gesicht noch nicht hellsehend genug, wiewohl sie so viele Grosstaten einer ausserordentlichen Vorsehung schauten, um alle diese Wunderdinge selbst in Gott zu betrachten. Im übrigen waren sie noch nicht fähig» das neue Lied zu singen, auch war es ihnen noch nicht von oben eingegeben worden. Aber von nun an verstehen sie wohl, alles Gott zuzueignen, um Ihm treuvoll alle Ehre, allen Ruhm von dem, was Er zu ihrem Heil gewirkt hat, zu erwidern.
2) Meine Stärke und mein Lob ist der Herr, denn er ward mir zum Heile; er ist mein Gott, ihn will ich preisen, der Gott meines Vaters, seine Grösse will ich erheben.
Die sich Gott ganz treu und auf schranken- und ausnahmslose Weise ergebene Seele erkennt beim Ausgang aus dem glücklichen Schiffbruch, dass nur in Gott alle ihre Kraft sich befindet, und keineswegs in geschaffenen Stützpunkten, noch in ihrer Selbheit. Sie findet alles wieder in Gott, was sie als verloren hielt. Sie ruft, vor Verwunderung hingerissen, aus: „Alle meine eigne Kraft habe ich verloren und gerade dadurch fand ich, dass Gott meine ganze Kraft ist. Des gänzlichen Vermögens Gott zu preisen ward ich verlustig, und Er selbst wurde mein Lobgesang. Ich habe mein Teil, sofern es auf irgendetwas vom Geschöpfe herkommenden Gutes begründet war, gewagt und verloren; daher gab Er sich selbst mir als meine Seligkeit dar. O von nun an darf ich sagen, dass Er mein Gott ist, und ich Ihn als Gott ehre. Jetzt erkenne ich, dass Er auf diese Weise der Gott meines Vaters ist. Deswegen will ich Ihn durch Ihn selbst verherrlichen, und es soll in Ihm selbst geschehen, dass ich seine Grösse erheben will.“
11) Wer ist dir gleich unter den Starken, o Herr? Wer dir gleich, so herrlich in Heiligkeit, so furchtbar und preiswürdig, so wundertätig?
Die nun besser unterrichtete, liebende Seele achtet die Kraft und die Herrlichkeit der andern starken und heiligen Seelen nicht mehr so hoch, weil sie nicht in Gott stark und heilig sind. Sie spricht, ob man wohl unter den Starken und Klugen eine jener Kraft ähnliche antreffe, welche allein in Gott ist? Wo mag wohl eine Heiligkeit sich vorfinden, welche der Herrlichkeit jener in Gott ganz vereinigten Heiligkeit darf an die Seite gestellt werden? Befindet sich irgendwo etwas, das Lob verdient, ausser was Gott wirkt und tut?
13) Ein Führer warst du in deiner Barmherzigkeit dem Volke, das du erlöst, und führtest es in deiner Stärke zu deiner heiligen Wohnung.
Als die Seele sich von so vielen dringenden Gefahren, denen Sie sich durch die Gelassenheit preisgegeben hatte, befreit sah, versichert sie, dass es einzig der gütige Gott bewirkt habe, und dass Er allein kraft seiner Barmherzigkeit sein inneres Volk leite. Was zu einer Zeit strenge Gerechtigkeit Gottes scheint, die Er gegen seine Diener ausübt, sieht man später als grosse Barmherzigkeit an. Dieses Volk war dem Scheine nach der Sünde ausgesetzt, aber du, O Herr, hast es losgekauft. Infolge deiner Kraft trugest du es in hinüber, was deine heilige Wohnung ist.
17) Du wirst sie hineinführen und pflanzen auf den Berg deines Erbes, in deine überfeste Wohnung, die du o Herr bereitet; es ist dein Heiligtum, das gebildet deine Hände.
Diese Schriftstelle zeigt deutlich, dass hier die Rede vom Zustande der Bestätigung in Gott, oder von der Unbeweglichkeit ist, vorgebildet durch den Berg des Erbes; denn etwas anderes ist das Erbe, und ein anderes der Berg des Erbes. Zur Erbschaft gelangen heisst in Gott ankommen, allein auf dem Berge sich befinden, heisst in Gott begründet sein. Deswegen steht geschrieben: Du wirst sie hineinführen, was den Eingang in den Zustand ausdrückt, du wirst sie pflanzen oder begründen, bezeichnet die Bestätigung im Zustande. Es ist eine Bekräftigung, welche sehr gut durch die Bestätigung des christlichen Zustandes vorgebildet wird, der nach der Taufe erfolgt, und der die Aufnahme des Heiligen Geistes ist, so wie die Apostel, nachdem sie ihn in Fülle empfangen, in der Gnade bekräftigt worden sind. Aus der gleichen Ursache nennt die Heilige Schrift diesen Berg eine sehr feste Wohnung, weil die dahin angekommene Seele ihn alsdann als einen unwandelbaren, beständigen Ort in Besitz genommen. Allein es ist eine Wohnung, die Gott allein erschaffen, ein durch seine Hände begründetes Heiligtum, woran kein Geschöpf gearbeitet.
18) Der Herr wird herrschen ewig und noch weiter hinaus.
Erstreckt sich die Regierung Gottes wohl über die Ewigkeit hinaus? Unter dem Ausdruck, noch weiter hinaus, wird verstanden, dass wenn auch sein Reich hinsichtlich dieser Ihm so vollkommen erworbenen Seelen ewig und auf immer unveränderlich ist, so kann es doch allezeit an Vergrösserung wachsen, gleichwie ihre Vernichtung und ihr Umfang infolge der allergrössten Ausdehnung zunehmen kann.
22) Mose aber brach auf mit Israel vom Roten Meer, und sie kamen in die Wüste Sur, und sie zogen drei Tage durch die Wüste, und fanden kein Wasser.
Nicht ohne Ursache fleht Mose zu Gott, dass Er doch sein Volk in einem Zustande bestätigen möchte, der alle nur mögliche Festigkeit erfordert, um das übrige des Weges des Innern noch zu durchgehen, das weit furchtbarer ist als alles, was es bis dahin gesehen hat. Aber ach! wie weit ist das Ende dieses Zustandes noch entfernt, und vielleicht erreichen sie es nicht einmal. Vom Übergang durch das Rote Meer an meint man lange Zeit, von allem Elend entledigt zu sein, denn nach Empfang des neuen Lebens und beim Genuss eines so unaussprechlichen Glücks scheint es, als hätte man alles getan. Allein man gedenkt nicht, dass (sofern man Gott gefunden hat) es noch gar nicht an dem ist, seiner zu geniessen und Ihn zu besitzen, sondern uns von Ihm selbst in Besitz nehmen zu lassen. Dieser Zustand fordert grosse Liebesreinheit. Es ist gleichfalls erstaunlich, dass von so vielen Menschen, welche mutvoll genug waren, das Rote Meer zu durchgehen, nur wenige mit Entschlossenheit dasjenige überschreiten, was folgt, wie man es bald sehen wird. Das kommt daher, weil man von allem eigenen, tätigen und leidenden Vorteil frei sein muss, und von dem, was man verlassen hat, durchaus nichts mehr zurücknehmen darf.
Um dies leichter zu verstehen, muss man wissen, dass es in jedem Zustande des inneren Lebens ein Opfern, ein Übergeben und ein Überlassen gibt, welche einem jeden Stande angemessen sind. Durch den leidenden Zustand von Einleuchtung und schmackhafter Liebe geht die Seele in den Zustand über, in dem sie sich selbst Gott als Opfer darbringt, dann sich Ihm übergibt und endlich sich Ihm vollkommen überlässt. Allein dies findet nur hier statt, und zwar nach der Fasslichkeit und Einsicht der Seele, die ihr dazumal gegeben wird.
Ist nun die Überlassung vom leidenden Zustande zur Vollkommenheit herangereift, so wandelt die Seele von diesem in den geheimnisreichen mystischen Zustand, in den Zustand des nackten Glaubens hinüber. Gerade anfangs dieses Zustandes fühlt sie sich so sehr von dem früheren unterschieden, dass sie die unerlässliche Pflicht einsieht, eine neue Selbstaufopferung zu machen. Ist dies geschehen, so übergibt sie sich Gott nach dem ganzen Umfang des gemachten Opfers; hernach überlässt sie sich Ihm bis zur Vollendung des Zustandes.
Im Stande der Verlierung in Gott oder des göttlichen Lebens muss wieder ein neues Opfer dargebracht werden, und zwar ein viel grösseres und ausgedehnteres, als alle früher entrichteten waren. Die Seele aber fühlt sich zu dieser Opferung (weil in Gott ganz zerschmolzen und daher ohne alle eigene Bewegung, ohne Eigenheit) so ohnmächtig, dass sie nichts sieht, als dass man sie opfert, und dass selbst der höchste Priester, dem sie sich so oft geopfert und wieder übergeben hatte, sie nun nach seinem alles umfassenden Willen schlachtet. Auch für das Opfer fühlt sie sich ganz ergeben und endlich darin ganz gelassen.
Nach vollendeter Gelassenheit tritt die Seele in den Zustand der lautern Kindheit ein. Denn da sie in Gott einging, wurde sie wohl in den Zustand der Unschuld, aber noch nicht in den Zustand der lautern und erkannten Kindheit gesetzt. Solange der Mensch wächst, tritt er immer mehr aus der Kindheit heraus; hingegen je mehr er sich der innern Vollkommenheit nähert, desto kindlicher wird er, ja bis er zur kleinsten Kindheit gelangt, um aufs neue geboren zu werden (Joh.3,3).
Ich gestehe zwar, dass in all den beschriebenen Zuständen Menschen zu finden sind, die sich selbst opfern und übergeben, aber wenige, ja weit weniger als man sich einbildet, die ganz darin gelassen sind. Denn es gibt Seelen, die auf einer Stufe gelassen sind, auf der andern aber nicht. Daher erreichen so wenige sich dem Innern ergebene Seelen ihren Ursprung, indem sie sich wieder zurücknehmen, nachdem sie sich hingegeben haben, oder sich immer etwas vorbehalten.
Dies vorausgesetzt, sage ich, dass man nach Überschreitung des Roten Meeres noch eine Wüste zu durchwandeln hat, die schaudervoller als alles vorausgegangene ist. Denn man ist durch das Meer gegangen infolge von Opfer und Übergabe, welches eilfertige Handlungen und mutvolle Kraftanwendungen sind, woran die Seele grossen Anteil nimmt; allein die langwährende Gelassenheit wird fernerhin so langweilig werden, dass die meisten vor Ermattung nicht beharren. Indes besitzt die Seele hier nichts für sich, obgleich mit Gott angefüllt; daher erfreut sie auch nichts, und sie bringt ihre Tage in einer weiten, wasserlosen Wüste zu, wo sie vor Durst zu sterben vermeint. Denn nach geschehener Scheidung beider Teile fällt kein Wasser mehr vom obern in den untern Teil der Seele, was für die Natur äusserst beschwerlich ist.
23) Sie kamen gen Mara, aber sie konnten das Wasser an diesem Ort nicht trinken, weil es bitter war.
24) Alsdann murrte das Volk wider Mose und sprach: Was sollen wir trinken?
Wenn etwas Wasser vom oberen Teil der Seele hinunterfliesst, ist dasselbe so bitter, dass der empfindliche Teil keines davon trinken kann, und vor Bangigkeit stirbt. Die so sich selbst überlassene Natur fällt also in eine so aussergewöhnliche Wut und Verzweiflung, dass sie sich vom Murren ganz hinreissen lässt, was früher nicht geschah. Wegen dieser Ursache nimmt auch der Wille keinen Teil daran, und es ist gewiss, dass viele bei solchen Übereilungen von Ungeduld nicht sündigen, sowohl weil sie in der tierischen Natur und nicht in dem von Gott bewahrten und in Ihm verborgenen Geist vor sich gehen, als auch weil sie Gott selbst diesen Schwachheiten als Folge ihrer Überlassung preisgibt.
Nichtsdestoweniger ist zu befürchten, dass die Natur endlich das Gemüt an sich zieht und den Willen zum Sprechen bringt, was nur alsdann stattfindet, wenn man aus der Übergabe herausgeht, und sich niemals in der Gelassenheit ereignen kann.
Die Ursache ist folgende: Solange der Wille mit Gottes Wille vereinigt, und von allem, was im niederen Teil der Natur vor sich geht, geschieden bleibt, kann sie derselben nicht teilhaftig werden, und folglich auch nicht sündigen. Allein, kraft der Gelassenheit verbleibt der menschliche Wille allezeit mit dem göttlichen verbunden, von dem sie nicht abweicht, ausser durch ihre Zurücknahme und das Herausgehen aus der Übergabe.
25) Mose schrie zum Herrn, der ihm ein Holz zeigte. Da er dies ins Wasser warf, ward es süss.
Das Holz des Kreuzes, wenn man es in die verschiedenartige Bitterkeit hineinwirft, oder es darin anschaut, vermag dieselbe zu versüssen, weil das Kreuz durch Jesus Christus verherrlicht und angenehmer gemacht wurde. Um aber der Seele in der schaudervollen Wüste Erleichterung zu verschaffen, lässt sie Gott ein wenig von der Süssigkeit des Kreuzes verkosten, was nur hierin Erfahrene leicht verstehen werden.
Man muss mithin wissen, dass der Zustand des Nichts in der Glaubenswüste, wo die Seele weder Pein noch Vergnügen hat, so schwer zu ertragen ist, dass sie zu ihrer Erleichterung einiges Leiden nötig hat. Denn die Eigenliebe ist voll Verlangen, etwas zu besitzen, dass sie lieber leiden will, als gar nichts haben. Sie will lieber grosse Schmerzen ertragen, als weder Übel- noch Wohlsein empfinden. Diejenigen, die bis dahin kommen, werden gestehen, dass ich die Wahrheit spreche; selbst weniger geförderte Seelen wissen es aus gemachter Erfahrung. Es ist nichts so greulich wie das Nichts, und wenn man nur in irgendetwas, und wäre es selbst in den schrecklichsten Qualen, einen Bestand haben kann, so ist man zufrieden.
Dies ist die einzige Süssigkeit, welche Gott Seelen von dieser Stufe mitteilt, und sie durch Leiden selbst mit einigem Troste labt.
25) Da prüfte der Herr sein Volk.
26) Und sprach zu ihm: Wenn du meine Gesetze beobachtest, so will ich keine der Krankheiten, die ich auf Ägypten gelegt, über dich bringen, denn ich bin der Herr, dein Heiland.
27) Hernach kamen die Söhne Israels gen Elim, wo zwölf Wasserbrunnen waren, und siebzig Palmbäume, und sie lagerten sich am Wasser.
Gott selbst prüfte sein Volk, um seine Treue zu sehen, und versprach ihm, mit keinen Plagen es zu belegen, womit Er Ägypten geschlagen (denn das waren Sünder-Plagen), wiewohl Er es noch in vielen Mühsalen und Arbeiten, welche die Gerechten gewöhnlich durchzugehen haben, üben muss; aber von welchen Er sie ebenfalls heilt, indem er sie alle in Liebe und Kronen für die Ewigkeit anändert.
Dann führte es Gott an einen Erfrischungsort hin, wo es Brunnen und Palmbäume fand. Wie es Gottes Weise ist, der Seele nach der kreuzigenden Prüfung einige Frist zu lassen, meint sie wegen ihrer noch geringen Erfahrung, sie habe den Sieg errungen. Allein sie sieht nicht ein, dass der Herr sie nur deswegen prüft, um zu zeigen, dass die bösen Geister in diesem Zustande keinen Einfluss mehr haben, da sie auf immer im Roten Meere verschlungen worden sind. Zwölf Brunnen sind daselbst, auf dass ein jeder Stamm eine eigene Quelle zu seiner Labung habe, aber da die zwölf Stämme zusammen nur ein Volk bilden, so machen auch die zwölf Brunnen nur eine Hauptquelle in Jesus Christus aus.
16. Kapitel.
2) In der Wüste Sin murrten alle Söhne Israels wider Mose und Aaron.
Wie gross ist doch die Schwachheit einer sich selbst überlassenen und vom Geiste getrennten Natur! Unglaublich sind ihre Torheiten, daher bedürfen die Führer eine unbegrenzte Geduld, um solche Seelen zu ertragen. Eine verabscheuungswürdige Treulosigkeit hält sie ab, in der Gelassenheit zu harren. Eine so überaus grosse Nacktheit mögen sie nicht ausstehen, daher treten sie voll Unwillen gegen ihre Führer auf, zurückwünschend die guten Tage, die sie im leidenden Zustande des Lichts und der angenehmen süssen Zuneigungen genossen, worin sie unter dem Vorwand von Inbrunst noch auf sehr sinnliche Weise ernährt wurden.
3) Wären wir doch gestorben durch die Hand des Herrn im Lande Ägypten, da wir bei den Fleischtöpfen sassen und Brot assen nach Genüge. Warum habt ihr uns in diese Wüste geführt, um das ganze Volk durch Hunger zu töten?
0 fleischlich gesinntes Volk, wie schwer kommt es dir vor, geistig zu werden, und dich mit dem nackten Glauben zu begnügen! Diese Menschen entfernen sich bisweilen auf einige Augenblicke von der Gelassenheit, aber auch oft nehmen sie an solchen Albernheiten keinen Anteil. Denn es ist nur die vom Geiste verlassene Natur, die sich wie ein vernunftloses Tier beklagt. Ein erleuchteter Führer unterscheidet diesen Zustand sehr leicht.
Viele, ja beinahe alle von denen, welche in den Zustand des nackten Glaubens eingehen, sind so blind, dass es ihnen wehe tut, nicht zur Zeit ihres Überflusses gestorben zu sein. Sie halten dafür, dass ihr Heil dazumal in grösserer Sicherheit gestanden als jetzt. Das Wort sassen deutet die Ruhe an, die sie in ihren Erleuchtungen und Süssigkeiten genossen.
4) Der Herr sprach zu Mose: Siehe! ich will euch Brot vom Himmel regnen, das Volk gehe aus und sammle täglich, was es bedarf, damit ich es prüfe, ob es nach meinem Gesetz wandle oder nicht.
0 mein Gott, wie gut bist du! Mit dem rein himmlischen Manna belohnst du des Volkes Murren! Infolge eben dieser Belohnung, dieser Nahrung nämlich, die ihm Gott seines Murrens ungeachtet verliehen, erkennen wir genugsam, dass der Wille keinen Teil daran nahm. 0 geistliche Führer! die ihr in eurem Hirtenamt solche Seelen habt, seid doch mitleidig gegen sie, denn sie sind dessen wahrhaftig würdig. Behandelt sie, wie Gott sie behandelt; und vor allem andern, entzieht ihnen ja nicht die heilige Kommunion. Je schwächer sie euch scheinen, umso fleissiger sollt ihr ihnen dieselbe darreichen, um sie damit zu nähren und zu stärken, da sie dieser göttlichen Kraft ganz besonders bedürfen. Sehet ihr nicht ein, wie Gott verlangt, dass sie täglich die Kommunion empfangen, solange dies Bedürfnis dauert, auf dass ich sie prüfe, ob sie nach meinem Gesetz wandeln oder nicht. Zur Zeit der äussersten Verlassung fordert Gott keine andere Prüfung von diesen treuen Seelen, als den Genuss eines grossen Guts. Es ist freilich wahr, dass sie oft versucht werden, sich ihres Elends willen von dem heiligen Tische zu entfernen. Aber sie tun es ja nicht, ausser der Gehorsam verbinde sie dazu. Gott will sie prüfen, Er will zuschauen, ob sie täglich dasselbe empfangen wollen. Dadurch versucht Er ihren Gehorsam, und es ist gleichzeitig der Prüfstein, um zu erkennen, ob dieser Zustand von der Gnade herkomme. Dies ist dann der Fall, wenn sie des natürlichen Widerwillens ungeachtet gehorchen, und getreu sind, alle ihre Abneigungen dem geistlichen Führer zu entdecken.
5) Am sechsten Tage aber sollen sie davon aufsparen, und zweimal soviel sammeln als an einem andern Tag.
Es kommen gewisse Ruhetage, an denen Gott selbst die Seele abhält, das Manna wegen schon gemachtem Vorrat zu sammeln, doch muss auch dieser Zustand, wie alles übrige vorbeigehen; und die gleiche Vorsehung, die denselben auf einige Stunden herbeigeführt, nimmt ihn auch wieder hinweg, und lässt Arbeit auf die gewöhnliche Sättigung folgen. Indes hört die Seele nicht auf, von ihrem verborgenen Manna zu leben, ja sogar eine zweifache Gnade davon zu empfangen, indem sie von der Ruhe in Gott reichlicher begabt wird als von eigner Arbeit.
7) Morgen früh sollt ihr die Herrlichkeit eures Gottes sehen, denn er hat euer Murren wider ihn gehört.
13) Am Abend kam eine grosse Menge Wachteln heran, welche das Lager bedeckten, und am Morgen lag der Tau rings um das Lager.
14) Und man sah etwas Dünnes erscheinen, wie im Mörser Zerstossenes, das dem gefrornen Reif auf Erden ähnlich war.
Gottes bewundernswürdige Geduld gegen solche Seelen ist eine treffliche Lehre für die geistlichen Führer, die ihnen zeigt, wie liebevoll sie mit ihnen umgehen sollen. Daran erkennt man, dass jemand vorwärts geschritten, wenn er sich über solche Schwachheiten nicht erstaunt, noch dagegen ungehalten wird, und sie nach der Wahrheit beurteilt. Nicht erleuchtete Menschen hingegen überhäufen die Seelen mit Vorwürfen, und beladen sie mit Bussübungen. Durch diese Verfahrensweise machen sie, dass solche Seelen alles verlassen, und wegen unüberwindlichen Hindernissen nimmermehr zur Vollkommenheit gelangen körnen.
16) Und das ist die Verordnung des Herrn: Ein jeglicher sammle davon zur Speise, soviel er bedarf, einen Ghomer für jedes Haupt; nach der Zahl eurer Seelen, die im Zelte wohnen, sollt ihr es nehmen.
17) Und die Söhne Israels taten also, und sie sammelten, der eine mehr, der andere weniger.
18) Und sie massen es nach dem Ghomer. Wer mehr gesammelt, hatte nicht mehr, wer weniger geholt, fand nicht weniger, sondern jeder hatte gesammelt, was er essen konnte.
0 vortrefflich schönes Bild der heiligen Eucharistie! Wollte man eine bessere Aufklärung darüber geben, würde man sie gewissermassen nur verdunkeln. Wer sieht hier das unaussprechliche Wunder nicht, dass jeder, der davon nur eine kleine Gestalt empfängt, nicht weniger an Wesenheit des Sakraments hat, als derjenige, welcher es unter einer grösseren Gestalt empfängt. Und wer davon einen grösseren Teil nimmt, hat deswegen nicht mehr als derjenige, welcher nur einen kleineren erhält. Denn jeglicher empfängt nicht mehr und nicht weniger, als er davon essen kann, nämlich den ganzen Jesus Christus, den ganzen sowohl unter der kleinsten wie unter der grössten Gestalt, weil du dich, o Herr, in diesem anbetungswürdigen Sakrament an alle ganz hingibst.
Es ist gleichzeitig die Abbildung des göttlichen Zustandes, wo alle an dessen Fülle teilnehmen, ein jeder nach seiner Fähigkeit. Ein Geringfähiger wird ebenso angefüllt wie ein Vielfähiger, wiewohl die Fasslichkeit dieses letztern ausgedehnter ist als jene des erstem, und somit der Vielfähige in höherem Masse Gott besitzt. Es ist immer der eine und nämliche Gott, der alles in allen und ganz in einem jeden von ihnen ist, der einzig und allein ihre Fülle und wahrhafte Sättigung bewirken kann.
17. Kapitel.
5) Der Herr sprach zu Mose: Gehe hin bis zum Felsen herab.
6) Da will ich mich einfinden, und du sollst den Felsen schlagen, so wird Wasser herausfliessen, dass das Volk trinke, und Mose tat vor den Ältesten Israels, was der Herr ihm befohlen hatte.
Hier kommt infolge eines quälenden Durstes, den man auf diesem Wege leiden muss, die Eigenliebe zum Vorschein. Das besonders auserwählte und geliebte Volk murrt wider Gott, allein Gott ermüdet nicht, vermöge seiner unendlichen Güte zu seinem Wohl Wunder zu wirken. Aus dem Felsen sprudeln Gnadenwasser zu seiner Erquickung hervor, Gott aber befindet sich über dem Felsen, weil Er die Quelle dieser Gnade ist. Man hat grosse Mühe, bei diesem reinen Opfer völlig gelassen zu verbleiben, und ist wohl jemand zu finden, der sich nicht von Zeit zu Zeit wieder zurücknimmt? Indes lässt Gott aus dem Felsen Wasser hervorquillen, um zu bezeugen, wie unbeweglich, wie unveränderlich gut Er selbst gegen die Menschen ist, die zuweilen in der Treue gegen Ihn wanken.
7) Den Namen dieses Ortes nannte er „Versuchung“, wegen dem Murren der Söhne Israels, welche den Herrn daselbst versuchten und sprachen: Ist der Herr unter uns oder nicht?
Mose legt dem Fehler den rechten Namen bei, ihn Versuchung nennend, denn sie sprachen: Wir wollen schauen, ob der Herr mitten unter uns ist oder nicht. Man kann sich nicht enthalten, Zeugnisse zu verlangen, zumal wenn man auf diesem Weg geführt worden ist. Daher ereignet es sich, dass man immer aufbaut und niederreisst, weil man sich nicht gänzlich entheiligen lassen kann, was die Wüste so langdauernd macht, und verursacht, dass beinahe alle auf dem Wege dahinsterben, bevor sie in das verheissene Land kommen.
8) Es kam Amalek und stritt wider Israel.
11) Wenn Mose die Hände aufhob, siegte Israel, wo er sie aber ein wenig sinken liess, übermochte Amalek.
12) Sie legten einen Stein unter Mose, auf dass er sich setzte, Aaron und Hur aber unterstützten seine Hände, der eine von der und der andere von der andern Seite.
In allen Zuständen muss man Verfolgungen leiden. Die Geschöpfe bekriegen dies Volk und wollen es vertilgen. Wenn aber Mose seine Hände erhebt, d.h. solange man in der Erhebung zu Gott infolge von Gelassenheit und Glaube, und unverwandtem Aufblick zu Gott treu harrt, erreicht man leicht den Sieg, und hätten wir auch mit den mächtigsten Feinden zu kämpfen. Lässt aber Mose seine Hände sinken, d.h. fallen wir vermöge eigener Überlegung in uns selbst zurück, so werden wir plötzlich besiegt. Denn sobald der in Schwachheit versunkene Mensch zur eigenen Anschauung einwilligt, verwickelt er sich in eitles Selbstbetrachten. Darin besteht die Untreue in diesem Zustand, dass man beginnt zu zweifeln, anzustehen, sich abzumatten und zu beunruhigen, wodurch alles unter und übereinander geworfen, und Amalek (Bild der Natur und Eigenliebe, die einzig übriggebliebenen Feinde von dieser Stufe) ein Vorteil verschafft wird.
Um diese Unordnung zu vermeiden, darf man nur auf dem Stein sitzen bleiben, sich fest an der Gelassenheit halten, und in der Ruhe der Hingabe verharren, während Glaube und Vertrauen, als zu Gott aufgehobene Hände, die Seele in ihrem Gelassensein unterstützen.
18. Kapitel.
19) Jethro sprach zu Mose: Diene dem Volke in Sachen, die Gott angehen.
20) Und zeige ihnen den Weg, auf dem sie wandeln sollen, und die Werke, die sie tun sollen.
21) Sieh dich aber um wackere Männer um, die Gott fürchten.
22) Die beschäftigt sein sollen, das Volk immer zu richten.
Jethro's Rat ist Seelenführern sehr empfehlenswert, daraus sie zwei vollwichtige Lebensvorschriften, die eine von Jethro, die andere von Mose lernen sollen. Von Jethro mögen sie vernehmen, wie sie keine Pflicht haben, sich in irdische Dinge jener Seelen, die sie leiten und führen, einzumischen, sondern nur das zu besorgen, was die Verherrlichung Gottes in ihnen und ihre Vervollkommnung betrifft. Sie können andern das Zeitliche, sofern sie ihr Vertrauen besitzen, übertragen, um nicht mit dieser Last beladen zu werden, die ihnen Zeit und Müsse rauben würde, welche sie ja nur für ewige Dinge verwenden dürfen. Sie sollen sich auch deswegen nicht in solche Dinge mengen, weil es Gott von ihnen gar nicht verlangt. Von Mose aber lernen sie vermöge seiner demütigen Annehmung des weisen Vorschlags von seinem Schwiegervater (obgleich Mose so voll des Geistes Gottes war, und Jethro nicht einmal zu seinem Volk gehörte), dass man Wahrheit und gute Ratschläge, woher sie immer kommen mögen, auf- und annehmen soll, da es Gott zuweilen gefällt, dieselben an Würde und an Gnaden weit geringere Menschen mitzuteilen, um dadurch die grössten Seelenführer zu demütigen, und ihnen anschaulich zu zeigen, dass Er allein der Urheber aller wahren Erleuchtung sei.
19. Kapitel.
3) Mose stieg hinauf zu Gott, und der Herr rief ihm vom Berge und sprach: Dieses sage zum Hause Jakobs, und verkünde den Söhnen Israels.
Die göttliche Vorsicht gesellt immer einen Leiter zu den Seelen, auf dass er sie auf dem Glaubenswege führe und ihnen den Willen des Herrn kundmache. Um sich leiten zu lassen, muss man ganz blindlings gehorchen, denn da man sich ausser der Leitung und Vorsehung bei nichts Gegebenem aufhalten kann, so ist es allerdings notwendig, dass man blindlings das vollziehe, was der erleuchtete Führer vorgeschrieben, indem Gott solchen Menschen gewöhnlich einen treuen Wegweiser an die Hand gibt, um sie sicher durch die finstere Wüste des Glaubens zu führen.
5) Wenn ihr nun meine Stimme höret, und meinen Bund haltet, so sollt ihr mir zum Eigentum sein aus allen Völkern, denn die Erde ist mein.
Sehr richtig wird hier gesprochen, wie immerhin das innere Volk auf ausgezeichnete Weise Gott angehöre, wiewohl alle anderen Völker ebenfalls sein Eigentum sind. Gott sprach, dass das innere Volk Ihm als Eigentum angehören, und im besonderen für Ihn erworben sein werde, d.h. dass sofern es sich sehr vernichten lasse, es für Ihn etwas so Erworbenes und Eigentümliches werde, dass niemand Anteil daran haben darf, als Er allein. Nur dieser Weg schliesst dies Vorrecht in sich ein, und kein anderer. Daher versichert Gott, dass es einzig unter allen Völkern das auserwählte sein werde. Wer sagt alles, macht keine Ausnahme.
Gott verlangt von dem Ihm so teuren Volke, um zu diesem erhabenen Zustand zu gelangen, nichts anderes, als dass es Ihm gehorche, und in der Gelassenheit beharre. Der Ausdruck Haltet meinen Bund, will soviel sagen, als verbleibet in meiner Vereinigung.
6) Ihr sollt mir ein priesterlich Königreich sein und ein heiliges Volk. Das sind die Worte, welche du zu den Söhnen Israels reden sollst.
Das Königreich, selbst buchstäblich genommen, bedeutet die allumfassende Gewalt Gottes über die gelassenen Seelen, welche Ihm in gar nichts mehr widerstreben. Er ist im höchsten Grade ihr unumschränkter Herr. Mit den andern, welche noch Selbstbesitzer sind, verhält es sich nicht so, weil sie frei in eigner Freiheit, und voll eignen Willens tausend gute Dinge möchten, die Gott nicht will, und sie ihnen nur ihrer Schwäche willen zulässt. Über die Willen-losen aber herrscht Er als höchster Herr. Aus dieser Ursache sprach Er, als Er seinen Jüngern Unterricht im Gebet gab: Bittet, dass mein Reich komme (Matth.6,10). Und damit Er unumschränkt über sie herrsche, fügt Er hinzu: Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel. Damit wollte Er sagen: 0 Gott, wenn dies also sein wird, so wird dein Wille geschehen, wie ihn die Seligen im Himmel ohne Widerstreben, ohne Anstand, ohne Ausnahme und ohne Verzug erfüllen. Hinsichtlich dessen stehen diese zwei Bitten in einer Schriftstelle beieinander.
Der Herr spricht ferner zu Mose, dass sein Volk für Ihn ein priesterlich Königreich sein werde, denn dies Reich besteht aus Opferpriestern und Aposteln. Er sagt auch noch, dass es ein wahrhaft heiliges Volk ausschliesslich für Ihn sein werde, weil alle Argheit im Menschen ausgerottet ist und in ihnen nur mehr Gottes Heiligkeit übrigbleibt. Alsdann wird es wegen Gott und für Gott, und keineswegs für sich selbst heilig sein. Auch sagt Er nicht schlechtweg, du wirst ein heiliges Volk sein, sondern du wirst ein heiliges Volk für mich sein. Und das ist es, sagt Er noch zu den Führern, was ihr zu meinen so teuren, gelassenen Seelen reden sollt.
8) Und das ganze Volk antwortete einstimmig: Alles, was der Herr befohlen, wollen wir tun.
Diese Einwilligung, welche das Volk so einmütig gibt, drückt die Gabe und das Opfer der Selbstheit aus, welches die Seelen auf den ihnen angewiesenen Wegen darbringen. Gott ist so gütig, dass Er jederzeit auf gleiche Weise diejenigen behandelt, welche Er auf Pfaden von Dunkelheit und Kreuz hinführen möchte. Er zeigt ihnen dieselben vorher und fordert ihre Einwilligung. Der Herr, wiewohl unumschränkter Gebieter, beherrscht uns doch nur mit grosser Vorsicht, wie einer, der unsere Freiheit achtet. Aber leider! äusserst wenige nur überlassen sich vollends nach Erfordernis des eingetretenen Zustandes. Beinahe jeder vergisst alsdann seine Zustimmung und seine Aufopferung. Es ergibt sich gleichzeitig, dass der Eifer und die Eilfertigkeit, mit welchen solche Menschen ihre Opferung darbringen, Ursache sind, dass sie ihre Schwächen und Gebrechen vergessen, und gleich diesem Volke antworten: Wir werden alles tun. Würden sie jedoch ihr Unvermögen und ihre Überlassung betrachten, so müssten sie alle erkennen, dass ihr Unvermögen sie vergewissert, dass sie aus sich selbst nichts vermögen. Ihre Übergabe würde ihnen hingegen zeigen, dass sie sich von allem eigenen Willen entblösst haben, um sich Gott vollkräftig zu überlassen. Daher sollten sie vielmehr sprechen: Der Herr selbst wirke, dass wir alles tun, so werden wir alles vollbringen. Denn unsere Treue ist gleich allem andern in Ihm begründet, wir selbst sind ja nichts als Sünde und Schwachheit. Dies Vertrauen und dieses Beruhen auf sich selbst, herkommend von geheimer Selbsthochachtung, hat immer einen oder den andern Fall zur Folge, grössere oder kleinere, je nachdem die Selbstschätzung mehr oder weniger ausgedehnt war.
9) Der Herr sprach zu Mose: Jetzt will ich zu dir kommen in einer finstern Wolke, dass mich das Volk mit dir reden höre, und dir glaube alle Dinge.
Das Dunkle einer Wolke bezeichnet Gottes Wille, dass sein inneres Volk auf den Glauben allein gestützt glaube, und Er es sei, der infolge der Führung und nicht der Zeugnisse spreche.
10) Gehe hin zum Volke, und heilige sie heute und morgen, und lass sie waschen ihre Kleider.
Die von Gott verlangte Heiligung ist eine Lauterkeit, durch die man in einen ganz andern Zustand vom neuen Gesetz der reinen Liebe eingeht.
Mose, schon den Todeszustand überschritten, wird hinaufgeführt auf den Berg, wo Gott, der Urgrund des Zustandes reiner Liebe, weilt. Mose wird, als ein schon Gereinigter, bis zum Urquell geleitet.
12) Hütet euch, den Berg zu besteigen, und seine Grenzen zu berühren. Jeder der den Berg berührt, soll des Todes sterben.
13) Keine Hand soll ihn berühren, sondern er soll gesteinigt oder mit Pfeilen erschossen werden.
Jedem andern, der sich nur dem Berge naht oder ihn berührt, kostet es das Leben, laut des Herrn Worte: Kein Mensch soll mich sehen, solange er lebend sein wird (2.Mose 33,20).
Aber welche Todesart muss er dann leiden? Ach nicht Menschenhand vermag dies zu tun, sondern Wunden abgeschossener Pfeile auf dieses Herz, das dich o Gott meines Herzens, noch nicht auf lautere Weise zu lieben versteht, ohne sein eigenes Leben zu verlieren. Mit Steinen wirst du einen solchen Menschen zugrunde richten, denn da sein Herz kraft deiner grossen und mannigfaltigen ihm erwiesenen Güte sich hat vernichten und zerschmelzen lassen, ist es ja nur ein steinernes Herz und somit notwendig, dass du nach deiner Rede an den Propheten Hesekiel (Kap.11 ,19) diesem Menschen das steinharte Herz hinwegnimmst, um ihm ein fleischernes zu geben, auf dass es dich rein und lauter liebe, ein geschmeidiges und lenkbares Herz, ein Herz, das rein und ganz erneuert ist.
16) Da nun der dritte Tag kam, und der Morgen heranbrach, siehe da hörte man, wie es anfing zu donnern und blitzen, und eine überaus dicke Wolke bedeckte den Berg, und der Schall der Posaune ertönte immer heftiger, und das Volk, so im Lager war, fürchtete sich.
Man bildet sich ein, Gottes Wort sei lauter Süssigkeit, das sich auch wirklich so verhält, sofern man das Wort in sich selbst betrachtet, oder wenn es von lieblicher Gnaden Ausgiessung begleitet wird; daher ist es auch anfangs des geistigen Lebens durchaus süss und äusserst angenehm. Allein hinsichtlich der Seelen auf dieser Stufe ist es voll Schrecken, und nur Bitteres liegt ihm zugrunde. Daher vernahm es Johannes auf gleiche Weise, denn als er das donnernde Wort gehört, erhielt er einen neuen Namen. Sohn des Donners wurde er genannt (Mark.3,17).
18) Der ganze Berg Sinai rauchte, weil der Herr im Feuer darauf herabkam, und es stieg Rauch von ihm auf wie von einem Ofen, und war der ganze Berg fürchterlich.
Als Gott dem Mose zum erstenmal erschien, duldete Er sein Hinnahen zum Feuer ohne vorherige Entschuldigung nicht, und heute führt Er ihn wegen seiner reinen, lauteren, beinahe ins unendlich herangewachsenen Liebe sogar ins Feuer hinein. Wenn Er vorher seinem treuen Diener erschien, geschah es ebenfalls im Feuer, um ihm seine göttliche Liebe, seine reine Liebe mitzuteilen. Da Er jetzt das Gesetz dieser reinen Liebe begründen will, erscheint Er ebenfalls den Kindern Israels im Liebesfeuer, denn Er ist die Liebe selbst. Zur Entflammung so vieler Herzen bedurfte es gerade ein so starkes Feuer.
Allein woher mag es wohl kommen, o meine Liebe 1 dass du jetzt so schrecklich scheinst? Ach nur demjenigen kommst du so vor, die dich allein von aussen und in den Wirkungen deiner Liebe betrachten. Denjenigen, welche die Dinge nur oberflächlich angeschaut haben, erscheinst du ganz grausam gegen Seelen, die sich ihr ganz ergeben haben. In Wahrheit aber verhält sich die Sache so, dass die Liebe ihrem innersten Grunde und ihrer Wesenheit nach einem ihr vollends ergebenen Herzen höchst angenehm ist.
19) Der Posaunenschall ward immer stärker, und breitete sich immer weiter aus. Mose redete und Gott antwortete ihm.
20) Und der Herr kam herab auf den Berg Sinai, auf die Spitze des Berges, und rief Mose auf die Spitze. Mose bestieg ihn.
0 wunderbares Gespräch! Gott redet mit der Seele, und die Seele hört Ihn an! Die Seele redet mit Gott und Gott hört sie auch an. Es gibt aber noch andere vertrauliche Unterredungen zwischen Gott und der Seele, wobei niemand gegenwärtig sein darf. In dieser Hinsicht lässt Gott die Seele auf die Spitze des Liebes-Berges, auf die höchste Stufe der lautern Liebe hinaufsteigen, wo sie in Gott selbst aufgenommen wird, aber auf so erhabene und unerklärbare Weise, dass keine Zunge sie schildern kann.
Alsdann ereignet es sich, dass alles und jedes Äussere, d.h. der niedere Teil am Menschen, umgeändert und erneuert wird. Zu dieser Zeit wird der Mensch göttlich gemacht, und zwar nicht nur innerlich, sondern auch äusserlich. 0 heiliges Feuer! du hast die Macht die ganze Erde zu erneuern (Ps.103,30). Die Seelen, oder vielmehr diese einzige Seele unter soviel Millionen Heiligen, steigt nicht nur auf den Berg, sondern auch auf die erhabenste Spitze desselben; denn sie musste dort Vorrat von der reinen Liebe wie für sich selbst so auch für andere sammeln. Es war notwendig, dass sie aus der Feuerquelle schöpfte, um gleichsam ein Feuerofen zu werden, wodurch das heilige Feuer einem so zahlreichen Volke konnte mitgeteilt werden. 0 Mose, wie äusserst verändert ist dein Zustand. Vorher, da du in deiner Demut (als in einer heiligen Beschäftigung) warst, hast du dich unwürdig geachtet als zu einem König, und zu Israels Volk zu reden. Nun aber, in deiner tiefen Vernichtigung, kannst du ohne Beschwerde, ohne Hindernis auf die höchste Stufe in Gott hinaufsteigen, mit Gott vertraulich reden, und sein auserwähltes, mit Ihm selbst angefülltes Gefäss sein. Es ist die Vernichtigung, welche bewirkt, dass der Mensch sich selbst nicht mehr anschaut, seine Augen immer mehr auf seine Niedrigkeit richtet, und weil er unter aller Niedrigkeit steht, ist er auch über alle Höhe erhaben.
24) Der Herr sprach zu Mose: Gehe und steige herab, und komme dann herauf du und Aaron mit dir. Aber die Priester und das Volk sollen die Schranken nicht überschreiten, und nicht hinaufkommen zum Herrn, dass er sie nicht etwa töte.
0 wie gut, wie vorteilhaft ist es, mit so heiligen Seelen vereinigt zu sein! Sie verlangen für die einzige Seele, welche ihnen beigesellt ist, sogar dasjenige, was sie selbst besitzen. Wiewohl das ganze Volk mit Mose vereinigt war, gleich Kindern mit ihrem Vater, so war es doch Aaron auf vorzügliche Weise. Denn er war der Vaterschaft Moses beigesellt, und niemand war mit ihm so verbunden wie Aaron. Es gibt ebenfalls Menschen, die Gott auf diese Weise unter zweien zusammen in Einheit der Vaterschaft verbindet, und alle andern, die mit ihnen in Vereinigung stehen, sind ihnen doch niemals gleich im Amte, obgleich sie ihre Kinder sind. Denn es waren viele Priester nach Aarons Ordnung, aber nur Aaron stieg mit Mose auf den Berg, während die übrigen nicht einmal den Berg berühren durften. Indes glich Aaron dem Mose nicht in allem, auch stand er nicht auf dem gleichen Höhepunkt. Die Mitteilung Gottes in Gott selbst war nur für Mose allein auf so erhabene Weise vorbehalten.
20. Kapitel.
2) Ich bin der Herr dein Gott, der dich aus dem Lande Ägypten geführt, aus dem Hause der Knechtschaft.
3) Du sollst keine fremden Götter neben mir haben.
5) Du sollst sie nicht anbeten noch ihnen dienen, denn ich bin der Herr dein Gott, ein starker und eifernder Gott, der die Missetaten der Väter an den Kindern straft bis ins dritte und vierte Geschlecht, bei denen, die mich hassen.
Will Gott den Menschen seinem Gesetz unterwürfig machen, so stellt Er ihm gleich anfangs seine Gnaden vor Augen, die Er ihm erwiesen hatte, auf dass er das gegebene Gesetz nicht zu schwer finde, und grosses Vertrauen fasse, dass der so gütige Gott, der ihn aus der Dienstbarkeit erlöst, ihn nicht aufs neue in Knechtschaft versetzen werde, sondern ihm vielmehr die erforderliche Kraft und Gnade verleihen werde, um seine göttlichen Gebote halten zu können, so wie es Gott in Hesek. 36,27 ausdrücklich verspricht: Ich will, sagt Er, meinen Geist mitten unter euch setzen, und will bewirken, dass ihr in meinen Geboten wandelt, und meine Verordnungen beobachtet, und gute Werke tut. Ja er verheisst sogar, dass Er selbst sein Gesetz in denen erfüllen werde, welche, nachdem sie sich Gott vollkommen ergeben haben, Ihn ohne eigenen Anstand in ihnen wirken, schalten und walten lassen.
Deswegen fordert sein erstes Gebot von uns, dass wir ausser Ihm keinen andern Gott haben sollen, was soviel heisst, als dass man sich auf keine fremde Kraft stützen soll um sein Gesetz zu beobachten, sondern nur auf die seinige allein. Denn wie Er ein starker Gott ist, der alles infolge seiner höchsten Macht vermag, so ist Er auch ein eifersüchtiger Gott, der nicht will, dass jemand sich anmasse, die gleiche Gewalt mit Ihm zu teilen, und dass man die Beobachtung seiner Gebote keiner andern Kraft als der seinigen, mithin weder der Treue, noch der Anstrengung, noch dem Fleisse, noch was es immer sein mag, zuschreibe. Harret man immerdar in Gerechtigkeit gegen Gott, dass man nichts von dem seinigen raubt, so wird das Gesetz leicht, weil man es nicht in sich selbst anschaut. Denn würde man es von dieser Seite betrachten, so muss es uns sehr schwer vorkommen. Allein es ist in Gott zu schauen, wo man es mit göttlicher Macht umgeben erblickt, die alle Hindernisse übersteigt.
Daher spricht der Herr ferner, dass die, welche Ihn hassen (oder von Ihm in etwas abweichen, denn alle jene, welche einige Fehler gegen das Gesetz begehen, wollen hiedurch Gott noch nicht hassen), sich also von Gott wegkehrten, um sich selbst anzuschauen, und dadurch sich zu Sklaven des Gesetzes machen, gewöhnlich gegen das Gesetz selbst sündigen. Und da ihr Fehler nur von dem herrührt, dass sie in eine feine und geheime Abgötterei gefallen sind, sich Gottes Kraft anmassend, verzeiht Er ihnen nichts, und verlangt, dass das Gesetz sich auf alle ihre Werke ausdehne. Deswegen sind diese Seelen so unbehaglich und verschroben, weil Gott ihre Sünden bis ins dritte und vierte Geschlecht aufsucht, d.h. dass alle ihre Werke infolge der Unterwürfigkeit ihrer Selbstanschauungen in Gefangenschaft schmachten.
6) Ich tue Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied bei denen, die mich lieben, und meine Gebote halten.
In den Liebenden aber, o in diesen ist die Liebe einzig des Gesetzes Erfüllung (Röm.13,10), und
Gott erweist ihnen tausend und abertausend Gnaden. Das Wort GNADEN oder BARMHERZIGKEIT wird hier genommen als Nachlass von tausend dem Gesetz angehörigen Dingen, auf die Gott nicht achtet. Denn ihr gerades, redliches Herz, und das Verlangen Ihm zu gefallen sehend, begnügt Er sich mit der Liebe fürs Gesetz, und erledigt sie aus der Dienstbarkeit des Gesetzes. Daher steht in 1 .Jon.4,18 geschrieben, dass die Liebe ohne Furcht ist. Aber nur allein die vollkräftige Liebe verbannt alle Furcht, weil die Seele so sehr von der Liebe zu ihrem Gott eingenommen ist, dass sie einzig diese Liebe anschauen kann, ohne an irgendetwas anderes zu denken, und aus Übermass dieser höchsten Liebe vergisst sie das Gesetz, und erfüllt es doch vollkommen, durchdringend seinen Geist im toten Buchstaben.
8) Gedenke, dass du den Sabbathtag heiligest.
10) Aber am siebten Tage ist der Ruhetag, gewidmet dem Herrn, deinem Gott.
Sich der Ruhe erinnern, heisst in der Ruhe beharren, und es ist keine andere Heiligung zu finden, als zu ruhen in der Ruhe selbst; denn es ist die Ruhe Gottes in seiner Wesenheit selbst, Gottes Ruhe in der vernichtigten Seele, und die Ruhe der Seele in Gott.
Diese dreifache Ruhe ist verschiedenartig, und bedarf einer Erläuterung.
Die erste Ruhe ist die Ruhe Gottes und der Seele, wenn sie zur Vereinigung mit Gottes Willen, und zum mystischen, geheimnisreichen Zustand angekommen ist, wo Gott in der Seele wohnt und in ihr ruht, nach den Worten des Sohnes Gottes in Joh.14,23s Sofern jemand mich liebt, der wird mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und unsere Wohnung in ihm aufschlagen.
Die Ruhe der Seele in Gott findet statt nach der Auferstehung, kraft derer die Seele in Gott aufgenommen wird. Erst dann findet die Seele ihre wahre Ruhe in Gott, weil ihre Pein und Unruhe auf immer verschwunden ist. Vorher fand Gott zwar wohl Ruhe in der Seele, weil sie sündenfrei und ihr Wille mit Gottes Wille gleichförmig war, allein die Seele fand ihre Ruhe noch nicht in Gott, denn sie wandelte durch einen Weg voll Ungewissheit, voll Pein und Unruhe. Nur dann geniesst sie der wahrhaften Ruhe, wenn sie in Gott angelangt ist, allwo sie in einem stillen, ruhigen, ununterbrochenen und wechsellosen Zustand harrt. Hier findet sie dann noch eine eigene Ruhe, und es findet sich noch etwas für sie da, weil man diese Ruhe wahrnimmt, und sie wirklich eine Ruhe des Geschöpfs in Gott ist, wird aber wahrgenommen und anerkannt als Ruhe des Geschöpfs.
Gottes Ruhe aber in seiner Wesenheit, in sich selbst, ist die Ruhe, welche Er in einer sehr vernichtigten Seele geniesst, wo alles Kreatürliche oder Erschaffene verschwunden, und nur allein Gott übrigbleibt, der da in sich selbst ruht, nimmermehr hinsichtlich des in Gott übergegangenen Gesetzes, das die eine und nämliche Ruhe mit Gott geniesst, sondern für sich selbst. Denn nachdem Gott das seinige infolge der gänzlichen Vernichtung des Geschöpfs an sich gezogen hat, so bleibt Er alles in Allem nach den Worten des grossen Apostels (1.Kor.15,28), und dies wäre die Ruhe Gottes in Gott.
18) Als das ganze Volk den Donner und den Schall der Posaunen hörte und den Blitz und den rauchenden Berg sah, und sie sich fürchteten und vor Schrecken getroffen waren, traten sie von ferne.
19) Und sprachen zu Mose: Rede du mit uns, und wir wollen hören; der Herr aber rede nicht mit uns, wir möchten sonst sterben.
Wenn die Seele sieht, dass sie sich Gott naht, befürchtet sie sehr den Tod, wohl wissend, dass man sterben müsse um Gott zu sehen. Sobald der Todeszustand beginnt, der lange Zeit dauert, hat die Seele furchtbare Angst auszustehen, und sie würde gern sagen: Ich will lieber nicht weitergehen, als so harte Prüfungen leiden. Sie hält sich fern davon, und bemüht sich, sich gegen den Tod zu verteidigen, weil sie glaubt, dass sie sich Gott nähere gerade zur Zeit, wenn sie sich der Entfernung von ihm erfreut. Betrogen durch die Eigenliebe zieht sie die Erhaltung des eigenen Lebens der Beraubung durch einen heiligen Tod vor, der eine selige Auferstehung in Gott für sie zur Folge haben würde. Dies veranlasst sie, ihrem Führer zu sagen (mehr durch eigentliches Widerstreben als durch Worte): Rede du selbst zu mir, denn solange nur du mit mir sprechen wirst, und ich mich an menschliche Worte und menschliche Mittel halte (oder wenigstens an solche, die die Vernunft begreift), sterbe ich nicht. Allein auf das einzige Wort Gottes hin, und unter seiner besondern Führung, in das Dunkle des sehr nackten Glaubens eingehen, dazu kann ich mich aus Furcht vor Tod und Untergang nicht entschliessen.
20) Mose sprach zum Volk: Fürchtet euch nicht, denn um euch zu prüfen ist Gott gekommen.
Dieser ausgezeichnete Anführer versichert sein Volk, es sei noch nicht Zeit sich zu fürchten, weil das noch nicht der Ort des Todes sei, sondern nur eine Prüfung, welche Gott an seinen inneren Freunden vornimmt, um zu sehen, o sie mutvoll genug seien, die Todesbahn zu betreten.
21) Das Volk stand von ferne. Mose aber nahte sich dem Dunkel, worin Gott war.
Dies auf dem inneren Weg weit geförderte Volk hält sich dennoch sehr entfernt, weil es den Tod fürchtet. Mose aber, durch den Tod gegangen, und in Gott wieder auferstanden, konnte nicht mehr sterben. Daher war er auch furchtlos. Gott war ihm nicht mehr fremd, da er ebenso sehr Mose selbst war, als er nach der Einheit des göttlichen Lebens Gott selbst ist; so dass was andern den Tod verursachte, dem Mose das Leben gab, und dies zwar wegen seinem Zustand der geheimnisvollen Auferstehung in Gott. Aber er geht doch nur ins Dunkel, worin Gott ist, uns zur Lehre, dass wie sehr sich auch Gott in diesem Leben offenbart, dies doch immer für das Geschöpf Dunkelheit ist, das davon nur eine begrenzte, beengte und mit der Glaubenshülle bedeckte Erkenntnis haben kann.
23. Kapitel.
20) Ich will meinen Engel senden, auf dass er vor dir hergehe, dich auf dem Wege beschütze, und dich in das Land einführe, das ich für euch bereitet habe.
Gott ermangelt nicht, uns diesen Engel zu geben, solange er uns notwendig ist. Der Führer ist es, der uns auf dem Pfad bewahrt, allein er kann uns nur an den Ort führen, der für uns zubereitet ist, nachher wird Gott selbst unser Führer.
21) Hab acht auf ihn, und höre seine Stimme, und gedenke nicht ihn zu verschmähen, denn mein Name ist in ihm.
Der Herr gebietet uns diesen Führer zu achten, ihm zu gehorchen, und kein Verdammungsurteil über ihn zu fällen, weil sein Name sich in ihm befinde. Das will soviel sagen, als dass er seine Person vertrete, sein Wort verkünde und infolge seiner Vollmacht handle.
23) Mein Engel wird vor dir hergehen, und soll euch in das Land der Amoriter führen.
Er wiederholt es nochmals, um zu zeigen, wie notwendig die Führung bis zum Eingang ins verheissene Land sei, welches der Ruhestand in Gott allein ist.
24. Kapitel.
1) Gott sprach zu Mose: Steige hinauf zu dem Herrn, du und Aaron, Nadab und Abihu, und siebzig von den Ältesten Israels und betet an von ferne.
2) Und Mose soll allein zu dem Herrn kommen, sie aber sollen nicht herzunahen, und auch das Volk steige nicht mit ihm hinauf.
Aaron war wohl auf dem Berge, was eine grosse Förderung im Vergleich mit dem Zustande des Volkes anzeigt. Aber auf die Spitze des Berges steigen, das durfte nur Mose, weil kein anderer sich auf einen solchen Höhepunkt und zu einer solch reinen Liebe erschwungen hatte. Er war der Brunnen, durch welchen sich die Quelle zum Heil anderer ergossen.
4) Mose schrieb alle Worte des Herrn auf.
5) Und er sandte Jünglinge aus den Söhnen Israels, und sie brachten Brandopfer, und opferten Kälber als Friedensopfer dem Herrn.
Er schrieb des Herrn Worte auf, weil er sie der Nachkommenschaft zurücklassen musste. Gott will, dass seine Diener das, was Er ihnen von seinen göttlichen und verborgenen Wahrheiten mitgeteilt, aufschreiben, damit sie aufbewahrt werden und vielen zum Nutzen gereichen.
Mose sendet ebenfalls die jüngsten Kinder Israels hin, dem Herrn Friedensopfer zu schlachten. Auf solche Weise zu opfern ist das Eigentümliche junger Seelen, die nur Frieden und Süssigkeiten darbringen körnen. Mit geförderten Seelen verhält es sich ganz anders, sie müssen Brandopfer entrichten. Allein wie unter Gnadenkindern es zweierlei gibt (die einen, welche erst seit kurzem auf den Weg des Innern und des Geistes getreten, andere hingegen, welche wegen überaus starkem Vorwärtsschreiten auf demselben Pfade wieder Kinder geworden sind), so unterscheidet auch Mose zweierlei Opfer, das eine das Friedensopfer, und das andere das Brandopfer. Die einen Kinder bringen das erste, und die letztern das zweite dar.
6) Mose nahm die Hälfte des Blutes und tat es in Schalen, aber die übrige Hälfte goss er auf den Altar.
7) Nachher nahm er das Buch des Bundes, und las es dem Volke, welches hörte und sprach: Alles was der Herr gesprochen, wollen wir tun und gehorsam sein.
8) Er aber nahm das Blut und sprengte es auf das Volk und sprach: Das ist das Blut des Bundes, den der Herr mit euch geschlossen, über alle diese Gesetze.
Als Mose das Gesetz vorlas, beobachtete er, dass das Volk mit grosser Fertigkeit und Sicherheit es zu erfüllen angelobte, allein als erfahrener Hirte erkannte er wohl, dass hierin eine geheime Selbstachtung steckte, weil sie sich auf ihre eigenen Kräfte verliessen, und nicht genug Misstrauen gegen sich selbst hatten, um alle ihre Treue einzig von Gottes Güte zu erwarten. Daher goss er das Blut über sie aus, das in den Schalen sich befand, und welches ein wahres Vorbild des Blutes Jesu Christi war. Hiedurch gab er ihnen zu verstehen, dass alle zur Erfüllung des Gesetzes erforderliche Kraft von diesem Blute abhange, und dass sie darin gewaschen und damit bekleidet sein müssten. Ausserdem versichert er ihnen, dass der ganze Bund zwischen Gott und den Menschen hinsichtlich dieses Bluts begründet wurde, und dass kein anderer Bund, als der, welcher auf Jesu Blut befestigt ist, Bestand haben könne.
15) Da Mose hinaufgestiegen war, bedeckte eine Wolke den Berg.
16) Und die Herrlichkeit des Herrn wohnte auf Sinai, und bedeckte ihn sechs Tage mit einer Wolke, aber am siebten Tage rief er ihm aus der Finsternis.
18) Und Mose trat mitten in den Nebel, und stieg auf den Berg, und er war daselbst vierzig Tage und vierzig Nächte.
Mose war in Gott, allein der ganze Berg war für andere mit Dunkel überzogen. Dieser Zustand ist furchtbar finster in Hinsicht derjenigen, welche nicht bis dahin gekommen sind, und nur mit Mühe glauben sie das Unbedeutende, was man ihnen darüber sagt, was für Zeugnisse sie auch immer davon haben mögen, bis die Erfahrung selbst sie erhellt.
Wiewohl Mose schon oft bei Gott gewesen und auf so ausgezeichnete Weise mit Ihm gesprochen, auch mit seiner sonderbarsten Freundschaft ist begnadigt worden, dass man fast glauben möchte, Mose habe schon in diesem Leben das göttliche Wesen auf wenige Augenblicke geschaut, so musste er immerhin noch sechs Tage wie in einem Reinigungsort harren, bevor er so vorwärts in Gott eingehen und so vertraulich mit Ihm wandeln konnte. 0 wie lauter ist Gott! Am siebten Tage rief ihn Gott aus der Mitte der Wolke, und nachdem Mose sich in dieselbe begeben, stieg er vollends hinauf, und weilte in einemfort vierzig Nächte auf dem Berg. Darauf kam er ganz erneuert, ganz umgeändert und immer mehr vergöttlicht zurück. Gott geht sowohl in den Mitteilungen seiner selbst, als in den Mitteilungen seiner Gnade stufenweise, allmählich die Fasslichkeit des Geschöpfs erweiternd, und nicht auf einmal, weil es eine solche Bewirkung nicht ertragen würde. Siehe, wie Mose keinen Schritt aus sich selbst tut, und nicht infolge eigener Bewegung vorwärtsschreitet, sondern ein Ding nach dem andern auf Gottes Befehl verrichtet, und zwar pünktlich, so wie es ihm geboten wurde, so ist dies die erforderliche Treue im ganzen leidenden Zustande, zumal in der Vernichtung, in welcher eine sich selbst abgestorbene Seele zu allem bereitwillig sein soll, was Gott von ihr haben will, ohne Ihm vorzulaufen, noch zu widerstreben.
25. Kapitel.
8) Sie sollen mir ein Heiligtum machen, und ich will in ihrer Mitte wohnen.
10) Machet gleichzeitig eine Lade von Akazienholz.
Dies Heiligtum stellt den Grund und das Innerste der Seele vor, welches die Wohnung des Herrn ist, in der die übernatürliche und unerklärbare Vereinigung stattfindet, und wo die anbetungswürdige Dreieinigkeit thront und sich entdeckt. Man muss diesen Ort für den Herrn aufbewahren, und sich deswegen von allen andern Dingen frei und entblösst halten, auf dass der Herr daselbst wohne und sich offenbare. Diese heilige Stätte sei Ihm allein gewidmet.
Die Bundeslade fand sich im Heiligtum, denn sie war dazu bestimmt, dass aus ihr das Orakel des Wortes Gottes hervorgehen soll. Bis anhin sprach Gott zu seinem Volk nur von ferne, und ohne sich an einem gewissen Ort aufzuhalten. Von nun an will Er aber mitten unter ihnen reden und wohnen, und sich im Heiligtum des Mittelpunkts ihrer Seelen zu erkennen geben und hören lassen.
17) Du sollst zugleich einen Gnadenthron von feinstem Gold machen.
Das durchaus geläuterte und feine Gold deutet die Reinigkeit an, welche sich im Seelengrunde vorfinden soll, auf dass Gott darin erscheine und seine Orakel ausspreche. Es hat ferner die Deutung, wie die Seele kraft des Feuers von allem irdischen und unreinen Wesen geläutert worden ist, bevor sie zum Gnadenthron fähig ist. Es zeigt auch, dass die Seele durch die Probe der Versuchstiegel und unter Hammerschlägen durchgegangen ist.
18) Machet euch zwei goldene Cherubinen, und bringt sie an die beiden Seiten des Orakels an.
20) Ihre Flügel sollen ausgebreitet sein auf beiden Seiten des Gnadenthrons, und sie sollen das Orakel bedecken, und sich einer den andern anschauen.
Der nackte Glaube und die gänzliche Gelassenheit sind die zwei Cherubinen, welche die Bundeslade des Orakels bedecken, d.h. welche der Gnadenthron sind, von woher Gott seine Orakel kundmacht. Der Glaube bedeckt die Seele, der sie abhaltet, sich zu untersuchen, und nichts von allem dem zu sehen, was ihr vorgesetzt wird. Anderseits bedeckt sie gleichfalls die Gelassenheit, sie verhindernd, sich selbst anzuschauen, um entweder ihre Verlierung oder ihren Vorteil zu betrachten, welche sie verpflichtet, sich blindlings zu überlassen. Allein der Glaube und die Gelassenheit sehen sich einander an, wie die zwei Cherubinen auf dem Orakel der Bundeslade, weil sie einer ohne den andern in einer wohlgeordneten Seele unmöglich bestehen körnen, und der Glaube vollkommen der Gelassenheit entspricht, wie die Gelassenheit dem Glauben unterworfen ist.
22) Von da aus will ich meine Befehle erteilen, und will zu euch auf dem Gnadenthron reden.
Der Herr will sagen, dass Er sich von nun an von dem Innersten, vom Grunde der Seele aus, als von seinem Orakel und nimmermehr von den Seelenvermögen her, hören lassen werde. Erfahrene begreifen die Verschiedenheit der göttlichen Mitteilungen, die anderswo erklärt sind, so deutlich, als man unerklärbare Sachen erklären kann.
40) Betrachte es wohl, und mache alles nach dem Bilde, das dir auf dem Berge gezeigt worden ist.
Dieses Bild ist Gott selbst, in welchem die ewigen Gedanken aller Dinge sich befinden, und Jesus Christus, sein Wort, drückt sie aus. Alles was zur Heiligung der Seelen angewendet wird, muss nach diesem Bildnis abgemessen werden.
26. Kapitel.
33) Der Vorhang soll das Heiligtum vom Allerheiligsten scheiden.
Gott will das Heiligtum vom Heiligen der Heiligen scheiden. Das Heiligtum ist das Innerste der Seele, und der Heilige der Heiligen ist Gott selbst. Sie sind vereinigt und getrennt; sie sind darin vereinigt, weil der Mittelpunkt in Gott ist und Gott im Mittelpunkt. Und getrennt sind sie infolge der Verschiedenheit' des Zustandes. Denn Gott im Innersten besitzen ist etwas sehr Grosses, aber dass Gott in Ihm selbst für sich selbst verbleibe, ist noch eine weit erhabenere Stufe. Oben (Kap.20,8) wurde erklärt, was Gott in uns, wie in Gott und Gott in sich selbst ist.
Der Vorhang der Trennung zwischen dem Heiligtum und dem Allerheiligsten stellt ebenfalls die wesentliche, ewig bleibende Verschiedenheit zwischen Gott und seinem Geschöpfe mit der unerklärbaren Vereinigung mit Liebe und Umgestaltung, als Folge der Vernichtigung der Seelen in ihnen selbst, und ihr Hinfliessen in Gott vor. Gott bleibt Gott, von der umgestalteten Seele wesentlich unterschieden, wiewohl die vergöttlichte Seele infolge dieser unaussprechlichen Vereinigung eine und die gleiche Sache mit Gott wird (Joh. 17,21 & 1.Kor.6,17).
27. Kapitel.
21) Aaron und seine Söhne sollen die Lampen zurichten, auf dass sie leuchten bis an den Morgen vor dem Herrn. Das sei ein ewiger Gottesdienst der Söhne Israels für die kommenden Geschlechter.
Die Lampe der Liebe muss immer brennend sein und ohne Unterbruch in des Herrn Gegenwart leuchten.
28. Kapitel.
30) Diese zwei Worte, Lehre und Wahrheit, sollst du auf das Brustblatt des Urteils graben.
Drei Dinge sind am geistlichen Brustschild zu bemerken: Urteil, Lehre und Wahrheit. Das Urteil ist nicht so schwer wie die Lehre, da es von demjenigen abhängt, der urteilt, und ist eine Anwendung der Lehre auf die Sache, über welche geurteilt wird. Sicherer ist hingegen die Lehre als das Urteil, weil sie Wissenschaft und Erfahrung zum urteilen gebraucht. Allein die Wahrheit ist über alle erhaben. Da sie das Letzte ist, worauf Urteil und Lehre sich beziehen, so wie sie auch die Quelle ist, von welcher sie ausfliessen, so muss man diese beiden Stufen erreicht haben, um in die Wahrheit einzugehen. Dies war aber deswegen auf dem Brustschild eingegraben, um zu zeigen, dass unsere Vernunft sich durch das Urteilen übt, dass sie sich unterwirft, und infolge der Lehre unterrichtet, dass sie aber alle ihre Erleuchtung nur von der Wahrheit erhält. Das Urteil ist in uns, die Lehre wird andern mitgeteilt, um sie dadurch zum Gehorsam und zur Unterwürfigkeit zu locken. Allein die Wahrheit bleibt in Gott, und man muss in Gott sich befinden, um in der Wahrheit zu sein. Wegen dieser Ursache wird auch der Heilige Geist der Geist der Wahrheit genannt (Jon.14,17).
36) Du sollst auch eine Stirnplatte von feinstem Golde machen, und darin eingraben: DIE HEILIGKEIT IST DEM HERRN.
Dass Gottes Name auf die Stirne gegraben wurde, ist notwendig, denn dieser Name ist ganz Gottes. Es ist der Name derjenige, der ist, oder auch alle Heiligkeit ist denjenigen, der ist.
38) Diese Platte soll er beständig an seiner Stirne tragen, auf dass der Herr ihm gnädig sei.
Nun trägt die Seele diesen Namen auf ihrer Spitze, durch die Stirne gedeutet, weil sie sonst, ohne auf einen erhabenen Standpunkt angekommen zu sein, das All Gottes und das Nichts des Geschöpfs, so wie es wirklich ist, nicht erkennen könnte. Viele meinen, diese Erkenntnis ganz zu besitzen, da sie dieselbe doch nur oberflächlich innehaben. Die Vernichtung einzig kann davon die Überzeugung aus Erfahrung geben.
Warum fügt die Schrift noch hinzu; Auf dass der Herr ihm gnädig sei? Es geschieht deswegen, weil Gott einer Seele nicht zuwider
sein kann,' welche in die Wahrheit des All Gottes und ihrer Nichtigkeit versetzt ist. Dieser Gerechtigkeit zufolge, die sie ihrem Schöpfer erwidert, zieht sie seine mildesten Blicke an sich. Und eben diese Wahrheit trägt sie bildlich auf dem Brustschild, und wesentlich an der Stirne. Denn die göttliche Wahrheit als Gott kann nur oberflächlich und bildlich unter die Vernunft fallen, wesentlich ist sie aber im obern Seelenteil eingegraben, wo sie infolge der Erschaffung eingepflanzt wurde, allein durch die Sünde gleichsam ausgestrichen worden ist, wo sie aber wieder mit Übermass in allen vernichtigten Seelen von Jesus Christus hergestellt wird.
29. Kapitel.
21) Nimm vom Blute auf dem Altar, und vom Salböl, und besprenge Aaron und seine Kleider, und seine Söhne und ihre Kinder.
Der Priester, als Gottgeweihter, musste gesalbt werden, allein das Einsalbungsöl war die Salbung des Heiligen Geistes, das er selbst infolge seines göttlichen Eingusses auf apostolische Menschen ergiesst. Das über sie ausgeschüttete Blut belehrt uns, dass sie keine andere Gewalt und flacht an den Seelen ausüben können, als durch Jesus Christus, und dass es in seinem Blute war, dass von nun an alle Dinge geschehen, da alle Heiligkeit und das ganze Priestertum infolge der Ausgiessung seines Bluts eingeweiht wurde.
25) Dann nimm alles aus ihren Händen, und zünde es an über dem Altar zum Brandopfer, zum überaus süssen Geruch vor dem Angesichte des Herrn, denn es ist sein Opfer.
Alle übrigen Opfer sind mit gewissem Eigennutz vermengt. Sie werden entrichtet, entweder um Vergebung der Sünden zu erlangen, oder um von der Strafe befreit zu werden, oder zur Besänftigung des göttlichen Zorns, oder auch zur Erhaltung einiger Gnaden von seiner Güte. Alle behalten sich etwas vor, und sind deswegen noch unvollkommen. Nur beim Brandopfer wird alles aufgezehrt. Dies vollkräftige Opfer bildet die Vernichtung vor, und gehört einzig Gott an, daher heisst es auch das Opfer des Herrn, das einen sehr angenehmen Geruch vor Ihm verbreitet.
31. Kapitel. 18) Gott gab Mose auf dem Berge Sinai zwei steinerne Tafeln des Zeugnisses, geschrieben mit dem Finger Gottes.
Wenn die Seele zur göttlichen Unbeweglichkeit gekommen, so gräbt Gott sein Gesetz mit seinem Finger auf Stein; dann besitzt sie kein anderes Gesetz mehr, als das in ihr Herz eingegraben ist. Von dieser Zeit an wird ihr das Gesetz so eingeprägt, dass es ihr wie ganz natürlich vorkommt. Darauf sieht sich die Seele gleich einem Felsen an, auf welchem das Gesetz geschrieben steht, aber mit Gottes Finger geschrieben, so zwar, dass Er es selbst nach seinem Belieben in ihr erfüllt. Da die Seele jetzt in reiner Liebe wandelt, so befindet sie sich in gesetzlicher Vollkommenheit und in wahrer Erfüllung und Beobachtung desselben. Denn die Liebe ist ja des Gesetzes Vollkommenheit (Matth.22,40). Es geschieht also durch die Liebe, dass die Gott durchaus ergebene Seele, ohne ans Gesetz zu denken, es treu und pünktlich befolgt, weil sie mit Gottes Wille vereinigt, und in Ihn über alles Gesetz, kraft vollkommener Liebe, umgewandelt ist (Matth.12,7).
32. Kapitel.
1) Als aber das Volk sah, dass Mose verzog vom Berge herabzukommen, versammelte es sich wider Aaron, und sprach: Stehe auf, mache uns Götter, die vor uns hergehen; denn was diesem Manne, Mose, der uns geführt aus dem Lande Ägypten, begegnet ist, wissen wir nicht.
Die einzige Klippe, an der sich der Gott gelassene und schon so sehr vorwärts geschrittene Mensch, vorgebildet durch dieses Volk, stösst und aus seinem Zustande herausgeht, ist die Abgötterei. Da aber die Weltweisen solches angreifen körnten, muss es etwas weitläufiger erklärt werden.
Vorausgesetzt also, dass, wie die allseitige, rohe und verruchte Abgötterei dadurch ausgeübt wird, wenn man dem alleinigen, wahren Gott die höchste, Ihm schuldige Verehrung und Anbetung entzieht, um sie entweder dem Geschöpfe zuzueignen und es als Gott anzubeten, oder da man mehrere Gottheiten anerkannt (was ja gerade soviel heisst, als keine anerkennen), so darf man auch, wenn man das, was Gott infolge der Ihm allein vorbehaltenen höchsten Verehrung und Anbetung gebührt, zergliedert, und einiges davon dem Geschöpfe zukommen lässt, ein solches Betragen teilweise und geheime Abgötterei nennen. Und fügt man dieses Unrecht dem wahren und einzigen Gott zu, so heisst es im rechten Sinne Abgötterei treiben, und fremdartige Verehrung und Anbetung mit der Anbetung Gottes verbinden wollen.
Nun geschieht dies aber (ausser der Untreue des ersten und strafbaren Vergehens) entweder mit bemerkbarer Bosheit, welche hinlänglich ist, um daraus auf gewisse Weise ein Verbrechen gleich demjenigen von ungläubigen Götzendienern zu machen (wie Paulus sagt, dass es solche gebe, die aus ihrem Bauch ihren Gott machen, und dass der Geiz Abgötterei sei), oder es geschieht mit geringem Fehler, Eigenheit genannt, wodurch der Mensch einen Teil von der Gottesanbetung und Verehrung für sich selbst behält, den er Gott lassen sollte, um Ihn vollkommen anzubeten. Dies ereignet sich, wenn man entweder etwas bei der Hingabe, die man Gott mit sich selbst machen sollte, zurückbehält, oder, da man sich nach der Übergabe in etwas zurücknimmt. Die Abgötterei von boshafter Untreue, in die das jüdische Volk zu fallen beginnt, und in welche es später so oft sinken wird, ist das Bild einer eigenheitsvollen Treulosigkeit, in die alle mehr oder weniger verwickelt werden, deren Liebe noch nicht durchaus geläutert worden, und folglich noch eigennützig ist; wie auch alle diejenigen, welche, nachdem sie infolge der Übergabe grosse Fortschritte auf dem Geisteswege gemacht, hernach wieder durch ihre Rücknahme in sich selbst verfallen, und eben dadurch, und zwar einzig dadurch, Anlass zu grossen Fehltritten geben.
Dieses sei zum voraus gesagt: Gott sah vor dieser Zeit die Schwachheiten des jüdischen Volkes nicht als schwere Sünden an. All ihr Murren, all ihr Klagen wurde wie für nichts geachtet, sogar hatte sie Gott jederzeit mit neuen Wohltaten überhäuft. Allein die hier begangene Sünde bewirkt, dass die Seele ganz aus ihrem Zustande herausgeht, auch selten tritt sie ohne ein Wunder des Erbarmens wieder in denselben zurück. Dieser Götzendienst findet statt, da der Mensch seinen Willen von der Vereinigung mit Gott, in welcher er sich befand, wegzieht, um sich in einen von ihm selbst erdichteten Zustand zu versetzen, und zu den eignen Erfindungen wieder zurückzukehren. Denn, müde eines so nackten Zustandes, weicht er ab von seiner Gelassenheit, und geht aus der Verlierung in Gott heraus, und bemüht sich, in den menschlichen Erfindungen das zu suchen, was er in Gott allein nicht finden konnte.
4) Aaron machte ein gegossenes Kalb, und die Israeliten sprachen: Siehe da deine Götter, o Israel, die dich aus Ägypten geführt haben.
5) Da das Aaron sah, baute Aaron einen Altar vor dem Kalbe, und rief durch eines Herolds Stimme, und sprach: Morgen ist des Herrn Fest.
Eine so treulose Seele, die sich von Gott zurückzieht, eignet dem Geschöpf, ja sogar Tieren, d.h. ihrer eigenen Anstrengung und Geschäftigkeit, alle früher empfangenen Gnaden zu, und spricht: Meine Geschäftigkeit und Anstrengung haben mich aus meiner Gefangenschaft herausgeführt. Hier fügte man noch zur Abgötterei die Gotteslästerung hinzu. Da nun dies treulose Geschöpf sich so von Gott weggekehrt, zur Zeit, da es am innigsten mit Ihm vereinigt war, so versinkt es wieder in Eigenheit, und dieser Abgötterei zufolge verfällt es in mancherlei Unordnung.
Vorerst entzieht der Mensch sein Gemüt der höchsten Gottesverehrung, die er Ihm schuldig ist.
Diese höchste Gottesverehrung ist aber die erhabenste Anbetung, infolge derer er erkennt, dass Gott über alle Wesen hoch oben ansteht. Ein solcher Gottesdienst gebührt Gott allein, und dieser erste Teil der Anbetung ist dem Geiste eigen. Der zweite Teil der Anbetung ist die Liebe, vermöge welcher man Gott allem andern vorzieht. Und dies ist die Anbetung des Herzens, mit welchem Herzen der Mensch, sofern er ein Geschöpf liebt, sich von solcher Liebe wegwendet, welche seinem Schöpfer auf die ausgezeichnetste Art gebührt, und in einen Zustand verfällt, der der Liebe zuwider ist. Diese beiden Teile (die Gottesverehrung und die Liebe) sind wesentliche Dinge der Anbetung, und können von dieser nicht geschieden werden. Wenn ich also eine andere höchste Gewalt als Gott anerkenne, so treibe ich mit Geist und Verstand Abgötterei, und wenn ich etwas anderes mehr als Gott liebe, so begehe ich Abgötterei im Herzen. Zieht man Geist und Gemüt von der Gott schuldigen Abhängigkeit ab, wie auch die Verlierung in Ihn (wodurch man kraft einer verborgenen und nicht wahrnehmbaren Anbetung die höchste Macht Gottes erkennt, sich von Gott führen lässt, sich Gott hingibt, ohne Sorge um sich selbst, da ihr Gott für alles genügt, das Geschöpf aber allem ohnmächtig entsagt), wenn man, sage ich, seinen Geist so von der Abhängigkeit Gottes und der Verlierung in Ihn abzieht, so treibt man dadurch im Geiste mit Sachen, die das Innere betreffen, Abgötterei. Zieht man aber sein Herz geflissentlich von Gott ab, um das Geschöpf ausser Gottes Ordnung selbst zu lieben, oder das Geschöpf in etwas zu lieben, das Gott zuwider ist, so treibt man Abgötterei mit dem Herzen. Infolge dieser Abgötterei geht die Seele wieder mit Geist und Herz in Eigenheit über, da sie diese von der Unterwürfigkeit gegen Gott abzieht (in welcher Unterwürfigkeit sie der an Gott geschehenen Übergabe zufolge stünde), und sich dadurch von der reinen Liebe losreisst, welche die vollkommene Vereinigung mit Gottes Wille war.
Nun aber sage ich, dass eine Seele dieses Grades auf die Pfade der Sünde nicht hinübertreten könne, noch zu sündigen vermöge, wenigstens nicht auf eine Weise von Wichtigkeit, ohne allein hiedurch. Denn solange der Geist und das Gemüt von der Überlassung nicht abweicht, und der Wille des Geschöpfs aus der Vereinigung mit Gottes Wille nicht herausgeht, solange kann es nicht sündigen, welche Gebrechen es auch haben mag. Denn sobald der Mensch sündigt, hört er eben dadurch auf, mit Gottes Wille vereinigt zu bleiben, und mit Gott der Sünde halber vereinigt zu werden. Nun aber sündigt der Mensch eben dadurch, dass er sich der Gleichförmigkeit mit Gottes Willen entwunden hat, indem Gottes Wille und die Sünde in keiner Weise nebeneinander bestehen können. Johannes bekräftigt diese Wahrheit deutlich in Joh. 5,18: Wir wissen, sagt er, dass ein jeder, der aus Gott geboren ist, nicht sündigt, sondern die Geburt, die er von Gott hat, bewahrt ihn, und der Arge lässt ihn unberührt. Aus Gott ist man geboren, sofern man in Geistes- und Herzens-Einigkeit infolge vollkommener Gelassenheit verbunden bleibt. Solange der Mensch in dieser Mitte von Sicherheit sich befindet, so berühren ihn weder Sünde noch Satan; sobald er aber aus derselben heraustritt, durchbohren ihn Pfeile der Sünde und des Argen, und infolge der Eigenheit verlässt er diesen Mittelpunkt. Wer immer Erfahrung von Gesagtem hat, versteht mich.
7) Der Herr sprach zu Mose: Gehe, steige hinab, denn dein Volk, das du aus Ägypten geführt hast, hat gesündigt.
Gott nennt dies Volk das Volk von Mose, und nicht mehr sein Volk wie vorhin, und das wegen der Sünde. Sobald die mit Gott vereinigte Seele sündigt, verwirft Er sie. Sobald das Volk Abgötterei getrieben, wurde es so unvernünftig, dass es sich ganz änderte, und infolge des Verlusts allen Verstandes reizte es Gott zum Zorn.
9) Der Herr sprach ferner zu Mose: Ich sehe, dass dies ein hartnäckiges Volk ist.
10) Darum lass mich machen, dass mein Zorn wider sie er grimme, und ich sie vertilge, und ich will dich zum Vorsteher eines andern grossen Volks machen.
11) Mose aber bat den Herrn, seinen Gott und sprach: Herr, warum ergrimmt dein Zorn wider dein Volk, das du herausgeführt aus dem Lande Ägypten, mit grosser Kraft und mit starker Hand?
Mose, ganz unschuldig, stellt sich hin gleich einem Damme zwisehen Gott und das Volk, um zu verhindern, dass der Strom seines Grimms sich nicht über dasselbe hinstürze. O wie mächtig ist doch eine ganz vernichtigte Seele bei Gott, und wie grosse Dinge führt Er nicht ihretwegen aus! Scheint es nicht, als wende sich Gott bittweise an Mose? Lasse mich machen, sagte Er zu ihm. Der Mensch als Freund Gottes hindert das Auflodern seines Zorns, als wenn Gott nicht allmächtig wäre. Allein beherzige wohl, dass eine ganz entwordene Seele, und die nichts mehr als Gott für sich hat, gewissermassen sich Gottes Macht bedient. Der Herr war damals wahrhaftig der Gott Moses, der ihn beschwor, sprechend: Herr, warum entbrennt dein Zorn gegen dein Volk? Er erinnert Gott, dass es ja nur sein Volk und nicht Moses Volk sei, und vergegenwärtigt Ihm die dem Volke erwiesenen grossen Wohltaten, auf dass so viele Gnaden nicht unnütz dahinschwinden.
12) O dass die Ägypter doch nicht sagen können: Mit List hat er sie herausgeführt, um sie zu töten auf dem Gebirge, und zu vertilgen auf der Erde. Lass ruhen deinen Zorn, und sei gnädig über die Bosheit deines Volks.
Die Bitten und Vorstellungen, welche Führer Gott für die ihnen anvertrauten aber verirrten Seelen machen, bezwecken nichts anderes, als die Beförderung der Ehre Gottes infolge ihrer Rückkehr. Herr! sagen sie, wenn du sie nach den begangenen Sünden verwirfst, so wird dein lauterster Pfad verspottet und verschrien, und man wird wegen ihnen ausrufen: „Sehet doch, wie die Wege der Gelassenheit ein Ende nehmen! Sie müssen wirklich nichts taugen, weil man darauf zugrunde geht. Es ist also nicht gut, dass man sich Gott ganz anvertraue, man kann hierin zu viel tun, und es ist auch viel besser, dass man selbst arbeite und beschäftigt sei.“
13) Gedenke an Abraham, Isaak und Israel, deine Diener, denen du geschworen bei dir selbst, und gesagt hast: Ich will euren Samen mehren wie die Sterne des Himmels, und dieses ganze Land, wovon ich geredet, will ich eurem Samen geben, und ihr sollt es besitzen immerdar.
14) Darauf ward der Herr versöhnt, und er entschloss sich, das Übel nicht zu tun wider das Volk, das er ihm antun wollte.
Der Führer erinnert Gott ferner an die Treue seiner Verheissung, durch welche Er verspricht, dass die Seelen, sofern sie auf dem Weg des nackten Glaubens, des reinen Opfers und der wahren Gelassenheit harren, in das verheissene Land gelangen sollen, worunter die Vereinigung mit Gott und seine wahre, gründliche Besitznahme verstanden wird. Allein, o Güte eines Gottes! Auf die einzige Fürsprache eines deiner Diener, sofern er vernichtigt und ohne Eigennutz ist, und in allen Dingen nur Gottes Ehre und Verherrlichung anschaut, hältst du deine gerechte Rache auf! Mose klagt nicht über die von dem Volke ihm verursachten Mühsale, nicht über den Schmerz seines etwaigen Verlusts, nicht über das zu erwartende Gerede gegen ihn, nicht über das und dies, dessen man ihn beschuldigen könnte, sondern er befürchtet einzig, dass Gott deswegen gelästert werden möchte. O wie eine bewundernswürdige Sache ist es um eine uneigennützige Seele !
25) Da Mose sah, dass das Volk entblösst war wegen Aaron, der das Volk durch den schaudervollen Greuel entkleidet, und sie mitten unter ihren Feinden ganz nackt gelassen hatte.
Der Ausdruck entblösst deutet sehr richtig den Zustand des abgefallenen Volkes; denn es hatte wirklich schon seine eigene Kraft bei der Zubereitung, um in Gott eingeführt werden zu können, verloren, was allerdings erfordert wird, damit es mit Gott selbst wieder bekleidet werden möge. Im Zustande der Sünde nun fühlt es sich auf zweifache Weise entblösst; infolge der Sünde verlor es Gottes Kraft, und es vermisste auch seine eigene. Deswegen ist es so äusserst schwer, dass solche Menschen sich wieder bekehren. Denn nach Paulus ist es beinahe unmöglich, dass diejenigen, welche einmal erleuchtet worden, die Himmelsgabe verkostet und den Heiligen Geist empfangen haben, nachher aber tief fallen, sich wieder durch die Busse erneuern (Hebr. 6,4). Damit ist nicht gesagt, dass sie nicht selig werden können, sondern dass es sehr schwer hält, sich wieder auf jene Stufe zu erschwingen, von der man hinuntergefallen; weil diese Art Busse sehr verschieden von jener ist, welche von andern Sündern gefordert wird, die sich nie vollkommen bekehrten, noch auf dem geistigen Pfade weit vorangeschritten sind.
Mose, sein Volk so entblösst sehend, schreibt diese Blösse Aaron zu, weil er für sie den abgöttischen Gegenstand geschmiedet hatte. Allein, er setzt gleichfalls hinzu, das Volk sei durch einen schaudervollen Greuel entblösst worden, indem alles Fremdartige vor Gott Unflat ist, und es keine grössere Sünde gibt als Götzendienst, und sonach ist er die Schande des Unflats und des Auswurfs der übrigen Sünden. Und infolge dieser auf einer so hohen Stufe begangenen Sünde stürzt die treulose Seele in den bedauernswürdigsten Abgrund. Denn da sie schon lange ihrer eigenen Kraft ist beraubt worden, und hier Gottes Kraft verlassen hatte, fällt sie ganz nackt in die Hände ihrer Feinde, welche sich voll Freude an ihr rächen, wegen der langen Beraubung der Gewalt, die sie vordem über sie ausübten. Denn sie konnten ihr zur Zeit, als sie in Gott wie in einer unüberwindlichen Festung war, keinen Schaden zufügen.
26) So trat er in das Tor des Berges, und sprach laut: Ist einer des Herrn, so geselle er sich zu mir; und alle Kinder Israels sammelten sich um ihn herum.
Mose will diejenigen sehen, welche bei einer so allgemeinen Sünde noch etwas von dem, was sie vorher hatten, bewahrten; oder sich nicht haben infolge eines so weit verbreiteten Götzendienstes verführen lassen. Er warnt sie, an ihn sich anzuschliessen, und die ganze, zum Priestertum bestimmte Zunft Levi, folgt ihm. Diese Opferer des Allerhöchsten, welche die Seelen eines reinen Opfers vorbilden, harren in ihrem Opfer, und lassen sich durch den unglücklichen, tiefen Fehltritt anderer nicht hinauslocken. Daher verdienen sie, infolge einer so seltenen Treue, im Priesteramt mit Mose vereinigt zu bleiben.
27) Und er sprach zu ihnen: Dies spricht der Herr, der Gott Israels, jeder tue sein Schwert um die Hüfte, und gehet hin und her, von Tor zu Tor, durch die Mitte des Lagers, und jeder töte seinen Bruder, und seinen Freund, und seinen Nachbar.
Allein, um welchen Preis unterscheiden sich diese treuen Seelen von ihren Brüdern? Sie mussten alles, was sie noch in Zukunft zum Götzendienst verleiten könnte, töten, ohne weder des Bruders noch des Freundes, noch des liebenswürdigsten Gegenstandes zu schonen. Die treuen Leviten geben damit allen denjenigen, die dieser grausamen Rache entkommen, ein Beispiel von der zu verrichtenden Busse. Denn gefallene Seelen auf dieser Stufe müssen ohne zu zögern sich frischhin opfern, und ohne sich bei ihrem auch tiefsten und schwersten Fehltritt zu verweilen, müssen sie sich Gott ergeben, um ewig in allem seinen Willen zu erfüllen, sich in Ihn, der deutlichen Erkenntnis ihrer Ohnmacht zufolge, vertiefend, durch die sie an sich selbst verzweifelnd, angespornt werden, sich vermöge des Misstrauens gegen sich selbst, in Gott zu verlieren, welches Misstrauen eine Folge der Erfahrung ihrer Schwachheit und Gebrechen ist, obwohl dies in einem schon weit geförderten Zustande geschieht. Dadurch, dass sie die Gelegenheit der Sünde aus all ihren Kräften töten, und sich ohne Schonung davon losmachen, werden sie Mörder an ihrer Selbstliebe und Selbstsucht, welche sie zur Abgötterei verleitet hat. Daneben müssen sie ferner, infolge eines neuen und sehr reinen Opfers, die Verzeihung ihrer Missetat Gott anheimstellen, dieselbe seinem Willen überlassen, so wie es zu seiner grossen Ehre gereichen wird, ohne die Vergebung auf irgendeine Weise sich anzumassen, oder Versicherung zu begehren, ob Gott ihnen barmherzig sein werde.
28) Die Söhne Levis taten nach dem Worte Moses, und es fielen an diesem Tage gegen dreiundzwanzigtausend Mann.
29) Und Mose sprach: Ihr habt eure Hände dem Herrn geweiht, da ein jeder von euch seinen Sohn und seinen Bruder ermordet hat, auf dass der Segen über euch komme.
Seelen vom beschäftigten Leben übergeben sich Gottes Barmherzigkeit, und ihr Vertrauen auf dieselbe bewirkt, dass sie infolge der gewöhnlichen Busse Erlass ihrer Sünden erhalten. Seelen aber auf dieser Stufe müssen ganz uneigennützig handeln, sofern sie sich hinopfern, selbst mit Einwilligung, von der verdienten Bestrafung nie befreit zu werden. Ja sie sollen so vollkommen das Opfer darreichen, als diejenigen es begreifen, die darüber infolge übergrosser Liebe Gottes einen Erleuchtungsstrahl haben, welche, ohne von Gott Nachlass der Sünden, sondern nur seinen Willen und seine Verherrlichung begehren (1.Petr.4,8), eine Menge der grössten Sünden unfehlbar und augenblicklich zudeckt, da sie somit ohne Erbarmen allen eigenen Vorteil, vorgebildet durch Sohn, Bruder und Freund, opfert.
Gleichwie diese Art Busse die Seelen auf die Stufe, von welcher sie herunterfielen, wieder hinaufzuführen vermag, und sie eigentlich diesem Fehltritt der leidenden oder geistigen Menschen angemessen ist, so vermöchte auch jede andere Bussart zwar ihr Heil versichern, niemals sie aber wieder auf den früheren Standpunkt zurückführen. Sie würden im Gegenteil immer mehr von der früheren Stufe abweichen, indem derlei Busse die Seelen in Selbstsucht tiefer versenkt, und mit grösserer Anhänglichkeit an dieselbe befestigt.
Diese Bussart aber ist nach dem Vergehen dieser Seelen etwas für die Eigenliebe, die in ihnen noch ganz lebendig ist, und durch die Sünde recht aufgeweckt wurde, so Beschwerliches und Unerträgliches, dass solche Menschen sich eher lebendig schinden Hessen, als in dieser Busse treuvoll zu harren, nämlich die Qual ihrer Missetaten langsam hinein zu trinken, und sich durch die brennende Hitze Auserwählung eingeschrieben war. Solche Gebetsweise nötigt Gott zu vergeben. Denn wie könnte eine so lautere, so rücksichtslose Liebe nicht alle Dinge erhalten? Paulus, der grosse Seelenführer, tat das gleiche, als er begehrte, ein Fluch zum Heil seiner Brüder zu werden (Rom.9,3). Beide verstanden sehr wohl, infolge eigener Erfahrung, wie weit das Opfer vollkommener Liebe sich erstrecken könne.
33. Kapitel.
1) Der Herr redete zu Mose und sprach: Mache dich auf, ziehe hinauf von diesem Ort, du und dein Volk, das du herausgeführt aus dem Lande Ägypten, in das Land, das ich Abraham, Isaak und Jakob geschworen, da ich sprach: Deinem Samen will ich es geben.
Nicht achtend der Sünde willst du doch, o Herr! diesem dank- und treulosen Volke, deinem gegebenen Worte wegen und in Rücksicht auf den Glauben, das Opfer und die Gelassenheit, die sie früher übten, Belohnungen zukommen lassen. Aber erlaube mir, dir aufrichtig zu gestehen, dass gerade diese Belohnungen furchtbare Bestrafungen sind; denn was den Sinnen schmeichelt, schadet dem Geiste.
2) Ich will meinen Engel vor dir hersenden.
3) Du wirst ins Land ziehen, das von Honig und Milch fliesst. Denn ich will nicht hinaufziehen mit dir, weil du ein hartnäckiges Volk bist, dass ich nicht etwa auf dem Wege dich vertilge.
Du willst ihnen, o Gott, Süssigkeit, Trost, aussergewöhnliche Dinge, wie sichtbare Engel, die sie auf ihrem lichtvollen Wege begleiten, zukommen lassen. Du willst sogar Wunder zu ihren Gunsten wirken. Das sind freilich grossartige Dinge, die unwissende Menschen sehr hoch schätzen; allein sie sehen die schreckliche Strafe, die darin eingeschlossen ist, nicht. Denn infolge deiner Gaben, mit denen du sie überhäufst, beraubst du sie deiner selbst. 0 entsetzliche Bedrohung! Nimm doch alles, alles hinweg, und schenke dich uns, und mehr wünschen wir nicht. Das ist das Strafgericht, womit du undankbare, sinnliche und selbstsüchtige Menschen und Völker zu schlagen pflegst.
Es ist bemerkenswert, dass die Worte: Denn ich will nicht hinaufziehen mit dir, sehr sinnreich deuten, wie ihnen Gott seine Gaben statt sich selbst mitteilt, und dass man öfters als Belohnung anschaut, was an sich eine wahrhafte Bestrafung ist. Er sagt ferner,
dass Er wegen ihrer Hartnäckigkeit nicht mit ihnen wandeln könne, weil Er genötigt wäre, sie zu verzehren und zu vernichten, sofern Er sie auf den lautern und nackten Pfad hinführen wollte, durch welchen man allein auf die vollkommenste Weise zu Gott gelangen kann, was sie aber nicht aushalten würden.
4) Als das Volk die so gar böse Rede hörte, fing es an zu weinen, und keiner legte seine Kleider und seinen Schmuck an, wie er gewohnt war.
Dies Volk, welches seiner Missetat wegen den Weg der Wahrheit nicht ganz vergessen, betrug sich hierin mit grosser Weisheit. Sie sind durch diese so nachteilige Rede sehr bekümmert, und auf alle diese Gaben wenig achtend, wollten sie sich mit keinem Schmuck zieren, um Gott zu zeigen, dass sie auf all diese Güter wollten Verzicht leisten, auf dass Er seine beseligende Wohnung mitten unter ihnen aufschlage. Das ist die rechte Handlungsweise, um Gottes Herz zu gewinnen.
5) Der Herr sprach zu Mose: Sage den Söhnen Israels: Du bist ein hartnäckiges Volk. Zöge ich einmal mit dir, ich müsste dich vertilgen. So lege nun deinen Schmuck ab, und ich will sehen, was ich mit dir tun soll.
Gott prüft dies Volk, um zu sehen, ob es wirklich Gott einzig meine oder nur seine Gaben verlange. Er selbst bedroht sie auf furchtbare Art: Zöge ich einmal mit dir, spricht Gott, ich müsste dich vernichten. Leget also gleich alles ab, was bei euch von meinen Gnadenbezeugungen noch übrig geblieben ist; dann will ich sehen, was ich tun soll. Wieviele Seelen würden auf eine gleichartige Rede sprechen: „Der Engel geleite uns, die Gaben bleiben unter uns, und Gott komme ja nicht mit uns.“
Dies bei obigem Anlass sehr gut unterrichtete Volk aber tut wirklich sprachlos das Gegenteil, und mit seinem Stillschweigen zeigt es deutlich, wie sehr es, was es immer auch kosten möge, doch Gott allem übrigen vorziehe, sich von all seinem Schmuck entblössend.
Warum sagt jetzt aber die Schrift, die kurz vorher gemeldet, dass sie ihren gewöhnlichen Schmuck nicht angelegt, dass sie sich von demselben entblössen soll? Dies ist so zu verstehen: Sie bekleideten sich nicht mit den Gnaden, die Gott ihnen statt seiner selbst geben wollte, vielmehr verachteten sie dieselben; um Gott auch hier zu beweisen, dass sie Gott allein und nicht seine Geschenke verlangen. Sie entblössen sich sogar gleichzeitig von den ihnen noch übriggebliebenen und vorher empfangenen Gaben, ihre Vernichtung allem übrigen vorziehend, sofern sie nur zu Gott führe.
6) Die Kinder Israels legten ihren Schmuck am Berge Horeb ab.
7) Und Mose nahm ein Zelt, und schlug es draussen auf, fern vom Lager, und nannte seinen Namen das Zelt des Bundes. Und alles Volk, das zu fragen hatte, ging hinaus zu dem Zelte des Bundes, ausser dem Lager.
Sobald die wahrhaft grossmütige Entblössung geschehen, richtete Mose vor ihnen das Bundeszelt auf, zum Kennzeichen, dass Gott selbst mit ihnen wandeln wolle. Als Mose in sein Zelt hineinging, erschien ihm alsbald der Herr und sprach aus einer Wolke wie vorher mit ihm.
8) Als Mose in das Zelt des Bundes hineingegangen war, so stieg die Wolkensäule nieder, und stand vor der Tür des Zeltes und sprach mit Mose.
9) Da alle es sahen, dass die Wolkensäule vor der Türe des Zeltes stand, standen sie auf und beteten an in den Türen ihrer Zelte.
Da fanden also die armen Missetäter ihren Zufluchtsort, wo sie Gott um alles Notwendige baten. Alsbald, als sie infolge der Wolkensäule erkannten, dass Gott mitten unter ihnen sei, beteten sie von ihren Zelten aus (d.h. von dem Ort ihrer Ruhe her) Gott an. Denn eine recht leidende Seele kann dies in allen Dingen tun, ohne aus ihrer Ruhe herauszugehen; und diese Weise anzubeten ist vor allen andern die vollkommenste. Sie beten von ferne an und stehen gleichzeitig, weil die vollkräftige Anbetung im Geist und Wahrheit vermöge des Glaubens und der Liebe alle Entfernung durchdringt, und jede Leibesstellung überschreitend, sich zu Gott über alle Mitteldinge erschwingt. Wiewohl die Anbetung eines geistigen und zugleich büssenden Volks nach seiner Stufe sehr vorwärts geschritten war, so kam es doch niemals derjenigen gleich, mit welcher Mose zu beten wusste.
10) Der Herr redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freund zu reden pflegt.
Dieser Gottesfreund, der über alles erhaben, der auserwählt und einzig ist, spricht mit Gott von Angesicht zu Angesicht, in der innigsten aller Vereinigung, in der engsten, in wesentlicher und über alle Seelenkräfte erhabenen Vereinigung. Gott, nachdem Er die Fähigkeit des Geschöpfs erhoben, sich selbst aber herabgelassen
hat, auf dass ein Verhältnis der Freundschaft unter ihnen stattfinde, redet mit dem Geschöpfe von Angesicht zu Angesicht, und geht mit ihm auf so vertrauliche und freundschaftliche Weise um, dass sie verdient mit dem innigstzärtlichen Umgang zweier Freunde verglichen zu werden, die einander nichts verheimlichen, und sich in gewisser Hinsicht einander gleich machen, denn innige, wahre Freundschaft macht Freunde untereinander gleich.
11) Als Mose zum Lager zurückkehrte, so wich sein Diener Josua, Sohn Nuns, der Jüngling, nicht vom Zelt.
Es ist der jungen Seelen Gewohnheit, wenn sie beginnen ins innere Leben einzugehen, dass sie sich immerdar im inneren Gebet aufhalten. Sie geniessen so grosse Freude an demselben, dass sie nicht davon ablassen können. Eine angenehme und durchdringende Liebe, welche sie ganz in Besitz nimmt, versenkt sie ganz in ihr Inneres; und eine in ihnen ausgegossene, lebhafte und starke Gegenwart Gottes versammelt sie in ihrem Herzensgrunde auf sehr liebreiche Weise, wie in einem Zelt, das sie nicht verlassen können. Ein weiser Führer muss sie gleichfalls nach dem Beispiel Moses darin lassen; denn es wäre noch zu frühzeitig, sie daraus zu ziehen.
12) Mose sprach zum Herrn: Du gebietest, dass ich dies Volk hinaufführe, und zeigst mir nicht, wen du senden willst mit mir, da du sagtest: Ich kenne dich mit Namen und du hast Gnade gefunden vor mir.
13) Habe ich also Gnade gefunden in deinen Augen, so zeige mir dein Angesicht, auf dass ich dich kenne, und Gnade finde in deinen Augen, und sehe gnädig dies grosse Volk, dein Volk, an.
Dieses Gebet des Mose würde kühn, unnütz, ja Gott selbst sehr entgegen zu sein scheinen, wäre nicht ein grosses Geheimnis darunter verborgen. Kühn würde es sein, denn wer ist der Mensch von sterblichem Leibe, der nach der hellen Anschauung Gottes sich sehnen darf? Unnütz wäre es, da die Schrift ja sagt, dass Er von Angesicht zu Angesicht mit ihm sprach, und für Gott selbst sehr beleidigend, weil er behauptete, dass er sein Antlitz gezeigt habe, obwohl er gesagt, dass er es niemals in diesem Leben tun werde. Allein dies hat eine ganz andere Bewandtnis. Moses Bitte war bei diesem Anlass 9anz gerecht, da es nicht ihn, sondern das so grosse Volk anging. Mose will also wissen, und verlangt, dass sein Volk es wisse, ob Gott selbst oder nur ein Engel es führen werde, und dass sie sich überzeugen möchten, wie Gott allein das innere Volk in sich als Gott durch den furchtbaren, noch zu beendigenden Weg einführen könne, und der umso viel gefährlicher ist, je näher er zum Ziele gelangt.
Mose wollte also sehen, ob Gott wirklich dies Volk anführen würde, auf dass er dadurch Versicherung erhielt, dass Gott das Volk wieder in Gnaden angenommen, und der Weg, auf dem sie nun wandeln mussten, sicher sei. Ausserdem deutet es noch an, dass es nicht genug sei, dass ein Führer so vertraulich mit Gott rede, da dies nur eine Gnade für ihn allein wäre, sondern es sei nötig, dass er gleichzeitig Gottes Angesicht sehe, d.h. dass der Führer eine helle, deutliche Einsicht und Verständnis von dem zu ihm gesprochenen Worte habe, um sie ohne Irrtum verkünden zu können.
Es ist wohl zu bedenken, dass jemand den Genuss und das Verständnis einer Sache für sich selbst haben kann, keineswegs aber die Erleuchtung und Fertigkeit, sie auszudrücken, um dieselbe andern verständlich zu machen. Daher unterschied Paulus gleichsam zwei besondere Gaben, die eine, mehrere Sprachen zu reden, und die andere, sie zu verdolmetschen (1 .Kor.12,10). Die Gaben des Heiligen Geistes, wie die Weisheit, der Verstand und der Rat unterscheiden sich sehr voneinander. Die Weisheit ist die Unterscheidungskraft der göttlichen Wahrheiten infolge des Geschmacks, der durch die Erfahrung mitgeteilt wird. Der Verstand bewirkt, dass man sie besser begreift und lebendiger in sie eindringt, um zu sehen, was sie an und für sich sind, welchen Umfang sie haben, und wie sie sich voneinander unterscheiden. Der Rat aber besteht in der Fertigkeit, sich zum Wohl anderer gehörig auszudrücken. Aus dieser Ursache sprach der grosse Apostel und der so auserwählte Führer, dass ihm Gottes Angesicht entschleiert worden sei, und wir alle die Herrlichkeit des Herrn schauen, die sich in uns wie in einem Spiegel abbildet (2.Kor.3,18).
Mose, um noch deutlicher zu zeigen, dass dies Gebet nicht ihn betreffe, fügt hinzu: Sehe gnädig auf dein Volk herab, denn um seinetwillen wende ich mich mit dieser Bitte zu dir.
14) Der Herr sprach zu ihm: Mein Angesicht wird vor dir hergehen, und ich will dir einen Ort der Ruhe geben.
15) Mose erwiderte ihm: Sofern du nicht selbst voranziehst, so führe uns nicht von diesem Orte.
Gott versichert ferner diesen ausgezeichneten Führer seines besonderen Schutzes, und verheisst ihm einen Ruheort, d.h. dass er selbst Gott und seine vollkommene Ruhe in Ihm immer finden werde, und sich um etwas anderes nicht bekümmern soll. Allein das grossmutige Herz des Mose, das allen eigenen Vorteil vergisst, um nur an denjenigen seiner Herde zu denken, schlägt dies Anerbieten aus. Er setzt seine dringende Fürbitte bei Gott fort, beteuernd, dass sofern er Ihn nicht an der Spitze seines Volks voranziehen sehe, er auf keine Weise gestatten könne, dass er sich von diesem Orte entferne.
16) Denn woran sollen wir erkennen, ich und dein Volk, dass wir Gnade gefunden haben in deinen Augen, wenn du nicht mit uns gingest, damit wir verherrlicht werden vor allen Völkern, die auf der Erde wohnen.
Wie dürfen wir Vergebung hoffen? Welcher Vorteil soll uns über unsere Feinde zuteil werden? Und wie können wir sicher wandeln, sofern du nicht mit uns ziehst? Ach, eine solche Seele will lieber alles verlieren, als ihren Gott'. 0 wie sicher ist es unter Gottes Anführung zu wandeln I Aber jeder andere Wandel ist unendlich vielen Gefahren ausgesetzt.
17) Der Herr sprach zu Mose: Auch diese Bitte, die du getan, will ich erhören, denn du hast Gnade gefunden vor mir, und ich kenne dich mit Namen.
Gott erfüllt die Bitte dieses liebreichen Hirten, weil Er ihn an seinem Namen als einen wahrhaften und ordentlichen Hirten voller Liebe erkennt, und wegen seiner reinen und hinreissenden Liebe ihm nichts versagen kann. Eben dieses heisst: Gnade vor ihm finden. Allein jetzt bewilligt Er ihm nur noch den Sieg über seine Feinde, nicht als wolle Er ihm nicht alles übrige geben, allein Er hat grosses Vergnügen, ihn voll Sehnsucht bei der Verfolgung eines so grossen Guts zu lassen, das wohl einiger vorausgegangener Mühsale wert ist, und verdient mit brennender Gier gesucht zu werden.
18) Mose sprach zu ihm: Zeige mir deine Herrlichkeit.
19) Der Herr antwortete ihm: Ich will alle Güter dir zeigen, und vor dir rufen: Im Namen des Herrn! Denn ich erbarme mich über wen ich will, und bin gnädig über wen ich will.
Eine so beschaffene Seele begnügt sich nicht mit zeitlicher Belohnung oder mit beschränktem Gut. Mose bittet wieder ganz inständig um die gleiche Gnade, aber mit andern Worten: Zeige mir deine Herrlichkeit, spricht er zu Ihm, als wollte er sagen: „Niemals werde ich vergnügt sein, bis ich deine Herrlichkeit, und was du deiner dasjenige, was er gesehen, begriffen hat, so ist es gar nicht Gott, was er gesehen, sondern etwas von den Dingen, die durch Gott ihr Dasein haben, und unter menschliche Erkenntnis fallen können.“
34. Kapitel.
1) Der Herr sprach weiter zu Mose: Haue dir zwei steinerne Tafeln, wie die vorigen, und ich will auf sie die Worte schreiben, die auf den Tafeln waren, die du zerbrochen hast.
4) Mose stand vor Tag auf, und bestieg den Berg Sinai, und trug die Tafeln mit sich.
Gott schaut Mose mit einem ganz besonderen wohlwollenden Auge an, oder vielmehr, Er lässt sich vor ihm sehen, aber mit der Bedingung, dass sein Gesetz auf steinerne und unzerbrechliche Tafeln soll gegraben werden, zur Bemerkung, dass Er in Herzen einzugraben verlangt, welche infolge ihrer innersten Unbeweglichkeit von aller Treulosigkeit gesichert seien.
5) Als der Herr herabgekommen war in einer Wolke, stand Mose bei ihm, und rief den Namen des Herrn an.
6) Und da der Herr vor ihm vorüberging, sprach er: Du Herrscher, Herr und Gott, der du barmherzig und gütig, geduldig und von grosser Erbarmung und wahrhaft bist.
7) Der du Barmherzigkeit bewahrst bis ins tausendste Glied.
Die Worte Moses, nachdem er das Glück hatte, Gott auf dem Berge zu schauen, zeigen genugsam an, wie eine Seele vor Vergnügen ganz entzückt ist, wenn sie einer so grossen Gnade gewürdigt wird. Sie bemerken auch, wie diejenigen, welche im innersten Grunde ihres Herzens von Gott besucht werden, und die seine wonnevollen Berührungen fühlen, nicht umhin können, das Feuer ihrer Liebe, von welchem sie sich entzündet fühlen, durch tausend und abertausendfaches Lob, welches sie ihrem Gott sprechen, auszuhauchen. Ausserdem leinen wir, dass es sich in den kostbaren Augenblicken ereignet, dass die Braut infolge der Offenbarung seiner selbst eine viel klarere Erkenntnis von Gott erhält. Sie nennt Ihn: Herr, Gott, wahrhaftig, barmherzig, geduldig. Sie bewundert seine göttlichen Eigenschaften, und ist nicht imstande, sie genug zu loben. Sie liebt dieselben ebenso sehr wie seine Gerechtigkeit, seine Barmherzigkeit, seine Macht und seine Wahrheit. Denn da sie darin keinen eigenen Vorteil sucht, so ist sie höchst erfreut, dass dies die Vollkommenheiten ihres Gottes sind, die glänzend hervorstrahlen, entweder in Ihm selbst oder hinsichtlich seiner Geschöpfe.
8) Und Mose fiel eilend mit dem Angesicht zur Erde, und betete an,
9) Und sprach: Habe ich Gnade gefunden in deinen Augen, o Herr, so bitte ich dich, du wollest mit uns ziehen, und wollest wegnehmen unsere Missetaten, und uns annehmen zum Eigentum.
Mose benutzt diesen Anlass, um von Gott das zu erhalten, was er fordert. Zuerst betete er Gott an, ihm diese Religionspflicht erweisend; hernach bittet er Gott, dass er doch selbst der Führer des Volkes sein wolle, auf dass du uns verzeihest, und uns zum Eigentum annehmest, denn das unfehlbarste Zeichen der Sündenvergebung ist, Gottes Eigentum zu werden, und Gott gleichfalls in seinem Innern zu besitzen, da Er nicht wohnen kann, wo die Sünde besteht. Nach dem Mass der Sündenvergebung muss Gott das Herz wieder in Besitz nehmen, und es in seine Wesenheit so herstellen, wie es vor seinem Sündentod war.
10) Der Herr antwortete: Ich mache einen Bund, und tue Zeichen vor allen Augen, wie sie niemals gesehen wurden auf Erden.
Gott verspricht Mose, was er wünscht, ihm versichernd, dass Er ihm noch viel grössere Gnaden erweisen werde, als er schon empfangen. Wenn Gott in Seelen kommen will, so müssen sie infolge geistiger Vernichtung aller seiner Gnaden beraubt worden sein. Wenn aber Gott als Urheber und Quelle aller Gnaden in sie gekommen ist, so bringt Er den Geschöpfen solche Gnaden mit, die sie noch niemals erfahren hatten, und welche als Schmuck und Zierde seines innern Hofs ohne Ihn nicht sein können.
12) Hüte dich, dass du niemals Freundschaft schliessest, die dir zum Falle ist, mit den Einwohnern dieses Landes.
Dieser Rat wird den geistlichen Seelen gegeben, auf dass sie keinen Umgang mit Seelen haben, welche noch in sich leben, und auf dem Wege der Eigenheit wandeln, damit sie nicht von ihrem Zustande des in Gott Verlorenseins zurückgezogen und infolge der Rückblicke auf sich selbst veranlasst werden, zu sich selbst zurückzukehren, und hiedurch ihren eigenen Untergang zu bewirken.
14) Du sollst keinen fremden Gott anbeten. Eifersucht ist des Herrn Name, der Gott, der allein will geliebt werden.
Er befiehlt ihnen ferner, keinen fremden Gott anzubeten, wie sie es getan hatten, denn sein Name ist Eifersüchtiger. 0 Güte meines Gottes ! Du hast eine heilige Eifersucht für Herz und Geist deiner Geschöpfe! Du willst, dass sie dir allein angehören, und sich wohl hüten, jemals wieder zu einer Abgötterei zurückzukehren, wie die war, durch die sie sind verführt worden.
16) Du sollst auch deinen Söhnen kein Weib nehmen, damit, wenn sie ihren Göttern nachgehurt haben, sie nicht auch deine Söhne nachhuren machen ihren Göttern.
Mit Recht verbietet Gott solche Verbindungen, und nennt die Abgötterei Hurerei; denn da die Seele Gottes Eigentum ist, so soll sie nur Ihm allein angehören. Sobald sie sich aber von Gott wegwendet, um sich an etwas anderes anzuhängen, so verübt sie Ehebruch, wie es der Heilige Geist durch Jakobus bezeugt (Jak.4,4).
30) Da Aaron und die Söhne Israels das glänzende Angesicht Moses sahen, fürchteten sie sich, ihm zu nahen.
Die Strahlen um das Antlitz Moses waren das fühlbare Merkmal von seiner Ergiessung und erhabenen Umgestaltung in Gott allein, dessen Fülle sich auf das Äussere ergoss.
34) Wenn er zum Herrn sprach, nahm er seine Decke weg, als er hinausging.
35) Aber er bedeckte sein Angesicht wieder, wenn er zum Volk redete.
Moses weises Betragen lehrt uns, dass die Seelen auf dieser Stufe, andern noch nicht befähigten Menschen die auf derselben entdeckten Geheimnisse nicht offenbaren sollen, noch was sie da erfahren, weil sie dadurch nur in Schrecken versetzt und zurückgestossen würden. Nur Gott und die Führer sollen Kunde davon haben, wie auch diejenigen, welche im gleichen Zustande sich befinden. Der andere Geist hingegen ist mit einer undurchdringlichen Decke verschleiert, für wie scharfsinnig sie ihn auch immer halten mögen, und würde auch der Schleier gelüftet, körnten sie doch den aus dieser vergöttlichten Seele hervorbrechenden Glanz nicht ertragen.
35. Kapitel.
3) Ihr sollt kein Feuer anzünden am Sabbathtag in allen euren Wohnungen.
Dieses Gebot drückt, selbst buchstäblich genommen, die Ruhe der Seelen aus, welche der Herr in seinen göttlichen Sabbath, in die geheimnisreiche Ruhe einführte. Aus eigener Kraft sollen sie nichts tun, sondern nur schlechtweg so verbleiben, wie man will, dass sie sein sollen. Das Feuer anzünden ist nichts anderes, als ein wenig die Liebesneigung anregen, um dieselbe mit fühl- und wahrnehmbarer göttlicher Liebe zu erwärmen. Auf andern Stufen ist dies wohl erlaubt, wo man noch in Geschäftigkeit sein und durch irgendein Zeugnis sich unterstützen muss. Allein am Sabbathtage oder in der Ruhe in Gott darf es nimmer geschehen, und wer es ferner tun wollte, würde infolge der unterbrechenden göttlichen Ruhe die Heiligkeit des Sabbaths schänden. Menschen also, die zu dieser heiligen Ruhe berufen, und kraft der Führung derselben versichert sind, müssen in diese eingehen und furchtlos darin verharren, mit tiefster Ehrfurcht Gottes Majestät hochachtend, welcher in ihnen auf vollkommene weise durch Stillschweigen und Ruhe will angebetet werden; sich entsinnend, dass gerade hier der Sabbath ist, der uns im Gnadengesetz bleibt, ein Sabbath, den das ganz besonders auserwählte Volk Gottes schon in dieser Zeit auf immer, sobald es in denselben eingeführt worden ist, feiert, um ihn nachher ewig im Himmel fortzusetzen, nach der von Paulus erhaltenen Erklärung (Hebr.4,9).
5) Sondert ab von euch die Erstlinge, die ihr entschlossen habt, anfangs dem Herrn darzubringen. Ein jeglicher opfere sie freiwillig mit ganzem Herzen und mit vollkommenem Willen dem Herrn.
Die ersten von Gott verlangten Opfer sind die ersten guten Werke und der Anfang des geistigen Lebens, welche die in seiner Liebe wachsende Seele Ihm alsdann widmen kann, indem sie aus sich selbst nichts zu wirken vermag. Alle ihre Handlungen müssen sich nur auf Gott beziehen, ohne im geringsten etwas sich vorzubehalten. Infolge dieser sehr freiwilligen Opferung von allem, was in ihrer Macht steht, heiligt und widmet sie Gott vermittelst der ganz freiwilligen Schenkung, die sie Gott mit ihrem Willen macht, alles übrige, und Er bemächtigt sich ihres ganzen Wesens so stark, dass Er mit ihr nachher als höchster Herr handelt. Und dies wäre das sicherste und kürzeste, oder vielmehr das einzig wahre Mittel, sich die Vollkommenheit zu erwerben, nämlich sein Herz und alles, was von ihm abhängt Gottes Macht zu überlassen, auf dass Er selbst es so gestalte, wie Er es haben will, so wie Er es uns in einem Psalm anempfiehlt (Ps 47,14). Menschen, die grossmütig genug sind, es zu tun, da sie sich von sich selbst losmachten, entledigen sich zugleich des grössten Feindes ihrer Vollkommenheit, und sich ganz Gottes Gewalt übergebend haben sie alle eigene Macht verloren.
Aber sie haben dieselbe nur infolge des Gott freiwillig entrichteten Opfers verloren, da sie keinen heiligeren, keinen gerechteren und vorteilhafteren Gebrauch ihrer Freiheit machen könnten, als wenn sie dieselbe wieder Gott abtreten, sie Ihm widmeten und weihten, der sie mit solcher begnadigt hat, obschon im strengsten Sinn zu reden, sie allezeit fähig sind, benannte Freiheit Untreue halber wieder zurückzunehmen, und es wirklich sehr wenige zu finden sind, die Ihm damit eine vollkräftige Schenkung darbringen, indem die meisten eines Vorbehalts oder einer Zurücknahme sich schuldig machen. Würde man aber dies vollkommene Opfer auf einmal darbringen, wäre man augenblicklich vollkommen, weil keine Unvollkommenheit da bestehen kann, wo Gottes Wille ungehindert handelt und regiert.
Diese materiellen Opfer des Herzens sind mithin das Bild der geistigen Opfer, die Gott von uns begehrt. Selig, ja hunderttausendmal selig diejenigen, welche den Geist davon ergründen, die Ausübung lieben und die Wahrheit verkosten.
20) Alle Söhne Israels
21) Brachten ganz willig mit andächtigem Herzen die Erstlinge dem Herrn, zum Werke des Zeltes, des Zeugnisses.
25) Und auch die Weiber, die zu spinnen verstanden, gaben Purpur und Karmesin und den Byssus.
26) Und taten alles grossmütig.
Dem Herrn müssen wir nur die Erstlinge unseres Willens darbringen, wie auch das freie Recht, so wir an uns selbst ausüben, auf dass Er in uns das Werk des Zeltes wirke. In dieser Wüste, in dieser Ruhe, welche das Volk Gottes darin geniesst, unterweist Gott durch Mose unter diesen sinnlichen Bildern alle inneren Seelen und Führer, wie sie es anstellen sollen, um im Wirken ihrer christlichen Vollkommenheit guten Fortgang zu machen, und wer immer erleuchtet ist durch den Schatten es zu erblicken, wird es voll Freude sehen.
Das Zelt ist Gottes Wohnung, und nur Er baut diese Wohnung in uns auf, und wenn wir Ihm unsere Rechte abgetreten haben. Soba der Mensch infolge sanfter und kräftiger Einkehr sich von den schöpfen scheidet, einsam mit Gott in seinem Innern wandelt, und, die eigenen Gebrechen verachtend, sich in Gott erschwingt, um in ihm alles Notwendige zu finden, beginnt der Herr im Menschen sein Werk mit so grosser Nachsicht herzustellen, dass Er zur Erbauung des inneren Palastes alles benützt, bewirkend, dass alles zum Heil derjenigen gereiche, die Ihn lieben, und die nach seinem Ratschluss zur Heiligkeit berufen sind. Der sich dagegen sträubende, böse Wille Her Menschen dient als ebenso viele Hammerschläge, um durch das von ihnen verursachende Kreuz, das Äussere des Gebäudes zu verschönern, während Gott im Innern wirkt, und dort sein Zelt aufschlägt. Alles, alles muss mit freiem Willen und redlichem Herzen hergegeben und geopfert werden, gleichwie die Schrift sagt, dass alle ganz gutwillig Gaben bringen werden. Dadurch wird angedeutet, dass Gott die Freiheit nicht mit Gewalt erzwingt, sondern das Herz durch seine Liebe lenkt, auf dass es freiwillig gebe, was es Gott opfern soll.
36. Kapitel.
4) Die Werkmeister mussten zu Mose kommen,
5) Und sagen: Das Volk bringt mehr als nötig ist.
Die vortrefflichsten Sachen haben ihre Zeit und ihr Ziel, wo sie aufhören sollen. Ist wohl etwas Besseres zu finden, als dass man Gott das Beste, das man besitzt, darbiete? Warum meldet denn die Schrift, dass man hier mehr herbringt, als nötig ist? Deswegen, weil man sich freiwillig geschenkt, und seine Freiheit Ihm als un-widerrufliche Gabe überlassen, und es weiter nicht mehr erfordert wird, sie Ihm zu opfern, indem sie uns nicht mehr angehört, und man solche wieder zurücknehmen müsste, um sie nochmals verschenken zu können.
Mann wird mir einwenden, dass man Gott allezeit neue Tugenden darbringen könne. Es ist wahr, solange man den Baum besitzt, kann man immer neue Früchte anbieten. Hat man aber das Erdreich weggegeben, so wäre es töricht, wenn man noch immer Früchte von demselben darbieten würde, da es ja ausgemacht ist, dass die Früchte dem Herrn gehören, der das Erdreich besitzt, und man sie Ihm nicht wieder geben kann, also insofern man sich dasselbe wieder zugeeignet hat. Erneuern aber redliche, gute Seelen diese Übergabe öfters, was anfangs besonders stattfindet, so geschieht es deswegen, weil man entweder die Schenkung im Anfang nicht vollkommen gemacht, oder um die noch übriggebliebenen Zurückhaltungen aufzuheben, oder um zu verzichten auf die treulos gemachten Vorbehalte, oder aus liebreichem Herzenserguss, als grosse Freude das zu bekräftigen, was es für seinen Gott getan hat, oder aus Antrieb Gottes, der sich an der oftmaligen Erneuerung des Liebesopfers der Seele erfreut.
6) Da gebot Mose auszurufen durch die Stimme eines Herolds: Weder Mann noch Weib opfere noch etwas zum Werke des Heiligtums. Und so hörte man auf, Geschenke zu bringen.
Dieser weise und in der Wissenschaft des Innern sehr unterwiesene Führer lässt ein Verbot bekannt machen, dass weder Männer d.h. die Stärksten und Vollkommensten; noch Weiber, Bild der weniger gereinigten und schwächern, weiterhin Gaben bringen sollen, weil die Schenkung infolge welcher man sich ganz zum Eigentum abgetreten hat, genügt, auf dass nun Gott selbst nach dem ewigen Ratschluss aufbaue.
7) Das was man geschenkt, war genug und mehr als genug.
Schon überschritten hat man die von Gott gegebene Verordnung. Denn die Liebe zur Geschäftigkeit treibt dazu an, sich zu ergeben, da man es nicht mehr tun soll. Und dies täte man immer, sofern die wahren Führer es nicht mit ebenso grossem Ernst als Geduld verbieten würden; oder sofern Gott, der sich des Rechts bedient, das Er über das Geschöpf infolge freiwilliger Schenkung erlangt, es nicht unvermögend machte, es ferner zu tun, da Er selbst ihre Seelenkräfte austrocknet und macht, dass ihre Wirksamkeit versiegt.
40. Kapitel.
33) Nachdem nun alle die Dinge vollendet waren,
34) Da bedeckte eine Wolke das Gezelt des Zeugnisses, und die Herrlichkeit des Herrn erfüllte es.
Sobald das Zelt nach Anordnung Gottes ganz ausgebaut war, steigt Gott alsbald herab, es mit seiner Gegenwart anzufüllen, und fühlbare Kennzeichen seiner Majestät darin zu geben. Dies ist so zu verstehen, dass, sobald unser Inneres nach dem Grad, wie es Gott begehrt, zubereitet worden, Er sogleich kommt, seine Wohnung darin aufzuschlagen, obwohl nur in der Wolke, d.h. unter dem Dunkel des Glaubens.
35) Mose konnte nicht in das Zelt des Bundes gehen, denn die Wolke bedeckte alles, und es glänzte die Herrlichkeit des Herrn überall hin.
Insofern das innere Zelt oder der Mittelpunkt der Seele mit selbst erfüllt ist, kann nichts in dasselbe eingehen, ja selbst nicht die heiligsten Dinge. Denn alles zerfliesst in Gott nach Massgabe seiner Annäherung, wenn es etwas Göttliches ist, ohne es unterschheiden zu können; und alles Gott Entgegengesetzte bleibt draussen. Denn obschon die Wolke nicht Gott ist, so ist doch Gott selbst in ihr, Somit muss das innere Heiligtum durchaus leer sein, auf dass Gottes Majestät darin ruhe.
1. Kapitel.
8) Sie sollen die Glieder und alles, was abgeschnitten worden, ordentlich legen; nämlich den Kopf und alles, was an der Leber hängt.
9) Das Eingeweide und die Füsse, nachdem sie solche vorher in dem Wasser abgewaschen. Und der Priester soll es auf dem Altar mit Feuer anstecken, um ein Brandopfer zu sein dem Herrn zu einem lieblichen Geruch.
Alle Opfer des Gesetzes sind Vorbilder der inneren Opfer, gleich wie die Apostel selbst solches bezeugt haben (1.Petr.2,5 & Eph.5,2). Allein es gibt vielerlei Arten der Opfer, und sowohl in den einen als in den andern behält die Kreatur allezeit etwas für sich zurück, nach dem Mass, als solches in den Opfern des Gesetzes vorgebildet worden, woselbst ein Teil dessen, was Gott geopfert wurde, davon für die Priester und Leviten abgesondert wurde. Auf diese Weise sind alle Opfer der wirksamen und passiven oder leidsamen Stände, ja auch sogar der mystischen Stände in ihrem Anfang beschaffen. Der Stand des reinen Opfers, durch das Brandopfer vorgebildet, ist es nur allein, der nichts zurückbehält, sondern alles verbrennt, ja auch sogar das, was zur Erhaltung des eigenen Lebens am nötigsten zu sein scheint; und dieses reine Opfer macht die Vollendung des mystischen Standes.
9. Kapitel.
22) Nachdem Aaron die Sündopfer, die Brandopfer und die Friedensopfer vollendet hatte, stieg er herab.
Alles was der Mensch für sich selbst tun kann, ist dass er Gott seine Opfer bringe, dass er sie schlachte, sie in Ordnung lege, und als Priester das Feuer der göttlichen Liebe dazu lege. Wenn er dieses getan, so hat er das, was in seiner Macht stand, erschöpft, und kann nun weiter nichts tun, als in sich selbst herabzusteigen, um Gott wirken zu lassen.
24) Ein Feuer ging aus von dem Herrn, und verzehrte das Brandopfer und alles Fett, das auf dem Altar war. Das Volk aber, welches dieses sah, lobte den Herrn, indem es mit dem Angesicht zur Erde niederfiel.
Wenn aber die Seele zu einem gewissen Stand der Reinigkeit gelangt ist, so sendet Gott ein verzehrendes Feuer, das von seinem Angesicht ausgeht, d.h. von Gott selbst, der die vollkommene, reine Liebe ist; und dieses Feuer verzehrt das Brandopfer, da dieses Feuer alles was in dem Menschen von dem Menschen selbst übriggeblieben war, verbrennt, solches zerstört und in Asche verwandelt. Dieses aber ist die Vollendung der vollkommenen Vernichtigung, welches nur gewirkt werden kann durch Gott allein und durch das von seinem Angesicht ausgehende Feuer, welches die allerreinste und allerselbstloseste Liebe ist.
10. Kapitel.
1) Die beiden Söhne Aarons, Nadab und Abihu, nahmen ihre Rauchfässer, taten Feuer hinein, und legten Rauchwerk darauf, und brachten also ein fremdes Feuer vor den Herrn.
Gott ist so eifersüchtig über seine Ehre und seine Verherrlichung und über seine reine Liebe, dass Er kein fremdes Feuer dulden kann, nämlich kein solches Feuer, das nicht auf seinem Altar, das ist in Gott selbst, genommen worden ist. Es ist keine Mittelstrasse. Entweder muss man in dem Feuer seiner Liebe brennen, oder man wird durch seinen Zorn verbrannt werden.
2) Da ging Feuer aus von dem Herrn und verzehrte sie, und sie starben vor dem Herrn.
Eine Gott geheiligte Seele, und die sich selbst Gott gewidmet hat, eine Seele, welche von Gott berufen worden, Ihm durch das reine Opfer zu dienen, vermag niemals einige fremde Liebe, noch einige Eigenliebe, noch eigenes Interesse in ihr zuzulassen, noch solches zu gestatten. Tut sie es aber, so stirbt sie denselben Augenblick. Sie stirbt aber durch das Feuer, das von dem Herrn ausgeht; denn das Feuer seiner Gerechtigkeit geht ebensowohl von Gott aus, als das Feuer der Liebe. Dieser Tod geschieht dadurch, indem man aus seinem Stand ausgeht, weil diese Untreue ein Tod und Sterben der Einigkeit eben dieses Standes ist, welches der Seele in der Gegenwart des Herrn, und während sein Leben in ihr ist, widerfährt. Denn die Seele hört ebensoviel auf in Gott zu leben, als sie sich selbst leben will; und also stirbt die Seele ebensoviel an der Vollkommenheit des göttlichen Lebens, als sie ihrer eigenen Liebe nicht absterben will.
6) Mose sprach zu Aaron und zu Eleasar und zu Ithamar, seinen Söhnen: Entblösset nicht euer Haupt und zerreisset nicht eure Kleider, damit ihr nicht sterbet, und der Zorn des Herrn nicht über das ganze Volk entbrenne. Eure Brüder und das ganze Haus Israel sollen die Feuersbrunst, die vom Herrn gekommen ist, beweinen.
Mose will nicht, dass man trauere über den Verlust dieser Personen, welche unter den Priestern und Leviten, die dem Herrn am meisten geheiligt sind, sich von Gott abgezogen haben. Denn er will, dass die geheiligten Seelen in das Interesse und in die Gerechtigkeit Gottes eingehen, ohne einiges menschliche Interesse anzusehen noch zu achten. Sobald sie eine solche Untreue begehen würden, würden sie eben hiedurch aus ihrem Stand, obschon unter einem guten Vorwand, ausgehen, und eine gleichmässige Strafe verdienen. Es wird eine unverbrüchliche Treue erfordert, damit man sich in keiner Sache wieder nehme, nachdem man sich Gott zum Eigentum gegeben hat. Die gewöhnlichen Seelen körnen sich über einen Verlust durch die Empfindung ihres Mitleids bekümmern (und dieses wird bei ihnen als etwas Gutes geachtet, und kann es auch in der Tat sein, wenn ein solches Mitleid aus der Liebtätigkeit oder aus einer billigen, obgleich menschlichen Liebeszuneigung hervorgeht), die vorgemeldeten Seelen aber, welche Priester des Herrn sind, müssen in allen Dingen nur das einzige Interesse Gottes allein ansehen.
7) Ihr aber geht nicht aus der Türe eurer Hütte heraus, damit ihr nicht umkommet, weil das Oel der heiligen Salbung über euch ausgegossen worden ist.
Mose fügt bei: Wenn ihr durch ein Zurücksehen auf euch selbst, oder um eines besonderen Interesses willen aus der Türe der Hütten hinausgeht, welche Hütte nur für Gott allein ist, in welcher ihr euch auch stets eingeschlossen halten sollt; wenn, sage ich, ihr euch bei einer freiwilligen Überlegung aufhaltet, so werdet ihr umkommen, und aus eurem Stand herausgehen. Denn da ihr durch das Oel der heiligen Salbung dem Herrn seid geheiligt worden, welches der unaussprechliche Charakter und die Würde einer in Gott angelangten Seele ist, so will Gott und fordert von euch, dass ihr auch nicht mit einem einzigen Blick an dem Schmerz und an dem Interesse der gewöhnlichen Seelen teilnehmt.
11. Kapitel.
44) Ich bin der Herr euer Gott. Ihr sollt heilig sein, weil ich heilig bin.
Die Heiligkeit, welche Gott von der Seele fordert, ist eine solche Heiligkeit, die sich auf die Heiligkeit Gottes bezieht. Nun aber ist die Heiligkeit Gottes in Ihm selbst, von Ihm selbst und für Ihn selbst. Darum muss auch die Heiligkeit dieser Seelen in Gott, von Gott und für Gott sein. Sie muss in Gott sein, und zwar so, dass diese Heiligkeit nur allein in Gott besteht, sonst würde sie mit Eigenheit befleckt sein, und Gott etwas rauben. Sie muss auch von Gott sein, da alle Heiligkeit, die nicht von Gott empfangen wird, keine Heiligkeit genannt werden kann. Endlich muss sie auch für Gott sein, so dass sie sich auf Gott als auf ihr Ende, Ziel und Zentrum aller Heiligkeit beziehe, Ihm gewidmet sei, und zu der Ehre und Verherrlichung Gottes diene. Wenn demnach die Seele in Gott gelangt ist, so hat sie nichts mehr in sich selbst, noch für sich selbst, noch auch etwas das von ihr selbst sei oder herkäme; sondern durch ihre Verlierung in Gott wird alles in Gott allein empfangen und angenommen. Und das was die Seele hat ist nicht mehr für sie, gleich wie auch das was kommt, nicht mehr von ihr ist; sondern alles ist von Gott gekommen, und alles ist auch in Gott wieder zurückgeflossen. Dieses ist die Heiligkeit, die für diesen Grad gehört.
45) Denn ich bin der Herr, der euch aus Ägypten geführt hat, um euer Gott zu sein. Ihr sollt heilig sein, weil ich heilig bin.
Dieser Vers ist eine Bestätigung des vorhergehenden, und erklärt solchen noch mehr. Gott bezeugt, dass Er dieses Volk aus dem Land ihrer Gefangenschaft, welches ihre eigenen Erfindungen sind, herausgeführt habe, um sie in Ihn selbst zu verlieren. Dieses Wort, damit ich euer Gott sei, will soviel sagen, damit ich selbst in mir selbst, und für mich selbst, euch in allen Dingen sei. Gott spricht nicht mehr, damit ich in euch oder mitten unter euch sei, denn dieses wäre allzu wenig. Er spricht auch nicht, dass ich für euch sei, sondern damit ich euch Gott sei, nicht für euch, sondern in mir selbst, und für mich selbst. So seid demnach heilig, weil ich heilig bin. Seid heilig mit dieser Heiligkeit, denn sie ist meine eigene Heiligkeit.
46) Dieses ist das Gesetz von jedem lebendigen Tier.
47) Damit ihr wisset das, was rein ist, zu unterscheiden von dem, was unrein ist.
Durch dieses Gesetz von allem was lebendig ist, werdet ihr unterscheiden was entweder vollkommen oder unvollkommen ist, und ihr werdet eben dadurch erkennen, dass die Liebe, welche ich von euch fordere, allein rein, aufrichtig und lauter ist. Doch ist hiemit nicht gesagt, dass für die in sich selbst lebenden Seelen nicht ein Gesetz sei, das weniger vollkommen ist, und welchem sie folgen müssen und körnen, weil sie kein anderes erkennen. Was aber die in Gott lebenden Seelen betrifft, diese müssen die vorgemeldete Unterscheidung machen. Denn das, was für die andern gut ist, würde unrein für sie sein; gleichwie ihnen auch mit mehrerem Licht ist zu erkennen gegeben worden, das was sie annehmen und ergreifen, oder was sie verwerfen sollen. Die andern Seelen aber haben noch nicht die vollkommene Unterscheidung, und sind von dem eignen Interesse noch nicht vollkommen befreit.
14. Kapitel.
14) Und der Priester soll das Blut von dem Schuldopfer nehmen, und soll es dem, der gereinigt wird, auf das rechte Ohrläppchen tun, und auf den Daumen seiner rechten Hand, und auf den grossen Zehen seines rechten Fusses.
Diese Weise der Reinigung zeigt an, dass die Seele, welche sauber und rein genug ist, um in einen höheren Grad der Wege des Geistes einzugehen, ihr Ohr Gott allein geheiligt haben muss, um Ihm zuzuhören. Denn hier bedient sie sich nicht mehr der Worte, um mit Gott zu reden, wenigstens die meiste Zeit, es sei denn, dass Gott selbst die Seele antreibe, etwas zu Ihm zu reden, welches aber gar selten geschieht. Darum reinigt man ihr das Ohr und nicht die Zunge, damit sie vor Gott schweige, und getreu sei, Gott zu hören. Zudem wird der Daumen ihrer rechten Hand gereinigt, welches anzeigt, dass alle Werke und Verrichtungen dieser Seele Gott geheiligt und gewidmet seien, und alle in der Aufrichtigkeit und Rechtschaffenheit seines Geistes geschehen müssen. Denn Gott macht sich alsdann zum Herrn, Meister und Urheber sowohl ihrer Verrichtungen, als auch ihrer Zuneigungen oder Liebesneigungen, durch die Füsse vorgebildet, welche gleichwie auch ihre Gänge rein und heilig sein sollen. Allein nur der rechte Fuss wird gesalbt oder geheiligt, weil die Seele alle ihre Liebeszuneigungen zu Gott richten soll, ohne jemals sich auf die linke Seite zu wenden, noch etwas für sich selbst oder in Absicht auf ihr eigenes Interesse zu tun. Darum tat auch David dieses Gebet: Führe mich, o Herr, in deinem Weg, und mache, dass ich in deiner Wahrheit wandle (Ps.85,11). Damit wollte er sagen, dass er in Gott selbst wandle, denn Gott ist die Wahrheit, gleichwie Er auch die reine Liebe ist, von welcher wir uns niemals abwenden sollen.
15. Kapitel.
Dieses ganze Kapitel hält nichts anderes in sich als eine äussere und gesetzliche Reinigung. Es sollte auch scheinen, es wäre der hohen Majestät Gottes nicht gemäss, auf solche Dinge zu sehen, wenn das Vorhaben Gottes nicht dahin ginge, ein grobes Volk zu unterweisen, und ihnen nach dem Mass, als sie es fassen konnten, einen erhabenen Begriff von seiner Reinigkeit durch diese äusserliche Reinigung zu geben. So dient auch die äussere Reinigung und das Waschen der Kleider zu einem äusseren Zeichen, wie eine grosse Reinigkeit Gott von eben dieser Seele fordert, denn der Seele selbst konnte solches keine Reinigkeit geben. Nachdem nun Gott dieses Gesetz der äusseren Reinigung wegen der Grobheit dieser Völker eingesetzt hat, so zeigt Er in dem Evangelium, wie dieses alles etwas Geringes sei, indem Er den Pharisäern vorhält, dass sie sich damit begnügten, das Süssere des Bechers zu reinigen und zu säubern, und das Innere voller Raub sein Hessen (Matth.23,25 & Mark.7,4). Heutzutage machen es die Christen eben also, und auch diese sind in kleiner Anzahl. Sie sind damit zufrieden, das Äussere zu säubern und zu reinigen, und eine Lebensart an sich zu nehmen, welche wohlgeordnet zu sein scheint, obschon ihr Inneres in Ansehung Gottes voller Raub und un-rechtmässiger Anmassung ist. Denn wenn der Raub und die ungerechten Anmassungen, wodurch man die Menschen bestiehlt, so grosse Lastertaten sind, wieviel strafbarer sind dann dieselben, welche gegen Gott begangen werden?
Demnach hat Jesus Christus Sorgfalt getragen, uns zu unterrichten, wie gering diese äusseren Reinigungen wären, die nur Vorbilder der inneren Reinigung waren, und wie sie so von keinem Wert seien im Vergleich zur inneren Reinigung, welche darin besteht, der Seele allen Raum wegzunehmen, und die unrechtmässigen Anmassungen und Diebereien, welche wir gegen Gott begangen, Gott wieder zu erstatten. Hiezu zeigt Jesus Christus uns die Mittel, indem Er uns die Armut des Geistes, die Verleugnung unserer Selbst, das Tragen unseres Kreuzes, und die Nachfolge Jesu Christi lehrt.
Ich glaube also, dass aller Nutzen, den man aus diesem Kapitel ziehen kann, darin besteht, dass uns gezeigt wird, welche Reinigkeit Gott von denen fordert, die Ihm angehören, und zwar sowohl die innere als auch die äussere Reinigkeit, welche letztere von der ersteren nur ein sehr grobes Vorbild war. Es wird uns ferner gezeigt, dass wir auch nicht mehr in dem Wasser gewaschen werden, sondern in dem Blut Jesu Christi, in welches wir uns stets eintauchen körnen. Und dieses müssen wir auch in eben demselben Augenblick tun, sobald wir gewahr werden, dass wir aus Übereilung einen Fehler oder solchen wohl gar mit Willen begangen haben. Alsdann müssen wir uns einfältig und aufrichtig wieder zu Jesu Christo kehren, und dieses mehr oder weniger wirksam, nach dem Grad der Seele und nach dem Mass, als ihr inneres Gebet mehr oder weniger wirksam ist. Oder wir müssen uns untertauchen in Gott, in dieses Meer der Liebe, welches uns von allen Befleckungen weit besser reinigen wird, als alle Wasser der Erden.
Das, was man nach den Reinigungen Gott zum Opfer brachte, waren Tauben oder Turteltauben, um damit anzuzeigen, dass das Opfer, an welchem Gott das grösste Wohlgefallen hat, die Einfalt ist. Eine einfältige Seele ist sogleich in die Gnade Gottes und in seine reine Liebe wieder hergestellt, und dieses ebenso geschwind als ein Strohhalm von einem grossen Feuer verzehrt wird, wenn die Seele nur aus ihrer Einfalt nicht herausgeht.
Es gibt zweierlei Opferungen. Die erste wird Gott nur angeboten oder dargebracht, welches sehr wohl die Reinigung vorstellt, da man nach den Fehlern, die aus Übereilung oder aus blosser Schwachheit geschehen, sich durch eine einfältige Wiederkehr zu Gott wendet. Das Opfer des Brandopfers aber, welches mit der andern Turteltaube geschah, stellt sehr vortrefflich die Reinigung vor, die in einem höheren Stand geschieht, und durch die heilige Liebe vollbracht wird. Die Seele ist darin allezeit wie ein Brandopfer, nicht nur um gereinigt zu werden, sondern auch um durch eben diese Liebe verbrannt und verzehrt zu werden. Es scheint, sie verändere in dieser Aufopferung ihre Gestalt und Natur, um deren keine andere als die Natur und Eigenschaft dieses göttlichen Feuers zu haben, und dieses ist die Reinigung, die aus dem Grund und aus der Wurzel heraus geschieht, welche nur allein durch die reine Liebe gewirkt werden kann.
16. Kapitel.
1) Der Herr redete mit Mose nach dem Tode der beiden
Söhne Aarons, welche, da sie vor Gott ein fremdes Feuer brachten, getötet wurden.
Nichts ist von grösserer Wichtigkeit für eine Seele, die Gott zu sich zieht, als dass sie sich hüte, ein fremdes Feuer vor Gott zu bringen. Ihr Feuer muss rein, lauter, gerade und aufrichtig, und Gott unverbrüchlich geheiligt und gewidmet sein, ohne welches sie den Tod verdient.
Es gibt zweierlei Arten von fremdem Feuer. Die eine Art ist gröber, die andere aber ist weit subtiler und schädlicher. Das erste fremde Feuer ist, wenn man an einer Kreatur klebt, die ausser uns ist, also an Gütern, an der Ehre, am Glück, an Personen usw., in summa, an allem was nicht Gott selbst ist. Das zweite fremde Feuer ist die Eigenliebe und die Eigenheit, welche in uns eingewurzelt und gleichsam zu einer Natur mit uns geworden ist. Nun aber ist ein fremdes Feuer vor den Herrn bringen, wenn wir unseren Weihrauch auf diesem unheiligen Feuer verbrennen. Das Rauchwerk stellt das Gebet und das innere Gebet vor, gleichwie solches also in der Offenbarung Johannes gemeldet wird, wenn es heisst, dass die vierundzwanzig Ältesten jeder ein Rauchfass vor dem Thron Gottes hielten, und solches die Gebete der Heiligen waren. Wenn das innere Gebet vollkommen sein soll, so muss es durch die reine Liebe hervorgebracht werden, welche, so zu reden, die Seele schmilzt und zerfliessen macht, gleichwie der Gummi des Weihrauchs im Feuer flüssig gemacht und zerschmolzen wird, damit diese also geschmolzene Seele (wenn man so reden darf) ihre Eigenheit verlieren möge, welche die Seele in ihr selbst fixiert oder festgesetzt hielt, und ihr ein Hindernis war in Gott einzufliessen und sich in Ihm zu verlieren. Die Seele muss folglicherweise durch die reine Liebe, welche allein solches zu tun vermag, vollkommen los und frei gemacht werden von aller Eigenheit, damit sie sich in Ansehung ihrer selbst in Gott, ihrem letzten Ende, verlieren möge.
2) Und er befahl und sprach dieses zu ihm: Sage dem Aaron, deinem Bruder, dass er nicht zu allen Zeiten in das Heiligtum eingehe, welches im Inwendigen des Vorhangs ist vor dem Gnadenstuhl, welcher die Lade bedeckt, damit er nicht sterbe. Denn ich werde über dem Orakel in der Wolke erscheinen.
Was ist die Ursache, dass Gott nicht wollte, dass der Hohepriester zu allen Zeiten in die Stiftshütte hineingehen sollte? Es geschah darum, um zu derselben Zeit eine grössere Ehrfurcht gegen Gott zu erwecken bei solchen Völkern, welche, da sie nur einen groben und viel zu geringen Begriff von Gott hatten, auch daher nur durch ausserordentliche Dinge, Wunderwerke und grosse Zeichen geführt wurden. Nach der Geburt Jesu Christi aber ist dieser so grosse und so heilige Gott in einen vertraulichen Umgang mit den Menschen eingegangen. Allein, ach! wie sehr haben sie dieses missbraucht! Der Schrecken ist ihnen vielleicht weit vorteilhafter als diese unermessliche Gütigkeit, in Ansehung der bösen Herzen. Was aber die guten Herzen betrifft, o wie weit heftiger werden solche von seiner Liebe gerührt, als von allen erdenklichen Wunderzeichen! Allein wie gar selten werden diese guten Herzen gefunden.
Es ist noch eines zu bemerken, dass nämlich Gott spricht, Er werde über dem Orakel in der Wolke erscheinen. Dieses Vorbild ist wunderbar. Denn es ist gewiss, dass die Seele in ihrem Zentrum, wo Gott wohnt, wahrhaftig keinen stets fortwährenden Zutritt hat, ohne nur durch den Glauben, und zwar durch den allernacktesten Glauben. Gott bedeckt und umhüllt, sozusagen, seine Majestät mit einer Wolke. Alles geschieht und wird gewirkt in dieser göttlichen Dunkelheit, wo die Seele nichts als ein tiefes Stillschweigen sieht, empfindet, erkennt und unterscheidet. Dennoch aber ist sie durch den Glauben gewiss, dass dieses Gott ist. Sie kann daran nicht zweifeln, da Gott, wie Er an einem andern Ort spricht, die Finsternisse zu seinem Verbergungsort erwählt hat (Ps.17,12 4 1.Kön.8,12). Diese in Ansehung der Seele mit Wolken umhüllte anbetungswürdige Majestät hat etwas, das unendlich erhabener, wunderbarer und gewisser ist, als alles, was durch die Sinne und Vermögenheiten der Seele entdeckt wird, als da sind der Geschmack, die Gesichte, Offenbarungen, Entzückungen usw., welche entweder durch die Sinne empfangen werden (und diese sind die gröbsten), oder sie werden durch die Vermögenheiten der Seele empfangen, und diese sind weniger grob. Dennoch aber ist es allezeit etwas sehr Geringes im Vergleich zu diesen heiligen Finsternissen, welche in diesem Leben zu der Mitteilung Gottes selbst dienen, gleichwie das Licht der Herrlichkeit im ewigen Leben dazu dient.
3) Er soll auch nicht hineingehen, er habe denn zuvor dieses getan: Er soll ein Kalb zum Sündopfer und einen Widder zum Brandopfer darbringen.
Der Hohepriester musste ganz und gar gereinigt sein, ehe er in die Stiftshütte einging, und dieses musste geschehen nach dem Mass aller und jeder Reinigung des alten Gesetzes, welche in der Vergiessung des Bluts der Tiere geschah, eine Reinigung, die sich weiter erstreckte als die Reinigung mit dem Wasser, da solche nicht nur (wie das Wasser) zu den gesetzlichen Reinigungen, sondern auch sogar zu den Reinigungen von Sünden diente. Ob auch gleich dieses Blut an und für sich von keiner Verdienstlichkeit sein konnte, so bekam es dennoch sein Verdienst dadurch, dass seine Würdigkeit in dem Blut eingeschlossen war, das Jesus Christus vergiessen sollte. Es war also notwendig, dass der Hohepriester durch das Blut gereinigt wurde, ehe er in die mit Wolken bedeckte Stiftshütte einging. Eben also ist es auch mit der Seele. Nachdem sie durch das Wasser der Busstränen ist gewaschen worden, muss sie auch hernach noch in dem Blut Jesu Christi von aller Befleckung ganz und gar gereinigt worden sein, damit sie in dieses mit Wolken erfüllte Zentrum, wo Gott wohnt, eingelassen werden kann. 0 welche Reinigung muss die Seele nicht erdulden! Es ist nur Jesus Christus, welcher die Seele durch sein Blut bis zu dem erforderten Grad reinigen kann. Es ist notwendig, dass sie nicht nur bloss damit besprengt, sondern dass sie ganz darin gewaschen werde. Anbetungswürdiger Erlöser, nichts geschieht ohne nur durch dich. Und ob du gleich zu derselben Zeit gegenstandsweise der Seele verborgen bist, so entdeckt sie dennoch hernach, wenn sie zu einem höheren Grad gelangt ist, dass es Jesus Christus war, der dieses alles getan. Alles ist durch Ihn und nichts ohne Ihn gemacht worden (Joh.1,3 & Kol.1,16-17). Demnach ist es Jesus Christus, der die Seele zubereitet und reinigt, bis dass Er sie rein genug gemacht hat, um sie in Gott zu verlieren, und sie darinnen mit sich zu verbergen.
Nachdem der Hohepriester das Kalb für die Sünde geopfert hatte, musste auch noch der Widder zum Brandopfer geopfert werden. Dieses zeigt an die letzte Reinigung, welche nur allein durch die alles verzehrende, reine und göttliche Liebe geschehen kann, als welche alles so ganz und gar zerstört, dass von dem Kreatürlichen nichts mehr übrigbleibt. Darum ist die reine Liebe wahrhaftig das Opfer des Brandopfers, worin alle Eigenheit zerstört und vertilgt wird.
4) Er soll sich mit einem leinenen Rock bekleiden, und das mit einem leinenen Kleid bedecken, was verdeckt sein soll. Er soll sich mit einem leinenen Gürtel umgürten, sein Haupt soll er mit einer Leinwand bedecken, denn diese Kleider sind heilig, und er soll sie anziehen, nachdem er sich mit Wasser gewaschen hat.
Die Kleidung in Leinwand, womit der Hohepriester bekleidet sein soll, stellt sehr wohl vor ein reines, einfältiges und von aussen unschuldiges Leben, da man alle Regeln der Zucht und Ehrbarkeit von aussen bewahrt, um den Nächsten zu erbauen und ihn nicht zu ärgern. Das Innere aber muss verborgen sein, und bedeckt mit der Decke der Einfalt und Unschuld. Nichts ist gewöhnlicher als die Leinwand, nichts ist auch gewöhnlicher als das Leben dieser Seelen, die einfältig, unschuldig, klein und kindlich sind.
7) Bei dem Eingang der Hütte des Zeugnisses soll er dem Herrn zwei Böcke darbringen;
8) Und soll das Los über diese zwei Böcke werfen, ein Los dem Herrn, und das andere dem weggesandten Bock.
9) Den Bock, auf den das Los des Herrn gefallen ist, soll er zum Sündopfer opfern.
10) Den andern Bock, auf den das Los der Wegsendung gefallen, soll er lebendig dem Herrn darbringen, damit er das Gebet über solchen spreche, und ihn in die Wüste sende.
Diese zwei Böcke stellen das unschuldige Lamm vor, das für unsere Sünden sich gerne hat wollen aufopfern lassen, nämlich diesen wunderbaren ausgesandten Bock, der mit den Sünden seines Volks beladen ist.
Wir können auch darunter eine Seele verstehen, die zu einem solchen Grad (wie zuvor gemeldet) ist gereinigt, mit Jesu Christo in Gott verloren, und sodann in den apostolischen Stand gesetzt worden, um ihren Brüdern zu helfen; ja was noch mehr ist, die, gleich wie der ausgesandte Bock, auf gewisse Weise mit den Sünden ihrer Brüder beladen wird. Diese Seele, nachdem sie mit dem Fluch derer, für welche sie leidet, ist beladen worden, wird in die Wüste gejagt.
Es gibt zweierlei Wüsten. Die erste Wüste bezieht sich nur auf uns selbst, und durch solche muss man zuvor durchgegangen sein, ehe man den andern zu helfen vermag. Dieses ist die Wüste unserer selbst, eine Scheidung und Absonderung von allen Dingen und von uns selbst, welches geschieht durch den Tod und Verleugnung aller Dinge, wenn wir uns selbst verleugnen, und uns so ganz und vollkommen verlassen, dass wir an uns selbst und an allem was uns betrifft, ebensowenig Anteil nehmen, als ob wir nicht mehr wären, und wir also in den Händen Gottes in Zeit und Ewigkeit gelassen, überlassen und in Gott verloren bleiben.
Die andere Wüste ist diese, in welche eine apostolische Seele öfters für ihren Bruder verbannt und verwiesen wird. Diese apostolische Seele muss alsdann die Schwachheiten ihres Bruders tragen; sie muss, sozusagen, um seinetwillen von Gott verbannt sein, seine andere Gemütsbeschaffenheit tragen, in die Wüste verjagt sein, weil diese Seele für das Heil ihrer Brüder gleichsam zum Sündenbock ist gemacht worden. Und dieses ist eine übertragene Ausbreitung der Sendung Jesu Christi und des apostolischen Lebens.
Das Los wird über diese zwei Böcke geworfen, und indem von dem Herrn einer von solchen bestimmt und erlesen wird, so gibt dieses zu erkennen, dass nicht alle gereinigten Seelen zu dem apostolischen Leben berufen sind. Es gibt wunderbare Seelen, von welchen man nichts weiss, und die im Verborgenen geheiligt werden, welche man auch nur erst in jenem Leben erkennen wird. Dies sind die Heiligen, die dem Herrn geheiligt sind, gleichwie dieser Bock dem Herrn geheiligt wurde.
Es gibt auch noch eine andere Erklärung: Diese zwei Böcke stellen zweierlei Personen vor, die von Gott berufen sind, Ihm durch verschiedene Opfer aufgeopfert zu werden. Die einen gehören, durch die Verlierung ihrer selbst in Gott, auf eine ganz besondere Weise Gott zum Eigentum an, und Gott bestimmt sie zu der erhabensten Gnade, nämlich für Gott allein reserviert oder vorbehalten zu sein, und Gott ohne Vorbehalt, und ohne dass ihnen ein Mittel zur Erhaltung übrigbleibt, aufgeopfert zu werden. Die andere Gattung sind die Seelen, welche zu guten Wirksamkeiten, zum Dienst des Volkes und göttliche Gaben zu empfangen bestimmt sind; und diese erretten ihre Seele.
Das Los drückt sehr wohl aus die besondere und kräftige Berufung Gottes zu dem einen oder zu dem andern von diesen zwei Wegen. Die Personen, welche zu den heiligen Wirksamkeiten bestimmt sind, endigen also auf eine heilige Weise ihr Leben, und verdienen grosse Kronen vor Gott, weil sie in dem Dienst, den sie den Seelen geleistet, viele Arbeit getan. Was aber jene anderen Seelen betrifft, welche schon in diesem Leben für Gott selbst bestimmt sind, oh, diesen muss es das Leben kosten, und sie müssen ohne Erbarmen aufgeopfert werden. Ein jeder aber muss in seinem Weg getreu sein, und den Weg der andern in Ehren halten. Er muss den Weg, den er nicht selbst zu betreten berufen ist, weder verurteilen noch verachten, sondern beherzigen, dass ein jeder seine eigene Gabe von Gott empfangen habe (1.Kor.7,7), und soll betrachten, dass der Wert und die Würdigkeit der Stände abhängt von dem Willen Gottes, wodurch man in solchen Ständen sich befindet; wie auch von der Treue, durch welche die Seele darinnen bleibt, gleich wie auch hierin alle unsere Vollkommenheit besteht.
12) Hernach soll er das Rauchfass nehmen, und solches mit Kohle vom Altar füllen, und soll mit der Hand das Rauchpulver nehmen, welches ist gemacht worden um zum Weihrauch zu dienen, und so soll er in das Inwendige des Vorhangs in das Allerheiligste eingehen.
13) Und wenn er das Rauchwerk auf das Feuer getan, dass der Rauch und Dampf, welcher davon in die Höhe steigt, das Orakel, welches über dem Gnadenstuhl ist, bedecke, und er nicht sterbe.
Dieses hier ist ein anderes Opfer, welches nur in dem Allerheiligsten geschieht. Denn dieses Opfer ist ganz innerlich, und die Seele muss fast zu ihrem Ende gelangt sein, wenn sie dieses Opfer Gott darbringen soll. Es ist das Opfer des Weihrauchs, das durch das heilige Feuer der Liebe geschmolzen wird, worin das Gebet nichts anderes ist, als ein Rauch des Weihrauchs, wo die Seele in der göttlichen Liebe gleichsam flüssig gemacht wird, wo sie nichts anderes tut, als in Gott einzufliessen, wo der gute Geruch und der Rauch des ganzen Innern unaufhörlich zu Gott aufsteigt, ohne sich wieder herunterzubeugen, und wo nichts mehr ist als die einzige Ehre und die einzige Verherrlichung Gottes. Die Seele hat darin kein Interesse mehr für sich selbst, sondern sie steigt unaufhörlich auf in die Höhe. Dieses Opfer aber ist von einem ganz vortrefflichen Geruch, indem es bis zum Thron Gottes, der es gern annimmt, aufsteigt. Dieses ist das Lobopfer, von welchem David redet (Ps.115,17), worin die Seele keine andere Absicht als auf Gott hat. Sie wünscht, dass Er geliebt und verherrlicht werde. Sie weiss, dass Gott allein alles verdient, daher sie auch Gott alles hingibt, und Ihm alles wieder zurücksendet. Es ist dieses auch das Opfer der völligen Entblössung von aller Eigenheit. Es bleibt von dem zerschmolzenen Weihrauch, nachdem aller Rauch in die Höhe gestiegen ist, nichts übrig als ein kleiner, süsser Geruch. Ich glaube, dass es in diesem vollkommensten Sinn ist, was Paulus den guten Geruch Christi nennt (2.Kor.2,15).
Überdies musste der Rauch das ganze Orakel bedecken, damit der Hohepriester nicht stürbe. In diesem Stand ist alles mit der Dunkelheit dieses wohlriechenden Rauchs bedeckt, so dass die Seele nichts in Gott sehen noch unterscheiden kann, da alles mit Finsternissen bedeckt, der Glaube aber das wesentliche Licht dieses Lebens ist; wie auch damit die Seele sich selbst nicht mehr sehen könne. Denn das eigene Anschauen verursacht uns den Tod, wie auch den Vorwitz, wenn wir Dinge wissen und einsehen wollen, die Gott nicht selbst uns entdeckt.
16) Er soll das Heiligtum reinigen von den Unreinigkeiten der Kinder Israel, von ihren Übertretungen wider das Ge setz, und von allen ihren Sünden. Eben dieses soll er auch tun mit der Hütte des Zeugnisses, die unter ihnen ist aufgerichtet worden, mitten unter den Unreinigkeiten, die in ihren Zelten getan werden.
Es scheint, die Sünden des Volks besudelten das Heiligtum des Herrn. Dies ist so wahrhaftig, so dass die Zerstörung des Tempels nur durch die Sünde der Juden verursacht wurde, gleichwie sie damit waren bedroht worden (z.B. Mose 26,31 & Hesek.24,21). Ich will mein Heiligtum entheiligen, ich will meine Sabbathe zerstören. Demnach musste das Heiligtum von den Sünden des Volks gereinigt werden. Allein dieses war nicht genug, es musste auch noch ihre Wohnung und das Heiligtum, das mitten unter ihnen war, gereinigt werden, denn ohne dieses würden ihre Sünden dieses Heiligtum allezeit wieder verunreinigen. Eben also ist es auch heutzutage. Die Kirche an sich selbst ist ganz rein und ohne Flecken, wie die Stiftshütte also war; wir aber entheiligen sie durch unsere Übeltaten und Laster. Wie soll aber die Kirche von unserm Unflat gereinigt werden, wenn wir uns nicht