Jakob Lorber
Der Grossglockner
Ein Evangelium der Berge
( Text )
Durch das innere Wort empfangen und niedergeschrieben von Jakob Lorber.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Großglockner im neuen Lichte
Gedicht
- 01.
Kapitel Der Großglockner als Gebirgs- und Landesvater.
- 02. Kapitel
Die Bedeutung und Entstehung des Eisens.
- 03. Kapitel
Die Berge als Regler der Luftströmungen.
- 04. Kapitel
Wesen und Ursache des Gletscherlichtes.
- 05. Kapitel Geistiges
und Materielles.
- 06. Kapitel
Geisterkampf in der Natur.
-
07. Kapitel Wege zur Demütigung und Erziehung der Naturgeister.
- 08. Kapitel
Wege zur Besserung der Naturgeister.
- 09.
Kapitel Der geistweckende Einfluß einer Bergbesteigung.
-
10. Kapitel Die Berge als Liebeprediger und Weisheitspropheten.
-
11. Kapitel Die Stärkung des Gemüts und der inneren Sehe in der Bergwelt.
- 12.
Kapitel Die Berge als Stätten göttlicher Offenbarung.
- 13. Kapitel
Die Berge als Spiegel unseres Innern.
Einleitung – Höret,
und dann schauet und erfahret!
[Gr.01_000,01] Liebe Kinder, so ihr Mir nachfolget, da folget völlig in allem
Mir nach; habt nicht Lust zu wandeln in tiefen Tälern, Gräben und Schluchten,
die da sind oft voll Ungeziefer, unreiner Luft und nicht selten unter den
Nachbarn voll Hader, Zank, Haß und aller Dieberei und gegenseitigen Fluches,
sondern gehet mit Mir gern auf Berge und Höhen! Da sollet ihr allzeit entweder
eine Bergpredigt, oder eine Verklärung, oder eine Sättigung mit wenig Brot, oder
eine Reinigung vom Aussatze, oder einen Sieg über die stärksten Versuchungen,
eine Erweckung vom Tode und derart vieles und für euch jetzt noch
Unaussprechliches erfahren; ja, nehmet sogar Kinder mit, und ihr sollet den
Segen der Berge an ihnen gar deutlich erkennen!
[Gr.01_000,02] Wer da ist schwachen Leibes, der soll nicht fürchten die
gesegneten Berge, denn ihre Scheitel sind umflossen vom stärkenden Hauche der
Geister des Lebens. Fürwahr, auf den Bergen und Höhen, da drehen sich selige
Reihen und schmücken die duftenden Scheitel mit goldenen Blumen der ewigen
Liebe! O prüfet noch heut' die Bewohner der Berge, ob sie nicht zumeist groß
beschämen die Had'rer der Täler, der Dörfer, der Märkte und Städte! Die
christliche Gastfreundschaft wohnet auf Bergen nur noch ungeschändet;
verträgliche Eintracht, die wohnt nicht in Städten der Tiefe, in Tälern und
Gräben, – auf Bergen nur müßt ihr sie suchen, da ist sie zuhause, so unter den
Pflanzen wie unter den Tieren und eben nicht selten auch unter den Menschen.
[Gr.01_000,03] O lasset zwei Feinde betreten die duftenden Scheitel der Alpen:
ihr werdet erfahren und sehen die Feinde als Freunde nicht selten sich kosen.
Der Wolf, dieses reißende Tier, der nach Blute nur dürstet, der suchet nicht
selten, fürwahr, auf den Bergen sein heilendes Kräutlein und schonet in diesem
Geschäfte der blökenden Herde der Lämmer.
[Gr.01_000,04] O schauet zurück auf die ersten Väter der Väter auf Erden: sie
wohnten auf Höhen der Berge! Vom himmelanragenden Sinai gab Ich dem Moses die
heiligen Tafeln, auf welchen mit goldenen Zeichen des ewigen Lebens gar freie
Gesetze den Menschen der schmutzigen Tiefe gezeichnet und tief eingegraben gar
waren.
[Gr.01_000,05] Ich brauch' euch nicht mehr'res von allen den heiligen Bergen zu
sagen, auch nicht von der Schule der Seher und Künder des ewigen Wortes aus Mir;
– gehet nur öfter auf Berge, und weilet recht gerne auf selben, da werdet ihr
allzeit die Fülle des Segens der ewigen Liebe des heiligen Vaters erfahren! Der
„Kulm“, schon einmal von Mir euch geraten, wird geben dem, welcher aus Liebe zu
Mir wird besteigen des grünenden Scheitel, was einstens der Tabor dem Petrus,
Jakobus und Meinem Johannes. Doch höret, Ich sage nicht „Muß“, auch nicht
„Soll“; nur wer's kann und wer's will, folge Mir, seinem Meister und Vater, so
wird er gar bald auch erfahren, warum Ich die Predigt des Himmels vom Berge zum
Volke gesprochen! Die Zeit steht euch frei; doch je eher, je besser, – das
merket euch, amen! Das sage Ich Vater ganz heilig voll Liebe zu euch; hört es,
amen, amen, amen!
Der Großglockner im neuen Lichte
In
der Reinen rein'rem Lande -
Da, wo reine Lüfte wehen,
Wo in liebetreu'm Verbande
Brüder miteinander gehen, -
Da auch über Wolken ragen
Freundlich düster hehre Zeugen,
Die gar große Bürden tragen,
Opfer auch, die aufwärtssteigen!
Unter
diesen vielen Zeugen,
Die das kleine Ländchen zieren,
Zeigt in still-erhab'nem Schweigen
Deutlich doch der Große Wirren. -
Diesen Zeugen viele kennen,
Weit und breit wird er besprochen,
Doch wie viele sein erwähnen
Wird dahier nicht viel gerochen!
Wie
er da zerklüft't, zerrissen
Und wie hoch empor er raget,
Wie er ist an seinen Füßen -
Wieviel Schnee und Eis er traget, –
Solches wird hier nicht beraten,
Sondern was der Riese saget,
Sei ganz kurz dahier verraten.
Und so wisse, wer da fraget:
Zu
was nütze solche Höhen? –
Solche Höhen vielfach nützen,
Wenn erboste Geister wehen
Und im Argen sich erhitzen,
Eurer Erd' mit Feuer drohen,
All's auf ihr vernichten wollen,
Ja in Grimmes Feuerlohen
Schon so manches Gras verkohlen, –
Seht,
da greift der hohe Wächter
Weit um sich mit tausend Armen,
All die tückischen Geschlechter
Fest und kalt ohn' all's Erbarmen
So „am Kragen“, wie ihr saget,
Zieht an sich sie von all'n Seiten,
Dann zu rühren kein's sich waget,
Kein's, sich weiter auszubreiten! -
Hat
er sie an sich gezogen
All die argen Ordnungsstörer,
Die die Erd' so oft belogen,
Sie, der Erde Wahnsinnsmehrer,
Werden hier erst ganz ergriffen
Von des Friedens Geisterhorden,
Und am Eise matt geschliffen,
Stumpf für Lust zum ferner'n Morden!
Nun
zu Schnee und Eis umstaltet
Liegen sie zu Trillionen
Schon als Höh'nschmuck grau veraltet
Auf den kalten Herrscherthronen.
Seht des Glockners nützes Walten
Seht, wie er der Ordnung dienet,
Daher seine rauh'n Gestalten,
Darum auch so hoch er zinnet!
Doch
allein dazu erschaffen
Ist er wahrlich nicht geworden -
Um gerecht allzeit zu strafen
Arger Geister friedlos' Horden;
Was in ihm noch alles stecket,
Was er alles noch verrichtet
Wird in Größ'rem ausgehecket
Und des Nutzens Weis' gelichtet!
Amen.
1.
Kapitel – Der Großglockner als Gebirgs- und Landesvater.
[Gr.01_001,01] Es deucht euch wunderbar das wohlgelungene Bild, wie da
majestätisch ein König der Berge, der „Großglockner“ genannt, aus der Mitte
seiner großen Brüder kühn sein Haupt erhebt und schauet gewisserart nach allen
Seiten hin, wo seine Kinder, von ihm auslaufend, sich befinden; aber noch
wunderbarer wird es euch bedünken, wenn Ich euch, nach der guten Ordnung bei
seinen kleinsten Abkömmlingen angefangen, erst also bis zu ihm hinführen werde.
[Gr.01_001,02] Es wird euch freilich wohl ein wenig wundernehmen, wenn Ich
dartue, daß eure Steiermark auch nicht einen Hügel diesseits des Flusses Drave
besitzt, der da nicht ein Abstämmling dieses Gebirgsvaters wäre; aber das tut
nichts zur Sache, – am Ende wird es sich dann bei der Summierung aller
Wahrheiten wohl zeigen, wie viele Fehlhiebe wir bei dieser Darstellung werden
gemacht haben.
[Gr.01_001,03] Und so sehet denn: Wenn ihr zum Beispiel euren Schloßberg
besteiget, oder den sogenannten „Rosenberg“, oder den Plabutsch, oder den
Buchkogel, oder ihr verfüget euch ganz hinab in die letzten Ausläufer der
windischen Bühel, da sage Ich euch: Auf allen diesen Bergen, miteingerechnet
diejenigen Alpen, die ihr schon bestiegen habt, besteiget ihr immerwährend noch
den Fuß des Großglockners.
[Gr.01_001,04] Wem solches schwer zu glauben wäre, der dürfte, um den nächsten
Gebirgsweg zu haben, nur zum Beispiel hier auf dem sogenannten „Buchkogel“ seine
Reise beginnen, von dort aus aber immerwährend sich an die Gebirgsrücken halten
– welche freilich nicht immerdar gleich hoch sein werden, aber dennoch immer
hoch genug, um von den Tälern wohl unterschieden zu werden –, und er wird wohl
auf diesem freilich etwas beschwerlichen Wege schon nach einer Tagereise auf
jene Alpen gelangen, welche zumeist die Steiermark vom Kärntnerlande trennen,
bei welcher Gelegenheit er dann nichts anderes braucht, als den mühsamen Weg
über alle die Alpen fortzusetzen, und so er übrigens festen Fußes ist, kann er
darauf rechnen, daß er binnen längstens zehn Tagen schon in die sehr nahe
liegenden Gegenden unseres Großglockners gelangt ist, ohne daß er nur einmal
nötig hatte, über ein tiefes Tal zu gehen.
[Gr.01_001,05] Diese Reise wird ihn dann sicher überzeugen, daß euer Buchkogel
samt seinen noch weiterhin gedehnten Ausläufern gar wohl noch mit diesem
Gebirgsvater zusammenhängt. Wer jedoch solche ziemlich beschwerliche Reise nicht
zu machen gedenkt, der nehme in diesem Falle nur eine gute Landkarte, wo er
freilich wohl viel bequemer dieselbe Reise unfehlbar mit seinem Finger machen
kann, und er wird sich von der Richtigkeit dieser Aussage sicher überzeugen.
[Gr.01_001,06] „Ja“, werdet ihr aber sagen, „das mag wohl alles sein, denn es
hängt ja der Nordpol mit dem Südpol sogar zusammen, und auf diese Weise können
ja wohl der Buchkogel und der Großglockner auch zusammenhängen; aber was soll
aus diesem Zusammenhang werden? Wo sieht da ein Evangelium heraus?“
[Gr.01_001,07] Ich aber sage: Nur eine kleine Geduld, Meine Kindlein! Denn
zwischen dem Buchkogel und dem Großglockner ist des Raumes und der Dinge genug,
um auf dieses Raumes Boden ein gutes Senfkörnlein auszustreuen, welches da
aufgehen und seine Äste und Wurzeln so weit ausbreiten wird, wie unser großer
Gebirgsvater seine Arme und Kinder ausbreitet!
[Gr.01_001,08] Eine Frage läßt sich hier sogleich anbringen, und zwar diese:
„Liegt denn etwas daran, daß dort oben der Großglockner über alle Berge sein
Haupt erhebt, in einem andern Lande wieder ein anderer, der noch höher ist als
der Großglockner, und wieder in einem andern Lande noch ein dritter, der über
alle anderen hinwegschaut?“
[Gr.01_001,09] Hier auf diese Frage gebe Ich eine ganz kurze Antwort und sage
nichts, als daß solches im Ernste sehr notwendig ist, weil von der überragenden
Höhe solcher Berge in naturmäßiger Hinsicht die ordentliche Erhaltung nicht nur
derjenigen Länder, in denen sie sich befinden, sondern eines ganzen Weltteiles
abhängt, wie z.B. Europa von den drei euch halbwegs benannten Bergen, Asien und
Amerika von den ihren, usw.
[Gr.01_001,10] Bei dieser Beantwortung der Frage ergibt sich schon sogleich
wieder eine andere, und zwar folgende, da ihr saget: „Wieso denn? Wie ist das
möglich?“
[Gr.01_001,11] Und Ich gebe euch darauf ebenfalls eine kurze Antwort, welche
also lautet: Ebenso, wie das Leben des Leibes vorn Kopf abhängt; denn wird
dieser vom Leibrumpfe genommen oder sonst stark beschädigt, so geht auch alsbald
das Leben des ganzen anderen Leibes unter.
[Gr.01_001,12] Diese Antwort genüge euch vorderhand; denn gerade also ist auch
das Verhältnis solcher Berge zum übrigen Lande, wie das des Kopfes ist zu dem
übrigen Leibe. Geht auch das Leben nicht unmittelbar vom Kopfe aus, so ist aber
dennoch der Kopf das Hauptaufnahmeorgan des naturmäßigen Lebens, von welchem aus
dann erst dasselbe, den ganzen Leib dirigierend, in alle Teile desselben
ausgeht. Der menschliche Leib hat noch viele andere Extremitäten, die er
verlieren kann, ohne darum das Leben einzubüßen; aber des Leibes oberste
Extremität läßt sich nicht ohne den Verlust des Lebens einbüßen.
[Gr.01_001,13] Sehet, gerade also auch verhält es sich mit unsern höchsten
Bergen. Ihr könnt zwar den ganzen Buchkogel abgraben, ja sogar über eine höhere
Alpe dürft ihr euch hermachen, wenn ihr Lust und Kräfte dazu besitzt; aber wäre
es jemandem möglich, sich auch über den Großglockner herzumachen und ihn zu
planieren gleich dem vorher erwähnten Buchkogel oder einer anderen Alpe, so
würde diese Unternehmung nicht so straflos ablaufen wie die Planierung des
Buchkogels oder einer andern, bedeutenderen Höhe. Denn solche geringeren
Planierungen würden beinahe gar keine fühlbaren nachteiligen Folgen nach sich
ziehen, während die Planierung des Großglockners entweder alsbald eine
unabsehbar weite Strecke der Länder in einen ewigen Winter oder aber wenigstens
in einen weit ausgedehnten See verwandeln würde.
[Gr.01_001,14] Hier werdet ihr schon wieder fragen: „Wieso denn? Und wie ist
dieses möglich?“
[Gr.01_001,15] Ein kleines Beispiel wird euch die Sache sogleich anschaulich
machen.
[Gr.01_001,16] Sehet: Ihr wisset, daß vom Leibe aus alles Blut seinen Weg in den
Kopf nimmt! Wenn nun der Kopf vom Leibe getrennt wird, was tut da das Blut? –
Sehet, jetzt haben wir es schon; denn ihr sagt selbst: „Da wird das Blut ja
alsbald aus den Adern treten, sich über den Leib ergießen, wodurch dann die
Adern und der ganze Leib zusammenschrumpfen werden; der Leib aber wird dadurch
in den sichern Tod übergehen!“
[Gr.01_001,17] Also ist es auch bei einem solchen Berge der Fall, der ebenfalls
ein Rezipient der gewaltigsten inneren Wasserquellen der Erde ist, dieselben
durch seine große Grundschwere daniederhält und nur so viel durch seine Poren
davon austreten läßt, daß dadurch das ganze Land weit und breit seine nötige
Bewässerung erhält; den Überfluß dieser beständigen Ausdünstungen der inneren
Gewässer aber saugt er aus der Luft selbst sorgfältigst wieder in sich. Damit es
sich nicht so leichtlich von ihm entferne, so verwandelt er es in beständiges
Eis und in beständigen Schnee, aus welchem Grunde er auch höchst selten dunst-
oder wolkenlos zu erblicken ist.
[Gr.01_001,18] Was aber er tut, dasselbe müssen auch – wennschon in geringerem
Verhältnisse – bei Zeit und Gelegenheit alle seine Kinder und Kindlein tun.
[Gr.01_001,19] Warum sage Ich hier „Kinder und Kindlein“? – Aus der einfachen
Ursache, weil zur Zeit der Gebirgsbildung die höchsten Berge der Erde die ersten
waren, die da gebildet wurden, und von ihnen aus dann erst die anderen in
zusammenhängender Ordnung auf die Art und Weise, die euch schon bekannt ist! Nur
müßt ihr euch dabei nicht etwa denken, heute wäre zum Beispiel der Großglockner,
morgen seine Kinder und übermorgen seine Kindlein gebildet worden, sondern
zwischen diesen Bildungsprogressionen sind lange Zeitperioden vorhanden, welche
sich nicht selten auf mehrere Millionen von Erdenjahren erstrecken, so daß darob
in einem Lande kaum zwei Berge vorhanden sind, die da gleichen Alters wären. Daß
aber unser Großglockner zu den urältesten Bergen der Erde gehört, könnt ihr
vorerst daraus ersehen, daß er von Mir ein „Vater der Berge“ genannt wird, und
fürs zweite, weil er ein Haupt mehrerer Länder ist, und fürs dritte bezeugt
solches sein Gestein, welches da gewaltig verschieden ist von dem Gestein seiner
Kinder und Kindlein.
[Gr.01_001,20] Wie aber alle die Berge gegen ihren Vater hin an Höhe zunehmen,
also nehmen sie auch zu an Alter; und je mehr ihre Scheitel sich mit beständigem
Schnee und Eise schmücken, desto erhabener und bedeutungsvoller werden sie auch.
Dieses müßt ihr euch gar wohl merken, denn die Folge wird es zeigen, von welcher
vielseitig großen Wichtigkeit dieser Satz ist. Wir wollen uns daher in keine
langen Nebendiskurse einlassen, sondern sogleich zur Hauptsache übergehen, und
zwar zuerst in naturmäßiger, dann in geistiger, dann endlich in evangelischer
Hinsicht.
[Gr.01_001,21] Es gibt gar viele Menschen, die da sagen: „Ich habe einen sanften
Hügel, der mit Äckern, Wiesen, Baumgärten, Waldungen und Viehweiden belebt ist,
um unvergleichbar vieles lieber den hundert Großglockner!“
[Gr.01_001,22] Solche Menschen haben zwar einesteils wohl recht; denn auf dem
ewigen Schnee und Eise des Großglockners läßt sich durchaus kein Weinberg
anlegen, – ja nicht einmal die allerletzte Pflanze, wie zum Beispiel das harte
Steinmoos, kommt da fort.
[Gr.01_001,23] Ich frage aber: Ist denn ein Berg nur dann nach seiner
vegetabilen Fruchtbarkeit zu taxieren? Wenn es auf die Fruchtbarkeit ankommt, da
ist ein jeder Berg überflüssig; denn in der Ebene arbeitet sich's ja doch
offenbar leichter denn auf was immer für einem Berge, und die Erfahrung wird
euch schon gar wohl belehrt haben, daß in der Ebene alles recht gut fortkommt.
Sonach ist es doch sicher eine Albernheit, einen Berg nach seiner Fruchtbarkeit
zu taxieren, denn die Fruchtbarkeit der Berge ist nicht die Bedingung ihres
Daseins, sondern diese dreht sich um eine ganz andere Achse. Sonach werden
diejenigen wohl ihr Wort zurücknehmen müssen, welche einen fruchtbaren Hügel
höher schätzen als einen unfruchtbaren hohen Gletscher, und sie werden es sich
gefallen lassen müssen, wenn Ich sage: Eine Quadratklafter vom Eise des
Großglockners ist an und für sich mehr wert als eine Quadratmeile voll der
fruchtbarsten Hügel!
[Gr.01_001,24] Hier werdet ihr schon wieder fragen: „Wieso denn? Wie ist das
möglich?“
[Gr.01_001,25] Ich aber sage euch: Wenn es nur auf den gewissen Erwerbsertrag
ankommt, da könnt ihr euch mit den Augen eures Kopfes, für sich allein genommen,
sicher nicht einen Heller verdienen, wohl aber mit euren Händen und Füßen! Ist
aber darum das Auge nicht mehr wert denn die Hände und Füße, welche ihr ohne das
Licht des Auges schwerlich gebrauchen würdet?! Und doch ist die Pupille des
Auges gar klein im Verhältnis zu dem Maße der Hände und Füße! Und müßt ihr nicht
zuvor ein jedes Ding, das ihr mit der Hand ergreifen wollt, mit dem Auge
ergreifen, und so auch mit dem Auge den Füßen allzeit vortreten?!
[Gr.01_001,26] Wenn ihr nun dieses beachtet, so wird euch wohl ersichtlich
werden, warum Ich eine Quadratklafter des eisigen Großglocknergrundes höher
ansetze als eine ganze Quadratmeile des fruchtbarsten Hügellandes; denn so wie
ihr ohne das Auge wenig Früchte tragen würdet an den Händen und Füßen, so auch
würden die Ebenen und Kleinhügelländereien gar spottwenig Früchte tragen ohne
den ewigen Schnee und das Eis der Gletscher. Und in dieser Hinsicht dürfte dann
wohl so mancher wohlhabende Landmann eine Reise nach dem Großglockner machen und
daselbst in Meinem Namen sein Eis küssen; denn es hängt von der kußgroßen Fläche
des Eises am Großglockner die ganze Fruchtbarkeit seines Grundes ab.
[Gr.01_001,27] Möchtet ihr hier denn nicht schon wieder fragen: „Wieso denn? Wie
ist das möglich?“ – Nur eine kleine Geduld; es wird gleich kommen!
[Gr.01_001,28] Ihr wißt, daß sich nach dem alten Sprichwort Gleiches mit
Gleichem gern vergesellschaftet. Wenn ihr in eurem Zimmer irgendeinen feuchten
Stein in der Mauer habt, so wird dieser Stein nicht so leicht trocken werden,
sondern wird vielmehr noch Feuchtigkeit von allen Seiten an sich ziehen und
sonach seinen Feuchtigkeitsüberfluß der andern ihn umgebenden Mauer mitteilen
und wird somit einen großen feuchten Fleck in eurem Zimmer bewirken.
[Gr.01_001,29] Sehet, also verhält es sich auch schon wieder mit unserm
Großglockner! Er ist ebenfalls ein sehr großer feuchter Stein in den weit
ausgedehnten Ländereien eines Erdteils und zieht dadurch von weit und weit her
die in der Luft überflüssig schwebenden Feuchtigkeiten an sich. Wenn aber diese
Feuchtigkeiten in tropfbarem Zustande an seinen Steinwänden blieben, so würden
sie dann auch alsbald wieder in großen Strömen diesem Riesenstein entweichen und
viele Ländereien um ihn herum verheeren. Damit aber solches nicht geschieht, so
bewirkt er durch seine Höhe und Gesteinseigentümlichkeit, daß die in sich
gesogenen Feuchtigkeiten alsbald zu Schnee, Hagel und Eis werden.
[Gr.01_001,30] Aber hier werdet ihr sagen: „Wenn das wirklich also ist und
geschieht, so muß er dadurch mit der Zeit ja über ganz Europa hinauswachsen!“
[Gr.01_001,31] O ja, das würde auch sicher der Fall sein, wenn er keine Kinder
und Kindlein hätte; aber diese Kinder entbürden dann ihren Vater, und zwar auf
diese Art: Wenn seine Eis- und Schneelast von oben und außen hinzuwächst, da
werden die unteren Teile oder die unteren und alten Schnee- und Eismassen eben
auch stets mehr gedrückt und gequetscht, wobei sich dann diese Wasser- und
Luftteile durch solchen Druck in zahllosen kleinen Partien entzünden, sich dann
wieder in neblichte Dünste auflösen und diesem ihrem Gefängnisort entsteigen.
Und da ein solcher Gletscher seine vorzügliche Anziehungskraft nur in seinen
höchsten Regionen hat, so würden diese aus seinen niederen und unteren Regionen
entwichenen Dünste sich entweder als tropfbare Flüssigkeit stromweise in die
tieferliegenden Ebenen, alles zerstörend, ergießen, oder sie würden sich,
wenigstens auf den höheren Punkten, dem Schnee und Eise anschließen und dasselbe
also fort und fort ausdehnen und mehren, daß da in einem Jahrtausend ganze
Ländereien von ihnen begraben würden.
[Gr.01_001,32] Aber damit weder das eine noch das andere geschieht, so sind
einem solchen Gebirgslandesvater auch eine unübersehbare Menge Kinder an die
Seite gestellt, welche gar begierig die Überbürdung ihres Vaters auf sich
nehmen; und was ihnen selbst noch zuviel wird, da hocken um sie herum schon
wieder eine Menge Kindlein, weiche den Überfluß gar begierig an sich nehmen. Und
was denen auch noch zuviel wird, damit erst segnen sie das ganze andere
weitgedehnte Flachland.
[Gr.01_001,33] Und so ihr dieses nur einigermaßen begreift, da werdet ihr es
auch leicht einsehen, warum sich von einem solch hohen Berge so weitgedehnte,
zusammenhängende Bergketten nach allen Richtungen hin fast strahlenartig
erstrecken, und es wird euch auch nicht eben zu lächerlich klingen, wenn Ich
euch sage, daß ihr selbst aus euren Hausbrunnen noch Großglocknerwasser trinkt,
und daß es in eurem Lande gar spottwenig Quellen geben wird, die ursprünglich
ihr fruchtbares Dasein nicht diesem Gebirgslandesvater verdanken möchten.
[Gr.01_001,34] „Ja“, werdet ihr sagen, „aber was ist denn hernach das
Regenwasser?“
[Gr.01_001,35] Und Ich sage euch darauf, daß in eurem Lande selten ein Tropfen
anderen Regens den Wolken entfällt als solcher nur, der vom Großglockner und
seinen weitgedehnten Kindern über dieses Land ausgesendet wurde; und ihr würdet
eben nicht gefehlt sprechen, so ihr da sagen möchtet: „Der Großglockner regnet
über unser Land!“
[Gr.01_001,36] Warum denn? – Weil er drei verschiedene, weit ausgehende, kräftig
wirkende Arme besitzt, von denen der eine sich in seinen Kindern und Kindlein
nach allen Richtungen weit ausbreitet, der zweite in all den Quellen, Bächen,
Flüssen und Strömen, oft noch weiter gehend als seine Kinder und Kindlein, – der
dritte, am weitesten ausgehende Arm aber besteht in der Wolkenregion, welche
eben am Großglockner für mehrere Länder ihren Zentralpunkt und an den vielen
weit und breit ausgestreuten Kindern sorgliche Wächter und untergeordnete
Ruhepunkte hat, wo sie sich wieder in stets mehr und mehr dunstigen Massen
ansammelt. Und wenn diese Massen zum Beispiel auf der Choralpe zu dicht
angehäuft werden, dann hat auch eine solche Alpe wieder untergeordnete Kindlein,
welche ihrer Mutter gar begierig einen großen Teil ihrer Bürde abnehmen, – bei
welcher Gelegenheit dann dieser dritte Arm des Großglockners, sich gewöhnlich in
einem wohltätigen Regen ergießend, der armen Pflanzen- und Tierwelt der Ebenen
sorglich unter die schwachen Arme greift und ihr eine wohlschmeckende Mahlzeit
bereitet.
[Gr.01_001,37] Aber das ist nur eine naturmäßig-nützliche Verrichtung und
Bestimmung dieses Gebirgslandesvaters.
[Gr.01_001,38] Es stecken nebst dieser aber noch zwei andere und viel wichtigere
im Hintergrunde, welche wir in der Folge dieser Mitteilung erst werden
kennenlernen; und wenn ihr erst diese werdet kennenlernen, so werdet ihr auch
stets einen vorteilhafteren Begriff von der großen Nützlichkeit eines solchen
totscheinenden Gebirgsriesen in euch lebendig erschauen. Denn wahrlich, Ich sage
euch: Auf der Welt verhält sich alles verkehrt! Wo ihr viel Lebendigkeit sehet
auf der Erde, da ist auch ebensoviel des Todes; wo ihr aber glaubt, es sei alles
in einen ewigen Tod versunken, da herrscht zumeist des Lebens größte Fülle und
eine unberechenbar eifrigste Tätigkeit desselben.
[Gr.01_001,39] Aus diesem Grunde waren zumeist alle Propheten und Seher auf den
Bergen zu Hause; und Ich Selbst, als Ich als Mensch auf der Erde war, hielt Mich
vorzugsweise gern auf den Bergen auf. Auf dem Berge gab ich dem Versucher den
ewigen Abschied; auf einem Berge speiste Ich so viele Hungrige; auf dem Berge
gab Ich in Meinem Worte den ganzen Himmel preis; auf einem Berge zeigte Ich Mich
als das urewige Leben verklärt den drei euch Bekannten; auf einem Berge betete
Ich, und auf einem Berge wurde Ich gekreuzigt.
[Gr.01_001,40] Darum achtet die Berge; denn wahrlich, je höher sie ihre Scheitel
über die Schlammtiefe des menschlichen Eigennutzes erheben, desto geheiligter
sind sie auch und desto segnender das ganze andere Land.
[Gr.01_001,41] Wie solches zugeht, haben wir schon zum Teil gehört; die Folge
aber wird euch erst alles dieses ins klarste Licht stellen, – und so lassen wir
es heute bei dem bewendet sein!
2. Kapitel –
Die Bedeutung und Entstehung des Eisens.
[Gr.01_002,01] Welch einen wichtigen Artikel die Metalle, namentlich das Eisen,
bei euren Hauswirtschaften ausmachen, da braucht ihr eben keine hohen
mathematischen Kenntnisse, um solches zu berechnen.
[Gr.01_002,02] Was würdet ihr wohl ohne das Eisen verrichten können?! Ja, ganz
bestimmt könnt ihr annehmen: Ohne das Eisen wäre noch nie ein Buchstabe gedruckt
worden; ohne dasselbe würdet ihr euch höchst beschwerlich und mühsam eure
Wohnungen bereiten und noch viel beschwerlicher und mühsamer eine notdürftige
Kleidung; ja ohne das Eisen gäbe es noch heutzutage keine Schiffe auf dem Meere
und keine Wagen auf dem Lande.
[Gr.01_002,03] Ihr hättet ohne das Eisen nicht ein einziges Werkzeug, um das
Erdreich aufzulockern und den Getreidesamen in die Erde zu säen, – ja, mit einem
Worte gesagt: Ohne das Eisen wäret ihr in naturmäßiger wie auch in so mancher
Hinsicht in geistiger Weise die ärmsten Geschöpfe der Erde, so daß euch ein
jedes Tier überflügeln würde! Aber mittels dieses hochgesegneten Metalls könnet
ihr euch alles verschaffen, weil aus dem Eisen alle möglichen brauchbaren
Instrumente und Werkzeuge verfertigt werden können. Nicht einmal ein einfaches
Grab könntet ihr der Leiche eines verstorbenen Bruders bereiten ohne das Eisen,
und ihr müßtet deswegen die Leichen der Verstorbenen entweder in die Flüsse
werfen, hier und da höchstens in seichten Sand verscharren oder sie auf die
höchsten, mit ewigem Schnee und Eis bedeckten Berge tragen, so ihr nicht wolltet
vom beständigen Pesthauche umgeben sein. Kurz und gut, die Nützlichkeit des
Eisens ist entschieden zu groß, als daß sie je verkannt werden könnte.
[Gr.01_002,04] Es würde freilich mancher Kurzsichtige sagen: „Im Notfalle, d.h.
in Ermangelung des Eisens und somit auch aller andern Metalle, welche samt und
sämtlich durch das Dasein des Eisens bedingt sind, müßte man sich denn mit
hölzernen Instrumenten behelfen!“
[Gr.01_002,05] Dieses wäre wohl recht, es fragt sich aber dabei nur, womit wird
da wohl ein Baum umgehauen, dann behauen und zu verschiedenartigen notdürftigen
Werkzeugen geschnitten werden können?! Sehet, aus dem geht ja klar hervor, daß
eben das Eisen in der natürlichen Lebenssphäre des Menschen die allererste
Bedingung ist; ohne das hörte sogar das Brotbacken auf, und die Nahrung des
Menschen würde bloß auf rohe Naturfrüchte beschränkt.
[Gr.01_002,06] Da wir somit durch diese kleine Vorbetrachtung gesehen haben, wie
unumgänglich nötig dieses Metall ist, so wollen wir denn auch einen Blick auf
seine Entstehung tun.
[Gr.01_002,07] Ihr wißt schon aus einer früheren Kundgebung, und zwar namentlich
aus der Darstellung Meiner großen „Haushaltung“ im von euch also benannten
Hauptwerk, allwo eine Meldung geschieht von der Hin- und Herwanderung des
Meeres, daß während des Überstandes der Meeresgewässer sich dieses Metall durch
das Salz dieses Gewässers, vorzugsweise aber durch die Einwirkung der Gestirne,
in dem Innern der Erde, und zwar in gewissen schon eigens dazu bestimmten Gängen
oder Adern derselben, ansammelt.
[Gr.01_002,08] Dieses ist richtig und wahr, – ja, diese Ansammlung ist also
wohlberechnet, daß da volle nachfolgende 14000 Jahre nicht imstande sind, das
Metall völlig zu verbrauchen! Aber es ist hier zu der Bildung des Eisens noch
eine sehr wichtige Frage nötig, und diese Frage lautet also: „Ist dieses vom
Meere und den Gestirnen gebildete Eisen auch schon tüchtig, daß man es bearbeite
und daraus verfertige allerlei Gerätschaften?“
[Gr.01_002,09] O nein, sage Ich euch, also ist es noch eine unreife Frucht,
welche wohl die Fähigkeit in sich besitzt, reif und schmackhaft zu werden und
somit auch genießbar, aber im unreifen Zustande weder das eine noch das andere
ist!
[Gr.01_002,10] Da wir solches nun wissen, so fragt sich denn wieder weiter: „Ja,
wie wird denn sonach das Eisen reif?“
[Gr.01_002,11] Die Antwort gibt euch ein jeder Bergmann wie ein jeder Botaniker
und ein jeder Landmann, indem er sagt: „Durch Regen und milden Sonnenschein
all's gedeiht und reifet fein!“ Und es ist auch also.
[Gr.01_002,12] Regen ist eine Hauptbedingung zu aller Kultur, somit auch zur
Kultur des Eisens. Wenn aber der Regen ununterbrochen fortdauern möchte, so
würde er gar bald ersticken die Früchte und nach längerer Zeit auch verzehren
und taub machen das Metall der Berge; damit also alles gedeihe, muß eine rechte
Ordnung allenthalben beachtet sein.
[Gr.01_002,13] Wer aber ist von Mir zur Regulierung solcher Ordnung aufgestellt
auf irgendeinem Weltkörper? Und durch wen wird sie also fortwährend erhalten?
[Gr.01_002,14] Jetzt können wir schon wieder eine Reise zu unserem Großglockner
machen! Sehet ihn nur recht gut an, wie er da emporragt hoch in die Lüfte und in
die Regionen der Wolken, und wie er umlagert ist von tausend und abermal tausend
Felsenzacken und -riffen!
[Gr.01_002,15] Sehet, dieser König der Berge hat einen weiter ausgedehnten
Wirkungskreis zur Einsaugung der Elektrizität und des magnetischen Fluidums denn
eure Wetter- und Blitzableiter auf den Dächern der Häuser!
[Gr.01_002,16] Was ist er demnach noch neben dem, was wir schon in der vorigen
Mitteilung vernommen haben?
[Gr.01_002,17] Sehet, er ist eine unglaublich große und starke Ansammlungs- und
Vorratskammer des elektrischen und magnetischen Stoffes! Wenn er dann durch
seine Fernwirkung auf dem dreifachen euch schon bekannten Wege, namentlich durch
die Bewässerung, wirkt, so versieht er auch alle die Wässer und vorzugsweise den
Regen mit dem gehörigen Quantum von Elektrizität und magnetischem Fluidum.
[Gr.01_002,18] Diese zwei Polaritäten aber sind in naturmäßiger Hinsicht ja die
Hauptbedingung alles Gedeihens und alles Wachstums und Reifwerdens der Pflanzen
und mineralischen Welt, und durch diese beiden hernach auch des der Tiere.
[Gr.01_002,19] Da unser Großglockner aber ein so gewaltiger Ansammler dieser
Polaritäten ist, so kann hier mit wenigen Worten gezeigt werden, daß die Erze
der untergeordneten Berge ja hauptsächlich den Gletschern ihre brauchbare
Auszeitigung verdanken, da eben die Gletscher die Ordner der Temperatur über
alle die unter ihnen gelegenen Ländereien sind.
[Gr.01_002,20] Da wir nun solches wissen, so mache Ich euch nur einzig und
allein darauf aufmerksam, daß diese hohen Schnee- und Eisgebirge, wie bei uns
namentlich der Großglockner, ihre anderen schon bekannten Segnungen zuallermeist
auf dem Wege ihrer Kinder und Kindlein über den Erdboden hin ausspenden; also
spenden sie auch diesen elektromagnetischen Stoff zuallermeist auf diesem Wege
aus.
[Gr.01_002,21] Was aber hinter diesem elektromagnetischen Stoff noch steckt, und
wie schnell dieser nach allen Richtungen hin ausgebreitet wird, werden wir erst
im Bereiche der geistigen Darstellung dieses Gebirgslandesvaters näher
kennenlernen.
[Gr.01_002,22] Für jetzt aber wollen wir diesen Teil beschließen und nur allein
die kurze Betrachtung hinzufügen, daß allezeit die größten und segnendsten
Wirkungen da ausgeboren und zum allgemeinen Nutzen weiter gefördert werden,
woselbst sie die blinde Menschheit am allerwenigsten suchen zu müssen glaubt und
somit auch am allerwenigsten sucht.
[Gr.01_002,23] Und so geht von einer unbedeutenden Eisspitze des Glockners nicht
selten eine bei weitem größere Wirkung über viele Ländereien aus als von den
nicht viel sagenden großen Weltstädten, von denen im Verhältnis zu den guten
Ausgängen ganz unverhältnismäßig viele schlechte Ausgänge gemacht und geboten
worden sind.
[Gr.01_002,24] Und somit zählt ein solcher Berg auch bei weitem mehr als alle
Industrie Englands, Frankreichs und Nordamerikas usw.
[Gr.01_002,25] Da wir somit mit dieser Betrachtung für das Herz, wennschon nicht
für den mathematischen Verstand, zu Ende sind, so wollen wir uns denn zur
nächsten, dritten und somit letzten und allergrößten Nutzwirkung unseres
Großglockners hinwenden; jedoch für heute lassen wir es bei dem bewendet sein!
3. Kapitel –
Die Berge als Regler der Luftströmungen.
[Gr.01_003,01] Nachdem ihr über die Nützlichkeit unseres Großglockners schon so
manches vernommen habt und die Nützlichkeit für nahe schon erschöpft angegeben
betrachtet, so fragt ihr euch wohl selbst: „Welche nützliche Tauglichkeit soll
denn neben allem Vernommenen einem solchen Berge noch innewohnen, und zwar
naturmäßigerweise?“
[Gr.01_003,02] Diese Frage ist recht gut; denn dieser Frage liegt ja eben noch
ein großes Bedürfnis zugrunde, vermöge welchem ihr noch etwas Nützliches von
diesem Berg erfahren möchtet. Da sich aber nirgends ein Bedürfnis oder irgendein
Hunger nach etwas aussprechen kann, für den es nicht irgendeine Sättigung gäbe,
so wird es für das Bedürfnis, welches in dieser Frage liegt, wohl sicher auch
noch eine Sättigung geben.
[Gr.01_003,03] Und so habt denn acht! Wir wollen sogleich unsere Speisekammer
öffnen, allwo ihr zur Sättigung eures Bedürfnisses des besten Brotes in großer
Menge antreffen sollt.
[Gr.01_003,04] Also für was taugt unser Großglockner und somit auch alle
Gletscher und anderen Berge der Erde denn noch?
[Gr.01_003,05] Es wird euch allen gar wohl bekannt sein, daß sich die Erde
binnen 24 Stunden und etwas darüber um ihre eigene Achse dreht; neben dem wird
euch auch der ziemlich bedeutende Umfang der Erde nicht unbekannt sein.
[Gr.01_003,06] Wenn ihr den Umfang der Erde nehmt, der noch bedeutend über 5000
deutsche Meilen hinausreicht, und teilt diese ganze Länge des Umfanges in so
viele Teile, als da 24 Stunden und einige Minuten darüber Minuten in sich haben,
so werdet ihr die überraschende Erfahrung machen, daß da auf eine Minute etliche
Meilen zu stehen kommen.
[Gr.01_003,07] Nun denkt euch aber die Erde als eine berglose, ebene Kugel,
welche wenigstens zehn Meilen hoch über sich teilweise noch mit schwerer
atmosphärischer Luft umgeben ist!
[Gr.01_003,08] Damit ihr aber das Außerordentliche dieser Erscheinung um so
vollkommener begreifen möget, so dürft ihr nur eine Glaskugel nehmen und diese
dann entweder in einem Gefäße, das mit Wasser angefüllt ist, oder in dem
Sonnenstrahl, der da durch irgendein Fenster in das Zimmer fällt und ziemlich
gesättigt ist mit dem gewöhnlichen Sonnen- und auch allfälligen Zimmerstaube,
recht behende um ihre eigene Achse drehen, und ihr werdet euch überzeugen, daß
diese sich drehende Kugel weder ein Wasserteilchen, noch ein noch so leichtes
Stäubchen, wenn es sich nicht durch die elektrische Anziehung der Kugel an sie
klebt, mit sich fortreißt, d.h. in dieselbe Bewegung zwingt, in welcher sich die
Glaskugel selbst befindet.
[Gr.01_003,09] Nun, da wir dieses Experiment gewisserart im Geiste schon gemacht
haben, so wollen wir nun einen vergleichenden Blick auf unsere Erdkugel werfen!
[Gr.01_003,10] Saget Mir: Was würde da wohl die atmosphärische Luft in die
Mitdrehung der Erdkugel um ihre Achse nötigen, so die Erdoberfläche vollkommen
flach wäre? So aber die atmosphärische Luft nicht mitgezogen würde, welcher
Luftströmung würden da alle lebenden Wesen ausgesetzt sein?
[Gr.01_003,11] Wenn aber schon die sogenannten Naturforscher mit ziemlicher
Genauigkeit den mächtigsten Sturm also angesetzt haben, daß da die Luft eine so
schnelle Strömung macht, daß sie in einer Sekunde nahezu 80 Fuß zurücklegt, bei
welcher Gelegenheit dann die Luftströmung schon eine solche Gewalt entwickelt,
daß sie die dicksten und kräftigsten Bäume mit der größten Leichtigkeit aus dem
Erdboden reißt, was würde denn dann erst eine Luftströmung für Folgen haben,
welche in einer Minute etliche deutsche Meilen zurücklegen würde?
[Gr.01_003,12] Ich brauche euch den Erfolg eines solchen Experiments nicht näher
zu schildern; denn so ihr nur ein wenig nachdenkt, so werdet ihr es ja
augenblicklich überklar finden und begreifen müssen, daß bei solchem Luftzug
nicht einmal das Steinmoos sich erhalten könnte, geschweige erst irgendein
anderes Geschöpf. Und was bei einem solchen Luftzug dann erst das Meer dazu
sagen würde, wird derjenige gar nicht schwer begreifen, der nur je das Meer
gesehen hat, wenn ein tüchtiger Wind über seine Oberfläche dahinstürmt und das
Gewässer gleich Bergen übereinander aufsteigen macht.
[Gr.01_003,13] Wenn ihr nun dieses ein wenig beachtet, so wird euch doch Meine
väterliche Fürsorge daraus ganz auffallend in die Augen springen müssen, da Ich
zu diesem Zweck die Berge über die Fläche der Erde also wohl geordnet
aufgerichtet und festgestellt habe, daß ihnen zufolge die Luft mit der Erde sich
zu drehen genötigt wird.
[Gr.01_003,14] Ihr werdet hier freilich sagen: „Warum sind denn zufolge solcher
Nützlichkeit die Berge dann nicht alle gleich hoch und laufen nicht gleich den
Meridianen von Pol zu Pol?“
[Gr.01_003,15] Auf diese Fragen können drei gültige Antworten gegeben werden.
[Gr.01_003,16] Fürs erste sind sie, die Berge, also gestaltet, wie sie sind,
weil Ich beständig mit der Aufstellung eines Dinges keine einseitige Nutzwirkung
beabsichtigen kann und will; und so liegt der erste Grund schon in den vorher
kundgegebenen Nutzwirkungen der Berge offen vor euch, warum da viele sehr hoch,
einige weniger hoch und einige nur unbedeutende Erhöhungen des flachen Landes
sind.
[Gr.01_003,17] Der zweite Grund ist aber folgender: Wären alle Berge gleich hoch
und möchten sich alle geradlinig von Pol zu Pol ziehen, so würde dadurch eine
ewige Luftruhe eintreten, wobei dann bald die unteren Schichten der Luft in
Fäulnis übergehen würden so wie in den unterirdischen Katakomben. Saget, wie
stünde es bei solcher Gelegenheit mit dem naturmäßigen Leben?!
[Gr.01_003,18] Sehet, aus diesem Grunde sind die Berge scheinbar höchst
unregelmäßig über die Erdfläche gestellt. Ich sage euch aber, diese Stellung ist
eine mit allerhöchster Wissenschaft so geordnete, daß eben ihr zufolge die Luft
immerwährend einen Spielraum hat und kreuz und quer über die Erde ziehen und
sich dadurch mischen und reiben muß, durch welche Tätigkeit dann über den ganzen
Erdboden die sogenannte Elektrizität, oder besser das natürliche Lebensfluidum
in hinreichender Menge stets frisch erzeugt wird.
[Gr.01_003,19] Wenn ihr dieses nur ein wenig betrachtet, so wird euch die
Stellung der Berge über dem Erdboden wie ihre verschiedenen Höhen nicht mehr
ungeschickt und zufällig, sondern überaus weise geordnet vorkommen.
4. Kapitel –
Wesen und Ursache des Gletscherlichtes.
[Gr.01_004,01] Warum sind denn noch fürs dritte die Berge von ungleicher Höhe?
Dieses bleibt uns hier noch zu beantworten übrig. Dieser dritte Grund hat aber
wieder drei Hauptgründe in sich, und zwar folgende: Zuerst müssen dadurch die
hohen Gebirgsspitzen auch die obere Luftregion in den Mitschwung um die Erde
nötigen. Wären solcher hohen Berge zu viele auf der Erde, so würde das auch mit
der Zeit in den Tiefen eine fast immerwährende Luftruhe mit sich ziehen, weil
zuviel der oberen Luftregion zur Mitbewegung gezogen würde.
[Gr.01_004,02] Da es aber nur wenige solche Höhen gibt, so wird die obere
Luftregion auch nur an wenigen Punkten genötigt, mit der Rotation der Erde sich
mitzuschwingen; die von solchen Gebirgsspitzen weiter abstehenden Luftsphären
aber werden dadurch nur in eine nach allen Richtungen hin wirbelnde Bewegung
gesetzt gleich also, als wenn ihr einen Stock ziemlich behende durch ein Wasser
zieht, bei welcher Gelegenheit die vor dem Stocke befindlichen Teile des Wassers
zwar mit dem Stocke fortgetrieben werden, zu beiden Seiten aber kann jedermann
eine Menge Ringel und Wellchen bemerken, welche sich viel langsamer dem Stocke
nachziehen, und deren Zug selbst wieder die nebenangrenzenden Wasserteile in
eine Bewegung versetzt.
[Gr.01_004,03] Die Ringel sind lauter Wasserwirbel, welche das Wasser in die
Tiefe hinab beunruhigen, und die Wellchen beunruhigen die ganze Oberfläche des
Wassers; und so hat mit der Zeit ein solcher Stockzug durch das Wasser nicht
selten einen bedeutend großen Teich in eine Bewegung versetzt.
[Gr.01_004,04] Sehet, das ist also ein gar wichtiger Grund, warum nur der viel
kleinere Teil der Berge so hoch in die Luft emporragt.
[Gr.01_004,05] Der zweite Grund dieses dritten Hauptgrundes ist folgender:
[Gr.01_004,06] Ihr werdet schon öfter vom sogenannten Gletscherlicht etwas
gehört haben. Was soll's denn damit?
[Gr.01_004,07] Einige Naturforscher haben dieses Licht, freilich ziemlich
ungeschickt, also erklärt, als rührte es noch von den über den weiten Horizont
des Nordens herüberbrechenden Strahlen der Sonne her; allein solches ist ganz
grundlos und falsch. Dieses Licht ist ganz rein positiv elektromagnetischer Art
und wird erzeugt durch die beständige Reibung solcher Gebirgsspitzen mit der sie
umgebenden Luft.
[Gr.01_004,08] „Ja“, werdet ihr aber sagen, „solches kann schon immerhin der
Fall sein; aber wir sehen da noch keinen Nutzen ein! Und sollte ihr Leuchten
etwa die Nützlichkeit selbst sein, so sehen wir es aber dennoch nicht ein, warum
solche großen Erdnachtlichter so sparsam über den Erdboden gestellt sind! Was
hat der weit entlegene Flachlandbewohner von dem oft mehrere hundert Meilen weit
entfernten Gletscherlicht?“
[Gr.01_004,09] Wenn das Licht die Nützlichkeit wäre, da hättet ihr freilich wohl
recht, also zu fragen; allein solches ist mit dem ziemlich sparsamen
Gletscherlicht mitnichten der Fall. Das Licht ist hier nur eine Erscheinlichkeit
von einer großen Nutzwirkung. Es fragt sich demnach: Worin besteht diese
Nutzwirkung?
[Gr.01_004,10] Höret, es soll euch die Sache gleich klargemacht werden!
[Gr.01_004,11] Ihr wißt, daß eine gerechte Verteilung des elektromagnetischen
Fluidums eine unerläßlich notwendige Bedingung alles naturmäßigen Lebens ist.
Wären nun zu viele solcher Gebirgsspitzen in irgendeinem Lande, so würden
dieselben dieses elektromagnetische Fluidum also gänzlich aufspeisen, daß vom
selben nicht ein Atom sich in die Tiefe herab verlieren würde; wären sie aber
gar nicht da, nämlich diese hohen Gletscherspitzen, da wäre in der Tiefe wohl
niemand mit seinem Leben in Sicherheit, sondern stünde bei jedem Schritt in der
Gefahr, von einem sich leicht aus der Luft entwickelnden Blitz erschlagen zu
werden.
[Gr.01_004,12] Also sehet, das ist eigentlich die Nützlichkeit, von der das
Leuchten nur als Erscheinlichkeit auftritt.
[Gr.01_004,13] So aber doch jemand da wäre und folgendes einwendete: „Was hat
demnach das weitgedehnte Flachland z.B. Polens oder auch zum Teile Ungarns von
der elektromagnetischen Sorgfalt des Großglockners?“
[Gr.01_004,14] Darauf sage Ich aber: Dieser Gletscher liegt so wohlberechnet an
seinem Punkt, daß, so er nur eine Stunde von seinem Posten weichen könnte, er
nicht mehr ein Gletscher wäre, sondern, wie es dergleichen Berge genug gibt, nur
ein kahler Steinberg.
[Gr.01_004,15] Daß er aber ein Gletscher ist, rührt lediglich daher, weil er
sich auf dem Punkte befindet, über welchem vom Nordpol aus eine
hauptelektromagnetische Strömung sich bis zum Südpol hin erstreckt.
[Gr.01_004,16] Diese Hauptströmung geht zwar über alle Gletscher des Tiroler-
und Schweizerlandes, und nur ein östlicher Arm läuft noch da, wo der
Großglockner sich befindet; aber von diesem Lebensstrom nimmt er gerade so viel
auf, daß er damit alle Ländereien mit Hilfe der noch übrigen Gletscher also
genügend beherrscht, daß sich da die wohltätige Wirkung nicht nur über ganz
Europa, sondern noch über einen bedeutenden Teil von Afrika erstreckt.
[Gr.01_004,17] Wenn sonach auch die vorbenannten größeren Flachländer Europas
keine eigenen Gletscher haben, so geht aber auch über sie keine so bedeutende
Strömung; für unbedeutendere Strömungen aber gibt es verhältnismäßig kleinere
Berge überall in gerechter Menge, welche gar wohl imstande sind, solche
kleineren elektrischen Strömungen zu regulieren.
[Gr.01_004,18] Ihr werdet hier fragen: „Warum geht denn vom Nordpol bis zum
Südpol keine allgemeine gleichförmige Strömung?“
[Gr.01_004,19] Wenn ihr so fragt, da müßt ihr schon noch öfter fragen und zwar:
„Warum macht denn der Blitz nie einen geraden Zug und nicht auch einen
allgemeinen, damit er doch wenigstens auf einen Hieb alles erschlagen könnte?“
[Gr.01_004,20] Wieder müßtet ihr fragen: „Warum fließt nur hie und da ein Bach,
Fluß und Strom, und der nicht geradeaus, wo doch alles übrige Flachland so gut
des Wassers und der Bewässerung bedarf wie dasjenige, welches den Bach, Fluß und
Strom begrenzt?“
[Gr.01_004,21] Und wieder müßtet ihr fragen: „Warum gibt es in manchem Lande so
viele und bedeutende Seen, während in einem andern Lande wieder keine Spur davon
zu finden ist?“
[Gr.01_004,22] Und so gäbe es noch eine ganze Legion von Fragen. Allein diese
drei überflüssigen mögen euch genügen, daß ihr daraus fürs erste einsehet, um
wie vieles Ich weiser bin als die Menschen; und fürs zweite, weil Ich eben um
vieles weiser bin als die Menschen, so weiß Ich auch am allerbesten, warum Ich
die elektromagnetischen Strömungen also vereinzelt angeordnet und ihnen
vorgezeichnet habe einen bestimmten Weg, auf welchem Wege unsere Gletscher ganz
wohlgeordnete Meilenzeiger sind.
[Gr.01_004,23] Somit hätten wir auch den zweiten Grund des dritten Hauptgrundes,
und es bleibt uns demnach noch ein dritter übrig.
[Gr.01_004,24] Hier werdet ihr euch freilich wohl fragen: „Wer da noch einen
Grund herausbringt, der muß doch sicher mehr als fünf Einheiten zusammenzählen
können!“
[Gr.01_004,25] Und doch sage Ich euch, daß eben dieser dritte Grund der
allerwichtigste und tüchtigste ist, und sage euch noch hinzu, daß dieser Grund
euch zugleich auch am allernächsten liegt und ihr ihn auch somit zuerst finden
solltet, so ihr – naturmäßig genommen – in den Augen eurer Seele kurzsichtiger
wäret, als ihr seid. Denn die Kurzsichtigkeit der Seele ist ein gar gut Ding. Je
langsichtiger oder mathematisch verständiger nämlich die Seele ist, desto mehr
läßt sie ihre Augen unter den fernen Fixsternen umherschweifen; dafür aber gehen
ihr die Haare, die um ihr eigenes Auge gestellt sind, so gut wie gänzlich
verloren.
[Gr.01_004,26] „Was ist hernach denn dieser dritte Grund des dritten
Hauptgrundes?“ werdet ihr fragen.
[Gr.01_004,27] Und Ich sage: Geduldet euch nur ein wenig! Ich will euch darauf
hinleiten und will sehen, ob ihr ihn nicht mit den Händen greifen werdet; und so
habt denn acht!
[Gr.01_004,28] Habt ihr euch noch nie gedacht, warum ihr nur zwei Arme und an
jedem Arm oder an jeder Hand nur fünf Finger habt? Warum sind selbst diese Arme
nicht wenigstens noch einmal so lang, als sie sind, und mit viel mehr Fingern
versehen?
[Gr.01_004,29] Oder habt ihr euch noch nie gefragt, warum ihr nicht mit mehr
denn zwei Augen und zwei Ohren versehen seid, und diese nur auf einer Seite des
Leibes stehend, namentlich was die Augen betrifft? Es dürfte ja ein Auge, am
Rücken angebracht, und allenfalls noch ein Ohr an einer Hand nicht
unzweckdienlich sein!
[Gr.01_004,30] Oder habt ihr noch nie darüber nachgedacht, warum bei den Bäumen
nur gewöhnlich ein Ast am höchsten emporragt, die andern dann natürlicherweise
tiefer zu stehen kommen? Kurz, es sind der anzuführenden Fragen hier zur Genüge
gegeben, und wir wollen sehen, ob wir durch sie nicht auf den dritten Grund
kommen!
[Gr.01_004,31] Wozu habt ihr die Augen? – Diese Frage wird wohl jedes Kind
beantworten, nämlich: Um damit zu sehen, oder – verständiger gesprochen – um die
erleuchtete Form der Außendinge wahrzunehmen.
[Gr.01_004,32] Diese schwere Frage hätten wir ohne Anstand beantwortet und sehen
dabei auch ein, daß uns zu diesem Zweck zwei Augen vollkommen genügen.
[Gr.01_004,33] Jetzt kommt die andere schwere Frage: Wozu dienen uns die Ohren?
– Auch mit dieser Frage werden die Kinder bald fertig sein und sagen: „Damit wir
hören, oder – verständiger gesprochen – damit wir die Bewegungen und die
Begegnungen der Dinge außer uns in uns selbst wahrnehmen!“
[Gr.01_004,34] Also wären wir auch mit dieser schweren Beantwortung fertig, –
und die Erfahrung lehrt, daß auch zu dem Zweck zwei Ohren hinreichend genügen,
und man könnte eher sagen, daß so mancher oft an den zwei Ohren, wie an den zwei
Augen schon zuviel hat.
[Gr.01_004,35] Aber jetzt kommen die Hände! Wozu sind denn die Hände?
[Gr.01_004,36] Ich meine, auf diese Frage können wir uns füglich die Antwort
ersparen.
[Gr.01_004,37] Daß übrigens die zwei Hände zu jeder Verrichtung genügen, hat
seit Adams Zeiten die Erfahrung aller Zeiten mehr als hinreichend bestätigt,
nachdem die Menschen mit diesen zwei Händen nur viel zuviel gerichtet und
angerichtet haben.
[Gr.01_004,38] Fällt euch nun der dritte Grund noch nicht ein?
[Gr.01_004,39] So höret denn! So gut wie jeder Leib eines Menschen, eines
Tieres, ja sogar eines Baumes, Gesträuches und einer Pflanze gewisse
Extremitäten haben muß, um sich mit Hilfe derselben in die Korrespondenz mit der
Außenwelt zu setzen, also muß es auch die Erde haben. Und sonach sind unsere
Gletscher Augen, Ohren und Hände der Erde, mittels welcher sie sich bei ihrer
weiten Reise um die Sonne und mit der Sonne durch das weite Sonnengebiet in
allerlei Korrespondenzen zu setzen hat, und zwar zuerst in die wichtige
Korrespondenz des Schauens – denn ihr dürft es glauben, daß die Planeten
durchaus nicht blind ihre Bahnen durchziehen –, und fürs zweite hat die Erde
sich dadurch in die Korrespondenz zu setzen, um aufzunehmen die harmonischen
Früchte der großen Bewegungen anderer Weltkörper und der Bewegungen des Äthers
und des Lichtes und allerartigen Strömungen auf ihr selbst, – und fürs dritte
hat sie dann mit diesen Extremitäten auch die gehörige Aktion auszuüben, welche
sie nötig hat, um fürs erste ihre Bewegung selbst zu regulieren und fürs zweite
dadurch auch zu der regelmäßigen Bewegung anderer Weltkörper beizutragen und
fürs dritte alle die euch schon bekanntgegebenen nützlichen Verrichtungen zu
bewerkstelligen.
[Gr.01_004,40] Sehet, das ist somit der dritte und, wenn ihr ein wenig nur
nachdenkt, auch sicher der wichtigste Grund – fürs erste des Daseins solcher
Gletscher, und fürs zweite auch für ihre bei weitem geringere Anzahl gegen die
andern Berge, und fürs dritte auch für den Ort und die Stelle, wo sie sich
befinden.
[Gr.01_004,41] Und somit hätten wir auch, soviel es für euch notwendig zu wissen
ist, die naturmäßige Nützlichkeit dieser Berge dargestellt; denket aber dabei ja
nicht, als sei das schon ein geschlossener Kreis, sondern da hat jeder hier
aufgestellte Punkt noch seine endlos vielen nützlichen Ausläufer und ein jedes
Atom seine entschiedene ganz eigentümliche Nutzwirkung.
[Gr.01_004,42] Wie vielfach demnach die Nutzwirkungen eines solchen
Gebirgslandesvaters sind, wahrlich, da hätte ein allervollkommenster Engelsgeist
mit der geläufigsten Zunge und der allereinfachsten Sprache für eine ganze
Ewigkeit genug zu reden!
[Gr.01_004,43] Mehr brauche Ich euch nicht zu sagen. Jedoch, wieviel auch
immerhin die naturmäßigen Nutzwirkungen eines solchen Berges in sich enthalten,
so wiegt aber eine einzige geistige, die ihr später vernehmen werdet, schon alle
samt und sämtlich auf.
[Gr.01_004,44] Die Folge jedoch wird euch alles dieses in zweckmäßiger Kürze
vollkommen klarmachen, was ihr jetzt kaum dunkel ahnt.
[Gr.01_004,45] Und somit lassen wir es für heute wieder gut sein!
5. Kapitel – Geistiges und
Materielles.
[Gr.01_005,01] Ihr werdet euch schon aus den früheren Mitteilungen mit so viel
Licht versehen haben, daß es euch nun schon klar sein darf, daß alle Materie an
und für sich nichts anderes ist als ein durch Meinen Willen gefesteter Gedanke
aus Mir.
[Gr.01_005,02] Diesem Grundsatze gemäß wird demnach wohl auch unser Großglockner
nichts mehr und nichts weniger sein, als was da alle andere Materie ist.
[Gr.01_005,03] Was ist demnach für ein Unterschied zwischen dem eigentlichen
Geistigen und dem diesem entgegengesetzten Materiellen, nachdem das eine wie das
andere ein Produkt Meines Willens ist?
[Gr.01_005,04] In der produktiven Hinsicht waltet da kein Unterschied ob, – aber
ein desto größerer in der Wesenheit.
[Gr.01_005,05] Dieses wird euch zwar ein wenig befremden; allein seht nur einen
Künstler unter euch an!
[Gr.01_005,06] Was ist bei ihm der Grund aller seiner Produktionen? Ihr könnt da
unmöglich einen andern finden und angeben als allein den seines Willens, welches
mit andern Worten ebensoviel heißt als: Alles, was er nur immer hervorbringt,
muß er zuvor wollen; denn ohne diesen Grund wird er wohl schwerlich je etwas
hervorbringen.
[Gr.01_005,07] Ist aber das nun eine notwendige Folge, daß da ein und derselbe
Wille immerwährend auch ein und dasselbe produzieren muß?
[Gr.01_005,08] Nein, sondern die Liebe zeichnet die Modifizierung der Produkte,
und der Wille spricht nur das einfache „Es werde!“ hinzu, und so wird es auch,
was die Liebe zuvor gezeichnet hat.
[Gr.01_005,09] Nun sehet, geradeso geht es auch bei Mir zu: Meine unendliche
Liebe bildet die Formen, und die Kraft der Liebe, welche da heißt der Wille,
läßt sie hervortreten! Einen Teil dieser Formen hält der Wille zufolge des
Begehrens der Liebe gefestet; einem andern aber wieder gibt eben dieser Wille
nach dem Verlangen der Liebe die stets lebendiger werdende Freiheit.
[Gr.01_005,10] Und so entspricht die Materie, Meinem Willen nach, der Liebe
dadurch, daß sie ist ein gefesteter Grund als letzte Unterlage alles Geistigen,
und sie ist somit im Vergleich der Liebe das, was da Meine „Erbarmung“ genannt
wird.
[Gr.01_005,11] Das Geistige aber entspricht dann der lebendigen Freiheit Meiner
eigenen Liebe selbst und ist das, was da genannt wird die „Gnade“ oder das
eigentliche „Sichselbstbewußtsein“ jeder freien Wesenheit, die da dem freien
Leben Meiner Liebe entstammt und geistig vollkommen ebenbildlich mit ihr ist.
[Gr.01_005,12] Aus dieser kurzen einleitenden Vorangabe könnt ihr nun schon sehr
leicht entnehmen, daß, wo sich nur immer Materie wie immer gestaltet vorfindet,
auch notwendig Geistiges vorhanden sein muß; denn wenn die Materie eine
Erbarmung ist, so kann diese Erbarmung als ein Lösemittel ja doch nicht für sich
selbst dasein, sondern sicher für eine höhere Potenz, an welche eben diese
Erbarmung gerichtet ist. Oder habt ihr euch jemals schon der Erbarmung selbst
erbarmt?!
[Gr.01_005,13] So ihr euch aber schon jemandes andern erbarmt, so wird wohl auch
sicher Meine Erbarmung für jemand anders dasein und nicht um ihrer selbst
willen!
[Gr.01_005,14] Somit haben wir alsdann auch die gewisse Notwendigkeit der
Materie für eine höhere Potenz dargetan. Wo muß denn aber die höhere Potenz sich
aufhalten? Das ist eine sehr wichtige Frage.
[Gr.01_005,15] Wenn zum Beispiel irgendein dürftiger Mensch sich in einer
abendlichen Gegend befinden möchte, saget Mir, so ihr euch dieses Menschen
erbarmen würdet, um ihm aus seiner Not zu helfen, würdet ihr da mit eurer
Erbarmung nach Morgen ziehen, – oder würdet ihr euch nicht vielmehr mit eurer
Erbarmung dahin wenden müssen, wo sich der Hilfsbedürftige befindet? Und so ihr
ihn da finden würdet, würdet ihr mit eurer Erbarmung nicht bei ihm verbleiben?!
[Gr.01_005,16] Wenn ihr diese Fragesätze nur mit einiger Aufmerksamkeit
durchgehet, so muß es euch ja auf der Stelle einleuchten, daß ein Armenspital
und die Armen doch sicher stets beisammen sind. Und also wird es auch mit der
Materie und mit den geistigen Potenzen sein, daß sie sich erfassen und eins das
andere enthalten.
[Gr.01_005,17] So ihr aber auf der Erde ein mehr und mehr ausgezeichnetes und
somit auch größeres und größeres Armenhaus antrefft, da werdet ihr wohl auch den
ganz natürlichen Schluß ziehen, daß ein ausgezeichneteres und größeres Armenhaus
mehr Arme fassen wird denn ein kleineres und weniger ausgezeichnetes.
[Gr.01_005,18] Ebenso verhält es sich auch mit der Großartigkeit und
Auszeichnung der Materie: je großartiger und ausgezeichneter ihr sie irgendwo
antrefft, für desto mehr geistige Potenzen ist sie auch da.
[Gr.01_005,19] Sonach wollen wir denn wieder einen Blick auf unseren
Großglockner werfen!
[Gr.01_005,20] Sehet ihn an, wie großartig und ausgezeichnet er dasteht, wie ein
König unter den Bergen; denn wo sich anderer Berge Spitzen in kahle Felsen
verlieren, eben da fängt unser Großglockner erst mächtig an, sich über alle
seine kahlen Nachbarn zu erheben. Und sehet an seine mehrere Stunden weite
Ausdehnung nach allen Seiten; sehet an, wie er mit ewigem Schnee und Eis bedeckt
ist; sehet an die vielen Bäche, die von seinen Zinnen herabstürzen, und sehet an
seine steilen Scheitel, wie sie beinahe beständig mit weißlichen Wolken umlagert
sind! Ja, ihr werdet diesen Berg schon aus weiter Ferne erkennen und mit
Sicherheit sagen: „Das ist ganz bestimmt unser Großglockner; denn sein
Schneeglanz, seine Höhe und seine Umlagerung mit beständigem Gewölk ist ein
sicherer Bürge für unsere Annahme!“
[Gr.01_005,21] Sehet, also werdet ihr ihn ausgezeichnet finden! Da er aber also
ausgezeichnet ist, so wird er auch sicher eine ausgezeichnete Anstalt sein, oder
er ist da gewisserart ein großer Brocken Meiner Erbarmung.
[Gr.01_005,22] Wir haben schon aus dem naturmäßigen Teil dieses Berges eine
weitgedehnte Großartigkeit seiner Nutzwirkungen vernommen. Fragt euch aber
selbst dabei: „Wären solche Verrichtungen wohl nur denkbar möglich, so da nicht
geistig-intellektuelle Potenzen zu Hause wären, welche alles dieses leiteten;
oder wäre eine Wirkung ohne die zusagende Kraft oder Kräfte möglich?“
[Gr.01_005,23] Sehet, die Kräfte, welche hier solches wirken, sind ja eben die
geistigen Potenzen, durch welche alles dieses verrichtet wird!
[Gr.01_005,24] Es ist jetzt nur die Frage: Sind diese naturmäßig nutzwirkenden
Erscheinungen von seiten dieses Berges der Hauptzweck der ihn umgebenden und ihm
innewohnenden geistigen Potenzen, oder sind sie nur ein Nebenzweck, durch
welchen alle diese geistigen Potenzen für einen anderen Zweck heranreifen
sollen?
[Gr.01_005,25] Diese Frage kann ein kurzes Beispiel hinreichend beantworten, und
zwar wieder durch eine Frage: Was ist denn beim Aussäen der Samenkörner in die
Erde der Zweck dieser Arbeit? Ist es die Aussaat an und für sich, oder hat die
Aussaat noch einen höheren Zweck vor sich?
[Gr.01_005,26] Es wird zwar durch das Verwesen der Samenkörner die Erde gedüngt
und somit nach und nach fetter gemacht; aber ihr werdet doch sicher diese
Nutzwirkung der Aussaat nicht als den Hauptzweck solcher Handlung betrachten,
sondern werdet sagen: „Wir säen das Korn nur darum in die Erde, damit daraus ein
neuer Fruchthalm entstehe, der uns vielfach wiedergebe das, was wir zuvor
einfach in die Erde gelegt haben.“
[Gr.01_005,27] Sehet, also verhält sich die vorerwähnte naturmäßige Nutzwirkung
dieses Berges geradeso zu dem höheren Zweck seines Daseins, wie sich da verhält
die Düngung des Erdreiches durch das Verwesen des Körnchens in der Erde zu
seiner entstandenen vielfach lebendigen Frucht!
[Gr.01_005,28] Aus diesem werdet ihr nun schon ein wenig die Richtigkeit dessen
zu erkennen imstande sein, was Ich am Schlusse der Darstellung der naturmäßigen
Nutzwirkungen dieses Berges erwähnt habe, wo gesagt ist, wie hoch ein geistiges
Pünktlein oder Atom über allen den bis jetzt erwähnten naturmäßigen
Nutzwirkungen dieses Berges steht.
[Gr.01_005,29] Dieses bisher Gesagte betrachtet daher nur als eine notwendige
Vor- und Einleitung, ohne welche ihr das Folgende schwerlich verstehen würdet!
[Gr.01_005,30] Was aber da speziell folgen wird, wollen wir auf eine nächste
Mitteilung aufbewahren; und somit lassen wir es für heute wieder gut sein!
6. Kapitel – Geisterkampf
in der Natur.
[Gr.01_006,01] Wenn ihr euch zurückerinnern wollt an manche andere Meiner euch
gegebenen Enthüllungen aus der Natur, allwo namentlich dargetan wurde, wo die
Tierwelt ihren Ursprung nimmt, so wird euch alsbald klar werden, warum in der
Einleitung unser vorliegender Berg ein ausgezeichnetes und großes Armenhaus
genannt wurde.
[Gr.01_006,02] Sehet, vorzugsweise halten sich auch gewöhnlich noch sehr irdisch
gesinnte Seelen und Geister in der Region ihres vormals im Leibe bewohnten
Planeten auf. Diese Geister sind nicht selten voll Ärger, Bosheit und Ingrimm
darum, weil sie so bald ihr zeitlich gutes Leben haben verlassen müssen, und
wollen sich nun dafür auf jede mögliche Weise rächen. Obschon sie zwar die Erde
nicht sehen können – wie überhaupt kein Geist etwas zu sehen vermag, was außer
ihm ist, sondern nur, was in ihm ist –, so wissen sie aber auf dem Wege innerer
Entsprechung doch ganz genau, wo oder in welcher Gegend der Erde sie sich
befinden; und weil sie als Geister mit den naturgeistigen Potenzen in sichtbarem
Konflikt stehen, so vereinigen sie sich auch bald mit ihnen, um dadurch, wo nur
immer möglich, der sie so frühzeitig im Stiche lassenden Erde zu schaden.
[Gr.01_006,03] Da sie im geistigen Zustand auf dem Wege der Entsprechung auch
wohl wissen, daß so ein Gebirgsriese der Erde ein naturmäßiger Nutzwirker ist
für viele Ländereien um ihn, so halten sie sich auch besonders gern in seiner
Nachbarschaft auf. Besehet nur das Bild – so euch schon die Gelegenheit mangelt,
diesen Berg in der Wirklichkeit in Augenschein zu nehmen –, und ihr werdet euch
alsbald überzeugen, wie da rings um ihn herum Felsenmassen über Felsenmassen
sich auftürmen, in deren Schluchten, Krümmungen und Windungen nicht selten auf
ja und nein plötzlich dunkelgraue Wolken aufsteigen, die, wenn sie über die
Scheitel der höchsten Felsspitzen sich erhoben haben und gewisserart unsern
Großglockner erblicken, sich dann alsogleich wieder zurückziehen und oft trotz
eines noch so heftigen Windes nicht aus ihren Schlupfwinkeln zu bringen sind.
[Gr.01_006,04] Sehet, diese Erscheinlichkeit ist schon ein sehr sicheres Zeichen
vom Dasein solcher mißmutigen und böswilligen Geister, und zwar schon in der
Verbindung mit den naturgeistigen Potenzen!
[Gr.01_006,05] Erhebet ihr aber eure Blicke höher hinauf zu den weißen Flächen
unseres Gletschers, so werdet ihr da ebenfalls fast beständig Wolken und Nebel
entdecken, welche aber von einer nahezu blendend weißen Farbe sind. Diese Wolken
und Nebel sind ebenfalls Geister, aber Geister guter Art; von ihnen sind die
zuallerhöchst schwebenden dazu bestimmte schützende Engelsgeister, während die
mehr in der Tiefe des Gletschers schwebenden Nebel, welche gewöhnlich
linealförmige Streifwolken bilden, zwar ebenfalls Geister guter Art, aber noch
nicht völlig reif für die Höhe sind und sich erst durch getreue Wachsamkeit und
mannigfaltige Kämpfe gegen die argen Geister für die Höhe geeignet, reif und
tüchtig machen müssen.
[Gr.01_006,06] So ihr in dieser Gegend wäret und möchtet da oft tagelang dieser
Nebelspielerei zusehen, da würde es euch auch nicht im Traume einfallen, daß es
zwischen diesen luftigen Potenzen je zu einem ernsten Kampf kommen könnte;
jedoch wer da Zeit hätte abzuwarten, bis es unter diesen leichten Potenzen
wirklich zu einem Kampf kommt, der dürfte auch sicher darauf rechnen, daß ihm
während dieses Kampfes das Hören und Sehen vergehen möchte vor tobender Angst.
[Gr.01_006,07] Wie kommt es aber da zu einem Kampf? Was ist die gewöhnliche
Veranlassung dazu? Wissen wir einmal die Veranlassung, so wird uns auch die
Ursache nicht unbekannt bleiben.
[Gr.01_006,08] Sehet, die bösen Geister, deren schon früher erwähnt wurde, gehen
immer mit dem Rachegedanken um, sich einmal dieses Länderwohltätigkeitsthrones
zu bemächtigen, um dann vom selben aus nach allen Seiten gehörig Unheil
ausstreuen zu können! Aus diesem Grunde rotten sie sich in den unteren
Schlupfwinkeln zusammen und machen kleine Ausflüge, um zu rekognoszieren, wie es
mit der Wache und der Besatzung des Thrones steht. Bemerken sie, daß es ziemlich
blank um ihn aussieht, so geht diese Nachricht mit aller Gedankenschnelligkeit
weit und breit hin, und wo da nur immer eine so recht zerklüftete Gebirgsspitze
sich befindet, da werden sich auch sogleich überall große Massen von gleich
dunkelgrauen Wolken herauszuziehen und in die Höhe zu erheben anfangen, und wenn
ehedem der Himmel ganz rein war, so ist er nicht selten in wenigen Minuten schon
ganz dicht umhüllt von solchen oft ganz schwarzen Wolkenmassen, welche da kreuz
und quer ziehen und sich, wie ihr zu sagen pflegt, per ambages dem Throne
nähern, damit die Thronwachen durch diese Bewegung in die Irre geführt werden
möchten.
[Gr.01_006,09] Bei solcher Gelegenheit ist der Großglockner dann auf eine kurze
Zeit auch gewöhnlich ganz wolken- und nebelfrei; denn sobald die Wächter solche
Schelmerei der argen Geister sehen, da ziehen sie sich alsbald zusammen und
verbergen sich sorgfältig in den inneren, großen Kristalltempeln dieses Berges.
[Gr.01_006,10] Wenn nun die Hauptanführer der weitgedehnten argen Rotten sehen,
daß der Thron unbesetzt ist, so kommandieren sie alsbald ihren losen Truppen,
sich so hoch als möglich zu erheben und dann behende über den Thron herzufallen
und alles, was da in den inneren Gemächern angetroffen wird, für immer
gefangenzunehmen und zu erdrücken.
[Gr.01_006,11] Auf dieses Kommando stürzt nun das graue Gesindel mit für euch,
die ihr eine solche Naturszene noch nicht gesehen habt, unglaublicher Hast auf
unsern Großglockner hin, bei welcher Gelegenheit es dann in seiner Nachbarschaft
selbst um die Mitte des Tages also finster wird, daß die Menschen in seinen nahe
gelegenen Tälern nicht selten zu Kerzen- und Lampenlicht ihre Zuflucht nehmen
müssen. Bei dieser Gelegenheit wird's dann gewöhnlich ganz still, was den Grund
hat, weil die argen Geister nun der Meinung sind, daß sie endlich einmal gesiegt
haben. Allein solche ruhige Szene dauert zuallerlängst höchstens
siebenundsiebzig Minuten. Nach dieser Zeit werdet ihr bemerken, daß sich sehr
dichte weiße Wolken aus den Eisklüften zu ziehen anfangen. Diese breiten sich
dann in kurzer Zeit unter den schwarzen Wolken aus, und wenn sie sich gehörig
weit und dicht ausgebreitet haben, so fangen sie dann an, sich unvermerkt zu
erheben und tragen dann das schwarze Gesindel gewisserart auf ihrem Rücken immer
höher und höher.
[Gr.01_006,12] Wenn nun das schwarze Gesindel solche List merkt, dann macht es
bald irgendwo Luft und läßt das weiße Gewölk hindurchpassieren. Solches wissen
die Geister des weißen Gewölks gar wohl und auch, daß sich die argen Geister
dabei denken: „Ziehet ihr nur hinaus; wenn ihr einmal vollends draußen seid,
dann werden wir ja wohl sehen, wer den Thron in Besitz nehmen wird!“
[Gr.01_006,13] Wenn demnach die weißen Wolken sich samt und sämtlich über die
schwarzen hinausgezogen haben, so breiten sie sich in der Höhe nicht selten
gleich einem Netze viele Meilen weit nach allen Seiten mit Blitzesschnelligkeit
aus und nehmen das gesamte arge Gesindel, wie ihr zu sagen pflegt, solo
gefangen.
[Gr.01_006,14] Wenn aber nun das arge Gesindel durch allerlei
geistig-telegraphische Depeschen die Nachricht bis zum Throne hin empfängt, daß
die weißen Geister es allenthalben umzingelt und gefangen haben, so werden die
Helden, welche sich schon über den Thron hergemacht haben, überaus ergrimmt über
die List der weißen Geister. Sie fangen da an, alle ihre Truppen zu
konzentrieren, um dadurch mit Gewalt wieder durch die weißen Massen zu brechen.
Dieser Moment ist dann auch der Anfang des eigentlichen Kampfes.
[Gr.01_006,15] Hier würdet ihr zuerst ein ungeheures Toben und Tosen in dieser
schwarzen Wolkenmasse gewahren. Dieses Toben und Tosen rührt her von dem
Sichaneinander-Drängen dieser Geister und von dem immer mehr und mehr
Ergrimmtwerden; je mehr aber diese argen Geister sich abmühen, die oberen
vernichtend zu durchbrechen, desto mehr auch werden sie von den oberen gedrückt.
[Gr.01_006,16] Bei dieser Gelegenheit fangen dann die unteren Geister in ihrem
Grimme sich zu entzünden an, und alsbald gibt's da eine so feurige Szene, daß
nicht selten in einer Sekunde mehr denn tausend der heftigsten Blitze mit großem
erderschütterndem Gekrach nach allen Seiten, wie auch nach oben und nach unten
stürzen, und zwar nach allen Seiten, um die herabbohrenden weißen Massen zu
töten, in die Höhe, um die Hauptanführer der weißen zu verderben, und in die
Tiefe oder auf die Erde, um den Thron zu vernichten.
[Gr.01_006,17] Sehet, das ist nun das erste Manöver! Aber wenn die Geister der
weißen Wolken gewahren, daß den unteren feindlichen Rotten gewisserart die
Munition ausgegangen ist, dann erfassen die weißen Geister plötzlich in allen
Teilen die schwarzen und drängen sie so fest aneinander, wie fest da ist ein
wirklicher Stein, und schleudern sie dann mit der größten Heftigkeit hinab auf
die Erde, und natürlicherweise zum größten Teile auf die weitgedehnten
Eisflächen des Thrones selbst, wie auch in weiteren Umkreisen, jedoch in
kleineren Knoten, als Hagel in die Tiefen. Bei dieser Gelegenheit könnt ihr auch
die Ursache dessen sehr leicht begreifen, warum – namentlich über die Eisfelder
des Großglockners – nicht selten zentnerschwere Eismassen den Wolken entstürzen,
und oft in solcher Dichtigkeit, daß da gewisserart ein Eisblock den andern vor
sich hertreibt.
[Gr.01_006,18] Wenn auf diese Weise dann das schwarze Gesindel samt und sämtlich
besiegt am Boden liegt, so lassen die weißen Geister noch einen Regen, welcher
da schon aus den Friedensgeistern besteht, über diese Besiegten herabstürzen,
lösen sich endlich selbst in einen schneidend kalten Wind auf und binden dadurch
die Besiegten auf sehr lange Zeit an das frühere Eis des Thrones. Dadurch
verschaffen sie diesen argen Wesen wieder eine Ruhe, in welcher diese sich dann
gewöhnlich mit der Länge der Zeit eines Besseren besinnen. Und ist solches
eingetroffen, dann löst sich das eisige Band oder die naturmäßig-geistige Potenz
wieder zu fließendem Wasser auf, und dem also gedemütigten Geiste wird der
Gebrauch seiner Freiheit wieder anheimgestellt.
[Gr.01_006,19] Bessert er sich, so wird er bald in die unteren Reihen der
Friedensgeister aufgenommen; bessert er sich aber nicht und wiederholt bei einer
andern Gelegenheit solchen Angriff – was leider am öftesten der Fall ist –, so
wird er dann wieder auf die ganz gewöhnliche und einfache Weise gefangengenommen,
aber allzeit ein bißchen länger in der Gefangenschaft gehalten.
[Gr.01_006,20] Sehet, das ist die erste Geisterszene, die sich vorzugsweise da
ereignet, wo es sich natürlicherweise um einen wenigstens vermeintlichen Thron
handelt. Aber diese Szene ist nicht die einzige, die da vor sich geht, sondern
es gibt dann auch noch gar viele, welche aber nicht so wie diese in die
naturmäßige Erscheinlichkeit mehr herüberragen, sondern sie offenbaren sich auf
mannigfache Weise mehr dem Gefühl derjenigen, welche je Gelegenheit haben,
wenigstens einen unteren Teil eines solchen Berges zu besteigen.
[Gr.01_006,21] Um jedoch bei unserer Darstellung dieses Berges nicht in eine zu
lange Ausdehnung zu geraten, wollen wir bei der nächsten Gelegenheit nur noch
zwei Punkten eine kurze Aufmerksamkeit widmen und uns dann schnell dem
evangelischen Teil, welcher für euch der bei weitem wichtigste ist, zuwenden.
[Gr.01_006,22] Und so lassen wir es für heute wieder bei dem bewendet sein!
7.
Kapitel – Wege zur Demütigung und Erziehung der Naturgeister.
[Gr.01_007,01] Ihr habt in der gestrigen Mitteilung vernommen, daß nach der
endlichen Gefangenschaft wieder die Befreiung eintritt, und daß die also zur
Besinnung und Ruhe gebrachten Geister, so sie sich vollends gebessert haben,
entweder zu den Friedensgeistern der unteren Stufe aufgenommen werden, oder daß
ihnen eine neue Freiheitsfrist eingeräumt wird. Sehet, da ist auf etwas ein
achtsames Auge zu haben: wohin dann solche der eigenen Freiheit überlassenen
Geister geschickt werden!
[Gr.01_007,02] Sehet, wenn die naturmäßigen Geisterpotenzen sich wieder zu
fließendem Wasser auflösen, so werden eben solche frei gewordenen Geister mit
dem Wasser gewisserart freiwillig gebunden und müssen dann die Reise bis in das
Meer machen.
[Gr.01_007,03] Ihr werdet euch denken: „Warum denn solches?“
[Gr.01_007,04] Sehet, gerade aus demselben Grunde, aus dem auf der Erde die
Obrigkeit jemandem, der da einen Schaden angerichtet hat oder im Augenblick, als
er den Schaden verüben wollte, gefangen wird, eine solche Besserungsstrafe
auferlegt, daß er den Schaden gutzumachen und nebstbei für den bösen Willen noch
ein Reue- oder Strafgeld zu entrichten hat.
[Gr.01_007,05] Sehet, gerade aus eben dem Grunde müssen solche Geister in jenem
Staate, wo es viel genauer zugeht als auf der materiellen Welt, jeden verübten
Schaden – wie auch jenen, den sie haben verüben wollen, – bis auf den letzten
Heller gutmachen und zudem noch für ihren bösen Willen eine vollkommen
angemessene Buße leisten, und erst dann, wenn solches alles genau befolgt worden
ist, können sie in die erste Stufe der geistigen Vollendung aufgenommen werden.
[Gr.01_007,06] Ihr werdet wieder fragen: „Ja, wie können denn diese Geister im
Meere das wieder gutmachen, was sie der Erde in einem dem Meere weit entlegenen
Lande entweder schon geschadet haben oder doch wenigstens haben schaden wollen?“
[Gr.01_007,07] Natürlicherweise können sie das im Weltmeere wohl schwerlich
gutmachen; aber da im Geiste niemand etwas Gutes wirken kann, wenn er nicht
selbst gut ist, so bezeugt diese Erscheinlichkeit das, daß die Geister in diesem
Zustande sich vollends demütigen müssen, bevor sie fähig werden, für den Schaden
Gutes zu üben; und weil demnach das Meer und dessen Grund der Erde immerwährend
tiefste Teile sind, so müssen demnach solche hochtrabenden Heldengeister diese
Demütigungsreise machen, um dadurch mit der Zeit aus dieser ihrer Demütigung als
neu- und wiedergeboren aufzusteigen in die Sphären der Nutzwirkungen.
[Gr.01_007,08] Es fragt sich jetzt: Werden solche Geister auch wirklich nach
vollbrachter Reise gebessert?
[Gr.01_007,09] Da gibt's verschiedene Abstufungen: Einige bessern sich schon auf
dem Wege und können sich dann aus dieser feuchten Landstraße entfernen und
zurückkehren, allwo sie dann erforscht und, so in ihnen nichts Arges mehr
gefunden wird, aufgenommen werden. Solchen Austritt könnt ihr daran merken, daß
am Morgen den Bächen, Flüssen und Strömen weiße Nebel entsteigen, die dann von
der Sonne mit Hilfe der naturmäßigen Potenzen aufgezogen werden, in der
Höhenregion aber dann bald aus diesen naturmäßigen Potenzen treten und dem
naturmäßigen Auge unsichtbar werden.
[Gr.01_007,10] Eine andere Art dieser Geister aber ist diejenige, welche sich
aus einem geheim wieder erwachten Ärger bei Nachtzeit sozusagen aus dem Staube
macht und sich in anfangs sichtbarer Gestalt von grauen Nebeln in den Gräben,
Schluchten und Klüften der Berge verbirgt, um bei einem nächsten Angriff wieder
tätigst mitzuwirken.
[Gr.01_007,11] Eine dritte Art solcher Geister macht zwar den Weg wirklich bis
ins Meer; wenn sie aber da angelangt sind, so rotten sie sich nach den
verschiedenen Arten ihrer Bosheit zusammen und machen sich dann über das Meer
her, und wehe dann dem Schiffahrer, der da in ihre luftigen Hände gerät! Wenn er
noch mit dem naturmäßigen Leben davonkommt, so wird er Wunderdinge von der
verheerendsten Art der Meeresstürme erzählen können. Wenn aber diese argen
Patrone eine solche Bosheit ausüben wollen, dann senden sie zuvor ein oder zwei
ganz locker gestaltete Wölkchen gewisserart zur Spionierung über die
Meeresfläche empor – welche Wölkchen der erfahrene Schiffer gar wohl kennt –, um
zu erkunden, ob sich von nirgends woher etwa von den Friedensgeistern etwas
sehen läßt; sind da noch irgendwo solche Friedensgeister zu erschauen, so
verschwinden diese Wölkchen plötzlich, – bei welcher Gelegenheit dann auch
äußerst selten an einen bedeutenden Sturm zu denken ist.
[Gr.01_007,12] Erschauen aber diese böswilligen Spione keine feindlichen Truppen
irgendwo, dann erheben sie sich höher und höher, und in wenigen Minuten ist der
freie Raum über dem Meere in allerdichteste Sturmwolken gehüllt, aus welchen gar
bald die allerheftigsten Windstöße das Meer aufzuwühlen anfangen, und tausend
und tausend Blitze werden da auf diejenigen Geister hinabgeschleudert, welche
den ernsten Weg der Besserung eingeschlagen haben. Allein, wie solche
rebellischen Geister schon überall schlecht zuteil kommen, so nimmt auch diese
Unternehmung allzeit ein schlechtes Ende für sie; denn da werden alsbald in
Gedankenschnelle von unseren Hauptlandeswächtern friedliche Heere von Geistern
abgesandt. Diese werfen sich dann über jene tobenden Scharen, schleudern
dieselben gewöhnlich im Hagel oder heftigen Regen ins Meer und entbinden bei
dieser Gelegenheit die demütigen Geister ihrer freiwilligen Haft. Jene Patrone
der Bosheit aber werden dann ebenso schnell, wenn sie nur eine untergeordnete
Rolle gespielt haben, dem Nordpol zu befördert; die Helden aber müssen sich
schon bequemen, auf eine sehr lange Zeit in das harte Eis des Südpols zu beißen.
[Gr.01_007,13] Sehet, also endet die Szene dieser Geister; die argen werden an
ihren Ort befördert, die guten aber werden aufgenommen zur vielfachen
Nutzwirkung.
[Gr.01_007,14] Worin besteht denn diese?
[Gr.01_007,15] Die erste Arbeit ist diese, daß solche Geister auf die
verschiedenen Alpen geschickt werden, und zwar an jene Stellen, welche sich in
kahle Felsspitzen verlieren. Sie müssen daselbst für die Erhaltung derselben,
wie auch für die bedingte Auflösung derselben unablässig Sorge tragen, aus
welchem Grunde sie da alle Feuchtigkeit in die Poren des Gesteins so verteilen
müssen, daß das Gestein dadurch von innen aus immerwährend seine gleiche
Festigkeit und Eigenschaft behält; anderseits aber müssen sie das abgelöste
Gestein also weiter in die Tiefe befördern, daß es nach und nach der erlösenden
Bestimmung immer näher kommt.
[Gr.01_007,16] Wenn sie irgendeine solche Sorge verabsäumen, so geschieht es
dann öfter, daß ihnen arge Geister hinter dem Rücken dadurch einen Possen
spielen, daß von ihnen ein ganzer Felsblock losgemacht und in die Tiefe
geschleudert wird, was jedoch zumeist nur bei großen Aufständen geschieht. Bei
solch gelegentlicher Unvorsichtigkeit müssen sie dann einen solchen abgelösten
Teil wohl versorgen, daß er entweder irgendwo einen sicheren Ruhepunkt findet,
oder sie müssen ihn bis zu einem Bache oder Flusse bringen, damit dadurch die in
ihm verschlossenen, noch nicht geborenen Geister zu keinem vorzeitigen Ausbruche
kommen; denn geschähe solches, so wäre es nahezu um die ganze Erde geschehen.
Daher werdet ihr einen solchen abgelösten Stein gewöhnlich in einem Graben, in
dem eine Quelle sich befindet, antreffen, oder ihr werdet ihn bis über die
Hälfte in der Erde sitzend und da mit allerlei Moos umgeben antreffen, oder ihr
werdet ihn auch antreffen – entweder zerstückelt oder ganz – in irgendeinem
bedeutenden Bache oder Flusse.
[Gr.01_007,17] Und das ist demnach auch die Ursache, warum nicht selten mehrere
hundert und tausend Zentner schwere Steinblöcke allda in den Flüssen und Bächen
angetroffen werden, wo es weit und breit fürs erste keine solchen Felsgebirge
und fürs zweite auch keine ähnliche Steingattung gibt.
[Gr.01_007,18] Die Naturforscher werden hier freilich sagen: „Was ist das für
lächerliches Zeug! Solches übt ja nur das Wasser aus durch seine Schwere, welche
zunimmt, je schneller und heftiger der Fall wird.“
[Gr.01_007,19] In naturmäßiger Hinsicht haben sie freilich wohl auch recht – so
wie derjenige, der da sagt, daß zwei mal zwei vier ist; weiß aber der
Mathematiker auch, was alles seinem Produkte zugrunde liegt? Kennt er die
Einheiten, aus welchen er sein Produkt gebildet hat? Er kennt wohl die Zahl der
seinem Auge und seinem Verstande gleichartigen Dinge; kennt er aber auch das
Wesen der Dinge, die er gezählt hat, in ihrem Grunde? Kann er die unendliche
Vielheit und Verschiedenheit der Teile und Kräfte berechnen, welche zur Bildung
eines Dinges notwendig sind?
[Gr.01_007,20] Wahrlich, wenn er das völlig erkennte, da würde es ihm auch ganz
klar werden, wie seicht seine Berechnung der Dinge war, da er vermöge ihrer
Gleichartigkeit vier Stücke zusammengezählt hat.
[Gr.01_007,21] Wie also bemerkt, geht es auch unserm Naturforscher bei seiner
Darstellung nicht nur um nichts besser denn unserm Mathematiker, sondern noch um
vieles schlechter! Denn er sieht wohl das Wasser fließen; aber was dazu
erforderlich ist, um eben das Wasser fließen zu machen und demselben den
gerechten Grad der Schwere zu geben und dabei aber wohl zu wissen, worin an und
für sich die Schwere besteht, – sehet, das möchte unserm scharfsinnigen
Naturforscher wohl etwas zu unsichtbar sein! Denn daß das Wasser nach
irgendeinem geneigten Bette sich fortbewegt, das merkt auch derjenige, der
gerade kein Naturforscher ist. Wer trägt denn aber das Wasser auf die Höhe der
Berge, sammelt es daselbst und befördert es nutzwirkend in die Tiefe? – Sehet,
das wäre schon wieder eine andere Frage! Man wird auch hier mit dem innern Druck
und mit dem Gesetz der wechselseitigen Anziehung zum Vorschein kommen; wenn Ich
aber dann frage: Wer übt denn den Druck und die wechselseitige Anziehung aus?,
da wird es auch sicher aus sein mit der Antwort.
[Gr.01_007,22] Solches setze Ich aber darum hierher, damit euch das vorerwähnte
erste Geschäft der Geister nicht so sehr befremden soll; und daher glaubet es,
daß auf der ganzen Erde ganz bestimmt nichts ist und geschieht, was da nicht
ausginge von den Geistern aller Art, entweder guten oder argen!
[Gr.01_007,23] Wenn ihr denn alsonach auf irgendeine Alpe geht – was euch
allzeit sehr vorteilhaft ist –, so werdet ihr hier und da an Stellen kommen, wo
es so recht zerstört aussieht, darob euch dann auch ganz unheimlich zumute wird
und ihr glaubet, da sei alles im starrsten Tod begraben; aber gerade da geht es
um so lebendiger zu, denn da haben solch nutzwirkende Geister vorerwähnter Art
am meisten zu tun, zu sorgen und zu wachen, damit allmählich das alles wieder in
die schönste Ordnung gebracht wird. Wo es euch aber auf einer solchen Alpe ganz
wohl und hehr erbaulich zumute wird, wie zum Beispiel an solchen Stellen, wo die
Alpe mit allerlei wohlriechenden Kräutern bewachsen ist, da hausen auch schon
seligere und friedsame Geister, deren Geschäft ein ruhigeres, aber zugleich auch
– geistig genommen – ein viel großartigeres ist denn das der früheren.
[Gr.01_007,24] Wenn ihr aber auf jene Höhen gelanget, die schon mit
immerwährendem Schnee und Eise bedeckt sind, und die reine und frische Luft euch
für die Länge der Zeit unerträglich wird, da fängt auch schon der vollendeten
Geister erste selige Region an, oder, so ihr es annehmen wollet, da greifen oder
reichen der Himmel und die Erde sichtbar zusammen; denn die irdische Kälte
bedeutet eben den gänzlichen Mangel der Eigenliebe und somit den höchsten Grad
der Nutzwirkung – naturmäßig genommen, das heißt: vom Geistigen aus ins
Naturmäßige übergehend betrachtet.
[Gr.01_007,25] Wer von euch somit je eine solche Gebirgshöhe geschaut hat, der
hat auch die unterste Region des Himmels mit seines Leibes Augen geschaut.
[Gr.01_007,26] Ihr werdet hier freilich fragen und sagen: „Wieso denn? Wie ist
solches zu verstehen?“
[Gr.01_007,27] Und Ich sage euch darauf: Wer solches versteht, dem wird auch das
„Wieso“ gar bald einleuchtend werden. Es wird doch sicher diejenige Stelle der
Erde dem Himmel am nächsten zu stehen kommen, an der die menschliche Habsucht
und Eigenliebe keine Grenzsteine mehr setzt und keine verheerenden Prozesse
wegen Mein und Dein mehr führt. Ihr dürftet nur einen Versuch machen und ein
tausend Joch großes Eisfeld irgendeines Gletschers zu eigen verlangen, ja ihr
könnt euch sogar ohne irgendeine Anfrage auf irgendeinem Eisboden ansässig
machen, und seid versichert, es wird euch solchen Grund niemand streitig machen,
sowenig als ihr es einem andern streitig machen möchtet, wenn es ihn gerade
gelüsten sollte, sich ein Stück eines solchen stark abkühlenden Grundes
zuzueignen.
[Gr.01_007,28] Nun sehet, aus dieser kurzen Darstellung werdet ihr nun das
„Wieso“ auch leicht begreifen; denn wenn der Himmel auch gewisserart naturmäßig
die Erde berührte, so wäre es wohl mit dem Leben wie mit dem Dasein des ganzen
Planeten auf einmal zu Ende.
[Gr.01_007,29] Kann aber der Himmel die Erde irgend berühren, wo sie so vielfach
durch die schnöde Habsucht entheiligt ist? Aus diesem Grunde sind solche
Berührungspunkte nur da möglich, wo die Erde von aller Scheelsucht der Menschen
ganz und gar frei ist.
[Gr.01_007,30] Aus diesem Grunde ist dann auch unser Großglockner vorzugsweise
ein solcher Berührungspunkt! Und so auch irgendein Mensch auf seinen höchsten
Zinnen etwas errichten möchte, wonach die Habsucht auch nur eines Menschen
lüstern werden könnte, so würde da von den reinen Geistern auch schon sogleich
gehörig dafür gesorgt, daß ähnliche Einrichtungen binnen kurzer Zeit wie aus dem
Dasein verschwinden; und so wird ein solcher Platz durch seine eigene Reinheit
und durch die Reinheit seiner Geister gehörig gereinigt.
[Gr.01_007,31] Das wäre somit eine Art geistiger Eigenschaft, welche über die
naturmäßigen Geister hinausragt und dann und wann noch naturmäßige
Erscheinlichkeiten zuläßt; und demnach bleibt uns nur noch eine Art übrig, die
nur sehr wenigen Menschen dann und wann sichtbar wird. Diese Art werden wir das
nächste Mal betrachten und mit ihr auch sogleich auf das Evangelische übergehen.
– Und so lassen wir es für diesmal wieder bei dem bewendet sein!
8. Kapitel – Wege
zur Besserung der Naturgeister.
[Gr.01_008,01] Was alsonach die dritte Art der Geister anbelangt, so ist auch
diese wieder in drei verschiedene Arten zu scheiden, und zwar in eine untere, in
eine mittlere und in eine obere Art.
[Gr.01_008,02] Zu der unteren Art gehören alle jene geistigen Wesen, welche das
Innere der Berge bewohnen und daselbst die Metalle und die Wasserquellen, wie
auch das Gestein und Erdreich in der Berge Innerem überwachen. Diese Art der
Geister ist somit auch an und für sich wieder dreifach zu scheiden, und zwar in
Feuergeister, Erdgeister und Wassergeister. Diese Geister sind weder böswilliger
noch guter Natur, sondern sie sind ein bares Mittelding zwischen Gut und Böse;
daher werden sie auch zu eben diesem Zwecke verwendet: die Feuergeister zum
Auskochen der Metalle, die Wassergeister, um die Feuergeister bei ihrer Arbeit
zu dämpfen, und die Erd- und Steingeister, um die Feuer- und Wassergeister in
ihren Schranken zu halten.
[Gr.01_008,03] Wer sich vom Dasein dieser Geister überzeugen will, der mache nur
Bekanntschaft mit biederen und unbefangenen Bergleuten, und er wird unter
hundert solchen Menschen sicher neunzig antreffen, welche in ihrem Leben
wenigstens ein-, zwei- oder dreimal ein oder das andere sogenannte Bergmännlein
gesehen haben. Diese Art Geister kommen nur gar selten auf die Oberfläche der
Erde; denn ihre innere Geschäftswelt kommt ihnen viel herrlicher vor als die
äußere gehaltlose, – wie sie zu sagen pflegen. Nur müßt ihr euch nicht etwa
denken, daß ihnen die Materie bei ihrem Hin- und Herwandern hinderlich sei;
solches ist sie mitnichten. Wo immer sich ein solcher Geist hinbewegen will, so
geht er durch Wasser, Feuer oder Steine noch um vieles ungehinderter als ihr
durch die Luftregionen. Denn wo ihr Materie erschauet, da erschaut der Geist nur
die entsprechende Substanz derselben. Diese allein ist für ihn ein Etwas; die
eigentliche grobe Materie aber ist für ihn ein bares Nichts und ist für ihn so
gut wie gar nicht da.
[Gr.01_008,04] Daß diese Geister nutzwirkend sind, könnt ihr aus dem Amt
erkennen, das sie versehen; nur dürfen sie nicht durch einen Ungläubigen, wie
auch Gläubigen, durch mannigfache Lästerungen und Verunglimpfungen ihrer
Wesenheit gereizt werden. Geschieht solches irgendwo, dann sind sie auch gar
bald bereit, sich an derlei Menschen bitter zu rächen.
[Gr.01_008,05] Wehe hernach dem, der in ihre Hände gerät! Den Gläubigen
züchtigen sie durch allerlei Mittel, die ihnen zu Gebote stehen, den Ungläubigen
aber erfüllen sie nicht selten mit einer unausstehlichen Angst, oder sie machen
ihm einen unerwarteten Schreck, oder sie werfen ihm irgendein leibliches
unheilbares Übel auf den Hals. Dagegen hat der gläubige sanftmütige Mensch von
ihnen nichts zu befürchten, – im Gegenteil: so sich ein also gläubiger
Gutmütiger in den unterirdischen Höhlen und Gängen der Berge verstiegen hat, so
zeigen sie ihm fast allzeit einen sichern Ausweg. Dieses alles könnt ihr
buchstäblich bei allen Bergleuten erfahren; und möget ihr dieselben aus den
verschiedensten Erdgegenden vernehmen, so werden ihre Aussagen ganz vollkommen
übereinstimmen. – Das ist demnach die erste Art der dritten Art Geister.
[Gr.01_008,06] Unter welchem Gesichtspunkte alle diese Geister in der
eigentlichen Geisterwelt vorkommen, das wird erst in dem evangelischen Teil
gezeigt werden; und so gehen wir nun zu der zweiten oder mittleren Art über.
[Gr.01_008,07] Diese Art Geister ist zumeist auf der Oberfläche der Erde
beschäftigt, und es gibt derselben zahllos viele. Der eine Teil hat für alle
Bäume, Gesträuche, Pflanzen, Gräser, Moose und Schwämme zu sorgen und die in den
Pflanzen selbst noch nicht frei gewordenen Geister bei ihrer Tätigkeit zu
leiten, damit jede Pflanze, sei es nun ein Baum oder was immer, ihre
ursprüngliche Form und Beschaffenheit erhält. Der andere Teil dieser Geister
aber hat die Tierwelt unter sich und muß da dieselbe Obsorge tragen, welche der
eine Teil dieser Geister bei der Pflanzenwelt zu tragen hat, nämlich, daß
jedwedes Tier seiner Form, seiner Beschaffenheit und Tätigkeit entspricht. Diese
Art Geister wird den Menschen nur gar selten sichtbar. Diese Geister haben viel
zuwenig Zeit, als daß sie darauf bedacht sein sollten, sich unnützermaßen
sichtbar zu machen; denn die fortwährende Nutzwirkung und derentwegen ihr guter
Wille hindern sie daran.
[Gr.01_008,08] Dessenungeachtet aber gibt es auf den Bergen doch noch so manche
einfältig-fromme Hirten, die auch solche Geister zu öfteren Malen gesehen haben.
Sie werden euch auch so manches Histörchen erzählen können, wie solche Geister
nicht selten über Nacht eine magere Wiese grünen gemacht haben, und wie sie ihre
Kühe und Schafe bei starken Gewittern vor Unglück behütet haben und sie nicht
auf solche Felsabhänge ließen, allwo sie sich hätten zerfallen können.
[Gr.01_008,09] Wenn ein weniger Gläubiger solche Geister auch nicht zu Gesichte
bekommt, so wird er aber doch nicht selten gar gewaltig von ihnen angeregt,
besonders wenn er durch weitgedehnte Gebirgswälder geht und namentlich durch die
sogenannten Urwälder, oder wenn er sich auf den freien Alpentriften befindet,
wie auch, wenn er durch große Herden von Pferden, Kühen und Schafen zieht. Diese
Anregung besteht in einem mehr oder weniger unheimlichen Gefühl, auf welches
gewöhnlich ein kleines Frösteln erfolgt. So jemand solches erfahren hat, da kann
er auch versichert sein, daß er unter solche Geister gekommen ist, und daß
dieselben sich ihm auf die besagte Art bemerkbar gemacht haben. Welchem Zustande
diese Geister in der eigentlichen Geisterwelt entsprechen, solches wird
ebenfalls erst im evangelischen Teil kundgetan werden, und so hätten wir noch
die dritte Art der dritten Art übrig.
[Gr.01_008,10] Diese dritte Art kommt äußerst selten zur Erscheinung, sowohl
durch die von ihr ausgeübte Wirkung, wie noch weniger an und für sich wesenhaft.
[Gr.01_008,11] Was ist denn die Wirkung dieser Geister? Die Wirkung dieser
Geister ist die Direktion der Luft und des Äthers, – daher werden sie auch von
den Alten manchmal „Luftgeister“ genannt.
[Gr.01_008,12] Wenn ihr den Zug der Winde beobachtet, namentlich derjenigen
Winde, die von Nordosten herkommen, und zwar gewöhnlich um die Mitternachtstunde,
wie auch manchmal abends ein oder zwei Stunden nach dem Untergang der Sonne, so
dürftet ihr eine zweifache Einwirkung bemerken: eine, die sich durch ein
Erschauern kundgibt, und eine, welche einige Haustiere in Unruhe versetzt, und
zwar vorzugsweise die Hunde, Hühner, Katzen, Schweine und Pferde. Wenn ihr
solche Bemerkungen macht, da könnt ihr versichert sein: solche Erscheinungen
rühren von solchen Luftgeistern her. Diese sind jedoch Geister untergeordneter
Art, oder, wie ihr zu sagen pflegt, es sind dienstbare Geister.
[Gr.01_008,13] Wenn ihr aber eure Blicke höher erhebt und die sonderbaren Formen
der Wolken beschaut, da könnt ihr abermals versichert sein, daß solche Formen
eine Wirkung obbesagter Geister sind. Die Wolke selbst besteht zwar nicht aus
diesen Geistern; aber was ihre Form betrifft, so hängt es allzeit von den
Luftgeistern ab, wie sie eine Luftschicht um die andere also drehen und wenden,
daß dann die Wolkengeister – namentlich die der unteren, argen Art – nur
diejenige Form annehmen können, die da die Wendung und Drehung der Luftschicht
ihnen zuläßt. Dieses geschieht darum, damit die Friedensgeister – denen ihre
Formierung freisteht – aus eben den Formen die argen Geister und das, was diese
alles im Schilde führen, erkennen. Alsdann ist hier nur die Ursache der Wirkung
zu ersehen, die wirkenden Geister aber durchaus nicht.
[Gr.01_008,14] Eine noch höher stehende Art dieser Geister, welche schon im
Äther sich befinden, ist erschaulich in der seltenen Erscheinung der sogenannten
Fata Morgana. Diese Erscheinung rührt nämlich daher: Wenn diese obersten
Äthergeister die Luftoberfläche zur völligen Ruhe gebracht haben, so wird diese
Oberfläche bild- oder formaufnahmefähig, und zwar auf dieselbe Weise wie ein
ganz ruhiger Wasserspiegel oder ein Glasspiegel. Ist aber die Luftoberfläche von
beständigen Wogen und Wellen zerrissen gleich wie die Oberfläche eines Sees,
Stromes und Meeres, wenn sie durch Winde oder Flutung in Unruhe gesetzt wird, so
ist da natürlich an keine Abspiegelung zu denken.
[Gr.01_008,15] Was die Fata Morgana an und für sich ist, habt ihr ohnedies schon
in einer ziemlichen Abhandlung empfangen; hier aber handelt es sich nicht mehr
darum, daß ihr das Empfangene noch einmal empfangen sollet, wohl aber darum, daß
ihr dasselbe vom geistigen Grunde aus verstehet. Der geistige Grund ist aber
bereits kundgetan; hier wäre nur die Frage, warum solches geschieht. Nun, das
ist freilich wohl wieder etwas ganz anderes. Solches geschieht darum, damit es
den sich im hohen Äther aufhaltenden Friedensgeistern desto leichter wird,
entweder das geheime Tun und Trachten der argen Geister in den Klüften und
Schluchten der Gebirge zu beobachten, oder, wenn solche Geister sich in Gestalt
der bekannten Wolken schon in die Luft erhoben haben, ihre heimlichen
Gesinnungen mit großer Sicherheit auszuforschen.
[Gr.01_008,16] Ihr müßt euch hier nicht etwa denken, es möchte ihnen da die
bewegte Luft als Materie hinderlich sein, so daß sie darob mit ihren unendlich
scharf, weit und tief sehenden Geisteraugen nicht die Umtriebe der argen Geister
erschauen könnten; wohl aber müßt ihr es euch also denken, daß diese
beschriebene Ruhe der Luftoberfläche nur eine Folge der Aufmerksamkeit ist,
welche die oberen Geister gegen die unteren bei solcher Gelegenheit zu haben
pflegen.
[Gr.01_008,17] Ihr werdet schon öfter gehört haben, daß manche Menschen ganze
Heere in der Luft und in den Wolken streitend erschaut haben. Sehet, solche
Erscheinungen sind auch eine Art Fata Morgana, aber wohl eine der
allerseltensten Art!
[Gr.01_008,18] Sie geschehen auf folgende Weise: Wenn ihr hoch im Äther ganz
selten weiße Lämmerwölkchen erblickt, unter diesen – freilich wohl in sehr
weiter Entfernung – aber schon Gruppen der wohlbekannten schwarzen und dunklen
Wolken, so erscheint das Bild der schwarzen Wolken auf den Lämmerwölkchen dunkel
abgedruckt. Das ist der Anfang dieser Erscheinung. Wenn dann dieses einige
Minuten lang währt, so kann ein aufmerksamer Beobachter auf diesem dunklen
Abbild eine Menge wohlgeformter Wesen erblicken, entweder in der Gestalt
mannigfacher wilder Tiere oder auch in der Gestalt von allerlei zum Kampfe
gerüsteten und sich zum Kampfe übenden Kriegern.
[Gr.01_008,19] Hier werdet ihr fragen: „Wie bilden sich denn diese Formen auf
der ruhigen Luftfläche ab?“
[Gr.01_008,20] Sehet, solches geschieht auf folgende Art: Wenn die Geister der
unteren Wolken solche Ruhe über sich gewahren und darob auch keine Störung
erleiden, so bilden sie sich aus der Substanz der Wolken, welche der bekannte
naturmäßig-geistige Teil ist, förmlich Leiber in der Meinung, dadurch kräftiger
und widerstandsvoller zu werden, verbergen sich aber dennoch vor den Augen der
Menschen, damit diese ja nicht etwa bei ihrem Anblicke die Zuflucht zu Meinem
Namen nehmen möchten. Aus diesem Grunde treiben sie solches Spiel auch nur auf
der Oberfläche der Wolke und lassen den der Erde zugekehrten Teil der Wolke auch
Wolke sein.
[Gr.01_008,21] Sehet, wenn demnach über ihnen eine solche Ruhe der Oberfläche
der Luft eingetreten ist, so wird auf derselben solches wesenhafte Treiben der
argen Geister bildlich gesehen, weil diese Geister sich wirklich aus der Wolke
und aus der sie umgebenden Luft eine Art Leib gebildet haben. Aber es nützt
ihnen solche Handlungsweise gar nichts; denn je mehr sie sich also zu verwahren
und festen suchen, desto tiefer werden sie von den oberen Friedensgeistern
durchschaut und nach kurzem Zeitverlauf auch desto tüchtiger ergriffen und zur
Erde herabgeworfen. (Zu dieser Art von Geistererscheinungen gehört auch
diejenige, welche Mein Schreiber am vergangenen Montag vormittags gesehen hat.)
[Gr.01_008,22] Sehet, das ist sonach die dritte Art der Geister, die namentlich
und vorzugsweise mit den andern höheren Friedensgeistern sich bei ruhigen
Gelegenheiten in der Gegend hoher Gletscher aufhalten und – wenn es notwendig
ist – sich in Gedankenschnelle über alle Gegenden der Erde ausbreiten können;
nur müßt ihr unter der dritten Art dieser Geister nicht etwa die Bildformen der
unteren Wolkengeister, noch die Friedensgeister selbst verstehen, sondern allein
die dem sterblichen Auge beinahe niemals zur Erscheinung kommenden Äthergeister,
von welchen nämlich diese Ruhe der Luftoberfläche bewirkt wird.
[Gr.01_008,23] Was auch diese Geister in der eigentlichen Geisterwelt für einen
Standpunkt ausfüllen, wird in dem nächstfolgenden evangelischen, sowie allen
anderen Teilen kundgetan werden. Es gibt freilich wohl noch höhere Geister,
welche in den Weltenräumen die Welten und Sonnen lenken und führen, und endlich
noch höhere Geister, welche dem Menschen beigegeben sind; allein für diese ist
wieder ein anderer, größerer Platz bestimmt, und sie haben daher mit dem Wesen
der Erdordnung unmittelbar nichts zu tun. Daher können sie füglichermaßen hier
auch nicht aufgeführt und weiter enthüllt werden.
[Gr.01_008,24] Und somit wären wir auch mit dem geistigen Teil unseres
Großglockners wie auch aller andern Gletscher und Berge zu Ende und werden uns
für ein nächstes Mal sogleich zum evangelischen Teile hinwenden. Und somit
lassen wir es für heute wieder gut sein!
9.
Kapitel – Der geistweckende Einfluß einer Bergbesteigung.
[Gr.01_009,01] Um das, was den evangelischen Teil betrifft, so recht ins Auge zu
fassen, wird es notwendig sein, euch mit der Form solcher Berge ein wenig
vertraut zu machen.
[Gr.01_009,02] Zu diesem Zweck ist es wohl gut und nützlich, entweder selbst,
soviel es tunlich ist, solche Berge zu besteigen, oder wenigstens gelungene
Abzeichnungen derselben mit aufmerksamen Augen zu betrachten; denn durch ihre
verschiedenen Höhen, durch ihre Abstufungen, durch die Gräben und Täler wird –
wenn alles dieses mit Aufmerksamkeit betrachtet wird – das Gemüt geweckt, und
der Geist sucht da beim Anblick solcher Berge selbst seine Augen zu öffnen und
darüber nachzudenken, ob und wie da Wege aufwärts möglich sein dürften.
[Gr.01_009,03] Daß solches seine Richtigkeit hat, bezeugt der Drang bei
Besteigung eines Berges, sobald als nur immer möglich die höchste Spitze zu
erreichen, und auch der Drang und die tüchtige Begierde, wenn einem solch hohe
Berge zu Gesichte kommen, alsbald ihre höchsten Gipfel zu ersteigen.
[Gr.01_009,04] Fraget euch selbst, worin wohl solcher Grund liegen kann! Meinet
ihr, er liege etwa in der Ausbeutung irgendeiner oder mehrerer Fernsichten, oder
er liege etwa in dem Begehren nach dem Genusse der reinsten Luft? Wer solches
behauptet, der ist mehr denn über die Hälfte irrig daran; denn was die Fernsicht
betrifft, so ist diese wohl für das Auge des Fleisches lohnend, aber um solche
zu genießen, bedarf es ja eben nicht der höchsten Gebirgsspitzen, sondern oft
nur wenig bedeutender Anhöhen, von welchen eine nicht selten bedeutend üppigere
Aussicht zu gewinnen ist als von so manchen höchsten Gebirgsspitzen, welche doch
gewöhnlich wieder von anderen hohen Bergen umlagert sind, weshalb man denn oft
nichts anderes als einige ebenso hohe Gebirgsspitzen im Umkreise erblickt und
seine Blicke in keine Ebenen, Täler, Flüsse und Seen senden kann.
[Gr.01_009,05] Was aber die reine Luft betrifft, so braucht jemand nur auf einen
Hügel zu steigen, der höchstens zwei oder dreihundert Klafter hoch zu sein
braucht, und er kann daselbst auch schon eine sehr reine Luft genießen.
[Gr.01_009,06] Wenn sonach jemand diese zwei Punkte recht tüchtig beachtet, so
wird er gar leicht gewahren, daß sie nicht ausschließlich der Grund sein können,
weshalb so viele Menschen von den hohen Gebirgsspitzen also angezogen werden,
daß sie nicht selten ihr Leben wagen, um mit der größten Anstrengung die höchste
Spitze zu erklimmen.
[Gr.01_009,07] Wenn denn solches unleugbar der Fall ist, da es doch die tägliche
Erfahrung lehrt, daß fast jeder Mensch, so er nur irgendeinen hohen Berg
ansieht, in sich auch schon den Wunsch verspürt, so es nur möglich wäre, sich
sogleich auf diesen oder jenen hohen Bergesgipfel zu versetzen – selbst dann
noch, wenn er den Berg tagtäglich sieht und auch schon zu öfteren Malen auf
demselben war –, so muß ja doch noch ein anderer Grund vorhanden sein, der ihn
hinaufzieht.
[Gr.01_009,08] Dieser Grund ist der schon besagte und besteht sonach in dem
Wachwerden des Geistes bei solchen Gelegenheiten; denn wie euer Sprichwort sagt,
daß sich Gleiches und Gleiches gern zusammengesellt, so ist solches auch hier
buchstäblich der Fall.
[Gr.01_009,09] „Wie so?“, werdet ihr fragen. – Nun, so höret!
[Gr.01_009,10] Der Geist zieht den Geist an wie die Materie die Materie und das
Fleisch wieder das Fleisch. So da in einem Menschen beschlossen wird, daß er
seine Füße auf irgendeinen hohen Berg setzen will, so geht aus dieser seiner
Vornahme eine Willensvermittlung hinauf in die hohen Geistersphären; durch diese
Verbindung werden die Geister alsbald inne, was da irgendein Mensch tun will.
[Gr.01_009,11] Will er sich nun ihren Sphären wirklich nahen, so wird von den
Geistern alsbald eine Rückantwort gegeben. Diese Rückantwort ist für den Geist,
der da noch im Leibe schläft, fast dasselbe wie das, was ihr in leiblicher
Hinsicht eine elektromagnetische Affektion nennt, oder was im weiteren Sinne das
Magnetisieren selbst ist, durch welche Handlungsweise einem schwachen Organismus
durch einen starken, lebensvollen auf eine Zeitlang eine neue Lebenskraft
mitgeteilt wird; kurz und gut, auch der Geist, der da im Menschen noch schwach
ist und schläft, wird von den Geistern also geistig magnetisch geweckt, –
freilich nicht für bleibend, sondern nur auf eine kürzere oder längere Zeit.
[Gr.01_009,12] Wenn auf diese Weise der Geist erweckt ist, so möchte er auch
eiligst sich schon dort befinden, von woher er gezogen wird, das heißt: er
möchte sich schon sogleich unter seinesgleichen befinden; daher treibt er denn
auch alsbald durch die Seele den Leib mächtig an und zieht und schleppt ihn
hinauf zu den schwindelnden Höhen.
[Gr.01_009,13] Wenn hernach ein solcher Mensch solche Höhen wirklich erstiegen
hat, so freut sich der Geist, daß er sich in seiner wahren Gesellschaft
befindet. Da jedoch die freien Geister wohl die reinste Einsicht haben, daß für
solch einen unzeitigen Geist noch keines Bleibens ist, so stellen sie sich
alsbald wieder außer Rapport mit ihm; sodann sinkt der Geist wieder in seinen
Schlaf zurück, dem Leibmenschen wird's dann unbehaglich auf solchen Höhen, so
daß er sich darum bald wieder sehnsüchtig hinabbegibt in die Täler, in denen
sich seine ihm entsprechenden Wohnungen befinden.
[Gr.01_009,14] Sehet, das ist der eigentliche Grund, warum der Mensch, wenn er
nicht gar zu naturmäßig weltlich gesinnt ist, von den Bergen und ihren höchsten
Gipfeln so angezogen wird!
[Gr.01_009,15] Bei ganz naturmäßigen Menschen ist solches wohl freilich nicht
der Fall, denn entweder haben diese gar keinen Sinn dafür – welches soviel
besagt wie: ihr Geist ist dergestalt schwach und krank, daß er keiner
anderwärtigen geistigen Affektion mehr fähig ist – oder wennschon solche
naturmäßigen Menschen irgend hohe Berge besteigen, so werden sie dazu nur von
den argen Geistern angetrieben, entweder aus Gewinnsucht oder aus purer
Prahlerei, um dann sagen zu können: „Ich war auf dieser und jener noch von
keines Menschen Fuß bestiegenen Spitze eines Berges der erste!“, – der
gewisserart mit seinem sehr unheiligen Fuße die heilige Spitze des Berges
entweiht hat.
[Gr.01_009,16] Solche Gebirgsbesteiger werden dann auch fast allezeit für ihre
ruhmverdienstliche Handlung von den Friedensgeistern gar übel bedient: Entweder
lassen sie einen solchen Rühmler eine Höhe erklettern; wenn er aber dann oben
ist, so wird er alsbald von einem übermäßigen Kopfschwindel und darauf folgender
großer Todesangst heimgesucht und muß oft stundenlang zappeln, bis sich
irgendein Geist seiner erbarmt – so er genug gebetet hat – und ihn dann einen
höchst beschwerlichen und mit augenscheinlicher Todesgefahr verbundenen Weg
hinabklettern läßt. Oder die Geister lassen ihn auf eine leichter zu ersteigende
Höhe kommen; wenn er sich aber schon siegreich oben befindet, dann schicken sie
ihm oft augenblicklich ein gräßliches Ungewitter über den Hals, durch welches er
für seine rühmliche Bemühung so tüchtig ausgezahlt wird, daß er bei sich selbst
einen festen Eid ablegt und sagt: „Wenn ich nur dieses Mal noch mit dem Leben
davonkomme, wahrlich, es soll mich hinfort keine Gebirgshöhe mehr anlocken, sie
zu besteigen, und wäre sie nur einige Klafter hoch!“
[Gr.01_009,17] Wer aber da eine solche Gebirgsspitze frevelnd oder zufolge einer
habsüchtigen Wette erklimmen möchte, der kann aber auch schon sogleich vorher in
der Ebene seine letzte Willensanordnung hinterlassen; denn ein solcher
Gebirgsbesteiger wird wohl nimmerdar seine Füße mehr in der Ebene gebrauchen, –
aus welchem Grunde auch nicht selten ähnliche Gebirgsbesteiger verunglücken und
sich entweder sogleich zerfallen, oder sie werden auf irgendeine Höhe geführt,
auf welcher sie dann auch gewöhnlich für alle ewigen Zeiten verbleiben, d.h. dem
Leibe nach.
[Gr.01_009,18] Ja, die Geister haben da allerlei Mittel, um die Frevler auf das
empfindlichste zu strafen!
[Gr.01_009,19] Aber nicht also ergeht es demjenigen, der da aus höherem Antrieb
die Höhen der Berge besteigt.
[Gr.01_009,20] Ein solcher Mensch wird nicht nur auf keine Gefahren stoßen,
sondern er wird allzeit gewaltig gesegnet und gestärkt wieder zurückkehren, und
zwar so, daß bei manchen solchen Gebirgsbesteigern und großen inneren Freunden
der Berge ihr Geist für bleibend geweckt worden ist und sie dadurch zu Sehern
und Propheten wurden.
[Gr.01_009,21] Aus diesem Grunde habe Ich euch auch noch allzeit geraten, gern
auf die Berge zu gehen, weil denn doch bei jeder, wenn auch nur momentanen
Geisteserweckung dem Geiste eine Stärke verbleibt also, wie einem schwachen
Menschen die naturmäßige Lebenskraft nach jedem einzelnen sogenannten
Magnetisieren erhöht wird und er, wenn er oft genug magnetisiert worden ist,
endlich mit schwacher Beihilfe anderer Mittel wieder zur vollen Gesundheit und
Lebenstätigkeit gelangt.
[Gr.01_009,22] Wenn sich demnach der Mensch redlichen Sinnes ebenfalls öfter von
den hohen Geistern also geistig magnetisieren läßt und gebraucht dazu das
leichte Arzneimittel der Liebe, so wird er auch um so eher zu dem Ziel gelangen,
welches da heißt: die Wiedergeburt des Geistes. Daher gehet gern auf Berge von
bedeutenderem Höhenmaße, und seid liebetätig, so wird eure noch schwache Liebe
zu Mir sicher um so eher ganz lebendig werden! Neben diesem großen, ja größten
Vorteil gibt es aber noch viele andere, wovon wir die wichtigsten ein nächstes
Mal näher betrachten wollen. – Und so lassen wir es heute wieder bei dem
bewendet sein!
10. Kapitel – Die Berge als Liebeprediger und Weisheitspropheten.
[Gr.01_010,01] Was demnach noch die andern Vorteile betrifft, so bestehen diese
darin, daß ein jeder Berg an und für sich und in Verbindung mit anderen, und
ganz besonders aber ein Gletscher, wie unser Großglockner einer ist, einen
beständigen Liebeprediger und Weisheitspropheten abgibt.
[Gr.01_010,02] Ihr werdet hier fragen und sagen: „Das mag wohl sein; wie aber
kann man einen Berg Liebe und Weisheit predigen hören?“
[Gr.01_010,03] Das ist eine ganz andere und auch eine ganz eigentümlich
sonderbare Frage; und Ich sage euch darauf: Es gibt auf der Welt nichts
Leichteres, als diese zweifache Stimme der Berge zu vernehmen! Wie aber solche
zu vernehmen ist, dieses Geheimnis sollen hier mehrere Beispiele aufdecken.
[Gr.01_010,04] Es sollen irgend zwei Menschen sein, die sich stets verächtlich
begegnen. Es nützt da weder Rat noch Tat; sie werden in der Tiefe stets das
bleiben, was sie sind. Nehmt aber diese zwei Menschen und führet sie auf einen
hohen Berg, und ihr werdet euch alsbald überzeugen, was dieser große Liebe- und
Weisheitsprediger vermag; denn ihr dürft versichert sein: ein halber Tag wird
diese zwei Menschen gar bald zu den intimsten Freunden machen!
[Gr.01_010,05] Hier werdet ihr fragen: „Warum denn? Wie ist solches möglich?“
[Gr.01_010,06] Auf diese Frage gibt der Berg schon für sich die Antwort, nach
der er eine Unterlage oder gewisserart der Sitz der Friedensgeister ist, welche
sich alsbald dort ins wohltätige Mittel legen, wo irgendeine Uneinigkeit
vorwaltet. Sie bearbeiten dann im Augenblick, wenn der Mensch nur den ersten Fuß
auf den Berg setzt, schon die Gemüter durch eine stets zunehmende Spannung nach
oben und erregen dadurch das Gefühl der Liebe immer mächtiger und mächtiger; und
wenn dann solche Menschen erst vollends die Höhe erreicht haben, so ist das
freundschaftliche Gefühl bei jedem schon so weit ausgedehnt und verstärkt
worden, daß solche Menschen oft, wenn sie es auch wollten, dennoch nicht können,
sich länger gegenseitig unfreundlich zu begegnen.
[Gr.01_010,07] Sind die Gemüter härter, so lassen dann solche Geister auf einem
hohen Berge über zwei solche gegenseitigen Feinde ein tüchtiges Ungemach kommen,
daß darob beide in augenscheinliche Lebensgefahr geraten. Dieses ist dann ein
Universalmittel, welches lange Feindschaften gar leicht mit einem Schlage in die
intimste Freundschaft verwandelt.
[Gr.01_010,08] Daß solches unfehlbar richtig ist, soll euch ein anderes Beispiel
vollgültig zeigen.
[Gr.01_010,09] Daß zum Beispiel bei großen Elementarrevolutionen – als da sind
große, verheerende Ungewitter, große Überschwemmungen und noch andere derlei
Erscheinungen – selbst die reißendsten Tiere, wie Tiger, Löwen, Hyänen, Bären,
Schlangen, so sanft und vertraulich werden, daß sie sich gleich den Tauben
unschädlich und überaus sanftmütig zu den Menschen und zu den andern, zahmen
Tieren gesellen, könnet ihr aus den verschiedensten Erfahrungen, welche zu allen
Zeiten gemacht worden sind, zuversichtlich entnehmen.
[Gr.01_010,10] Ich mache euch nur auf einen solchen ähnlichen Fall aufmerksam,
und zwar auf denjenigen, welchen ihr bei der Überschwemmung der euch bekannten
Stadt Lyon in Frankreich sicher werdet gelesen haben.
[Gr.01_010,11] Wenn demnach solche Lebensgefahren sogar solche reißenden Tiere
freundlich stimmen, so werden sie solches wohl auch unter Menschen zuwege
bringen, und besonders sicher auf den Gebirgshöhen, wo die Gemüter von den
Friedensgeistern im geheimen tätigst bearbeitet werden.
[Gr.01_010,12] Entnehmet diesem Beispiel, wie die Berge reden; zum fleischlichen
Ohr reden sie freilich nicht, aber desto vernehmlicher zum Ohr des Geistes!
[Gr.01_010,13] Wie reden aber die Berge noch weiter, und was reden sie?
[Gr.01_010,14] Sehet, es lebt oft hier und da in der Tiefe ein eingeschrumpftes
Gemüt, das weiter keinen Sinn hat, als nur seinen Magen mit allerlei Speise und
Trank zu stopfen, und sich darauf irgendwo auf ein weiches Lager niederzulegen
und in seiner behaglichen Dummheit den Fraß auszuschlafen.
[Gr.01_010,15] Solche Menschen kennen von Meiner Macht, Kraft und Gewalt oft
kaum mehr als die Kinder im Mutterleibe, und es gereicht ihnen schon zum großen
Ruhme, wenn sie es nur so weit gebracht haben, daß sie schlechtweg Meinen Namen
auszusprechen imstande sind.
[Gr.01_010,16] Wenn solche Menschen dann einmal von irgendeinem wohltätigen
Freunde auf einen bedeutenderen Berg mitgezogen werden, so ist das auch der
erste Augenblick ihres ganzen Lebens, in welchem sie erwachen, sich da umsehen
und schauen, daß Gott, den sie sonst nur so schläfrig ausgesprochen haben, ein
bißchen größer und mächtiger sein muß, als Er von ihnen bis auf diesen
Augenblick gedacht wurde.
[Gr.01_010,17] Daß dieses ebenfalls wieder seine Richtigkeit hat, bekundet ja
das auf das klarste, daß fürs erste Gebirgsfreunde gewöhnlich sehr sanfte
Menschen sind; jene aber, welche früher höchst träge und einsilbig waren, werden
hernach gesprächig und wissen eine Menge zu erzählen, was alles ihnen bei der
Besteigung eines solchen Berges vorgekommen ist.
[Gr.01_010,18] Sehet, wie allhier die Berge wieder reden! Sie sind somit die
besten Sprachmeister und Zungenlöser für solche Menschen sogar, denen es nicht
selten zur Last ist, ihren eigenen Namen auszusprechen. Der Grund liegt auch
hier in der Erweckung des Geistes, durch welche denn auch die Seele und der Leib
belebter und tätiger werden.
[Gr.01_010,19] Wie reden denn die Berge noch?
[Gr.01_010,20] Es gehen zum Beispiel einige wißbegierige Menschen auf die Höhen
so mancher Berge, finden da nicht selten sogenannte Naturseltenheiten, wie da
dergleichen sind Muscheln, die da oft in einem oder anderen Felsen stecken, oder
sie finden versteinerte Knochen, oder sie finden eine diesem oder dem anderen
Berge durchaus nicht eigentümliche Steingattung, oder sie finden verschiedene
seltene Pflanzen und dergleichen noch eine Menge. Bei solchen Auffindungen sagen
ihnen dann die Berge: „Sehet, da, wo ihr die Muscheln gefunden habt, ist einst
sicher Wasser gestanden; wo ihr die versteinerten Knochen gefunden habt, waren
dereinst üppige Fluren und dichte Wälder, auf und in denen die großen Tiere, von
denen die riesigen Knochen zeugen, hinreichendes Futter fanden; da, wo ihr
fremdartige Steine findet, sind irgend große Elementarrevolutionen vor sich
gegangen, durch welche diese fremden Körper dahergeschleudert worden sind; allwo
ihr aber besonders schöne, wohlduftende und eigentümliche Pflanzen findet, da
möget ihr euch daran erinnern, daß fürs erste diese Pflanzen noch fortlebende
Überreste einer vorzeitlichen Vegetation sind und daher auch kräftiger und
wohlduftender sind denn diejenigen, die da, schon gewaltig degeneriert,
einförmig die Ebenen und Täler zieren!“
[Gr.01_010,21] Sehet, also reden die Berge wieder und enthüllen oder eröffnen
vor den Augen dieser Wißbegierigen das große Geschichtsbuch der Vorzeit und
sagen ihnen, wie es einst ungefähr mag ausgesehen haben! Hier sind somit die
Berge die besten und zuverlässigsten Lehrer großer Welt- und Naturbegebenheiten
und zeigen ihnen im geheimen, wie unergründlich Meine Wege und wie
unerforschlich Meine Ratschlüsse sind.
[Gr.01_010,22] Dadurch werden solche bei sich oft etwas aufgeblasenen Gelehrten
sehr bedeutend gedemütigt, – und welche Predigt ist wohl besser als diejenige,
welche die Demut predigt?!
[Gr.01_010,23] Was und wie predigen die Berge noch?
[Gr.01_010,24] Sehet, so jemand ihre kahlen Scheitel erstiegen hat, dem werden
die höchst eigentümlichen Formationen dieser Berge die Frage entlocken: „Seid
ihr Berge schon von Uranfang an also dagestanden, oder seid ihr erst
nachträglich gebildet worden, und wie seid ihr zu dieser gegenwärtigen Form
gekommen?“
[Gr.01_010,25] Und der also fragende Mensch wird durch die vielen losgerissenen
Steine sogleich eine Antwort bekommen, welche also lauten wird: „Wir sind seit
unserer Entstehung schon gar gewaltig verändert worden; denn mehr als die Hälfte
unserer vormaligen Höhe ruht schon lange, die Tiefen der Täler und Gräben
ausfüllend, tief unter unserem gegenwärtigen Fuße begraben, und so du uns sehen
könntest im Verlaufe von nur einigen hundert Jahren, so würdest du uns sicher
nicht mehr erkennen!
[Gr.01_010,26] „So du aber siehst die verschiedenen Neigungen unseres Gesteins
und findest zwischen den Blättern dieses unseres Gesteins nicht selten noch
wohlerkenntliche Abdrücke von Pflanzen und Tieren, welche gewöhnlich nur die
tieferen Gegenden der Erde bewohnen und in denselben fortkommen, so kannst du ja
mit Sicherheit daraus schließen, daß wir dereinst selbst ebenes Land gebildet
haben und erst nach dem höchst weisen Ratschlusse des Schöpfers stückweise über
das flache Land erhoben worden sind.
[Gr.01_010,27] So du aber nun unsere Gräben, Schluchten, Klüfte, Riffe und Risse
beschaust, so kannst du daraus ja mit großer Leichtigkeit ersehen, wie da einst
Fluten und große Elementarstürme ihre Riesenkräfte an unserer harten Stirne
versucht und geübt haben!“
[Gr.01_010,28] Sehet, also reden wieder die Berge und erteilen den Menschen den
vollgültigsten Aufschluß über die Art ihrer Entstehung, ihrer Gestaltung, und
warum sie jetzt also aussehen!
[Gr.01_010,29] Wie und was reden denn die Berge noch?
[Gr.01_010,30] Sehet, wenn da ein oder der andere gewecktere Mensch seine Füße
auf ihre Höhen setzt und da nichts als kahles Gestein, mitunter Schnee und
Eisfelder findet, so sagen die Berge zu ihm:
[Gr.01_010,31] „Siehe, du stolzer, ruhmsüchtiger Mensch, der du nur immer
trachtest, dich stolz zu erheben, um über deine Brüder zu herrschen, wie mager
die Früchte der Höhe aussehen! Also, wie du uns hier kahl, kalt, gefühl- und
leblos findest, geradeso bist auch du in deinem Herrscherwahn!
[Gr.01_010,32] Unser kahles Gestein und unser Schnee und Eis wirken zwar segnend
für die Täler, da wir in steter Verbindung mit unserer umfangreichen Niederung
stehen und diese bei weitem größer ist denn wir selbst in unseren Höhen; was
würde aber mit uns geschehen, so wir täten wie du und zögen alle unsere
Niederungen herauf auf unsere Häupter? Würden wir da nicht alsbald zu einem
mächtigen, erderschütternden Falle kommen?!
[Gr.01_010,33] Daher lerne du von uns, ein wahrer Mensch zu sein! Sei kahl und
kalt und unfruchtbar in deinem Verstande, und laß denselben sich stets
erniedrigen, also wie wir uns stets erniedrigen, so wird deine Liebe dafür
wachsen und dein Leben zunehmen daselbst, wo du gleich uns vom Schöpfer berufen
bist, allein nur völlig lebendig zu sein! Laß daher auch du deinen vermeintlich
weitum sehenden Verstand stets durch deine Demut umwölkt und umnebelt sein,
damit er da zur tropfbaren, segensreichen Flüssigkeit werde, welche gleich
unseren Bächlein hinabfließt in die Tiefe deiner Liebe, um dieselbe segnend zu
beleben, also wie unsere Bächlein beleben unsere Niederungen und nähren alle
ihre Frucht!“
[Gr.01_010,34] Sehet, auch so reden die Berge!
[Gr.01_010,35] Wie und was reden aber die Berge noch?
[Gr.01_010,36] Sehet, es besteigt wieder ein anderer Mensch ihre Höhen!
[Gr.01_010,37] Dieser Mensch ist ein reicher Spekulant, dem nichts so sehr wie
Gold und Silber am Herzen liegt. Was sagen denn die Berge zu diesem Menschen, so
er sich allenfalls doch einmal soviel Zeit nimmt, ihnen einen Besuch
abzustatten?
[Gr.01_010,38] Oh, diesem Menschen geben sie eine gar vortreffliche Lehre und
sagen ihm: „Du törichter Mensch, wie weit und wie tief bist du gefallen! Siehe,
was du also liebst, das ist nichts als unser Unrat! Was würde aber dein Bruder
zu dir sagen, so du von ihm nichts anderes lieben möchtest als nur seinen Unrat
und stinkenden Kot?
[Gr.01_010,39] Möchte er nicht zu dir sagen: ‚Lieber Bruder, in welch großen
Wahnsinn bist du geraten, daß dir von deinem Bruder nichts mehr heilig und
wohlgefällig ist denn nur sein Unrat?!‘
[Gr.01_010,40] Siehe alsonach, du törichter Mensch: was dir dein Bruder sagt,
das sagen wir dir mit noch bei weitem größerem Recht! Denn siehe, wie viele
herrliche Pflanzen wachsen auf unseren Höhen und Triften und nähren die
nützlichen Tiere des Landmannes! Wie viele tausend und tausend der schönsten
Bäume wachsen auf uns und geben dir Holz in großer Menge, damit du dasselbe
gebrauchen kannst zu zahllosen nützlichen Dingen! Zähle einmal die
kristallreinen Quellen, welche wir auf vielen tausend Punkten ausliefern und
damit die Ebenen und Täler segnen! Wie oft siehst du unsere Scheitel in Wolken
eingehüllt und schauerliche Stürme um unsere Stirn toben, – siehe, solches
nehmen wir auf uns, damit die von uns gesegneten Täler und Ebenen vor großen
Verheerungen verschont bleiben! Jahraus und jahrein siehst du unsere Scheitel
unter ewigem Schnee und Eise begraben; siehe, dadurch ziehen wir so vielfachen
Frost an uns, damit die Täler und Ebenen sich der lebendigen Wärme erfreuen
können!
[Gr.01_010,41] Sage uns nun, du törichter Mensch, was Übles haben wir dir denn
getan, daß du alle diese unsere Wohltaten verkennst, dich dafür gleich einem
Spulwurm der Tiere in unsere Eingeweide verkriechst und dort dem nachjagst, das
für dich keinen Segen in sich birgt, uns aber dabei unbeachtet läßt, die wir
dich doch nach der Anordnung deines und unseres Schöpfers stets so reichlich mit
lebendigem Segen versehen?!
[Gr.01_010,42] Daher laß ab von deiner Torheit, und wühle in Zukunft statt in
unseren Eingeweiden lieber auf unseren Triften und Höhen herum, und sei
versichert: eine Pflanze, ein Tropfen aus einer unserer Quellen und ein Blick
von unseren Höhen, hingesandt in den fernen Wirkungskreis deines allmächtigen
Vaters und unseres Schöpfers, werden dir einen unaussprechlich größeren Nutzen
bringen, als so du alle unsere Eingeweide ausgeräumt hättest!“
[Gr.01_010,43] Sehet, dieser guten Predigt zufolge ist es auch schon zu öfteren
Malen geschehen, daß aus sehr habsüchtigen Menschen, wenn sie nur einige Male
den Bergen einen Besuch abgestattet haben, sogleich ganz freigebige und
gastfreundliche Menschen geworden sind.
[Gr.01_010,44] Solches also predigen und lehren wieder die Berge. Was sie aber
noch alles lehren und predigen, das wollen wir in der Fortsetzung vernehmen; und
somit lassen wir es für heute wieder gut sein!
11. Kapitel – Die Stärkung des Gemüts und der inneren Sehe in der Bergwelt.
[Gr.01_011,01] Was lehren und predigen die Berge denn noch?
[Gr.01_011,02] Was die Berge noch lehren und predigen, davon kann sich ein jeder
unbefangen denkende Gebirgsbesteiger auf den ersten Blick überzeugen und in
seinem Gefühle recht klar und deutlich die Worte vernehmen, welche also lauten
dürften:
[Gr.01_011,03] „Siehe uns an, du staubbelasteter Erdenpilger, wie frei und
unabhängig wir von unsern hohen Scheiteln in die weite Ferne der Schöpfungen
Gottes dahinblicken! Eine freie Luft weht um unsere Stirnen, und der Sonne
Strahl bricht sich sanft über unsere hohen Rücken! Kein Grenzstein sagt hier dem
Wanderer: ,Bis hierher und nicht weiter!‘, sondern wo immer er seinen Fuß
hinsetzt, betritt er seinen eigenen Boden. Denn von dem Boden, auf welchem er
geboren ward, muß gesteuert werden; wir aber sind ohne Grenzsteine, und für
unsere Scheitel wird keine Steuer entrichtet. Daher bist du, Wanderer, auf
unseren Höhen völlig zu Hause!“
[Gr.01_011,04] Daß diese Worte vollkommen richtig sind, davon kann sich ein
jeder leicht überzeugen, wenn er je solche hohen Triften der Gebirge betritt.
Wie da seine Augen einen weitgedehnten Sehkreis bekommen, also bekommt auch sein
Gemüt einen weitgedehnten Gefühlskreis, und dadurch werden seine Gedanken mit
dem Gefühl vereinigt, und er, der vielleicht noch nie im Herzen gedacht hat,
empfindet nun zum ersten Male, wie süß, lieblich und frei die Gedanken des
Herzens schmecken, und um wie vieles weiter sie sich über den Horizont des
gewöhnlichen Verstandes erstrecken.
[Gr.01_011,05] Wenn solches nun der Fall ist, wird es da nicht behaglicher in
dem armseligen Kopf, da auch um seine Stirn freiere Lüfte aus dem hohen Reich
der Geister wehen?! Und wird es nicht einheimischer und traulicher sein, sich
allda zu befinden, wo die Strahlen des sonst so hitzigen Verstandes sanft
gebrochen werden und sich nach solcher Brechung gar lieblich in das frei
gewordene Herz hinabsenken?!
[Gr.01_011,06] Wo ist auf diesen Höhen ein Zollverein der Gedanken anzutreffen
und wo eine Taxierkammer dessen, was da ist ein freies Eigentum des
unsterblichen Geistes?! Wo ist da ein Grenzstein anzutreffen, über welchen die
fühlende Seele nicht treten soll?!
[Gr.01_011,07] Ja, hier lernt der unbefangene Wanderer – wenn er nicht mit
verstopften Ohren und verbundenen Augen solche Höhen betritt –, was das heißt:
frei sein in der Höhe seiner Gedanken und in der Tiefe seines Gefühls, und wie
selig es ist, wenn diese zwei sich unbefangen die Hände reichen können, und wie
selig da der Gedanke an Gott ist, wenn Ihn der Wanderer aus der Tiefe seines
Herzens frei bekennen und Ihn lieben und anbeten kann in dem freien großen
Tempel der Unendlichkeit!
[Gr.01_011,08] Saget Mir, welcher nur einigermaßen innerlich geweckte Mensch
wird nicht von diesem heiligen Gefühl beseelt sein, so er sich an einem heitern
Morgen auf einer solchen geheiligten Höhe befinden möchte?!
[Gr.01_011,09] Der Mensch kann zwar auch in der Tiefe Heiliges und Großes
denken; aber es geht ihm dabei, als wenn er mit ziemlich hungrigem Magen in
einem Buche die Beschreibung einer guten Mahlzeit liest, bei welcher Gelegenheit
ihm die wirkliche Mahlzeit ums Hundertfache lieber wäre denn hundert noch
vortrefflichere Mahlzeitbeschreibungen, von denen er aber dessenungeachtet
dennoch nichts abbeißen kann.
[Gr.01_011,10] Also ist auch auf solchen Höhen ein inneres Gefühl und die innere
Wahrnehmung gerade um so viel kräftiger und mächtiger gegen das, was er in
seiner Kammer empfindet, als um wieviel da kräftiger und mächtiger ist eine
wirkliche Mahlzeit gegenüber einer beschriebenen. Oder welcher Mensch hat ein
lebendigeres Gefühl: einer, der seine lebendige zukünftige Braut am Arme führt,
oder derjenige, der sich dieselbe mit den allerschönsten Farben kunstgerecht
entweder gemalt oder beschrieben hat? Sicher wird ein jeder die lebendige
ergreifen und wird dem andern sein Gemälde und seine Beschreibung unangetastet
lassen!
[Gr.01_011,11] Also ist es auch hier der Fall! Auf solchen Höhen findet der
Wanderer gastfreundlichst dasjenige, was ihm in der Tiefe alle Mühe und
Anstrengung nicht zu geben vermag. Daher ist es wohl gar gut und nützlich in
jeder Hinsicht, sich zu öfteren Malen die Mühe nicht gereuen zu lassen, eine
oder die andere Gebirgshöhe zu besteigen. Der Gewinn ist ja ein doppelter und
reichlicher: Fürs erste werden dadurch alle naturmäßigen Lebensgeister gestärkt;
jedoch ist dieser Gewinn der geringere, obschon eine Gebirgsbesteigung besser
ist denn zehn Apotheken und ebensoviel der renommiertesten Ärzte. Bei weitem
größer aber ist der Nutzen für den Geist, weil dieser eine so große Stärkung von
seiner ursprünglichen Heimat aus bekommt.
[Gr.01_011,12] Wer von euch, so er Gebirge bestiegen hat, wird sich dessen nicht
erinnern, daß ihm zwischen den hohen Alpen traulicher und heimlicher zu Gemüte
war, als wenn er sich in einer noch so volkreichen Stadt befinden möchte?!
[Gr.01_011,13] Woher rührt denn solches Gefühl?
[Gr.01_011,14] Frage nur die Berge, und sie werden dir alsbald durch eben dieses
Gefühl sagen: „Siehe, was dir dein inneres Gefühl – freilich wohl noch etwas
dunkel – sagt, ist volle Wahrheit; denn hier bist du wahrhaft zu Hause, und zwar
im Kreise deiner vielen Voreltern, welche sich in entsprechender Weise schon
lange hier überselig befinden!“
[Gr.01_011,15] Sehet, solches alles lehren auch die Berge! Was lehren und
predigen sie aber noch? Höret sie nur ferner an; sie wissen noch allerlei zu
erzählen!
[Gr.01_011,16] Um euch solches, was da noch kommt, ein wenig näher vor Augen zu
stellen, so will Ich euch auch eben aus einer solchen Gebirgsbegebenheit ein
kurzes Histörchen zum besten geben:
[Gr.01_011,17] Es war einmal ein frommer Mann; er war an Jahren schon sehr
vorgerückt. Dieser Mann hatte gar viele Prüfungen zu bestehen, und unter diesen
Prüfungen war auch diese eine der stärksten, daß er bis auf seine jüngste nahezu
zwanzig Jahre alte Tochter alle seine Kinder samt seinem ihm überteuren Weibe
verlor.
[Gr.01_011,18] Also stand er nun allein mit dieser seiner Tochter da, ein
Häuschen am Fuße einer bedeutend hohen Alpe bewohnend, bei dem sich eben so
viele Grundstücke befanden, daß sie ihn und sein Töchterchen nebst einer
bejahrten Magd und einem alten Knecht kümmerlich ernährten.
[Gr.01_011,19] Dieser Mann betete in Gesellschaft seines Töchterchens oft und
viel zu Mir, weinte dabei auch viel um die Seinigen und hatte oft eine große
Sehnsucht, ihnen bald nachfolgen zu können.
[Gr.01_011,20] Als er einmal an einem Sonnabend mit seiner Tochter nahezu über
die Mitternacht hinaus gebetet und geseufzt hatte und er samt der Tochter betend
und seufzend einschlief, da träumte es der Tochter, als sei sie mit dem alten
Vater auf dem höchsten Gipfel der Alpe gestanden. Und wie sie da freudig um sich
her blickte in die weiten Fernen hinaus, da bemerkte sie alsbald eine ganze
Menge lieblich weißer Wölkchen der Höhe zuschweben, und als diese Wölkchen
vollends zu der Höhe hinangeschwebt waren, da gewahrte sie alsbald, daß diese
Wölkchen vollkommen menschliche Wesen waren. Diese Wesen waren anfangs
verschleiert; aber bald lüfteten sie ihre Schleier, und sie, die Tochter nämlich
und der alte Vater, erkannten sogleich überseligen Herzens, daß diese Wesen ihre
vorangegangenen Teuren waren, von denen die Mutter alsbald zu ihrem geliebten
Gatten trat, ihn herzte und koste. Der Gatte, als der Vater der Tochter, aber
weinte vor übergroßer Freude ob dieses seligen Wiedersehens. Darauf aber begab
sich die Mutter zur Tochter, küßte sie und sagte zu ihr:
[Gr.01_011,21] „Liebe Tochter, also wie du dich mit deinem Vater jetzt allhier
befindest, eben also sollet ihr euch beide morgen nachmittag hier befinden, da
werdet ihr noch mehr sehen und empfinden denn jetzt; aber darob sollet ihr
daheim nichts versäumen, was euch was immer für eine Ordnung der Dinge
vorschreibt!“
[Gr.01_011,22] Nach diesen Worten erwachte die Tochter sogleich und weckte durch
ihr Erwachen ihren noch schlafenden Vater, und da dieser den Anbruch des Tages
merkte, so blieb er nach alter Gewohnheit auch sofort wach, stand auf, kleidete
sich an und weckte dann auch das Hausgesinde. Nach dieser Arbeit aber begab er
sich wieder in sein Zimmerchen, allwo er sein Töchterchen schon angekleidet und
das Morgengebet verrichtend fand.
[Gr.01_011,23] Er segnete sein Töchterchen und küßte es, kniete dann selbst
nieder und verrichtete mit ihm seine Morgenandacht. Als aber beide damit fertig
waren, da standen sie auf, das Töchterchen umarmte seinen alten Vater und küßte
ihn gar traulich und herzlich, so daß der Vater es ihm ansah, daß es
übergewöhnlich fröhlichen und heiteren Mutes war. Er fragte es auch alsobald:
„Mein liebes Töchterchen, wie kommt es denn, daß du heute gar so munter und
fröhlich bist?“
[Gr.01_011,24] Das Töchterchen aber sagte zu ihm: „Aber lieber Vater, hat denn
dir heute gar nichts geträumt?“
[Gr.01_011,25] Der Vater aber erwiderte: „Es kommt mir wohl vor, als hätte mir
etwas geträumt; allein was, – das wäre mir unmöglich herauszubringen!“
[Gr.01_011,26] Das Töchterchen aber erzählte nun dem Vater seinen Traum, welchen
er mit großer und sichtbarer Bewegung seines Gemütes anhörte und dann nach der
beendeten Erzählung sagte: „Höre, mein liebes Töchterchen, was dir geträumt hat,
das wollen wir heute auch in der Wirklichkeit ausführen!
[Gr.01_011,27] Daher wollen wir uns sogleich jetzt in der Frühe in die nicht
ferne Kirche begeben, daselbst dem Gottesdienste wohlandächtigen Herzens
beiwohnen, sodann zu Hause unser Mahl nehmen und uns dann in Begleitung unseres
alten Knechtes hinauf auf die Höhe begeben. Wenn wir nur eine Stunde vor dem
Mittage fortgehen, so sind wir bis zum Nachmittag um die dritte Stunde ja gar
leicht auf der besagten Vollhöhe unserer herrlichen Alpe und können bei dieser
Gelegenheit auch im Namen des Herrn nachsehen, was unser Hausvieh und unsere
zwei Hirten da oben machen, und ob alles gesund und in gutem Zustande ist.“
[Gr.01_011,28] Wie gesagt, also auch getan! Um 3 Uhr nachmittags stand unsere
kleine Familie schon auf der Vollhöhe; wie aber das Töchterchen es im Traume
gesehen hatte, so sah sie auch jetzt in der Wirklichkeit ganz gleiche Wölkchen
sich gegen die Höhe begeben.
[Gr.01_011,29] Als diese Wölkchen näher und näher kamen, bemerkte sie auch der
Vater und mit ihm auch der alte Knecht; und als die Wölkchen endlich vollends
die Höhe umschwebten, da gestalteten sie sich auch alsbald zu den im Traume
schon kundgegebenen Wesen.
[Gr.01_011,30] Als der alte Vater in diesen Wesen die Seinigen erkannte und sah,
wie diese auch gar so liebend ihn umfingen, daß er darum nicht im geringsten
mehr zweifeln konnte, daß das wahrhaft seine seligen Teuren seien, da weinte er
laut vor Freude und dankte Mir mit dem inbrünstigsten Herzen, daß Ich ihm noch
in diesem Erdenleben eine so große Seligkeit habe zukommen lassen.
[Gr.01_011,31] Nach solchem Dankgebet aber wurde seinem Geiste die innere Sehe
völlig geöffnet. Da sah er alsbald die ganze Höhe verklärt und verwandelt in
eine himmlische Gegend und sah da die herrlichen Wohnungen der Seinigen. Und aus
einer Wohnung sah er einen Mann treten, der da hatte ein großes Gefolge; und
dieser Mann begab sich geradewegs zu unserm alten Manne hin und sagte zu ihm:
[Gr.01_011,32] „Sieh, mein lieber Sohn, wo es auf der Erde bunt und lebendig
zugeht, da sieht es im Geiste leer und tot aus; wo es aber auf der Erde
aussieht, als hätte der Tod für alle Zeiten seine Ernte gehalten, da ist es im
Geiste um so lebendiger und lebensvoller!
[Gr.01_011,33] Siehe, auf den hohen Alpen wächst zwar kein Getreide, und es sind
keine Weinberge, keine Fruchtbäume, wie auch keine Goldbergwerke anzutreffen,
was aber dafür anzutreffen ist im Geiste, das siehst du jetzt im Geiste durch
die Gnade des Herrn vor deinen Augen enthüllt!
[Gr.01_011,34] Du wirst noch eine kurze Zeit die Erde mit deines Leibes Füßen
betreten; wachse aber in dieser Zeit in der Liebe zum Herrn! Und siehe dort
neben meiner Wohnung einen zweiten herrlichen Palast; dieser ist schon für dich
bestimmt und für die Deinigen, wenn du das Zeitliche verlassen und antreten
wirst das freie, ewige Leben!“
[Gr.01_011,35] Bei diesen Worten erkannte unser alter Mann, daß dieser Redner
sein irdischer Vater war, – nach welcher Erkennung das selige Gesicht alsbald
verschwand. Unsere Wanderer behielten davon das lebendige, selige und stärkende
Gefühl, priesen und dankten Mir darauf für solche erzeigte Gnade und kehrten
sodann heiteren und gestärkten Mutes wieder in ihre irdische Heimat zurück.
[Gr.01_011,36] Der bisher traurige Mann verlebte dann die übrige Zeit noch recht
heiteren Mutes und voll Liebe und Dankbarkeit zu Mir auf der Erde; und so sich
seiner noch dann und wann eine überflüssige Schwermut bemächtigte, dann machte
er, wenn es nur immer seine leiblichen Kräfte gestatteten, alsbald einen Besuch
unserer vorbezeichneten Höhe, von welcher er allzeit wieder neu gestärkt
zurückkehrte.
[Gr.01_011,37] Sehet, solche Geschichten erzählen auch die Berge, – wenn auch
nicht für jedermann mit vernehmlichen Worten, aber desto mehr mit einer sehr
wahrnehmbaren Einflüsterung in das Gefühl der Seele und durch diese auch zur
Liebe des Geistes.
[Gr.01_011,38] Wenn ihr euch zufolge dieses Wissens bei guter Gelegenheit auf
irgendeinen Berg von einer bedeutenderen Höhe begebet und euch daselbst solche
Gefühle anwandeln, so könnt ihr daraus sicher schließen und sagen: „Ja, das sind
wahrhaft heimatliche Gefühle! Wie süß und angenehm sind sie, und wie herrlich
muß es sein für diejenigen, welche sich schon für ewig in diesem stillen
Heimatlande befinden!“
[Gr.01_011,39] Denn ihr könnt es glauben, daß solche Gefühle nicht etwa allein
Wirkungen der für sich dastehenden Höhen sind, sondern sie entstammen den euch
umgebenden seligen Geistern, die gleich Mir euch vorangegangen sind, um für euch
eine bleibende Stätte zu bereiten. Doch müsset ihr dabei etwa nicht einseitig
sein und denken: „Dieser oder jener Berg ist es, wo solche Wohnungen im Geiste
aufgerichtet sind!“, sondern was hier gesagt ist, das gilt zumeist von jedem
Berge, auf welchem die Grenzsteine des zeitlichen Eigentumsrechtes weit
voneinander abstehen.
[Gr.01_011,40] Ähnliche Gefühle möget ihr wohl auch schon auf unbedeutend hohen
Hügeln gewahren; aber lebendig werden sie erst da, wo die Axt des Holzhauers
nichts mehr zu tun hat.
[Gr.01_011,41] Solches also erzählen, lehren und predigen auch die Berge. Was
sie aber außerdem erzählen, lehren und predigen, das wollen wir noch in der
vorletzten Mitteilung mit vieler Klarheit dartun; daher lassen wir es für heute
wieder gut sein!
12.
Kapitel – Die Berge als Stätten göttlicher Offenbarung.
[Gr.01_012,01] Was predigen und lehren die Berge denn noch?
[Gr.01_012,02] Auch solches wollen wir wieder in einer einfachen und kurzen
Geschichte vernehmen. Und so höret denn:
[Gr.01_012,03] Ein recht frommer Mann ging einst schon lange mit dem Gedanken
um, ob es denn durchaus nicht möglich wäre, sich auf einen Augenblick nur auf
der Welt der großen Gnade teilhaftig zu machen, daß er Mich – nur auf einen
Augenblick – zu sehen bekäme. Dabei dachte er sich aber auch, was alles er darum
tun wolle, um zu dieser Gnade zu gelangen.
[Gr.01_012,04] Bei diesem Gedanken schweifte er lange Zeit umher gleich einem
Jäger um einen dichten Forst, bei dem er nicht weiß, wie er in denselben
eingehen soll, und in welchem Teile desselben sich ein Wild befindet. Er suchte
somit auch die Fährte; allein solche ist dort schwer zu finden, wo alles dicht
mit allerlei Gebüsch verwachsen ist.
[Gr.01_012,05] Unser alter frommer Mann war zwar wohl bei sich dessen gewiß, daß
der Mensch in diesem Leibesleben solcher Gnade unwürdig ist und es daher
schwerhalten möchte, das zu erreichen, wonach er sich sehnte.
[Gr.01_012,06] Aber auf der andern Seite war seine Begierde wieder zu mächtig,
als daß sie dieser Einwendung hätte Gehör geben können.
[Gr.01_012,07] Daher beschloß er auch nach langem Umherirren seiner Gedanken,
sich auf einem benachbarten ziemlich hohen Berge eine Stätte auszusuchen und
dahin so oft zu wandeln und sich daselbst in anhaltendem Gebet zu sammeln, sooft
es nur immer seine Zeit und andere Umstände gestatten möchten.
[Gr.01_012,08] Damit er sich aber die Stelle wohl merken konnte, machte er ein
Kreuz und befestigte dasselbe an dieser Stelle. Als nun solche Arbeit vollzogen
war, da gelobte er Mir feierlichst, daß er auf diesem Platze nicht eher zu
seufzen und zu beten aufhören wolle, als bis Ich ihn erhören würde. Ja er sagte
sogar, er werde entweder hier sterben oder Mich zu Gesichte bekommen und werde
nicht eher von dieser Stelle weichen, als bis Ich Mich ihm zeigen würde.
[Gr.01_012,09] Wie beschlossen und vorbereitet, also auch getan!
[Gr.01_012,10] Bei drei Jahre lang verfügte sich unser Mann, sooft es nur immer
die Umstände zuließen, an diese Stelle und betete da allerinbrünstigst oft viele
Stunden lang zu Mir um die Erhörung seiner Bitte. Sooft er sich aber in dieser
Angelegenheit da befand, war er auch allzeit unsichtbarerweise weit und breit
umringt von vielen Tausenden frommer Geister. Diese stärkten ihn nach Meinem
Willen so sehr, daß er sich nach Verlauf von anderthalb Jahren schon vollkommen
der inneren Sehe des Geistes bedienen konnte, und so war es ihm auch ein
leichtes, sich daselbst mit gar vielen ihm verwandten Geistern zu besprechen
über das, was ihm so außerordentlich am Herzen lag.
[Gr.01_012,11] Die guten Geister belehrten ihn zwar einstimmig, daß sein
Vorhaben im eigentlichen, wahren, Gott wohlgefälligen Sinne etwas töricht sei,
und sagten ihm noch hinzu, daß ja das schon ohnehin eine große Gnade für ihn
sei, daß Ich ihm das Auge des Geistes geöffnet habe, damit er allzeit sie, seine
geistigen Brüder, sehen und sich mit ihnen besprechen könne über allerlei, was
da ist und sein wird und kommen wird über den Erdboden. Allein solche Lehre von
seiten der guten Geister fruchtete bei ihm in dieser Hinsicht wenig; denn er
entgegnete ihnen allzeit darauf, sagend nämlich: „Meine lieben Brüder und
reineren geliebten Freunde meines und eures Herrn! Ich kann euch ein und für
alle Male nichts anderes sagen, als was ich euch schon öfter gesagt habe;
solches aber ist und lautet, wie ihr wisset:
[Gr.01_012,12] Wenn ich nur Ihn zu sehen bekomme und Ihn habe, dann ist mir die
ganze Welt mit dem ganzen Himmel um einen schlechten Pfennig feil! Und so möget
ihr reden, was und wie ihr nur immer wollt, so werdet ihr mich dennoch ewig
nicht von meinem Vorhaben abbringen; denn ich will und ich muß Ihn sehen, Ihn,
den allein ich nur über alles liebe! Er allein ist mir alles; alles andere aber
ist mir nichts!“
[Gr.01_012,13] Sooft aber diese guten Geister von unserem Manne solche Sprache
vernahmen, schlugen sie sich an die Brust und lobten ihn wegen seiner großen
Liebe zu Mir. Und also war ihre Arbeit vergebens. Als sie aber solches merkten,
da hielten sie sich eine Zeitlang bei seinen Besuchen dieser Stelle so fern von
ihm, daß er da niemanden weiter zu sehen bekam und auch nichts anderes als das,
was seine fleischlichen Augen sahen.
[Gr.01_012,14] Er ward dadurch der Meinung, als könnte ein solches Verlangen
denn doch sündhaft sein, da ihn die Geister also verließen, und so dachte er
wieder eines Tages lange hin und her, was er da tun solle. Sollte er entweder
der Belehrung der Geister folgen, oder sollte er dem getreu bleiben, wozu ihn
sein Gefühl so mächtig antrieb.
[Gr.01_012,15] Endlich siegte aber dennoch das Gefühl über alle Geister; denn er
sagte bei sich selbst: „Es sei dem, wie es wolle! Daß ich vor Gott ein Sünder
bin, das zeigt mir ja mein eigener Leib; denn wäre ich kein Sünder, so hätte ich
auch sicher nicht dieses sündige Zeugnis des Todes um mich. Ich aber bin ein
Sünder, solange ich diesen Leib umhertrage. Aber was kann der Sünder denn dafür,
wenn in seinem Leibe der Geist entzündet wird von der heißen Sehnsucht, Den zu
schauen, Der ihn erschuf fürs ewige Leben?! Und so will ich denn meinem ersten
Vorsatze getreu bleiben, und möge da kommen, was da wolle: meine Liebe zu Gott
soll dennoch nicht geschwächt werden; eher will ich mich zu Tode lieben, als von
dieser Liebe nur um ein Haarbreit weichen!“
[Gr.01_012,16] Diesem Beschlusse zufolge ging unser Alter wieder fleißig an die
besagte Stelle und betete noch viel inbrünstiger denn zuvor.
[Gr.01_012,17] Als unter solchen Gebeten auf diesem Berge nahezu drei Jahre
vergangen waren, da kam zu unserem Manne ein anderer gut aussehender, aber sonst
ärmlicher Mensch und ließ sich mit unserem Beter in folgendes Gespräch ein.
[Gr.01_012,18] Er fragte ihn: „Lieber Mann, was tust du denn hier auf dieser
Höhe?“ Und der Beter erwiderte ihm: „Mein guter Freund, wie du siehst: ich
bete!“ Wieder sagte zu ihm der Fremde: „Weißt du denn nicht, daß man nur in den
Bethäusern dem Herrn dienlich betet; du aber scheinst dieselben zu meiden und
verrichtest somit deine ganze Andacht nur auf diesem Berge?“ Darauf erwiderte
ihm unser Beter: „Lieber Freund, das ist wohl wahr; dessenungeachtet aber gehe
ich doch auch, wenn das Wetter für diese Stelle ungünstig ist, in ein Bethaus!
Doch muß ich dir offen bekennen, daß ich in einem Bethause noch nie mit der
wahren Andacht habe beten können, wohl aber auf dieser mir so ganz eigens heilig
vorkommenden Höhe! Ich muß dir dazu noch offen bekennen: Wenn ich da um mich her
blicke und schaue da das liebe Gras, die schönen Wälder, mit denen der Fuß
dieses Berges so reichlich geziert ist, und über mir den weiten, freien Himmel
an, da sagt mir mein inneres Gefühl: ‚Siehe, diese Verzierungen des großen
Tempels Gottes sind Seiner allmächtigen Hand sicher näher als diejenigen
Schnitzwerke, mit welchen ein gemauertes Bethaus geziert ist!‘ Nach solchen
Gedanken bin ich denn wieder vollkommen in meinem Element und begebe mich auf
diese meine Höhe und bete da aus dem tiefsten Grunde meines Herzens.“
[Gr.01_012,19] Auf diese Äußerung sagte der Fremde: „Mein lieber Freund, in
diesem Punkte bin ich mit dir vollkommen einverstanden; aber nur möchte ich von
dir noch erfahren, aus welchem innern tieferen Grunde du diese Stelle ausersehen
hast für deine Andacht!“
[Gr.01_012,20] Bei dieser Frage stutzte unser Beter ein wenig, bedachte sich
aber doch bald und erwiderte dem Fremden: „Siehe, mein lieber Freund, manche
Menschen bitten um Gesundheit, manche um Vermögen, manche um dies und manche um
jenes, – allein um alles dieses bitte ich nicht; denn mir ist nur an einem alles
gelegen, und dieses ist der Herr, mein Gott! Und Diesen möchte ich nur einmal
sehen in diesem meinem irdischen Leben; denn daß dieses Leben für ein öfteres
Sehen nicht geeignet ist, weiß ich wohl. Habe ich dieses erreicht, so habe ich
mehr erreicht, als was mir alle Erde und Himmel bieten können! Daher will ich
auch eher hier sterben, als von diesem meinem Vorsatze nur um ein Haarbreit
abweichen; und habe ich das erreicht, so will ich dafür auf dieser Stelle Gott
danken und loben mein Leben lang!“
[Gr.01_012,21] Nach diesen Worten fragte ihn der Fremde wieder: „Wie stellst du
dir denn Gott vor? Denn es könnte ja sein, daß Er zu dir käme, Sich dir zeigte
und mit dir redete in einer oder der andern Gestalt; wenn du Ihn aber nicht
erkenntest, dann wäre ja all dein Beten umsonst, so es auch Gott, dein Herr, gar
wohl erhört hätte!“
[Gr.01_012,22] Bei dieser Frage stutzte unser Beter noch mehr, und er sagte
endlich zum Fremden: „Mein lieber Freund, da hast du mir wirklich etwas sehr
Wichtiges gesagt; denn siehe, über diesen Punkt haben sich meine Gedanken noch
nie erstreckt, und ich muß dir nun gestehen, daß ich mir darüber eigentlich gar
keine Vorstellung machen kann! Mein Begriff über das Wesen Gottes ist also
verworren, daß ich noch bis auf diese Stunde nicht weiß, ob es da einen Gott
gibt, der ungefähr also aussieht wie ein großer Mensch, oder ob dieser Gott aus
drei Menschen besteht, welche sich aber dessenungeachtet fast also ausnehmen
dürften, als hätten sie nur einen gemeinsamen Leib. Oder ist das Wesen Gottes
ein unendliches Licht, in welchem diese drei göttlichen Personen schweben und
wirken? Kurz und gut, lieber Freund, ich kann dir darüber fürwahr keinen
vollgültigen Bescheid geben! Siehe, diese Ungewißheit war auch am meisten der
Grund, warum ich mir auf dieser Höhe diese Stelle ausgesucht habe; denn ich muß
dir offen gestehen, ich möchte lieber nicht sein, als also sein, daß ich nicht
zur Gewißheit dessen gelangen sollte, wie gestaltet da ist Derjenige, den ich
über alles liebe!“
[Gr.01_012,23] Hier erwiderte der Fremde unserm Beter wieder und fragte ihn:
„Hast du denn noch nie gelesen, was Christus einst von Sich aussagte, als die
Apostel Ihn angingen, daß er ihnen den Vater zeigen solle? Siehe, heißt es da
nicht: ‚Ich und der Vater sind eines! Wer Mich sieht, der sieht auch den Vater;
denn der Vater ist in Mir und Ich im Vater?!‘“
[Gr.01_012,24] Bei diesen Worten fing unser Beter ganz gewaltig an zu stutzen,
und er erinnerte sich sogleich der zwei nach Emmaus wandelnden Jünger und fragte
darauf etwas furchtsam den Fremden: „Lieber Freund! Sage mir, ob du nicht
irgendein Eremite oder sonst ein frommer und in der Heiligen Schrift
wohlunterrichteter Mann bist; denn mit solchen Worten kommt sonst kein
gewöhnlicher Mann zum Vorschein!“
[Gr.01_012,25] Auf diese Frage gab der fremde Mann unserm Beter keine Antwort
mehr, sondern ergriff ihn bei der Hand und hob ihn von der Erde und führte ihn
dann auf die Vollhöhe des Berges. Hier erst öffnete er wieder den Mund und sagte
zu unserm Beter: „Bruder, siehe, um was du drei Jahre lang flehtest, das steht
jetzt vor dir; siehe, Ich allein bin der Gott Himmels und der Erde, und außer
Mir gibt es keinen mehr!
[Gr.01_012,26] Bleibe Mir aber getreu in deinem Herzen, wenn du Mich auch also
fürder in diesem Leben nicht mehr sehen wirst! Wie du aber jetzt Meine süße
Vaterstimme hörst, so sollst du sie auch stets hören, sowohl auf dieser Höhe,
wie überall, wo du dich in Meinem Namen befinden wirst!
[Gr.01_012,27] Also aber hast du das Leben gefunden, und dieses wird dir
nimmerdar genommen werden. Wahrlich, Ich sage dir: Deine Seele wird nimmerdar
den Tod schmecken ewig! Amen.“
[Gr.01_012,28] Nach diesen Worten verschwand sogleich der hohe Fremdling, und
unser Beter weinte, lobte und pries den Herrn die ganze Nacht hindurch und
besuchte diese Höhe hernach noch emsiger als vorher.
[Gr.01_012,29] Sehet, auch solche wirklich wahren Tatsachen erzählen euch die
Berge! Daher gehet auch ihr gern auf die Berge, oder betet zum wenigsten im
Geiste auf den Bergen – welche sind ein reines Gemüt – zu Mir, so dürfte auch
euch das begegnen, was unserm frommen Beter begegnet ist.
[Gr.01_012,30] Was die Berge aber noch lehren, predigen und erzählen, wollen wir
noch in der letzten Mitteilung vernehmen, und so lassen wir es für heute wieder
gut sein!
13. Kapitel –
Die Berge als Spiegel unseres Innern.
[Gr.01_013,01] Was lehren und predigen die Berge denn noch?
[Gr.01_013,02] Die Berge führen noch solche Worte zu den sie beachtenden
Menschen, aus welchen ein jeder nur einigermaßen geistig geweckte Mensch gar
leicht entnehmen kann, wie es da noch steht um sein Gemüt.
[Gr.01_013,03] Demnach sind die Berge ein wahrer geistiger Spiegel für jene,
welche sich darin beschauen wollen.
[Gr.01_013,04] Wie denn aber solches?
[Gr.01_013,05] Ihr habt schon bei so manchen Gelegenheiten erfahren, daß für den
geistig geweckteren Menschen jede Erscheinung in der Natur irgendeine Bedeutung
hat, und namentlich habt ihr solches vernommen bei jenen Gelegenheiten, bei
denen euch ebenfalls einige Berge enthüllt worden sind.
[Gr.01_013,06] Demnach darf der geistig gewecktere Mensch nur einen flüchtigen
Blick auf einen ihm benachbarten Berg werfen und allda ersehen, wie gestaltet er
beleuchtet ist, ob er vollkommen rein oder mehr von einem bläulichen Dunst
umfangen ist, und welche Teile des Berges mehr oder weniger umdunstet sind, oder
ob er sogar irgendwo Nebel um den Berg erschaut, entweder in der Tiefe, in der
Mitte oder auf seinem Scheitel, oder ob sich über seinem Scheitel Wolken
befinden, und von welcher Art und Gattung diese Wolken sind.
[Gr.01_013,07] Ferner darf es einem solchen Beobachter nicht entgehen, welche
Gefühle sich seiner beim Anblick eines vor ihm stehenden Berges bemächtigt
haben, ob sie ihn in eine angenehme oder mehr wehmütige Stimmung versetzt haben,
oder ob er dabei eine große Begierde empfunden hat, diesen Berg baldmöglichst zu
besteigen, oder ob er ein diesem Gefühl gerade entgegengesetztes in sich
gewahrte, welches gewisserart mit einem sogenannten oder vielmehr empfundenen
Unmöglichkeitsgefühl gleichlautend ist. Also auch – was freilich wohl nur einem
geweckteren Gefühl eigen ist –, ob er bei dem Anblick eines Berges ein heiteres
Morgengefühl, oder ein zwar auch heiteres, aber doch mehr ermüdendes
Mittagsgefühl, oder ein schläfriges Abendgefühl, oder ein ödes, dumpfes
Mitternachtsgefühl in sich verspürte, und wie lange sich dasselbe, das ganze
Gemüt beherrschend, aufrechterhielt.
[Gr.01_013,08] Sehet, alle diese hier angeführten Punkte sind wohl zu beachten;
denn alle diese Erscheinungen und Empfindungen entsprechen allzeit auf ein Haar
dem inwendigen Zustande des Menschen. Nur ist dabei zu bemerken, daß da die
Empfindungen mit den Erscheinungen übereinstimmen müssen – denn die
Erscheinungen für sich geben noch kein vollgültiges Zeugnis –; wenn aber das
Gefühl mit der Erscheinung harmoniert, dann verkündet der Berg dem Menschen
genau, wie es mit ihm steht.
[Gr.01_013,09] So zum Beispiel: Ginge da jemand am Morgen aus und würde da
erblicken einen zwar ganz reinen Berg, dieser Berg aber erhöbe mitnichten sein
Gefühl, sondern erfüllte es nur mit einer heimlichen Bangigkeit – in diesem
Falle wäre die Erscheinung mit dem Gefühl unharmonisch; der Berg aber bliebe dem
Beschauer dessenungeachtet ein getreuer Spiegel. – Wie denn aber?
[Gr.01_013,10] Sehet, sobald die geistige Reinheit des Berges das Gemüt des
Beschauers abstößt, sagt der Berg dem Beschauer: „Mit welch unreinem Gemüt
beschaust du mich! Daher reinige dich, damit du in dir erhoben wirst über dein
Weltsinnliches, wie ich emporrage über den Schlamm der Tiefen, in dem nichts
denn elendes Gewürm, Frösche, Kröten und Schlangen wohnen!“
[Gr.01_013,11] In diesem Fall ersieht der Beobachter im Spiegel des Berges sein
Bild, wie er sein soll – aber nicht ist.
[Gr.01_013,12] Ein anderer unharmonischer Fall wäre dieser, daß ein Mensch
ebenfalls ausginge, entweder am Morgen oder zu einer andern Tageszeit, würde
aber da erschauen einen ganz umdüsterten Berg, hätte aber dabei ein vollkommen
heiteres und fröhliches Morgengefühl. Was hätte denn der Beschauer bei dieser
Gelegenheit dem umdüsterten Berge zu entnehmen?
[Gr.01_013,13] Wir wollen bei dieser Gelegenheit den Berg selbst einige Worte
von sich geben lassen, welche also lauten dürften: „Sieh mich an, du fröhlicher
Wanderer, im heiteren Morgen deines Gefühls! Du warst ehedem, wie du mich nun
erschaust, und warst düster und traurig. Eine erstickende Nacht drohte dich zu
verschlingen, und wie nun um mein ganzes Wesen, also umlagerten auch dich
schwüle und schwere Wolken. Du wußtest nicht, was sie über dich ausbrüten
würden. Es kamen gar bald gewaltige Stürme über dich hergezogen, und so mancher
Blitz traf dich aus deiner Wolkenmasse. Du aber verzagtest nicht, hattest mich
zum Vorbild in deiner Seele und standest da gleich mir: ein hoher Fels,
unerschrocken und Trotz bietend solcher Versuchung. Siehe, die Stürme, die dich
zu vernichten drohten, verwandelten sich gar bald in rettende Engel und
befreiten dich von der großen Last deiner Nacht. Somit, kleiner Freund im Tal da
unten – der du mich nun heitern Gemütes betrachtest, da ich begraben bin in der
Wolken Nacht und Stürme um meine Stirne wehen, als wollten sie mich vernichten
–, beachte wohl dieses Bild vor dir; denn nur dadurch wirst du im beständigen
Morgen deines Gefühls verbleiben, wenn du dir oft genug das Bild vor die Augen
stellst, wie es einst um dich aussah, als du mir in diesem meinem Zustande
glichst.
[Gr.01_013,14] Siehe, dieser Sturm wird mich nicht vernichten, und du wirst mich
gar bald wieder dir gleich erblicken; wohl dir, wenn du mich in meiner Reinheit
mit demselben Gefühl noch wirst ansehen können, mit dem du mich nun ansiehst, da
ich dir zeige, wie du dereinst warst!“
[Gr.01_013,15] Sehet, welch eine gute und nützliche Lehre so ein umwölkter Berg
einem reinen Gemüt gibt, indem er es zur wahren Demut leitet und der Betrachter
sich dann selbst sagen kann: „O Berg, wie oftmals warst du schon also umwölkt
und wie oftmals wieder rein; lasse mich daher stets erinnert sein, daß ein
gereinigtes Gemüt, solange es frei dasteht, auch gleich dir wieder kann umwölkt
werden! Damit aber solches soviel als möglich unterbleiben möge, soll mich
allzeit dein umwölkter Zustand daran erinnern und mir zugleich mit Donnerworten
zurufen: „Siehe, wie traurig es ist, wieder in die vorige Nacht zurückzusinken,
und wie schwer, solche Wolken zu tragen, die da gefüllt sind mit zahllosen
Blitzen, welche nicht fragen: ‚Wohin sollen wir schlagen?‘, sondern welche
schlagen, wohin sie treffen, und da zerschmettern und zerstören, was sie
treffen!“
[Gr.01_013,16] Sehet, das sind die zwei Kulminationspunkte der unharmonischen
Verhältnisse zwischen den Erscheinungen und den Empfindungen!
[Gr.01_013,17] Demnach können zwischen diesen zwei Extremen noch eine Menge
größerer oder kleinerer Gattungen unharmonischer Erscheinungen vorkommen, welche
aber diesen zweien zufolge alle leicht erkannt werden können, weil sie sich
nicht mehr über das Ganze, sondern nur über einzelne Teile erstrecken.
[Gr.01_013,18] Das Schwerste ist, die Totalerscheinung zu beurteilen; diese aber
ist bereits erläutert. Demnach ist jedes einzelne ja leicht zu erkennen,
geradeso, als wenn jemand eine allgemeine Rechenformel kennt und dann zufolge
dieser Formel jeden sonderheitlichen Fall gar leicht entziffern kann.
[Gr.01_013,19] Was aber die harmonischen Erscheinungen betrifft, so bedürfen
diese keiner weiteren Erklärung. Denn wo ein heiteres Gemüt einen heiteren Berg
erblickt, da wird es noch um so heiterer und sehnt sich hinauf auf die reine
Höhe; wo aber ein umdüstertes Gemüt einen schauerlich umdüsterten Berg erblickt,
da wird es noch um so düsterer und ruft schon heimlich im Geiste aus: „Berg,
falle über mich her und bedecke ganz und gar meine furchtbare Nacht!“ Ein
solcher Mensch sehnt sich sicher nicht nach der Höhe dieses Berges.
[Gr.01_013,20] So aber jemand ausgeht mit einem heiteren Gemüt und ein
umdüsterter Berg verstimmt es ihm, so ist eine solche Verstimmung als nichts
anderes anzusehen als eine Erweckung des eigentlichen Zustandes, in welchem sich
das Gemüt verborgenermaßen noch befindet, – oder der Berg zeigt es dem Menschen
an, was alles noch in ihm steckt.
[Gr.01_013,21] Das sind die Universalmomente der harmonischen Verhältnisse, nach
welchen sich ebenfalls jeder unbedeutende sonderheitliche Fall erkennen und
bestimmen läßt.
[Gr.01_013,22] Daß natürlicherweise die höheren Berge und namentlich die
Gletscher, wie unser Großglockner es ist, solches mit einer noch bei weitem
größeren Bestimmtheit an sich beobachten lassen denn andere, weniger hohe Berge,
versteht sich schon ohnehin von selbst, so jemand nur ein wenig in Erwägung
zieht, daß die Bestimmung eines Berges stets ausgedehnter wird, je höher er
seinen Scheitel über die gewöhnliche Habsuchtstiefe des Erdbodens erhebt.
[Gr.01_013,23] Daß ferner die Berge erst auf ihren reineren Triften
bedeutungsvoller werden, kann jedweder auch leicht aus dem Ganzen entnehmen,
weil, je reiner die Berge werden, es auch desto geistiger auf ihnen wird, – aus
welchem Grunde sie auch auf jedes Gemüt schon an und für sich einen größeren
Eindruck machen als geringere Erhöhungen.
[Gr.01_013,24] Wenn ihr aber noch bestimmter erschauen wollt, in welcher Region
die Berge, und mitunter auch, welche Berge da am wirksamsten sind, so dürft ihr
nur den ziemlich gelungenen Zeichnungen des Knechtes ein aufmerksames Auge
schenken. Aus denen werdet ihr gar bald zuunterst der Zeichnung diejenigen
Punkte erschauen, wo die Berge anfangen wirksam zu sein, und auch, welche Berge
am meisten wirken.
[Gr.01_013,25] Wollt ihr solches erkennen, da fraget nur nach aufmerksamer
Betrachtung eines jeden Stückes, wie dasselbe das Gefühl angeregt hat, und ihr
werdet daraus gar bald erkennen, wo sich die größere Wirkung äußert. Denn das
Bild ist ebenfalls eine Entsprechung zum Gegenstande, von dem es ein Abbild ist,
und kann auch im Geiste belebt werden zur nahezu völligen Wirklichkeit; nur muß
natürlicherweise ein Abbild mit desto größerer Aufmerksamkeit betrachtet werden,
damit es sich dadurch im Gefühl verwirklicht. Ist solches bei jemandem gewahrsam
erfolgt, dann mag er auch so manche nützliche Lehre aus einer solchen
Betrachtung ziehen.
[Gr.01_013,26] Daß wieder natürlicherweise ein solcher Berg in seiner
eigentümlichen Natur um vieles wirksamer ist, und zwar sogleich auf den ersten
Anblick, solches bedarf keiner weiteren Erörterung, sondern eines jedweden
eigene Erfahrung lehrt ihn ja dasselbe; und so hätten wir nicht nur den
Großglockner in allen seinen Teilen und Wirkungen dargestellt, sondern was da
gegeben ist, ist der Ordnung nach von allen Bergen zu verstehen, wie es
demzufolge auch zu verstehen ist für jedermann.
[Gr.01_013,27] Vorzugsweise aber sollen darunter die entsprechenden Berge im
menschlichen Herzen verstanden sein, welche da diesen wirklichen
entgegengehalten werden sollen, damit im Herzen dann ebenfalls eine solche
nützliche Fernwirkung entstehen möchte, wie sie da entsteht und fortwährend
besteht auf diesem euch nun bekanntgegebenen Berge.
[Gr.01_013,28] Solches beachtet demnach wohl, und prüfet euch danach, und tuet
danach, so wird der wahre innere Segen der Berge ebenfalls über euch also
ausgegossen werden, wie da die Berge ihren euch bekannten Segen ausgießen über
alles Land, – und solches ist wahr, richtig und getreu! Wie Ich aber vorzüglich
gern auf den Bergen war und sättigte da so viele Hungrige mit wenigen Broten und
zeigte Mich verklärt auf einem Berge und fuhr von einem Berge auf in Mein Reich,
– also sage Ich euch auch dieses von den Bergen und eröffne euch dadurch eine
große Pforte in das Reich des ewigen Lebens!
[Gr.01_013,29] Bedenket, daß Ich, der Urheber und Erschaffer der Berge, Mich
nicht umsonst gern auf den Bergen aufhielt und nicht ohne große lebendige
Bedeutung zum letzten Male auf einem Berge betete; daher folget Mir in allem
nach, so werdet ihr das Ziel, das Ich Selbst bin, schwerlich je verfehlen!
[Gr.01_013,30] Solches sage Ich, der Ich einst vom Berge den Himmel ausgeteilt
habe. Dies ist auch ein Teil des Himmels; nehmet ihn als einen großen Segen von
Mir, und werdet lebendig im Geiste ewig! Amen.